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Winterliebe

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Disclaimer für diese Geschichte: Die Welt von Harry Potter gehört J. K. Rowling. Alle Rechte verbleiben bei ihren Inhabern.

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Anmerkungen: Sag niemals nie ... ;-)

Diese Geschichte ist insomnia gewidmet.

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Kapitel 1

A Thousand Kisses Deep I

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LEONARD COHEN

A Thousand Kisses Deep"

...

And sometimes when the night is slow,

The wretched and the meek,

We gather up our hearts and go,

A Thousand Kisses Deep.

...

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Miguel wusste, dass er sich nicht an diesem Ort aufhalten sollte. Wenn jemand ihn erwischte, würde das nicht nur für ihn selbst, sondern wahrscheinlich auch für Aemilius Malfoy böse Konsequenzen haben.

Doch Miguel konnte nicht anders. Wenn er schon nicht dabei sein durfte, nicht eingreifen konnte, dann wollte er sie wenigstens sehen.

Er schmiegte sich tiefer in die Schatten und spähte durchs Treppengeländer in den Speisesaal hinüber. Aemilius hatte zum Julfest geladen, das Haus war voll von elegant gekleideten Menschen. Die meisten von ihnen würden Miguel bedenkenlos zertreten, wenn er ihnen unter die Augen kam, da machte er sich keine Illusionen. Viele der Anwesenden waren Todesser, für sie war er nicht mehr wert als eine Kakerlake. Eher weniger.

„Was machst du denn hier?"

Miguel fuhr erschrocken zusammen. Hastig drehte er sich nach dem Sprecher um, der offenbar aus dem ersten Stock herabgekommen war. Sein nervöser Blick fiel auf eine geschmackvoll gewählte purpurne Robe mit schwarzem Saum. Als seine Augen rasch nach oben huschten, um das Gesicht des Mannes zu erforschen, den Grad seiner Verärgerung, seines Abscheus festzustellen, und die möglichen Folgen des Zwischenfalls abzuschätzen, sah er langes braunes Haar, das sich an den Ausläufern zu leichten Locken ringelte, den hoch geschlossenen Kragen eines schwarzen Hemdes ...

Zögernd hob er den Blick, bis er dem Zauberer in die Augen sehen konnte.

„Giton!", entfuhr es Miguel erleichtert.

„Glück gehabt, hm?", meinte Hrabans Freund leutselig, ehe er sich neben Miguel auf die Treppe setzte. „Du musst vorsichtig sein", fügte er dann leiser hinzu. „Es sind Leute hier, die dich mit Begeisterung zum Mittelpunkt der Feier machen würden, wenn sie von deiner Existenz wüssten. Ich glaube allerdings nicht, dass du Freude daran haben würdest."

Beklommen nickte Miguel. Es lag noch nicht allzu lange zurück, dass er am eigenen Leibe hatte erfahren müssen, zu welchen Grausamkeiten diese Art von Menschen gegen jemand „Minderwertigen" wie ihn bedenkenlos bereit war.

Erst nach einigem Zögern ließ er seinen Blick wieder hinab ins Erdgeschoss schweifen. In der Halle, die von ihrem versteckten Platz auf der Treppe gut zu überblicken war, herrschte reger Verkehr. Alle drei Hauselfen der Malfoys waren vollauf damit beschäftigt, den stetigen Besucherstrom, der über die schwarzweißen Marmorfliesen des Eingangsbereiches in die angrenzenden Räume sickerte, zu kanalisieren und zu versorgen, Umhänge und Hüte zu verstauen, Botschaften an den Hausherrn zu übermitteln ...

Der größte Teil der Besucher wandte sich gleich in Richtung Speisesaal, wo drei lange Tafeln mit auserlesenen Köstlichkeiten bedeckt waren. Andere Gäste strebten zunächst in den Salon, um Aemilius ihre Aufwartung zu machen.

Mittlerweile mussten gut fünfzig Personen eingetroffen sein. Ihre Gespräche vermischten sich von Miguels Warte aus zu einem beinahe gleichmäßig an- und abschwellenden Gesumm, ähnlich dem stetigen, satten Ton, den man in der Nähe der Malfoyschen Bienenstöcke am Rande des Blumengartens vernehmen konnte.

Irgendwo unter diesem bunt gewandeten Zaubervolk befanden sich auch Hraban und Severus ...

Als Severus vor etwa zwei Stunden auf Malfoy Manor eingetroffen war, hatte Hraban bereits auf ihn gewartet. Den ganzen Nachmittag schon hatte der jüngste Spross der alten Familie Pryde auf Aemilius' Landsitz verbracht, um nur ja nicht den Moment von seiner Ankunft zu verpassen. Nervös war er die langen Flure auf und ab gewandert, voll unverkennbar freudiger Erwartung.

