Ein leises „Plopp" ertönte, als James Potter in seinem Elternhaus apparierte. Obwohl er schon vor drei Monaten ausgezogen war, fühlte er sich hier noch immer heimischer als an keinem anderen Ort dieser Welt. Er zog, genau wie es ihm anerzogen war, seine Turnschuhe neben der Eingangstür aus und reihte sie in die schier unendliche Schlange der Schuhe ein, welche dort an der Wand standen. Zufrieden lies er seine Zehen sich in den flauschigen roten Teppich graben, mit dem die ausladende Eingangshalle des Potter-Anwesen ausgekleidet war. Dann fischte er sich aus einer kleinen Abstellkammer ein Paar Hausschuhe, auf denen der Gryffindorlöwe abgebildet war und machte sich auf den Weg in das Herzstück des Hauses. Auf dem Weg in die unglaublich geräumige Wohnküche winkten ihm von allerlei Bildern Verwandte entgegen, welche er freundlich grüßte. Zu Hause. Vielleicht sollte er ein paar dieser Bilder einfach mit in seine neue Wohnung schleppen und dort aufhängen, damit er sich ein wenig mehr auch dort wie in seinen eigenen vier Wänden fühlte und nicht wie im Hotel. Mit einem Gedanken an seine Freundin schüttelte er jedoch lächelnd den Kopf. Lily würde ihm die Hölle heiß machen, wenn er sämtliche Bilder aus diesem Flur anschleifen würde und ihn wahrscheinlich hochkant rauswerfen.

Als er der Küche näherkam, hörte er ein lautes Fauchen und im nächsten Moment sprang ihm eine kleine Schar Katzen entgegen.

„Ich… oh nein, oh nein… MUM!"

Schnell verschaffte James sich einen Überblick über das Gewusel, welches in der Küche herrschte. An einem unglaublich großen Tisch brüteten mehrere Männer und Frauen über Karten, Zeitungen und Briefen. Seine „kleine" Schwester stand am Herd und war diejenige, die gerufen hatte.

Vor ihr stand ein monströser Topf, über dessen Rand gerade irgendetwas Undefinierbare geradezu zu flüchten schien. James musste grinsen. Bei Jo's Kochkünsten konnte er das schmerzlich nachempfinden. Als diese ihren Zwilling im Türrahmen stehen sah, atmete sie erleichtert auf.

„James! James, komm und hilf mir, keiner sagt mir wie…" Bumm. Gerade als James sich dem, was wohl irgendwann mal Gulasch gewesen war, näherte hatte dieser auch schon ein abstruses Eigenleben entwickelt und war quasi explodiert.

Entsetzt starrte Joanna in den Topf, dann zu James, dessen ehemals weißes Hemd nun in einem Mix aus braun und rot leuchtete, dann an die Wand, welche ebenfalls in gleicher Farbe strahlte und dann zu den Umstehenden, welche sie entgeistert musterten. Ihr stieg die Röte ins Gesicht.

„Ich… naja… ich habe nach Mum gerufen, aber…", hilfesuchend blieb ihr Blick an ihrer Freundin Nannette hängen, welche sich schon, bei dem Versuch einen Lachkrampf zu unterdrücken, auf ihrem Stuhl wandte. „Wer nicht hören will muss fühlen!", polterte Joanna dann. Wer schon so dumm war, sie, gerade SIE mit dem Kochen zu beauftragen, musste halt mit den Konsequenzen leben! „Das hätte ja eh kein Schwein essen können!", murrte sie und schwang ihren Zauberstab einmal in Richtung der Sauerei. Sofort blitze die Küche wieder wie nach dem Frühjahrsputz.

Die Versammelten mussten nun doch lachen. Joanna lies sich beleidigt gegen die Küchenfront sinken und verschränkte die Arme. Diese Idioten.

„Ach komm schon, Knuddelmu…" – „Nenn mich nicht so!"

Joanna schlug verärgert die Hand weg, welche Sirius ihr gerade grinsend auf die Hüfte legen wollte. Knuddelmuff – nur einer der wenig schmeichelhaften Spitznamen, die ihr Freund ihr gegeben hatte. Trotzdem lies sie sich aber in seine Arme ziehen und einen Kuss geben. „Wir hatten sowieso keine Lust auf Gulasch", Sirius zuckte mit den Achseln. „Wie wäre es denn mit… Pizza?" Und er legte sein unwiderstehlichstes Lächeln auf, dem selbst seine biestige Freundin nicht widerstehen konnte. „Okay… dann mache ich mich mal auf den Weg", murmelte diese. „Seid ihr denn soweit erst mal durch? Dann können wir sofort essen wenn ich wieder da bin?" Sirius nickte und gab ihr noch einen Klaps auf den Hintern, bevor sie augenrollend disapperierte. Seitdem das Haus ihrer Eltern zum provisorischen Hauptquartier für den Orden geworden war, gab es einfach keine ruhige Minute mehr. Zu jeder Tages- und Nachtzeit ploppten die Mitglieder des Ordens in der Küche auf wie die Pilze aus dem Boden.

