Ich richte mich ein wenig nach Holmes und Watson aus ,,Eine Studie in Scharlachrot" (der erste Fall), was die Personenbeschreibungen angeht, z.B. mag Watson dort Stücke von Mendelsohn, aber auch nach der BBC-Serie. Bin selbst gespannt was herauskommt:)
Was diese Geschichte betrifft, würde ich mich über Kommentare und Resonanz sehr freuen bzw. es würde mir helfen.
Molly/Sherlock - höchstwahrscheinlich eine mehr als Freundschafts-Geschichte:)
Inhalt: Sherlock wacht nach seinem vorgetäuschten Selbstmord in Mollys Wohnung wieder auf. Warum hat es ihn dort hingezogen hat? Die Antwort darauf ist nicht so eindeutig, wie es am Anfang scheint, doch Molly wird mit der zeit bewusst, sie liegt auch in seiner Vergangenheit, von der Sherlock nichts mehr wissen will...
Der Titel ist vorläufig.
Da ich nicht genau weiß, in welche Sparte ich die Geschichte stecken soll, werde ich sie erst einmal als Drama posten.
-Solange ich atme, hoffe ich -
1. Post mortem
Die Dunkelheit war diesmal kein Freund. Sie hatte ihn immer beim Denken geholfen, und ihn wie eine feine Membran von der Welt getrennt, die ihn manchmal zu überschwemmen schien.
Jetzt schien sie auf seine Brust zu drücken und ihm die Luft abzuschnüren.
Mollys Bett roch nach frischem Waschmittel. Er wusste nicht einmal wie der Raum aussah, in dem sie ihn gebracht hatte; es hatte ihn nicht im Geringsten interessiert, als er unter die Decke gekrochen war. Bestimmt lag er gerade unter pinken Einhörnern und Mollys plüschige Relikte aus Kindertagen starrten ihn aus schwarzen vorwurfsvollen Knopfaugen an. Ein ätzendes kleines Lächeln zuckte über seinen Mund und schickte einen amüsierten Atemstoß aus seinem Mund. Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an seinen winzigen, kaum messbaren Anflug von Humor.
Überall kribbelte seine Haut, aber wusste nicht einmal mehr, ob er sich unwohl fühlte. Es musste Unbehagen sein.
Ganz bestimmt.
Er war tot. Seine Brust wog tausend Tonnen und wollte sich einfach nicht heben.
Es mussten Stunden vergangen sein, in denen er versucht hatte, das Atmen wieder zu erlernen, als es leise und behutsam an der Tür klopfte.
,,Brauchen Sie etwas, Sherlock?" murmelte Molly dumpf hinter der Tür. ,,Möchten sie Tee?"
Porzellan klirrte leise.
Sherlock schwieg eisern, bis sie wieder verschwand. Sie würde auf dem Sofa schlafen, ohne ihn weiter zu stören. Sie würde auch nicht die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnen, wenn er es nicht wollte.
Er hatte nur genickt, als sie ihm ihr Bett angeboten hatte. Er hatte kaum denken können, und das Schmerzmittel hatte ihn dumpf gemacht. Die Welt war an ihm vorbei geschwommen, als sie ihn in ihre Wohnung gebracht hatte. Mycroft hatte ihm nur wieder mit dieser Mischung aus sorgenvoller Überheblichkeit hinterher geblickt, und das, obwohl sie beide keine Freunde warmer brüderlicher Gefühle waren. Er hätte ihn am liebsten zu sich genommen, aber um nichts in der Welt hatte Sherlock in diesem Moment in sein kaltes Haus gehen wollen.
Mycroft war ein Eisberg auf zwei Beinen, genau wie er, nur dass sein Bruder jeder Leidenschaft entbehrte.
Molly hatte versprochen, sich um sein Bein zu kümmern und er sich niemand anderem anvertraut.
Wie sollte er das nur aushalten?
Nicht mehr in seine Wohnung in der Bakerstreet zu gehen? Zu John. Dort war doch sein zu Hause. Dort konnte er in Ruhe denken und darauf warten, dass die Welt zu ihm kam, und ihn brauchte. Hier, lag er vermutlich unter geblümter Bettwäsche, zwischen Blumentapete und all zu femininer Aufmerksamkeit.
Diese Gedanken waren zwischen das dumpfe Pochen in seinem Kopf gedrungen, aber er konnte nicht mehr denken. Jede Schlussfolgerung erschien ihm anstrengend und, was noch schlimmer war, völlig bedeutungslos. Es wäre ihm lieber gewesen, er hätte Wut gespürt, doch das einzige Gefühl in seinem Körper, war das schmerzhafte Pochen seines gebrochenen Fußgelenks und seiner genähten Platzwunde an der Schläfe.