Da Miguel sich ebenso sehr wie er nach Severus sehnte, ebenso kribbelig und ungeduldig auf ihn wartete, war es nicht ausgeblieben, dass sie sich mehrere Male über den Weg gelaufen waren. Tatsächlich schien Hraban sich nicht bewusst zu sein, wie schwer es Miguel traf, dass Severus sich so rasch wieder von ihm ab- und einem Zauberer zugewandt hatte. Hraban hatte Miguel sogar noch das übliche Geschenk mitgebracht: ein Buch, wie jedes Mal, wenn der junge Todesser bei Aemilus zu Gast war. Miguel konnte mit diesen Mitbringseln inzwischen ein ganzes Regal füllen.

Es war hart für ihn gewesen, Hrabans offenkundige Vorfreude zu ertragen. Seit Mabon, seit der Herbst-Tagundnachtgleiche, hatte Miguel gewusst, dass er Severus an den jungen Zauberer verloren hatte. Bald darauf waren die Briefe aus Hogwarts an ihn ausgeblieben.

Erstaunlicherweise hatte es für ihn fast so etwas wie einen Trost bedeutet, dass Hraban in dieser Zeit regelmäßig, oft drei bis vier Mal in der Woche, auf dem Landsitz aufgetaucht war. Miguel vermutete, dass er gemeinsam mit Aemilius an einem Projekt für denjenigen arbeitete, dessen bedrohlicher Schatten unablässig über ihm schwebte. Die Zauberer bezeichneten ihn als Dunklen Lord, doch für Miguel würde er immer El Moro, der Schatten, sein.

Nie war er ihm begegnet, dem Mann, der selbst über jemanden, der so einflussreich und wohlhabend war wie Aemilius Malfoy eine nahezu absolute Macht ausüben konnte – und er hoffte sehr, dass er ihm nie unter die Augen kommen würde. In dieser Hinsicht gab Miguel sich keiner Täuschung hin: Eine Begegnung mit dem Schattenmann würde seinen Tod bedeuten.

Wesentlich präsenter als die Bedrohung durch El Moro war für Miguel allerdings diejenige durch Aemilius Malfoy. Noch konnte Miguel sich nicht beklagen. Sein Herr behandelte ihn gleichbleibend freundlich, nahm ihn auf Ausritte mit und ließ ihn, sofern kein Besuch auf Malfoy Manor weilte, sogar mit am Tisch essen. Miguel war durch einen Eid geschützt, den Aemilius, Severus und er selbst einander vor einem Vierteljahr geleistet hatten.

Doch die Erfahrung hatte ihn gelehrt, Zauberer und ihre Versprechungen mit Vorsicht zu behandeln. Er war sich sicher, dass es ein Schlupfloch für Aemilius gab, sofern dieser eines finden wollte. Und der Herr Malfoy Manors hatte ihm vor nicht einmal einem halben Jahr angekündigt, dass er Miguel töten würde, wenn Severus das Interesse an diesem seinem Spielzeug verlieren sollte. Der später geleistete Eid sollte Miguel vor diesem Schicksal bewahren, aber er traute der Angelegenheit nicht.

Der von Aemilius angekündigte Fall war nun unzweifelhaft eingetreten. Severus hatte Miguel kaum eines Wortes gewürdigt, als er vorhin angekommen war. Ein flüchtiges Hallo, ein scheeler Blick, der Augenkontakt mied. Nachdem Severus eine halbe Stunde mit Aemilius und Hraban im Gespräch verbracht hatte, war er mit letzterem auf sein Zimmer verschwunden – scheinbar, ohne Miguels fortgesetzte Anwesenheit auch nur zu bemerken.

„Ich fürchte, ich muss nach unten." Miguel zuckte überrascht zusammen, als ihn Gitons warmer Atem streifte, seine geflüsterten Worte seine Wange streichelten. „Hraban wird mich zwar wohl kaum vermissen, aber ..." Giton lachte leise und trocken. „Ach, was soll's ... Hrabans Liebhaber kommen und gehen ... und kommen wieder ... Ich bin jetzt schon zum dritten Mal mit ihm zusammen ... gewesen, muss ich wohl sagen." Wieder ein gedämpftes Lachen.

„Also tröste dich, mein kleiner Muggelvogel ...", sagte Giton lächelnd. „Falls du deinen Severus verlierst, dann wird es sicher nicht an der Ernsthaftigkeit von Hrabans Gefühlen für ihn liegen ..."