Einige hatten sich sogar schon in die Gästezimmer des Anwesens einquartiert und raubten der jungen Frau sämtliche Nerven. Ihre Nerven waren vor allem geschunden von den Kindern einer gewissen Familie, die, wie Joanna fand, unaufhörlich rothaarigen Nachwuchs produzierte. Zwei Kleinkinder wuselten schon vierundzwanzig Stunden am Tag durch die Flure des Hauses in Godricks Hollow… Charlie und Bill Weasly hatten ihr gefühlt schon ein dutzend graue Haare wachsen lassen. „Schlimmer als Voldemort und Grindelwald zusammen!", murmelte sie, während sie die Tür zu der kleinen Pizzeria aufstieß, welche sie in letzter Zeit so oft besuchte, dass die Mitarbeiter sie schon beim Namen kannten. Sie bestellte sieben Familienpizzen „mit Allem" und verkündete in einer halben Stunde wieder da zu sein. Dann überquerte sie die Straße, betrat den Tropfenden Kessel, grüßte Al, den immer freundlichen Wirt, und machte ihren Weg weiter in den kleinen Hinterhof, von dem aus man in die Winkelgasse Einlass fand. Wenn sie schon einmal hier war, konnte sie auch schnell noch ein paar Besorgungen machen. Sie erinnerte sich vage daran, dass Bill sie schon vor Tagen angefleht hatte, ihr einen kleinen Knuddelmuff mitzubringen, wenn sie mal wieder in der Winkelgasse war. Die Tage, in denen man unbedarft kleine Kinder mit hierher bringen konnte, waren inzwischen lange vorbei.

Einige der Läden hatten schon zugemacht, da Voldemort, oder „Der-dessen-Name-nicht-genannt-werden-durfte" wie einige, Joannas Meinung nach, Feiglinge ihn nannten, mehr Grauen und Leid in die Welt gebracht hatte, als noch vor einem Jahr irgendjemand annehmen konnte.

Der offenkundig gegen Voldemort gewandte Besenmacher, welcher immer die schnellsten Rennbesen verkauft hatte, war vor einem halben Jahr ermordet in seiner Werkstatt aufgefunden worden. Zweifellos das Werk der Todesser, der Gefolgschaft Voldemorts, nicht zuletzt daran erkennbar, dass nach seinem Tod das Dunkle Mal gut sichtbar für alle am Himmel geprangt hatte.

Joanna seufzte und betrat Eeylops Owl Emporium. Hinter dem Tresen sah sie aus einer dicken Brille Bert an, den Joanna schon von Kindesbeinen an kannte, da sie in ihrer Schulzeit… nun ihr Eulenverschleiß war relativ hoch gewesen, da es anscheinend keine Eule länger als ein halbes Jahr bei ihr ausgehalten hatte und diese alle vorgezogen hatten möglichst schnell das Weite in die Wildnis zu suchen.

Sie fasste in den großes Glaskasten, welcher vollgestopft war mit Knuddelmuffs und zog einen roten heraus. Rot sollte er sein, das hatte Bill ihr immer und immer wieder mit seiner kleinen nervigen Piepsstimme eingetrichtert. Rot. Nicht blau, nicht lila und schon gar nicht grün. Nur rot. Als sie die sieben Sickel auf den Tresen gelegt hatte und den Laden verließ um weiter noch schnell ein paar Saubertrankzutaten zu besorgen, erkannte sie schon weitem eine Gruppe Männer die Winkelgasse herunter kommen und schnell drückte sie sich in einen Hauseingang.

Unverkennbar Lucius Malfoy. Seine langen blonden Haare, über die Joanna sich schon zu Schulzeiten lustig gemacht hatte, wehten im Wind, als er zusammen mit seinen Todesser Kollegen seinen Weg zum Tropfenden Kessel machte. Die anderen Passanten auf der Straße stoben vor ihnen aus dem Weg, versuchten sich möglichst klein zu machen, ja nicht aufzufallen. Dieser Tage wollte wirklich keiner auch nur annähern Missgunst oder Unmut eines Todessers auf sich ziehen. Dies hatte meist Folter zur Folge – oder direkt den Tod. Als die Gruppe den Hauseingang passierten, in dem Joanna stand, tat diese angestrengt so, als würde sie darauf warten, dass man ihr aufmachte und presste wie ein Besucher hastig auf einer der Klingeln herum.