Erst als seine Blase schmerzhaft zu drücken begann, schlug er die Decke beiseite. Er sah an sich herunter. Sein Hemd hing lose aus der Hose, unter seinem rechten Hosenbein lugte der bandagierte, angeschwollene Fußknöchel hervor. Blinzelnd tastete er nach dem Licht auf dem Nachttisch.
Ein angenehm warmes Licht legte sich über den Raum. Sherlock wollte den Blick schweifen lassen, nur aus Gewohnheit, doch der der grinsende Totenkopf, der ihn ansah, kitzelte seine Neugier in dem dumpfen Nebel seiner geistigen Abwesenheit. Das Skelett, das an einem Haken neben dem Bett hing, sah ihn aus hohlen Augen an. Er streckte seine Hand aus und schüttelte seine Hand. Ein Metallschanier im Ellenbogengelenk quietschte leise.
Seine geübten Augen fanden eine Auffälligkeit.
Ein Knochen, der Oberarmknochen sah anders aus, als der Rest des Skeletts. Sherlock erkannte sofort an der von etlichen Händen abgegriffenen, rauen Oberfläche, dass er der einzig echte Knochen zwischen all dem Kunststoff war. Ein kleines unauffälliges Souvenir aus irgendeiner pathologischen Sammlung, mit dem sie ihr Modell repariert hatte, das so zerkratzt wie es aussah, vermutlich schon einem Arzt aus den Fünfzigern gehört hatte.
Nur dass der Humerus einem männlichen, hart arbeitendem und nicht immer gut ernährtem Individuum gehört hatte, und das Plastikmodell weibliche Anatomie aufwies und vor künstlicher Gesundheit nur so strotzte.
Molly Hooper stahl also Knochen, aber nahm sich nicht die Zeit einen passenden auszusuchen. Das musste jetzt zehn Jahre her sein, denn ein spätestens im zweiten Semester ihres Medizinstudium hätte die Molly Hooper, die er kannte, eine solche Nachlässigkeit nicht mehr zugelassen.
Erst jetzt sah er, dass das Skelett beinahe die einzige Zierde in dem ansonsten recht kahlen Raum war. Die Bettwäsche war hellblau und ohne Muster, die Wände beinahe kahl, bis auf einen winzigen Kupferstich eines Hasen. Ein Kleiderschrank, ein Stuhl mit einem Haufen Wäsche darauf. Ein paar Gardinen, durch die tagsüber etwas Licht sickerte.
Sie war nicht glücklich.
Mit einem Mal wünschte er sich fort. Er vertraute Molly, aber die Erahnung ihrer Einsamkeit machte ihn unruhig.
Langsam erhob er sich aus dem Bett und testete seinen Fuß. Er schmerzte wie die Hölle und so sprang Sherlock mit seinem gesunden Bein zur Tür. Als er sie öffnete, fielen ihm die Krücken entgegen, die Molly ihm an die Tür gelehnt hatte.
Er registrierte es als vernünftig, nahm sie, hievte sich in den Flur hinaus und machte das Licht an.
Hier hing einsam unweit des Jackenständers der Kupferstich eines Nashorns. Ein Künstler der Renaissance, Dürer vermutlich. Er merkte sich nichts, dass ihm nichts nützte, und mit Kunst hatte er sich nie explizit beschäftigt, denn wenn ein Werk gestohlen wurde, waren die Spuren am und im Bild um vieles wichtiger als die edle Gesinnung des Künstler der Welt Schönheit und Weisheit zu schenken. Es gab also nie einen Grund sich den wertvollen Platz in seinem Kopf mit Kunstgeschichte vollzustopfen. Alles was ihn interessieren könnte, konnte er mit bloßem Auge erkennen.
Die Linienführung ließ auf denselben Künstler schließen, von dem der Hase stammte. Der Rahmen des Bildes war schon sehr alt, aus einem sehr harten Holz, vermutlich Birne. Das Bild darin war angelaufen und leicht gewellt, vermutlich von der Feuchtigkeit eines Kellers. Einige Jahre hatte es kein Tageslicht gesehen. Die Farbe war auf der einen Hälfte weniger verblasst: das Bild hatte sein restliches Dasein in einer unbedeutenden Ecke gefristet. Ein Familienerbstück. Nichts deutete darauf hin, dass Molly Kunstliebhaberin war und die Art wie sie die Bilder aufgehängt hatte, ließ nicht gerade auf den Sachverstand einer Galeristin schließen.
Sherlock wandte seinen Blick ab. Er schlussfolgerte. Er hatte immer Leidenschaft dabei gespürt, aber vielleicht war er ja doch eine Maschine. Eine Maschine, die der Deduktion fähig war.