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Der Winter ließ sich bitter an für Miguel. Drei Wochen würden Severus' Ferien dauern, drei Wochen, die er auf Malfoy Manor verbringen würde, um seine Ausbildung zum Todesser unter Aemilius' Ägide fortzusetzen. Rasch musste Miguel feststellen, dass auch Hraban diese Zeit auf dem Landsitz verbringen würde. Der junge Todesser verfügte ohnehin über ein eigenes Zimmer im Haus seines Nennonkels Aemilius – es war Miguel bislang nicht gelungen, die komplexen tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen der beiden Zauberer zu durchschauen –, und seit dem Julfest hatte er sich dort offensichtlich für einen Aufenthalt von längerer Dauer eingerichtet.

Miguel, dessen Zimmer auf dem gleichen Flur lag, wenn es auch wesentlich kleiner und weniger prächtig als das von Hraban oder Severus eingerichtet war, machte jeden Tag Umwege, um den beiden Zauberern nicht zu begegnen. Es tat ihm in der Seele weh, wenn er sie miteinander diskutieren hörte, sie bissige Bemerkungen und zynische Witze austauschten, sich einen brillanten intellektuellen Schlagabtausch lieferten, dem er mit seiner erbärmlichen Schulbildung kaum folgen konnte.

Hraban war schön auf eine klassische Weise und von selbstsicherer Arroganz. An seiner Seite lief Severus zur Höchstform auf, schien um mehrere Zentimeter zu wachsen, hielt sich stolz und gerade in seinen schlichten aber teuren Roben, die ihm Aemilius finanziert hatte, gewann an rhetorischem Geschick und mit steigendem Selbstbewusstsein tatsächlich auch an Attraktivität. Hraban umgarnte ihn, machte ihm auf eine leicht ironisch getönte Weise regelrecht den Hof, und Severus sonnte sich in seiner Gunst.

Miguel hatte immer gedacht, er selbst würde Severus gut tun, doch bei Hraban blühte sein ehemaliger „Freund" und Retter auf wie eine Wüstenblume nach dem erlösenden Regen.

Er gönnte Severus sein Glück, ja, er gönnte es ihm wirklich von ganzem Herzen – aber weh tat es trotzdem. Irgendwie war ihm schon klar gewesen, dass die Beziehung zwischen ihnen in dieser „muggel"feindlichen Umgebung nicht von Dauer sein würde – aber was sollte er jetzt tun? Severus war Grund und Garant für Miguels fortgesetztes Überleben gewesen. Ohne Severus allerdings ...

In den ersten Ferientagen hielt sich Miguel fast ausschließlich in den Ställen auf und kam lediglich zum Essen und Schlafen ins Haus, um der Konfrontation mit Hraban und Severus so gut wie möglich auszuweichen. Zudem waren noch weitere Zauberer zu Gast, und Aemilius hatte ihm nachdrücklich eingeschärft, diesen so gründlich wie nur möglich aus dem Weg zu gehen. Sicher waren es ebenfalls Todesser. Folglich aß Miguel wieder bei den Hauselfen in der Küche.

Er mochte die Hauselfen. Sie waren Sklaven, wie er. Einige Monate hatte er zu hoffen gewagt, eine Zukunft im Hause Malfoy zu haben, doch diese Hoffnung war grausam enttäuscht worden. Nun sorgte er sich vor allem um die, die von ihm selbst abhängig waren, um Diego und Arranca. Diego war der Name des Ponies, das er von Aemilius geschenkt bekommen hatte. Arranca hatte er die kleine Setterhündin getauft, die er sich hatte aussuchen dürfen, nachdem er einen Wurf Welpen mit der Flasche mit groß gezogen hatte. Das junge Tier begleitete ihn auf Schritt und Tritt, wenn er in den Stallungen arbeitete oder auf den Ländereien unterwegs war, doch ins Haus durfte Arranca nicht, da war Aemilius eisern.

So verbrachte Miguel die für diesen Teil Englands ungewöhnlich kalten Dezembertage nach dem Julfest vor allem in den Stallungen der kostbaren Araber-Pferde und der noch wertvolleren Thestrale, die der Herr von Malfoy Manor mit Leidenschaft züchtete. Zudem hielt er sich viel in den Zwingeranlagen der Hunde auf oder ging stundenlang mit mehreren der prächtigen Irish Setter und Afghanen spazieren. Einige der Tiere liefen auch am Pferd. Miguel durfte nicht alleine mit einer der Zuchtstuten ausreiten, aber Diego gehörte nur ihm.

