Müslischalen und andere Katastrophen
1. Prolog
Die Türglocke läutete.
Jack Potter seufzte, faltete die Zeitung zusammen, die er grundsätzlich erst nachmittags las („Wisst ihr, ich erfahr sowieso das Nötigste morgens und nachmittags hole ich mir dann nur noch die Zusatzinformationen, das spart Zeit!", erklärte er fast wöchentlich. „Ah jaah!", seufzten dann sein Sohn James Potter und dessen bester Freund Sirius Black jedes Mal), stand auf und ging zur Tür. „Mal ehrlich, bin ich eigentlich der Einzige, der hier was tut?", beklagte er sich murmelnd bei sich selbst und zog die Tür auf. Davor stand eine schöne, rothaarige Hexe, die ungefähr in James und Sirius Alter sein musste und sah ihn aus smaragdgrünen Augen an. Er sah ein Funkeln in eben diesen und wusste sofort, wer da vor ihm stand.
Lily Evans.
Oh ja, da ratterte aber etwas in seinem Hirn. War das nicht das Mädchen, das mit James und Sirius in eine Klasse ging, mit James Schulsprecher war, den beiden mehr als einmal gesagt hatte, dass sie ihre Streiche unterlassen sollten, James – nicht nur – deswegen nicht leiden konnte und in das James seit drei Jahren unglücklich verliebt war? Jetzt war sein Interesse geweckt und er sah sie fragend, aber freundlich an. Auch sie sah sympathisch aus und sagte höflich: „Schönen Tag. Sind Sie Mr. Potter? Dann würde ich gerne Ihren Sohn sprechen. Ich bin Lily Evans und gehe in seine Klasse. Wir sind zusammen Schulsprecher und ich habe gerade eben von Professor Dumbledore einen Brief mit Anweisungen bezüglich ausgeweiteter Pflichten erhalten, die ich gerne mit ihm durchsprechen würde." Jack war relativ baff. Gut, sein Sohn und Sirius hatten schon einiges von ihr erzählt, auch dass sie wusste, wie man sich ausdrückte und dass sie pflichtbewusst war, aber das hier passte irgendwie nicht so ganz zu einer Siebzehnjährigen. Nun ja, freundlich war sie, das konnte er nun wirklich sagen. „JAMES! KOMMST DU MAL BITTE?", rief er also nach oben, bekam aber nur ein „GEHT GRAD NICHT, DAD!" zurück. In Ordnung, er wusste ja, dass James vor dieser Lily nicht schlecht dastehen wollte, also sollte das wohl eher wirken. „LILY EVANS IST HIER!" Jetzt hörte er gedämpftes Lachen. ‚Sirius, ganz eindeutig!', schoss es ihm durch den Kopf. Entschuldigend blickte er Lily an, aber diese lächelte nur.
„James?", rief sie wesentlich leiser als er gerade eben nach oben und eine halbe Sekunde später standen James – mit weit aufgerissenen Augen – und Sirius – mit runter gefallener Kinnlade – am Ende der Treppe. „Warum hört ihr eigentlich nicht auf mich?", beklagte sich Jack mal wieder, aber keiner beachtete ihn. „Lily!", brachte James heraus und seine Hand fuhr augenblicklich zu seinen Haaren, um sie in eine imaginäre Ordnung zu bringen. „Hey James! Hör mal, ich hab von Dumbledore einen Brief bekommen. Schulsprecherangelegenheiten. Hast du einen Moment Zeit?" „Für dich hat Prongs doch immer Zeit, nicht wahr?", machte sich Sirius sofort bemerkbar und James verdrehte die Augen. „Ja, ich freu mich auch wahnsinnig, dich jetzt auch noch in meinen Ferien ertragen zu müssen, Black!", fauchte Lily und Sirius grinste. „Aber natürlich tust du das, Evans! Tief in deinem Innern-", setzte er theatralisch an, aber Lily winkte nur ab: „Lass gut sein, Black! Was ist jetzt, James?" „HEY!", rief Sirius, der sich zu Recht übergangen fühlte, aber Lily schenkte ihm noch nicht einmal einen Blick, sondern sah James an. „Klar. Wollen wir in mein Zimmer gehen?", sagte er betont freundlich, aber Sirius konnte seine Klappe natürlich immer noch nicht halten: „Aha. In dein Zimmer. Und was habt ihr da so-" Aber wieder fuhr ihm Lily dazwischen und giftete: „Ich weiß ja, dass ungefähr dreiviertel deines Gehirns nur auf solche Dinge eingestellt sind, aber es gibt auch Menschen, die durchaus in der Lage sind, vernünftig zu denken!" Aber Sirius gab sofort Kontra: „Ach ja? Nur dreiviertel? Was ist mit dem anderen Viertel?" Zu seinem Pech hatte Lily darauf nur gewartet: „Das benutzt du, damit McGonagall dich nicht sofort erwischen, sondern erst drei Sekunden später, für mehr reicht es nämlich nicht. Ach ja, und für Essen, Schlafen und leider, leider auch zum Atmen, sonst hätte ich längst ein Problem weniger."
