Disclaimer: Es gehört JKR, ich bedaure es sehr, doch das ändert es nicht, es gehört JKR.
A/N: Eine neue Geschichte. Ich persönlich halte sie nicht für besonders gut, aber sie spukte mir eine Weile im Kopf herum und wollte unbedingt gepostet werden, also hier ist sie. Enthält Folter, Vergewaltigung und andere häßliche Sachen, achtet also auf das Rating und lest es nicht wenn ihr's nicht mögt. Ich werde sie updaten, aber unregelmäßig, da ich eigentlich noch mit Schatten der Wahl beschäftigt bin. R&R (und zerreißt mich nicht in der Luft) P.
Wolfsrudel
1. Die Träumerin
Die Schlange wand sich im Kreis der dunklen Gestalten und hob ihren Kopf. Sie war schwarz, mit einem leuchtend grünen Muster, welches das wechselnde Licht wie Saphire erscheinen ließ. Es war fast, als würde ihr Atem stoppen, als sie der Kreatur zusah. Stolz, konnte sie sich nicht erwehren zu denken, und wunderschön... Sie hätte geweint, wenn sie gekonnt hätte. Die Gestalten näherten sich der Schlange, wie Raubtiere einer sicheren Beute. Ihr Kreis verengte sich, aber sie wusste nichts konnte dieser wunderbaren Kreatur etwas anhaben, diese Schlange war stärker als sie alle. Doch die Schlange senkte ihren Kopf, verbarg ihre onyxenen Augen, und im selben Moment stürzten sich die Angreifer auf sie und ihre dunklen Roben verbargen die Kreatur vor ihrem Blick. PLÖTZLICH tauchte ein schwarzer Hund auf, er heulte zweimal, ein unheimlicher Laut. Ein Käuzchen schrie. Sie schauderte. Alles in ihr strebte danach, die Gesichter der Angreifer zu sehen, aber sie HATTEN keine Gesichter. Eine Krähe tauchte auf, überflog die Menge und landete auf ihrer Schulter. Sie kreischte laut und schlug mit zerrupften Flügeln. Sie schlug blindlings um sich, als sie keine Luft mehr bekam. Das Mädchen erwachte. Einen Moment lang hielt der Traum sie weiter gefangen und sie rang keuchend nach Luft, bis sie begriff, dass nichts sie am Atmen hinderte. Sie riss ihre Augen auf und sah auf die vertrauten blauen Vorhänge, die ihr Bett umgaben. Dann setzte sie sich ruckartig auf und atmete durch. NUR EIN TRAUM. Es war der logische, rationale Gedanke. Aber ein Gefühl in ihr antwortete mit unbestreitbarer Klarheit: Nein. Es ist mehr als das.
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Schmerz. Jeder Nerv in seinem Körper brannte. Severus hatte es lange aufgegeben, seine Schreie zu unterdrücken. Es vergeudete nur Energie, die er nötiger brauchte. Er protestierte auch nicht länger. Wie es schien, war Voldemort es schließlich müde geworden, mit ihm zu spielen. Ein Jahr, seit der Dunkle Lord zurück war. Ein Jahr, seit Severus vergeblich versucht hatte, zu erklären, warum er zu spät gekommen war, als er seine Todesser zusammen rief. Von dem Moment an, zu dem er an die Seite des Lords zurückgekehrt war, hatte Severus geahnt, dass es zu dem Punkt kommen würde, an dem er sich nun befand.
Voldemort hatte ihm niemals geglaubt. Er hatte mit ihm gespielt. Severus wusste nicht genau, warum er ihn nicht tötete, wenn er ihn für illoyal hielt. Doch wie es schien wollte der Magier aus einem perversen Grund Beweise für seinen Verdacht. Beweise, oder ein Geständnis. Bei jedem einzelnen Treffen, an dem Severus teilgenommen hatte, war er verflucht worden. Angeblich als Strafe dafür, dass er damals zu spät gekommen war, oder weil er nicht genug Informationen brachte. In Wirklichkeit diente es nur dazu, seine Okklumentik zu schwächen. Bislang hatte sie der Folter standgehalten, aber es wurde mit jedem Mal schlimmer.