Jeder gescheite Mensch, der gerade auf dem Fenster sah und eine Schar Todesser vorbeiziehen sah, würde nun auf keinen Fall die Haustüre öffnen, da war sie sich sicher. Aber sie brauchte auch nur einen Vorwand, mit dem Gesicht zur Tür und dem Rücken zur Straße zu stehen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Auf Grund der Tatsache, dass Malfoy und seine, inzwischen Frau, Narcissa, sie schon früher wenig leiden mochten, war es ratsam sich vor ihnen zu verstecken, jetzt, wo sie vor aller Augen und der ganzen Welt endlich ihren Reinblutwahn ausleben konnten und mordlustig durch die Gegend stolzierten.

Als sie die Gefahr als gedämmt einstufte, machte Joanna sich wieder auf den Weg zu dem Laden mit den Zaubertrankutensilien, kaufte schnell die zu erledigen Besorgungen und machte sich dann wieder auf zu der Pizzeria, wohl erst, nachdem Al, der Wirt des Tropfenden Besens, ihr ein Zeichen gegeben hatte, dass die Luft rein war.

Mal wieder dankte Joanna Merlin für die guten Connections des Ordens, bezahlte die Pizzen und ploppte keine zwei Sekunden später wieder in der Küche ihrer Eltern auf.

„Joanna, was ist mit dem Gulasch passiert?", wurde sie auch direkt von ihrer Mutter, einem Althippie mit rosa gefärbtem Haar, begrüßt, welche sie bestürzt ansah. „Ich habe das Rezept doch genau aufgeschrieben, da konntest du doch garnichts…"

Genervt schob sich Joanna an ihr vorbei und legte die Pizza-Kartons auf den Tisch. „Es hatte eh niemand Lust auf Gulasch!", verteidigte sie sich, „Außerdem weiß hier eh niemand zu schätzen, dass ich nach der Arbeit auch noch versuche, hier sämtlich Mäuler zu stopfen!"

Ein einstimmiges „Danke" von allen Anwesenden sollte sie wohl für ihre „Mühen" entschädigen, doch Joanna winkte nur grinsend ab. Sie konnte hier einfach nie langen irgendwem böse sein. Apro pos.

Sie zog den fiependen Knuddelmuff aus der Tasche und winkte Bill heran, welcher, mehr stolpernd und fallend als laufend, auf sie zukam. Als er das fiepende und hüpfende Etwas in ihren Händen sah, wurden seine Augen quasi tellergroß.

„Ohhhh", entfuhr es ihm. „Bill, was sagt man da?", Bills Mutter, eine Frau die ein paar Jahre älter war als Joanna selbst, strich ihrem ältesten Spross über den Haarschopf, welcher genauso rot war wie ihr eigener. Mit der anderen Hand tätschelte sie sich ihren kugelrunden Bauch, welcher die baldige Geburt eines weiteren Weasly-Erben ankündigte.

„Danke!", brabbelte der kleine Bill und Joanna lies sich zu einem Lächeln hinreißen. So idiotisch es klang, in solchen Zeiten, wie sie sie gerade durchlebten, war es doch immer wieder schön, jemandem eine Freude machen zu können. Sie sah dem Jungen noch kurz hinterher, wie er mit seinem neugewonnenen Freund abmarschierte, wohl, um ihn seinem Bruder zu zeigen, welcher gerade fröhlich unter dem Tisch lang krabbelte und geschickt allen Füßen auswich, welche sich unter dem Tisch versammelten.

Sirius zog seine Freundin neben sich auf einen Stuhl und schob ihr einen Teller mit einem Stück Pizza hin. „Danke für das Holen, mein Schatz", er drückte ihr einen Kuss auf die Wange und schmatzte gleichzeitig beim Essen. Joanna musste grinsen. Auch wenn er und ihr Bruder James ganz eindeutig erwachsener waren, als noch vor fast einem Jahr, als sie von Hogwarts abgegangen waren, so hatte er sich doch in gewissen Wesenszügen nicht geändert. Er blieb einfach ein unverbesserlicher Rumtreiber. Ebenso wie James.

Wo sie gerade beim Thema war.

„James, wo ist denn eigentlich Lily?"

Sprachs und bekam direkt die Antwort geliefert, als ihre beste Freundin neben dem Spülbecken apparierte und sich zu ihnen gesellte. Wehmütig lächelte Joanna. Was für eine trügerische Idylle.