Er schleppte sich weiter.
Ansonsten war der Flur, der in einem hellgelb gestrichen war, bedrückend leer. Ein einsamer Arztkoffer stand unter dem Jackenständer.
Nur ein beschfarbender Teppich führte wie ein Pfad ins Wohnzimmer und die Küche.
Ein Blick in die Küche verriet, dass sie ebenso karg eingerichtet war, wie alles andere in dieser teuren Wohnung in bester Lage. Sie war sauber, ordentlich und unspektakulär.
Auf der Anrichte stand eine Kanne und zwei Tassen auf einem Tablett.
Gegenüber der Küche war das Bad, er stieß die Tür mit der Krücke auf.
Als er sich erleichtert hatte und sich wieder auf die Krücken hievte, schmerzte sein ganzer Körper, als bestünde er aus purem Muskelkater.
Ein letzter Rest an Neugier ließ ihn durch die Wohnzimmertür treten. Molly schlief, sonst hätte sie ihn längst mit ihrer Fürsorglichkeit überschüttet.
Sie lag in ihrer Kleidung unter einer dünnen Decke, ihr Gesicht im Sofakissen vergraben, die Konturen ihres Gesichts nur durch das Licht aus dem Flur hervortretend. Ihr Kittel lag achtlos über einen Sessel geworfen.
Rechts, an das Wohnzimmer angeschlossen war eine andere Tür, doch er zwang sich, sie in Ruhe zu lassen und kehrte in den Flur zurück.
Er spürte, wie sein Gesicht schwer wurde und seine Augen brannten. Widerlich unkontrollierbar.
,,John…".
Mit zwei Schritten war er bei Mollys Arzttasche, öffnete sie und wühlte darin herum. Er fand das Morphium zwischen den anderen Medikamenten mühelos. Die Spritze war schnell aufgezogen. Zitternd kehrte er zum Bett zurück, setzte sie an, und kaum da er die Nadel wieder aus dem Arm gezogen hatte, kroch er wieder unter die Decke.
John saß in einem Sessel und las. Sherlock stand vor ihm, umrundete. Er war ein Geist, es musste so sein, denn Johns Gesicht wies kein Ausdruck unterdrückter Wut auf. Er bemerkte ihn einfach nur nicht.
,,John." sagte er, doch der Mann im Sessel rührte sich nicht. Er war ein wenig älter. Er war ruhig geworden, wie eine Skulptur.
,,John, alle Herzen werden gebrochen."
,,Aber was kann ich über Ihr Herz schlussfolgern, Sherlock?"
John sah ihn direkt an.
Die Verletztheit vibrierte so sehr in der Leblosigkeit seines Gesichts, dass Sherlock zurücktreten musste.
Johns Blick drückte ihn an die Wand.
Sherlocks Magen zog sich zusammen. Der Boden unter seinen Füßen zerfiel, einfach so.
Eine Übelkeit riss ihn aus dem Schlaf. Er spürte eine Hand auf der Schulter.
,,Spucken Sie einfach, ist schon gut."
Er klammerte sich an die Schale, die Molly ihm hinhielt und erbrach sich. Er musste mehrmals spucken, bevor sein Magen sich beruhigt hatte.
Verwirrt schnappte Sherlock nach Luft. Da war immer noch Mollys Hand auf seiner Schulter. Diese Hand hatte etwas Beruhigendes. Dass es Mollys Hand war, war gut. Die Hand eines Freundes. Es fühlte sich an wie kühler Balsam. Es erschien ihm unwirklich, dass er so viele Jahre auf so etwas verzichtet hatte.
John! Er sah ihn wieder dort unten stehen, vor dem Haus, spürte seine eigenen Tränen auf der Wange.
Mollys Hand lag ganz ruhig auf seiner Schulter. Er rührte sich nicht. Holte Luft.
John!
,,Sie hätten mich fragen können, Sherlock." brach sie zaghaft die Stille. ,,Ich bin hier die Ärztin, schon vergessen?" Ihre Hand zitterte, trotz ihres versöhnlichen Tones. Sie hatte sich wirklich Sorgen gemacht.
,,Sie schneiden tote Menschen auf, Molly." gab er trotzig von sich und entriss sich ihrer Hand, ,,Und mit Betäubungsmitteln kenne ich mich mindestens so gut aus, wie Sie."
,,Ich weiß, Sie sind gerade nicht-."
,,Was? Nicht zurechnungsfähig?"
Sie blinzelte wieder auf diese Art und Weise, die andere Männer als entzückend schüchtern abgestempelt hätten.
,,Nein, das meine ich nicht, