Snow
Schneeflocken fielen vom grauen bewölkten Himmel hinab. Sie rieselten langsam zu Boden, nur um dann in den Schnee zu fallen und somit zu verschwinden. Yukino streckte eine Hand aus und eine Schneeflocke fiel darauf. Die Weisshaarige bewunderte kurz die zierliche, glitzernde Schönheit, bevor diese auf den Handschuh schmolz und nur noch Wasser war.
Wenn die Schneeflocken vom Himmel hinab fielen, ähnelten sie Engel, die langsam durch die Luft schwebten. Darum liebte Sorano den Schnee.
Wenn die Schneeflocken auf der Hand oder sonst irgendwo einzeln fielen, konnte man ihre Schönheit sehen, die sie wie Silbersterne erscheinen liess. Darum liebte Yukino den Schnee.
Sie erinnerte sich an ihre Kindheit, bevor ihre Eltern starben und sie jahrelang von ihrer geliebten Schwester getrennt wurde. Sorano und Yukino hatten sich immer wieder Geschichten erzählt, über Engel und Sterne, Winter und Schnee. Während ihre Schwester die Engel bevorzugte, war Yukino eher von den Sternen angetan. Doch beide liebten den Schnee. Den Winter. Wenn alles sich beruhigte (selbst Fairy Tail, jedenfalls ein bisschen), wenn die Nostalgie sich leise bemerkbar machte.
Die beiden Schwestern hatten sich versprochen das zu werden, was sie liebten. Die Ältere einen Engel, die Jüngere einen Stern. Bei ihrem Wiedersehen kürzlich hatte Yukino bemerkt, dass sie beide es geschafft haben das zu werden, was sie wollten. Sorano war tatsächlich ein Engel geworden, wenn auch ein dämonischer. Und sie selber war tatsächlich ein Stern geworden dank ihrer Magie, wenn auch noch lange nicht so strahlend wie Lucy Heartfillia.
Auch ihre Liebe zu Schnee und Winter war nicht verblasst, im Gegenteil. Beide liebten ihn umso mehr, da sie vor allem in dieser Jahreszeit in schöne Erinnerungen schwelgen konnten.
Yukino spazierte weiter durch die beschneiten Strassen der Stadt Salvia, da wo Sabertooth ihre Gilde hatte. Die Stellarmagierin seufzte. Von ihrer Gilde war sie wohl die einzige, die den Winter mochte. Sting mochte eher den Sommer, wenn alles so hell und heiss war. Wie er es war, pflegte der Lichtdragonslayer immer zu sagen. Rufus fand den Winter nicht poetisch genug, im Gegensatz zu den anderen Jahreszeiten. Minerva liebte der Frühling und der Herbst, weil diese ihrer Meinung nach die elegantesten Zeiten des Jahres waren. Orga war es sowieso egal, er konnte in jeder Jahreszeit singen.
Und was Rogue anging... Yukino errötete, als sie an ihren heimlichen Schwarm dachte. Der Schwarzhaarige zeigte nie wirklich seine Vorlieben, doch sie hatte den kleinen Verdacht, dass er den Winter nicht in sein Herz einschloss. Schliesslich werden die Tage dann länger, also dunkler und das erinnerte ihn sicher an sein Ich aus der Zukunft, das beinahe die Welt erobert hätte. Rogue hasste es daran erinnert zu werden, sei es nur aus Versehen. Als Sting eines Tages darüber gewitzelt hatte, war er fast am eisigen Blick seines besten Freundes auf der Stelle erfroren.
Die Schneeflocken tänzelten um ihr Haar herum, der Wind wurde langsam stärker. Doch Yukino wollte weiter vom Schnee profitieren. Es war bitter kalt, doch es störte sie nicht. Klar, es war angenehm mit Keksen in der warmen Stube zu hocken. Yukino aber spazierte lieber im Schnee hindurch, egal ob sie sich deswegen eine Erkältung holte. Nur dann konnte sie wirklich über angenehme Gefühle und Erinnerungen nachdenken. Sie erinnerte sich kichernd daran, welche Blicke Sorano mit ihrem Kameraden Sawyer ausgetauscht hatte, sobald sie glaubten niemand würde hingucken. Yukino war es schnell klar geworden, dass es zwischen den beiden heftig knisterte, doch sie spielten immer so, als ob nichts wäre. Mit der Zeit würde es jedoch soweit sein, das wusste Yukino.
Wie gerne hätte sie die Sicherheit gehabt, dass ihre Gefühle für Rogue erwidert sein konnten. Doch mit ihrer legendären Pechsträhne war ja zu erwarten, dass Yukino sich ausgerechnet in den beinahe emotionslosesten, neutralsten und kältester Dragonslayer von ganz Fiore verliebte. Selbst dieser Cobra von Crime Sorciere konnte liebevoller mit einer Person umgehen, die nicht sein Exceed war. Aber Kinana hatte ja keine solche Pechsträhne wie Yukino.