Severus zwang sich, trotzdem zu den Treffen zu gehen, um Dumbledore wenigstens die mageren Informationen geben zu können, zu denen er noch Zugang hatte. Ein Teil von ihm fragte sich, wie lange er es noch durchhalten würde. Er hatte das Gefühl, dies könnte der Tag sein, den er nicht überlebte.
Es war das erste Mal, dass Voldemort nicht anwesend war. Als er appariert war, hatte er sich Lucius Malfoy und einigen anderen Todessern gegenüber gesehen. Voldemort hatte den Ort anscheinend gerade vorher verlassen. Sie machten keinen Hehl daraus, was sie vorhatten.
Als der Schmerz wich, konnte Severus fühlen, wie Lucius ihn umkreiste. Der Mann ging neben ihm in die Hocke und strich mit der Hand über seinen Rücken. „Wie sieht es aus, Severus? Hast du uns etwas zu sagen?"
Severus schwieg. Es war schwer zu glauben, dass sie einmal Freunde gewesen waren. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er behauptet, dass Lucius ihm niemals in den Rücken fallen würde, dass nichts zwischen sie kommen könnte. Damals hatte er Lucius noch nicht so gut gekannt, wie heute. Er machte sich nicht vor, dass der Mann jemals anders gewesen war. Severus war derjenige gewesen, der blind gewesen war, der Dinge hatte sehen wollen, die nicht existierten.
Lucius lachte hässlich. „Ein zäher Hund bist du, nicht wahr? Aber ich erinnere mich an eine Zeit, wo das noch nicht so war." Lucius beugte sich vor, bis Severus seinen Atem im Nacken spüren konnte. „Wie wäre es, wenn wir ein paar alte Erinnerungen aufwärmen?"
Ein Fluch zerschnitt Severus' Kleidung und hinterließ ein paar mehr Wunden. Die anderen Todesser johlten. Severus würgte einen Protestlaut hervor, aber war bereits zu schwach, um sich zu wehren. Er wusste mit einer eisigen Klarheit, was passieren würde und war paralysiert vor Entsetzen. Selbst der Schock über das Ausmaß von Lucius' Verrat reichte nicht aus, um seine Panik zu durchdringen.
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Desirees Herz klopfte in einem rasenden Stakkato, aber sie zwang ihren Atem, ruhig zu bleiben. Ein Teil von ihr schrie, dass sie verrückt war, und dutzende Hauspunkte verlieren würde. Es war mitten in der Nacht, und hier war sie und schlich in den Gängen von Hogwarts herum wie eine Diebin. Nur wegen einem Traum.
Der andere Teil von ihr jedoch, der Teil, der ihren Instinkten vertraute, schlich unbeirrbar weiter vorwärts, ihrem Gefühl nach. Sie war inzwischen unten in den Kerkern. Der Gemeinschaftsraum der Slytherins musste in der Nähe sein, auch wenn sie nicht genau wusste, wo er war.
Ihr Ziel kam näher. Sie verharrte einen Augenblick und lauschte auf nicht vorhandene Geräusche. All ihre Sinne waren geschärft, jedes noch so leise Geräusch erweckte ihre Aufmerksamkeit, doch da war nichts. Sie schlich weiter, von ihrem unbestimmten Empfinden getrieben. Sie kam an der Tür zum Zaubertränkeklassenraum vorbei. Am Ende des Ganges war eine Tür, die ihr noch nie zuvor aufgefallen war. Eine Tür, die offen stand.
Desiree zögerte einen Augenblick, bevor sie weiter schlich. War dort jemand? Sie hörte nichts. Wer ließ mitten in der Nacht seine Tür offen stehen? Langsam bewegte sie sich vorwärts, ihren Stab in der Hand. Ihr Körper übernahm ihr Handeln. Sie glitt lautlos in den dunklen Raum und schloss die Tür hinter sich. Sie lauschte. Nichts. Ein metallischer Geruch stieg ihr in die Nase. Sie hielt den Atem an.