Längst hatte der Stallmeister Raymond es aufgegeben, Miguel mit festen Aufgaben zu betrauen, war mit Magie doch beinah jede Arbeit rascher und effizienter zu erledigen als von Hand. Nur die direkte Betreuung der Tiere, Ausbildung, Füttern, Striegeln und Gesundheitsvorsorge ließen sich nicht mit dem Zauberstab betreiben, und dort durfte Miguel dann auch assistieren. Einen festen Arbeitsplan gab es jedoch nicht für ihn, und so konnte er, wann immer ihm der Sinn danach stand, Diego von der Weide oder jetzt, im Winter, aus dem Auslauf holen, sich auf seinen Rücken schwingen und in Begleitung einiger Hunde die Ländereien von Malfoy Manor durchstreifen. Diego war ein bisschen zu klein geraten für Miguel, doch da dieser trotz seiner über Einsachtzig kaum mehr als sechzig Kilo wog, war er zumindest nicht zu schwer für das kräftig gebaute Scheckpony.

Zwei Tage nach Jul fiel überraschend Schnee in ganz erstaunlichen Mengen, so viel, wie Miguel noch nie gesehen hatte. Sobald es hell wurde, holte er Diego aus dem Stall, putzte ihn hastig und mehr der Form halber und schwang sich dann auf seinen ungesattelten Rücken, um sich mit ihm und Arranca in Richtung Wald aufzumachen.

Bald tauchten sie in das dichte Schweigen der Bäume ein. Diego pflügte unverdrossen durch den Schnee, während sein Reiter die Füße hoch zog, um nicht als unfreiwilliger Bremsklotz zu wirken. Neben ihnen trabte Arranca hechelnd durch die weiße Pracht.

Rings um sie herrschte vollkommene Stille. Fast war es, als wären sie die einzigen Lebewesen auf der Welt. Der Wind hatte den Schnee gegen die raue Rinde der Bäume gedrückt, so dass ihre Stämme auf einer Seite von einem feinen Schleier überzogen waren. Die Äste hingen tief unter ihrer frostigen Last. Diego pustete Dampfwölkchen in die Luft wie ein kleiner Drache. Der Himmel war grau von Wolken, die noch mehr Schnee ankündigten und keinen Sonnenstrahl in diese stumme Zauberwelt entfleuchen ließen.

Es war kalt und weiß und still.

Schön, dachte Miguel.

Und: Heute Abend werde ich mit Aemilius sprechen.

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„Aemilius? Sir ...?"

Schüchtern stand Miguel in der Tür zum Arbeitszimmer des Herrn von Malfoy Manor. Dieser saß über seinen Schreibtisch gebeugt, auf dem sich dicht beschriebene Pergamentrollen häuften, und tauchte eben die Feder ins Tintenfass.

„Was gibt es, Miguel?", fragte er, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.

„Sir ... ich wollte nicht stören ...", begann Miguel zögerlich.

„Je rascher du aussprichst, was es ist, das dich hierher getrieben hat, desto schneller kann ich mich wieder auf meine Arbeit konzentrieren", kommentierte Aemilius trocken und sah nun doch von seinen Pergamenten auf. „Nun?", fragte er nicht unfreundlich. „Was hast du auf dem Herzen?"

„Es ..." Miguel räusperte sich nervös. „Ich wollte nur fragen ... Ich weiß, es ist unwichtig, aber ... Wenn mir eines Tages etwas zustoßen sollte – was wird dann aus Diego und Arranca?"

Aemilius hob eine Augenbraue. „Was soll aus ihnen werden? Diego ist eine nette Gesellschaft für meine Jährlinge und die Zweijährigen – es kann nie schaden, einen Wallach mit auf der Weide zu haben, der diesen pubertierenden Rüpeln ein paar Manieren beibringt. Und Arranca ... nun, sie scheint sich zu einer hübschen Hündin zu entwickeln. Vielleicht nehme ich sie zur Zucht. Möglicherweise hat sie auch Talent zu einem brauchbaren Jagdhund ... Das wird die Zeit zeigen."

„Aber sie dürfen hier bleiben, wenn ich ...?"

„Ich denke schon, ja", erwiderte Aemilius achselzuckend. „Ich sehe nichts, was dagegen spricht. – Aber warum fragst du?" Sein Herr musterte ihn prüfend. „Ist in letzter Zeit vielleicht etwas vorgefallen, das ich wissen sollte?", bohrte er mit leichter Schärfe in der Stimme nach.

„Nein, Sir", erwiderte Miguel rasch. „Ich ... Es gibt keinen richtigen Grund. Ich wollte nur einfach mal fragen ..."

Einige weitere Sekunden lang ruhte Aemilius' Blick auf ihm und gab Miguel das unangenehme Gefühl, sondiert und geröngt zu werden.

„Nun gut", sagte der Hausherr endlich. „Wenn das alles war ..."

Miguel begriff, dass er entlassen war. Er murmelte einen hastigen Dank und huschte aus dem Arbeitszimmer hinaus.

Das immerhin hatte er geklärt. Der Rest allerdings würde nicht ganz so einfach werden ...

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