Nur etwas Kurzes zwischendurch.

Boromir/OC (für alle Fangirls)

Wüstennacht

„Nahema, komm schnell, sie reiten gleich in den Innenhof." Die Stimme ihrer Schwester klang schrill vor Aufregung. Ein kurzes Wirbeln von dunkelgrünem Stoff, und schon war sie verschwunden. Nur der Jasminhauch ihres Duftwassers schwebte noch einen Augenblick in der Luft.

Rasch rollte Nahema das Schriftstück auf, in dem sie gelesen hatte, legte es auf einen kleinen Tisch und folgte ihr. Sie lief so flink, dass ihre Füße kaum den Boden berührten. Sobald sie durch den Türbogen hindurch war, hörte sie das hektische Tuscheln ihrer Schwestern und Cousinen. Kichernd drängten sie sich an den drei Fenstern zum Innenhof, rangelten wie Kinder um den besten Platz. Ein wirres Knäuel aus schwarzen Haaren, bunten Schleiern und braunen Armen. Armreifen klimperten um schmale Handgelenke.

Unbeeindruckt schob Nahema sich seitlich vorbei bis sie ganz dicht am äußersten Fenster stand. Ein kunstvoll geschnitztes Gitter diente als Fensterladen. Darüber spannte sich ein hauchfeiner dunkler Stoff, der sich im heißen Wind träge bewegte. Auf diese Weise konnten die Mädchen jede Bewegung im Innenhof beobachten ohne selbst gesehen zu werden. Keinem einfachen Mann und schon gar keinem Fremden konnte es gestattet werden auch nur den geringsten Blick in die Frauengemächer zu werfen.

Unten stand eine Abteilung Krieger ihres Vaters. Die bronzenen Rüstungen glänzten golden, wo das Sonnenlicht auf sie fiel. Die scharlachroten Schlangenbanner leuchteten selbst im Schatten. Speerspitzen funkelten wie herabgefallene Sterne. Bei ihrem Anblick verspürte Nahema Stolz. Die Gesandten aus dem Norden sollte ruhig erkennen, mit wem sie es hier zu tun hatten, auch wenn sie gekommen waren um über Frieden zwischen Gondor und Harad zu verhandeln.

Inzwischen hatte jede einen Platz ergattert, mit dem sie zufrieden war. Jetzt begann das Getuschel.

„Es heißt die Männer aus Gondor seien allesamt grässliche Barbaren. Ungehobelt und ohne Anstand."

„Unsinn, das hat die alte Lissa nur erzählt um uns Angst einzujagen. Ich habe gehört, sie sollen tapfere Soldaten sein, die es sogar mit unseren Truppen an Furchtlosigkeit aufnehmen können."

„So weit kann es damit nicht her sein, wenn sie Frieden mit uns schließen wollen."

„Sei nicht albern, Harira. Du weißt so gut wie ich, dass es Vater war, der ihnen das Angebot unterbreitet hat", mischte sich nun Nahema ein. „Er hat die Zerstörung Umbars keinesfalls vergessen. Er wird viel aufs Spiel setzten damit sich etwas ähnliches nicht noch einmal ereignet."

„Du beschäftigst dich eindeutig zu viel mit Politik, Nahema", rügte ihre älteste Schwester sie. „Das sind Männerangelegenheiten mit denen eine Frau nichts zu schaffen haben sollte. Vater wird es nicht gutheißen, falls er davon erfährt."

„Wenn Truppen aus Gondor in die Stadt einfallen und unseren Palast niederbrennen wird es gewiss auch zu deiner Angelegenheit", gab die Gescholtene unwillig zurück. Ärgerlich zupfte sie an den rosenfarbenen Falten ihres Gewandes. Nur weil sie die jüngste Tochter war musste sie sich noch lange nicht alles gefallen lassen.

Ein Tusch aus bronzenen Kriegshörnern unterbrach den Streit, der unter den Schwestern auszubrechen drohte. Die Torflügel schwangen weit auf und herein ritt die Gesandtschaft aus dem Norden. Im ersten Moment verschlug es selbst den aufgeregtesten Mädchen die Sprache, so fremdartig wirkten die Ankömmlinge neben den Kriegern von Harad.

Hochgewachsenen waren sie allesamt mit dunklen Haaren und heller Haut. Kettenhemden glitzerten silbern unter schwarzen Umhängen hervor, die noch vom Wüstensand bestäubt waren. Doch kein Fleck zeigte sich auf ihren weißen Fahnen. Lange Schwerter hingen an ihren Seiten. Selbst ihre Pferde schienen größer und stärker als die der Südländer.

„Angeblich schickt der Truchsess seinen ältesten Sohn um mit dem Fürsten zu verhandeln." Es war allgemein bekannt, dass ihre Cousine Yasineh ihre Dienerin benutzte um die Leibwächter von Nahemas Vater auszuhorchen. Wenn sie so etwas behauptete entsprach es meistens der Wahrheit. „Das beweist doch, wie wichtig ihm die Sache ist."

„Welcher ist es?" Das Drängen und Schubsen begann erneut, als alle versuchten einen Blick auf Denethors Erben zu erhaschen.

„Der Große an der Spitze natürlich. Seht ihr das silbern beschlagene Horn an seiner Gürtel nicht? Seit unzähligen Generationen wird es immer an den Erstgeborenen weiter gegeben."

„Man sagt, er sei Gondors bester Krieger und der kühnste Anführer ihrer Truppen."

Nahema mischte sich nicht mehr in das Geschnatter der anderen ein und lauschte auch nur noch mit einem halben Ohr. Ihre dunklen Augen waren fest auf den Anführer der Männer aus Gondor gerichtet. Von ihrem Standpunkt aus konnte sie nur seinen breiten Rücken und die schwarzen, nach Art der Soldaten geschnittenen Haare erkennen. Nicht kurz genug um die Ohren freizugeben aber auch nicht so lang, dass sie über deinen Kragen fielen. Aufrecht saß er stolz im Sattel und blickte dem Haushofmeister ihres Vaters entgegen, der gekommen war um die Gäste willkommen zu heißen. Als er abstieg bemerkte sie einen sorgsam gestutzten dunklen Bart in seinem für sie so blassen Gesicht. Es war zu schwierig, sich auf die Entfernung einen genauen Eindruck von ihm zu machen.

Ohne ihr Zutun schlossen ihre Hände sich fest um den rauen Sandstein der Fenstereinfassung. Der Gedanke, der sie in den letzten Tagen fast ununterbrochen beschäftigt hatte wurde nun zur Gewissheit: Der Friedensvertrag mit Gondor musste um jeden Preis zustande kommen.

TBC