Lautlos füllte sie den Raum mit Licht. Als sie alles klarer erkennen konnte, wich sie einen Schritt zurück. Blut. Ihre Hand umklammerte den Stab fester und sie folgte der Spur, angespannt. Sie führte in den angrenzenden Raum. Auf dem dunklen Bett befand sich das Ziel ihrer Suche. Sie wusste nicht, woher sie das wusste, aber das Gefühl, das sie vorwärtstrieb, war verschwunden.
Ein regungsloser Körper, am Leben, doch schlafend – wahrscheinlicher bewusstlos. Desiree näherte sich langsam. Neben einer kalkweißen Hand lag ein leeres Fläschchen. Sie nahm es und roch daran. Blut-Ergänzungs-Trank. Vermutlich der einzige Grund, dass diese Person noch lebte. Noch. Sie umrundete das Bett. Niemand sonst hier. Sie handelte automatisch. Dies war ihr beigebracht worden, von dem Moment an, da sie alt genug war, einen Zauberstab zu halten.
Zuerst, Schutzzauber. Desiree konnte die schwachen, langsam verschwindenden spüren, die bereits bestanden, und überlagerte sie mit ihren eigenen. Danach, die Situation richtig einschätzen. Auf einen Wink gingen die Lichter an. Sie beugte sich über den Verwundeten, um seinen Zustand festzustellen. Nicht gut. Ihre Augen huschten durch den schwach erhellten Raum und fanden schnell, was sie suchten. Der Tränkeschrank war offen. Sie griff nach einer Reihe Fläschchen und kehrte zu dem Bewusstlosen zurück. Die dunklen Bezüge des Bettes hatten eine Menge Blut aufgesaugt. Nur die Feuchtigkeit wies darauf hin, und der schwere, metallische Geruch in der Luft. Sie ließ die blutige Kleidung verschwinden.
Einen Moment lang starrte sie auf den nackten Körper vor sich. Ein solcher Anblick war Desiree nicht fremd, dennoch schockierte es sie, ihn hier vorzufinden, in Hogwarts, das sie immer als ihre Freistatt angesehen hatte. Einen Platz, an dem solche Dinge nicht passierten. Wie naiv, schalt sie sich bitter. Solche Dinge passierten überall, hatte sie das nicht längst gelernt? War ihr das nicht immer beigebracht worden, dass alle denkenden Wesen im Grunde ihres Seins primitiv waren, grausam? Alles andere waren nur hübsche Masken, die man erlernen konnte, aber niemals verinnerlichen, und wenn es die Umstände erforderten, war es leicht sie abzureißen... Desiree schluckte, und zwang sich, rational zu denken. Was immer sie hergeführt hatte, sie konnte es sich nicht erlauben, nun die Fassung zu verlieren. Denk daran, du bist kein süßes, verhätscheltes kleines Mädchen. So sehr du es auch wünschen magst. Was du bist... Sie presste die Lippen zusammen. Was sie war, war ebenfalls beklagenswert schlecht beschaffen für diese Situation, aber sie hatte keine Zeit für Selbstmitleid.
Der Körper, den sie sah, war ausgemergelt und mit Wunden übersät. Mit morbider Neugier beugte sie sich vor und berührte seinen Brustkorb. Sie konnte die gebrochenen Knochen unter der Haut spüren. Desiree beugte sich vor und atmete ein. Die Gerüchte erzählten eine lange Leidensgeschichte, er war gefoltert worden, möglicherweise über Stunden hinweg. Sie roch Blut, vor allem Blut. Alle anderen Gerüche waren gedämpft, vermutlich hatte er einen Säuberungszauber verwendet, nachdem es vorbei war. Urin, Samenflüssigkeit, die Erregung anderer Männer. Desiree grollte und wich zurück. Er war vergewaltigt worden. Einen Moment lang waren ihre Gefühle im Tumult und Übelkeit stieg in ihr hoch, als sie darüber nachdachte, was geschehen sein musste. Dann riss sie sich zusammen und trat einen Schritt zurück.
Was nun? Desiree hatte gehandelt, ohne nachzudenken. Der Trank, den er genommen hatte, hatte in seinem Zustand nicht viel geholfen. Wenn sie nichts tat, würde er sterben. Sie wollte nicht in einen Konflikt hineingezogen werden, der sie nichts anging. Es würde nur Probleme hervorrufen, die sie nicht gebrauchen konnte. Sie zögerte. Der Teil von ihr, der zu Beginn die Heiltränke geholt hatte, ohne nachzudenken, schrie danach, zu handeln. Sagte ihr, dass sie nicht einen Menschen einfach sterben lassen konnte, dass sie ihn retten musste, einfach weil es das einzig Richtige war. Es war jedoch nicht so einfach, dachte Desiree, die Lippen zusammenpressend. Es würde Probleme hervorrufen, jedoch... Wenn sie ihn rettete, würde er in ihrer Schuld stehen. Dieser neue Gedanke schwebte einen Moment im Raum und bewegte sie dann schließlich zum Handeln.
Endlich entschlossen, arbeitete sie hastig, fast fieberhaft. Sie war kein Heiler, aber sie wusste das Notwendige. Das Wissen zwischen Tod und Überleben. Sie behob die Schäden, soweit sie konnte. Er hatte eine tiefe Schnittwunde an der Stirn, vermutlich die Ursache seiner Bewusstlosigkeit und des immensen Blutverlusts. Sie schloss sie mit einem Zauber, dann trug sie sorgsam Heilsalbe auf und beobachtete, wie auch die tiefen Striemen und Schnittwunden auf seiner Brust und seinem Rücken heilten. Desiree hielt ihn mit einem Zauber in Bewusstlosigkeit, bis das Schlimmste behoben war. Sie wusste, sie würde ihn aufwecken müssen, um ihm die Tränke einzuflößen, die er benötigte, aber sie traute sich im Moment noch nicht zu, ihm in die Augen zu sehen.
Bevor sie sich entschloss, öffnete sie seinen Schrank und nahm eine Hose heraus, um sie ihm anzuziehen. Es störte sie nicht besonders, ihn nackt zusehen. Im Moment war er nicht mehr als ein Opfer für sie, ein Patient, den sie geheilt hatte. Sie war nicht daran gewöhnt, an die Würde von Verwundeten zu denken, aber hier und jetzt zwang sie sich, sich zu erinnern, dass dies eine neue Situation war. Sie kannte diesen Mann. Er würde sie erkennen. Seine Gefühle spielten eine Rolle, auch wenn es einfacher für sie war, das zu vergessen.
Desiree zwang sich, ihn als einen Menschen wahrzunehmen, einen Menschen, den sie kannte. Es war nicht leicht. Es nötigte sie, ihre Gedankenmuster zu verändern, die Realität anzuerkennen, dass sie in der Schule war, und einem ihrer Lehrer gegenüber stand. Desiree wandte sich ab und würgte. Sie wurde ihrer Übelkeit Herr, aber konnte nicht verhindern, dass Tränen über ihr Gesicht liefen.
Merlin, Professor Snape war einer der wenigen Lehrer, die sie verstehen konnte. Ihn dermaßen misshandelt zu sehen, sandte ihre Fantasie in die völlig falsche Richtung, und ihre Vorstellung platzierte jemanden an seine Stelle, der ihr tatsächlich wichtig war. Es war kaum zu ertragen, und brachte sie fast dazu, diese Gedanken erneut auszublenden. Schließlich beherrschte sie sich. Es war nicht unvorstellbar, dass etwas Ähnliches jemandem passierte, der ihr etwas bedeutete, jemandem aus ihrer Familie. Sie musste sich dem stellen – und darüber hinwegkommen. Sie schaffte es, gerade eben.
Es war nicht so, dass sie nicht wusste, dass solche Dinge passierten. Ihre Brüder hätten sie ausgelacht, wenn sie gesagt hätte, dass sie nicht Menschen passierten, die man kannte. Es war nur so ... dass sie das geglaubt hatte. Auch wenn sie es nie zugegeben hätte, es war so.
Desiree wischte wütend ihre Tränen vom Gesicht. Sie vergeudete Zeit. Sie musste ihn aufwecken, er brauchte die Tränke. Ihre Ängste waren irrelevant. Sie suchte nach dem Stab des Professors, fand ihn, und steckte ihn ein. Während sie die Fläschchen neben dem Bett aufstellte, wurde ihr klar, dass sie nun nicht mehr zurück konnte, aber auch mit diesem Problem würde sie sich später beschäftigen. Sie hob ihren Stab. Ihre Hand zitterte nur leicht.
