Kapitel I – Der erste Streit
Sora schaltete sein Handy aus. Das war nun das neunte Mal, dass ihn Riku anrief und er hatte genug. Er wollte ihn nicht hören, nicht sehen und schon gar nicht mit ihm reden. Er war wütend und beleidigt und dass wollte er noch mindestens eine Woche lang bleiben. Doch Sora hatte die Rechnung ohne Riku gemacht, denn auch wenn er sein Handy ausschaltete, blieb Riku immer noch der Hausanschluss des Telefons und so läutete das Telefon im Wohnzimmer Sturm. Sora seufzte, er hätte wissen müssen, dass sein Freund und Lover genauso stur sein konnte wie er.
„SORA!!!", rief sein Vater aus dem Wohnzimmer. Er öffnete seine Zimmertür und rief: „Wenn du möchtest, dass ich zum Telefon gehe, Dad … vergiss es". Mitch seufzte und fragte: „Willst du dir nicht wenigstens anhören, was er zu sagen hat?" „NEIN!!!", schrie Sora und warf die Tür zu. Mitch zuckte kurz zusammen und beschloss den Anrufbeantworter anzustellen, denn irgendwann musste auch Riku einsehen, dass es keinen Sinn hatte, Sora mit nicht enden wollenden Anrufen zu nerven in der Hoffnung, er würde mit sich reden lassen. Doch was war zwischen den beiden Turteltäubchen geschehen, dass Sora nun so wütend war?
Flashback:
Sora hatte Riku endlich dazu gebracht, mit ihm ins Kino zu gehen und hatte den ganzen Schultag damit verbracht, ausschließlich an nichts anderes zu denken. In seinen Tagträumen sah er sich mit ihm in der hintersten Reihe sitzen, Händchen halten, schüchterne Blicke auf ihn zu richten und – wenn keiner zusah – ihn zu küssen. Ja, so hatte sich Sora diesen Kinoabend vorgestellt (vielleicht auch ein wenig mehr), doch dieser lief anders ab, vollkommen anders.
Riku hatte Sora pünktlich um 20.00 Uhr abends abgeholt, war mit ihm in die Stadt gegangen und ins Kino wie versprochen. Da er zwei Stunden zuvor die Karten bereits besorgt hatte, hatte Sora keine Ahnung welchen Film sie sich ansehen würden und deshalb war seine Überraschung groß, als er sah, um welchen Film es sich handelte: Alien vs Predator! Beide nahmen in der hintersten Reihe Platz und Sora flüsterte seinem Freund zu: „Bist du sicher, dass dieser Film harmlos ist?" Riku küsste ihn auf die Wange und flüsterte zurück: „Du brauchst keine Angst zu haben, Schatz. Es gibt in diesem Film nichts, wovor du dich fürchten müsstest und selbst wenn … ich bin bei dir und beschütze dich".
Zwei Stunden später verließen die beiden das Kino und Sora trottete seinem Freund blass, weinend und zitternd hinterher. „Jetzt sei nicht so ein Baby. Der Film war doch ganz harmlos – von den paar klitzekleinen Szenen abgesehen in der das Alien …"., begann Riku sich über seinen Freund lustig zu machen und wurde von Sora wütend unterbrochen: „Erstens, ich bin KEIN Baby. Zweitens, ich will nichts mehr über Aliens oder dem Predator hören bzw sehen und drittens, …". Sora holte tief Luft bevor er weiter sprach: „ … schön für dich, dass dir der Film so gut gefallen hat, dass du sogar ganz und gar vergessen hast, dass ich auch noch da bin. Von wegen ‚ … ich bin bei dir und beschütze dich'. Du hast mich belogen, vergessen und jetzt machst du dich auch noch lustig über mich". Der Silberhaarige sah seinen Lover überrascht an, denn so wütend - oder überhaupt wütend - hatte er ihn noch nie erlebt. „Schatz, es …". Weiter kam er nicht, da der Brünette plötzlich bei ihm vorbei rannte und unter Tränen rief: „Vergiss es! Lass mich in Ruhe! Ich will dich nicht mehr sehen!" Riku rannte ihm nach und rief: „SORA!!!" Doch dieser lief nur noch schneller und war schließlich außer Sichtweite und ließ einen ratlosen und verzweifelten Riku hinter sich. Er wollte seinen Freund nicht verlieren und so beschloss er sich sogleich zu entschuldigen und rief seinen Lover am Handy an.
Flashback Ende
Riku seufzte, als er den Anrufbeantworter mit Mitch´s Stimme hörte und legte auf. Es musste doch eine Möglichkeit geben, um mit seinem Freund zu reden. Er wollte sich entschuldigen und alles wieder gut machen, aber wie sollte er das, wenn er nicht mit ihm reden konnte? Andererseits, wie lange konnte Sora schon böse auf ihn sein, schließlich kannten sie sich doch schon seit einer Ewigkeit und wenn sie sich früher gestritten hatten, war doch spätestens am nächsten Tag wieder alles in Ordnung. Vermutlich wird es diesmal auch so sein. , dachte Riku bei sich und begab sich in sein Zimmer. Er war sich sicher, wenn er am nächsten Morgen aufstand, würde zwischen ihm und seinem Lover wieder alles in Ordnung sein. Doch Riku hatte diese Rechnung ohne Sora gemacht.