Jetzt hatte sie ihn geschafft und er blies die Backen auf. „Evans-" Diesmal fiel ihm James ins Wort: „Lass mal gut sein, Pad. So wird das nie was!" „Warum lässt mich hier eigentlich keiner ausreden?", schimpfte er, aber Lily ignorierte ihn wieder einmal. „Was hältst du von einem Spaziergang, James? Da könnten wir in aller Ruhe alles besprechen und müssten uns nicht von unqualifizierten Bemerkungen ablenken lassen." Die letzten vier Worte hatte sie überdeutlich in Sirius Richtung ausgesprochen und James sah, wie dieser sich stark zusammenreißen musste, um nicht zu grinsen. Nur er wusste, dass Sirius Lily eigentlich wirklich ‚okay' fand – war sie doch die Einzige, die nicht sofort nach seiner Pfeife tanzte, mal Kontra geben konnte und herrlich sarkastisch war. Nicht, dass er das Lily jemals ansatzweise gezeigt hätte, aber er hatte es James und Remus gegenüber mal zugegeben. James lächelte Lily zu – er hätte auch gar nicht anders gekonnt, als ihr zuzulächeln – und schnappte sich seine Jacke. Es war schließlich Dezember und erfrieren wollte er auch nicht. Er wandte sich wieder Lily zu und ging vollends auf sie zu, war sich allerdings noch unsicher, ob er es wagen könnte, sie zur Begrüßung zu umarmen. Wohl eher nicht, wenn er keinen überdimensionalen Stress wollte, aber noch bevor er zu einem eindeutigen Entschluss kam, lies ein lautes Plopp sie alle aufschrecken.
„Lily! Wenn dein Kopf nicht angewachsen wäre!" Eine weitere Hexe war vor dem Haus der Potters aufgetaucht. Mit ihren langen, welligen Haaren ähnelte sie Lily, nur dass eben diese braun und nicht dunkelrot waren und ihre Augen je nach Lichtverhältnissen auf undefinierbare Weise zwischen Grau und Blau wechselten. Sie wirkte freundlich und hatte ein Grinsen auf den Lippen. „Mika!", rief Lily und umarmte ihre beste Freundin. Diese lächelte und hielt Lily einen Stapel Pergamente hin. „Die hast du vergessen!" Lily seufzte, nahm sie ihr dankbar ab und steckte sie in ihre Umhängetasche. „Hey James! Guten Tag, Mr. Potter! Hi Sirius!", wandte sich auch Mika nun an die Männer (sofern man James und Sirius unter dieser Bezeichnung laufen lassen konnte). „Hey!", kam es ihr von den Jungs entgegen und James stellte sie gerade seinem Vater vor, als eine Frau mit dunkelblonden, schulterlangen Haaren aus dem Innern des Hauses kam. Sie blickte von ihrem Mann, zu ihrem Sohn, zu Sirius und dann zu den Mädels. James lächelte seine Mutter an und begann noch einmal: „Lily, Mika, darf ich vorstellen: Meine Eltern, Jack und Joanne Potter. Mum, Dad, das sind Lily Evans und Mika Unger." Joanne Potter atmete verstehend ein und reichte sowohl Lily, als auch Mika die Hand, wobei Lily sofort noch einmal erklärte, warum sie da war.
Mika zog Luft ein und sagte hektisch zu Lily: „Oh, verdammt! Ich muss zurück! Ich hab total vergessen, deiner Mum zu sagen, wo du hin bist und wenn sie uns jetzt beide nicht findet..." Lily führte ihren Satz fort: „...kriegt sie die Krise. Ich seh es schon bildlich vor mir: Nachdem sie so ziemlich alle Nachbarn verrückt gemacht hat, ruft sie bei deinen Eltern an und erzählt ihnen, dass sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hat..." Mika lachte und spann den Faden weiter: „... Wo ich doch einmal in den Ferien bei euch bin! Und normalerweise würde ihr da dann einfallen, dass wir ihr morgens gesagt haben, dass wir mal eben in der Stadt sind!" Die Potters und Sirius grinsten und Lily meinte lachend: „Na, dann: Mach mal lieber nen Abflug!" „Schon? Das ist aber schade, oder Mika?", zwitscherte Sirius und Mika verdrehte die Augen. „Ja, du hast Recht, es ist grausam, dass ich Lily nicht unterstützen kann, wenn sie sich jetzt noch mit dir rumschlagen muss, Black!" Wieder einmal war Mika bei Sirius Nachnamen angelangt. Eigentlich hatte auch sie ihn immer so genannt, aber da sie mit James und ihm gemeinsam im Gryffindor-Quidditch-Team war, hatte sie sich angewöhnt, ihn zumindest so lange Sirius zu nennen, bis er anfing, zu nerven. „Ach was, Evans wird mich überhaupt nicht bemerken!" Lily lachte auf: „Das, Black, ist mein größter Wunsch!" James konnte ein Lachen nicht mehr unterdrücken und auch seine Eltern sahen belustigt aus, aber Sirius ließ sich nicht unterkriegen: „Oh, keine Sorge, Evans, du wirst doch viel zu sehr auf Prongs fixiert sein!" Zur Antwort zog Lily nur eine Augenbraue hoch und blickte ihn verächtlich an, was James mal wieder einen Stich versetzte.
"Also gut, dann verabschied ich mich hiermit schon wieder! Wir sehen uns nachher, Lily! Und beeil dich, ich will mich nicht zu lange von deiner Schwester nerven lassen!" Lily nickte genervt und umarmte sie noch einmal. Mika winkte noch schnell den Potters - Sirius lies sie aus - und apparierte wieder zurück zu den Evans. "James?", fragend blickte Lily ihn an. "Was..? Oh, ja, klar... Gehen wir!" "Schon am Stottern, Prongs?" "Klappe, Pad!" "Seit wann lass ich mir was von irgendjemandem befehlen?" "Das-" "JUNGS! Ich würde das hier gerne erledigen!", keifte Lily und sofort war James ruhig, zwinkerte seinen Eltern und Sirius zu, sah wie Lily ihnen freundlich zunickte und zog die Haustür hinter sich zu. Da erst wurde ihm bewusst, dass er gerade allein, völlig allein, mit Lily Evans war. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus...