„Ennervate!"
Snapes Körper zuckte durch den Schock und seine Augen flogen auf. Sein Blick irrte hektisch durch den Raum und er verkrampfte sich, aber entspannte sich dann langsam wieder, als er den Raum erkannte.
„Professor..."
Desiree sah den exakten Moment, zu dem Snape realisierte, was er gehört hatte, realisierte, dass er nicht allein war. Seine Augen weiteten sich und er fuhr zu ihr herum. Sein ganzer Körper bebte durch die Anstrengung.
„Ihr Arm ist ausgerenkt, ich brauche ihre Hilfe um ihn zu richten.", sagte sie, bevor er etwas sagen konnte. Handeln war einfacher als Denken.
Snape öffnete den Mund und schloss ihn wieder, so als wolle er etwas sagen, könne aber nicht. Desiree fragte sich, was nicht stimmte. Sie trat neben das Bett.
„Können sie mich verstehen?"
Snapes Augen verengten sich etwas, aber er nickte. Sie konnte sehen, dass er ärgerlich war, aber gleichzeitig argwöhnisch.
„Sie haben viel Blut verloren.", fuhr Desiree in dem gleichen, sachlichen Tonfall fort, in einem Versuch, ihn zu beruhigen. Ihn, und sich selbst. „Hier." Sie hielt eines der Fläschchen an seine Lippen, aber er zuckte zurück. „Es ist ein den Magen beruhigender Trank. Sie kennen ihn. Er ist aus Ihrem eigenen Vorrat." Snape drehte den Kopf weg. „Professor.", sagte sie, diesmal energischer. „Ihr Körper ist unter Stress. Sie benötigen Tränke. Ohne diesen werden Sie keinen von ihnen bei sich behalten."
Snape bedachte sie mit einem misstrauischen Blick, aber akzeptierte den Trank. Desiree konnte verstehen, dass er misstrauisch war. Sie war eine vollkommen Fremde. Andererseits, zu diesem Zeitpunkt spielte es für ihn sehr wahrscheinlich keine Rolle mehr. Sie wartete ein paar Sekunden, bis die Wirkung einsetzte, dann flösste sie ihm die restlichen Tränke ein. Er schluckte alle, selbst die Nährlösung, die sich darunter befand. Seinem Gesicht war es nicht anzumerken, ob er den widerlichen Geschmack einiger davon wahrnahm.
„Ihr Arm.", sagte sie dann. Er nickte nur. „Wissen Sie, was Sie tun müssen?"
Snape nickte wieder, und schloss die Augen. Desiree packte den Arm.
„Jetzt."
Mit einem festen Ruck schnappte der Arm ins Gelenk zurück. Der Professor sog zischend die Luft ein, das war alles.
„Geht es Ihnen besser?", fragte Desiree forschend, zurücktretend.
Der Professor nickte langsam und setzte sich auf. Dann erstarrte er. Er sah an sich hinab und seine rechte Hand umklammerte reflexartig seinen linken Unterarm. Sein erschrockener Blick flog zu ihr und seine Hand begann, nach seinem Stab zu suchen. Er wich von ihr zurück, als er ihn nicht fand, beinah panisch.
Aus irgendeinem Grund hatte sie erwartet, dass er rationaler reagieren würde, vielleicht aggressiver, so wie sie es aus seinem Unterricht kannte. Es war eine dumme Annahme, erkannte Desiree. Dies war keine normale Situation. Snape war tödlich verletzt gewesen, und hatte sich gerade ein wenig erholt. Seine Reaktionen zu diesem Zeitpunkt waren alles andere als rational, sie waren mit Sicherheit vor allem instinktgesteuert. „Es ist in Ordnung.", sagte sie beruhigend. „Es spielt keine Rolle, entspannen Sie sich. Sie waren schwer verletzt."
Er betrachtete sie wie ein Tier in der Falle.