Der nächste Tag war ein Samstag, es war keine Schule und das Wetter war wunderschön und warm, ideal um so einen Tag mit seinen Freunden auf der Spielinsel zu verbringen. Während Kairi, Selphie, Tidus und Wakka ihren Spaß auf der Insel hatten, saß Riku alleine und grummelnd auf der schräg wachsenden Papoupalme. Sora war nicht mitgekommen, sondern hatte nur über seinen Vater ausrichten lassen, dass er Zeit brauche um über ihre gestrige Meinungsverschiedenheit nachzudenken und er möge es bitte unterlassen, ihn mit Anrufen zu nerven, das würde nämlich auch nichts ändern. Okay, wenn du Zeit brauchst, bitte, aber spätestens am Mittwoch wirst du reuevoll bei mir auftauchen und mich anflehen, doch endlich wieder mit dir zu reden. , dachte Riku und wusste nicht, wie sehr er sich zum zweiten Mal irren sollte.
So vergingen die Tage und es wurde Mittwoch und … Sora ignorierte Riku völlig oder zumindest fast. Wenigstens bin ich ihm noch ein ‚Hallo und Tschüss' wert. , dachte Riku traurig bei sich und fragte sich zum wiederholten Male, wie es sein Freund – oder war er schon sein Ex-Freund? – ohne mit ihm zu reden, Blödsinn zu treiben oder einfach nur herumalbern aushielt. Auch ihre Freunde waren durch das Verhalten der beiden mehr als irritiert und fragten sich, was wohl vorgefallen war und schließlich war es Kairi, die auf Riku zuging und ihn fragte, was denn los war. Glücklich darüber, endlich jemanden zu haben mit dem er reden konnte, schüttete er ihr sein Herz aus. „… und jetzt weiß ich einfach nicht mehr was ich machen soll, damit er wieder mit mir redet"., beendete Riku seine Erzählung.
Kairi sah ihn kurz nachdenklich an, bevor sie plötzlich grinsend erklärte: „Ach, überlass das einfach Wakka und mir". „Wakka? Wie soll der dabei helfen können?", fragte Riku mit leicht sarkastischem Unterton in seiner Stimme. „Lass dich überraschen. Wir finden schon eine Lösung für dein Problem". „Problem? Ich will doch nur wieder mit Sora reden. Ich hab´ kein Problem"., empörte sich Riku. Kairi ging auf Riku zu, stupste ihn mit dem Zeigefinger in die Brust und erklärte: „Doch, du hast ein Problem, mein Lieber und genau dieses hat dazu geführt, dass Sora so wütend auf dich ist!" Er sah sie verwirrt an und fragte dann kleinlaut: „Und was genau ist das?" Kairi seufzte und antwortete: „Du hast absolut keine Ahnung von Romantik, was nicht so schlimm wäre, wenn du wenigstens deine Gefühle zeigen würdest, aber …". Sie machte eine kurze Pause und sprach dann weiter: „… die versteckst du lieber unter deinem coolen Gehabe anstatt ihm wenigstens einmal zu zeigen, was du für ihn wirklich empfindest". Der Silberhaarige zog eine Augenbraue hoch und sagte überrascht: „Aber … aber ich habe ihm doch immer gezeigt, was ich empfinde". „Bist du dir da sicher?", fragte Kairi, verabschiedete sich von ihm und verließ das Schulgebäude. Hat sie womöglich Recht und wenn … wie bringe ich das wieder in Ordnung? , fragte sich Riku in Gedanken, während er seine Tragetasche um die rechte Schulter schlang und ebenfalls das Schulgebäude verließ, ohne zu bemerken, dass Sora nur wenige Meter vor ihm ziemlich niedergeschlagen auf dem Weg nach Hause war.
Der Silberhaarige bemerkte seinen Freund erst, als ein leises „Hi!" neben ihm erklang. Riku antwortete nicht darauf, doch als Sora bei ihm vorbeiging und weitergehen wollte, ging ihm plötzlich Kairis Satz ‚Wenn du wenigstens deine Gefühle zeigen würdest' durch den Kopf. Er blieb stehen, nahm Sora am Arm, zog ihn zu sich und küsste ihn sanft und leidenschaftlich auf die Lippen. Mit einem „Zeig´ ich dir jetzt, was ich empfinde?" lief er weg und ließ einen zutiefst verwirrten Sora zurück. Zeig´ ich dir jetzt, was ich empfinde? Was – was meint er denn damit? , dachte der Brünette bei sich, begann seinem Lover nachzulaufen und rief: „RIKU!!! Warte!" Doch dieser hörte ihn nicht mehr und so verringerte Sora sein Tempo wieder und überlegte, ob dieser kurze Zwischenfall bedeuten konnte, dass ihre Beziehung doch noch eine Chance hatte. Es tut mir leid, Riku. Ich wollte nicht, dass du denkst, ich liebe dich nicht mehr. Ich wollte doch nur … , dachte er bei sich und brach in Tränen aus.