Plötzlich spürte die Stellarmagierin, wie jemand eine Mütze auf ihren Kopf zog. Erschrocken drehte sie sich um... und quiekte erschrocken auf, als Rogue in ihr Blickfeld trat. Er sah wie immer neutral und unerschrocken aus, doch die kleine Beule unter seiner Jacke, unter der sich sicher Frosch befand, machte sein emotionsloser Gesichtsausdruck ziemlich lächerlich.
„Du solltest nicht ohne Kopfbedeckung bei diesem Wetter rausgehen, wenn du schon spazieren willst. Nicht, dass du mir noch krank wirst, wenn wir auf einer Mission gehen."
Yukino errötete abermals. Als Sting Master von Sabertooth geworden war, konnte er nicht mehr auf Missionen gehen. Schliesslich brauchte es einiges um eine Gilde zu führen und selbst Sting hatte eingesehen, dass er den lästigen Papierkram nicht immer auf Rufus, Rogue oder Minerva delegieren konnte. Der Schattendragonslayer hatte deshalb Yukino vorgeschlagen, mit ihm und Frosch ein Team zu bilden. Natürlich hatte die Weisshaarige sofort akzeptiert. Das war doch die Gelegenheit viel mehr Zeit mit ihrem heimlichen Schwarm zu verbringen, ohne dass die anderen Verdacht schöpfen konnten. In Sachen Liebesangelegenheiten konnte Sabertooth genauso untaktvoll sein wie Fairy Tail.
Seit sie ein Team bildeten, hatte sie die Chance gehabt Rogue besser kennen zu lernen. Wenn er seine Gefühle zeigte, dann nur leicht, aber es genügte, damit die Personen um ihn sich beruhigten. Yukino liebte es zu sehen, wie er sich Sorgen um ihr machte, wie jetzt gerade. Bei ihm stand sie nun wohl auf dem gleichen Niveau wie Frosch.
„Du musst keine Angst haben, Rogue. Ich liebe Kälte und Schnee, eine Erkältung wird mich nicht umhauen", sagte sie ruhig. Ach wie herrlich es war seinen Namen auszusprechen, ohne diese Sama, San oder Kun am Schluss anzuhängen, wie sie es immer noch bei Sting, Minerva, Rufus und Orga tat. Okay, bei Lector und Frosch tat sie es natürlich nicht, aber bei den zwei Exceeds war es einfach nicht dasselbe als mit Rogue. Yukino war so stolz auf sich, dass sie in seiner Gegenwart nicht so schnell stotterte, obwohl ihre Knien sich in Pudding verwandelten und ihre Wangen Erzas Haarfarbe in den Schatten legten, wenn er auch nur kurz in ihre Richtung sah.
„Wenn man dich so ansieht kann man es kaum glauben, doch du hast eine beneidenswerte Ausdauer", sagte Rogue, während sich sein kleines, seltenes Lächeln auf seinen Lippen auftauchten. Yukino blickte gerührt zu Boden. Rogue machte höchst selten Komplimente, doch dann konnte man sicher davon ausgehen, dass er es ernst meinte. In letzter Zeit hatte er auf einigen Missionen ihr Komplimente gemacht und für Yukino war dies so schön gewesen wie eine Schneeflocke.
„Fro denkt das auch", kam es gedämpft auf Rogues Jacke und beide Magier konnten nur ein amüsiertes Lächeln austauschen. Frosch war eher sehr sensibel auf Kälte und Hitze. Es war immer niedlich zu sehen, wie sie sich immer einen Ort suchte, wo sie vor den Temperaturen in Sicherheit sein konnte.
„Warum bist du mir gefolgt? Hast du eine neue Mission gefunden oder bist du wirklich nur hergekommen, damit ich keine Erkältung bekomme?", wollte Yukino schliesslich wissen. Es musste doch einen wirklich guten Grund haben, warum er ihr durch die beschneiten Strassen von Salvia gefolgt war. Und das mit Frosch, wo doch die Kleine so sensibel war bei Kälte.
„Sting beklagt sich wegen dem Wetter und sagt etwa jede Minute, dass er wieder Sommer will. Mir ist es zu viel geworden", sagte Rogue einfach, doch Frosch ergänzte in seiner Jacke: „Das ist eigentlich nur ein Vorwand, um mit Yukino..."
„Halt die Klappe, Frosch", zischte er wütend, wobei seine Wangen leicht rosa geworden waren. Könnte es sein, dass er doch ihre Gefühle teilte? Aber die rosa Flecken auf seinen Wangen konnten ja auch Erfrierungen sein. Egal, Yukino war einfach froh etwas Zeit mit Rogue zu verbringen, vor allem da sie nicht auf einer Mission waren.
Lächelnd nahm sie einfach seine Hand und zog ihn mit sich. Die Schneeflocken fielen weiterhin vom Himmel hinab. Wie Engel, würde Sorano sagen. Yukino liebte den Schnee zwar abgöttisch, doch nichts auf der Welt war vergleichbar mit Rogue und seine Nähe.