Desiree hob die Hände. Sie war sich nicht sicher, was sie tun sollte, aber es konnte nicht falsch sein, ruhig und sachlich zu bleiben. Sie hoffte, Snapes Gedanken waren klar genug, dass er erfasste, was sie sagte. „Es ist mir egal, was Sie sind, Professor, aber ich bin auch kein Narr. Ich werde nicht zulassen, dass Sie mein Gedächtnis löschen oder mehr. Deshalb habe ich Ihren Stab genommen. Jetzt beruhigen Sie sich. Verstehen Sie mich?"
Snapes Gesicht verzog sich ärgerlich und er öffnete den Mund. Kein Ton kam heraus. Er starrte sie noch wütender an, aber nickte. Er wirkte noch immer angespannt, aber nun eher ärgerlich als panisch. Ein Fortschritt, entschied sie.
„Was ist mit Ihrer Stimme, ein Fluch?"
Er zuckte mit den Schultern. Desiree hob ihren Stab.
„Ich versuche, es herauszufinden. Lassen Sie mich?"
Snape nickte nach kurzem Zögern und sie trat zu ihm. Sie legte den Stab an seine Kehle und murmelte einen Diagnosezauber. Schließlich wusste sie, was das Problem war.
„Es ist kein Fluch, Ihre Stimmbänder sind einfach überreizt. Es gibt einen Heiltrank dafür, wenn ich mich nicht irre. Moment." Sie wandte sich ab.
Seine Attacke kam unvorbereitet, aber Desiree war schneller und wendiger als er. Einen Augenblick später hatte sie ihm einen Arm auf den Rücken gedreht – den, den sie gerade eingerenkt hatte – und ihn auf das Bett gedrückt.
„Das war dumm.", sagte sie kalt. Der Angriff hatte sie schockiert. Sie hätte ihn erwarten müssen, so war es ihr schließlich beigebracht worden. Dies jedoch war anders. Nichts was sie gelernt hatte, hatte sie auf ihr Wirrwarr von Gefühlen vorbereitet. Nichtsdestotrotz reagierte sie automatisch. Seine Stärke hatte sie überrascht, aber sie war gesund und er kaum genesen.
„Ich will Sie nicht noch mehr verletzen.", fuhr sie fort. „Also zwingen Sie mich nicht dazu."
Desiree trat zurück und machte eine Bewegung mit dem Zauberstab, mehrere Worte murmelnd. Der Teil von ihr, der ihr Gegenüber kannte, protestierte, aber sie reagierte so, wie sie es gelernt hatte. Sie würde ihm nicht die Chance geben, sie erneut anzugreifen. Es wäre töricht. Snape wurde auf den Rücken gedreht und Ketten schlossen sich um seine Handgelenke und fesselten sie an beide Seiten des Bettes. Er erstarrte und seine Augen weiteten sich.
„Es tut mir leid, aber Sie lassen mir keine Wahl."
Er zerrte an den Fesseln, ergebnislos. Einen Moment lang schien er in Panik auszubrechen, dann beruhigte er sich wieder und schloss die Augen, um tief durchzuatmen. Sie ging zum Tränkeschrank und betrachtete die Fläschchen einen Moment unschlüssig. Sie kannte einige Tränke, aber sie war kein Heiler oder Tränkespezialist. Diesen speziellen Trank hatte sie schon einmal gesehen, aber sie war nicht sicher. Schließlich nahm sie ein Fläschchen und ging damit zu ihm.
„Ist das der Trank?"
Snapes Augen öffneten sich und er betrachtete sie ärgerlich, dann zuckte er mit den Schultern. Sie entkorkte die Phiole und hielt sie ihm hin, sodass er den Trank riechen konnte.
„Ist er es?"
Er runzelte die Stirn, dann nickte er zögernd.
„Sind Sie sicher?"
Snape öffnete nur den Mund. Sie hielt die Phiole an seine Lippen und er schluckte. Er hustete und sie stellte die Phiole beiseite.
„So.", sagte er heiser. „Was haben Sie jetzt mit mir vor, Miss Miller?"
Desiree widerstand dem Reflex, zusammenzuzucken, als sie ihren Namen hörte, als wären sie im Klassenraum. Er klang eisig wie immer und sie ertappte sich dabei, dass sie ihn anstarrte. Seine schwarzen Augen zeigten nichts als Ärger. Auch eine Art, seine wahren Gefühle zu verbergen.
„Lassen Sie mich einiges klarstellen:", erwiderte sie kühl. „Sie sind ein Todesser. Das ist mir egal. Von mir wird es niemand erfahren. Zweitens: Ich verteidige mich, wenn ich angegriffen werde. Ich werde nicht zulassen, dass sie mein Gedächtnis löschen oder etwas ähnlich Unsinniges. Zuletzt: Sie schulden mir Ihr Leben. Wenn ich nicht Ihre offene Tür und das Blut gesehen hätte, wären Sie tot gewesen, bevor der Morgen anbricht. Verstehen wir uns?"
Sein Blick veränderte sich subtil. „Erwarten Sie, dass ich Ihnen danke?"
Sie lachte plötzlich, nicht ganz erfolgreich darin, die Hysterie aus ihrer Stimme fernzuhalten. „Sie sind unfassbar, Professor. Jeder würde es erwarten, meinen Sie nicht? Es sei denn, Sie betrachten Ihr Leben als so wertlos, dass sie seinen Verlust begrüßen."
Er starrte sie an. Ein Ausdruck von Bitterkeit und Resignation huschte über sein Gesicht. „Nein.", sagte er leise. „Das kann ich nicht."
Desiree betrachtete ihn stirnrunzelnd. „Wie auch immer. Ihre Mutter war reinblütig, dachte ich? Ich nahm an, Ihnen ist der Ausdruck vita aes alienum ein Begriff." Sie hatte nicht genau gewusst, was sie tun würde, bevor sie es aussprach, aber nun wusste sie, dass es der einzig richtige Weg war. Ihre Mutter würde zustimmen.
Er wurde ein wenig blasser, als er ohnehin war. „Ich nahm an, Sie wurden von Muggeln aufgezogen, Miss Miller."
Desiree verzog den Mund zu einem humorlosen Lächeln. „Offenbar sind wir beide nicht, was wir zu sein scheinen, Professor Snape."
Snape betrachtete sie, starrte in ihre Augen, und plötzlich hatte Desiree das Gefühl, ein Fremder besah ihre Gedanken. Wenn er das tatsächlich tat, war es natürlich zwecklos. Einen Augenblick lang zeigte sein Gesicht Überraschung, dann war es wieder kalt.
„Was erwarten Sie?"
Sie schluckte, dann riss sie sich zusammen. „Sie werden mich nicht wieder angreifen, noch werden sie einen Versuch unternehmen, mein Gedächtnis zu löschen oder mich sonst wie zu beeinflussen. Schwören Sie es."
Sie legte ihren Zauberstab auf seine Brust.
„Ich schwöre es.", sagte er kaum hörbar.
Der Stab glomm leicht. Desiree nickte zufrieden.
„Außerdem werden Sie wieder anfangen, vernünftig zu essen. Ich will, dass Sie am Leben bleiben."
Snape sah sie verblüfft an. Ja, es schien eine seltsame Forderung zu sein. Er würde schnell genug herausfinden, warum sie das verlangte.
„Nun?"
Er nickte.
„Gut."
Desiree stand auf.
„Ich habe alles für Sie getan, was ich tun konnte. Ruhen Sie sich aus, ich werde das Gleiche tun. Ich möchte mich irgendwann diese Woche mit Ihnen unterhalten. Es wird sich sicher eine Gelegenheit ergeben." Ein Teil von ihr war schockiert von ihrer eigenen Dreistigkeit, ein anderer gratulierte ihr dazu. Er klang wie einer ihrer Brüder.
„Wie Sie wollen.", sagte Snape kühl.
Desiree hob ihren Zauberstab und änderte den Zauber, der die Fesseln erzeugte. Sie traute sich nicht, ihn freizulassen, solange sie noch anwesend war, aber er sollte ohnehin ruhen.
„Schlafen Sie. Die Fesseln werden verschwinden."
Er nickte nur und sie verließ den Raum, dabei mit Zaubern das Licht löschend und Bett und Boden reinigend. Sie legte Snapes Zauberstab auf eine Kommode im Nebenraum, dann ging sie.
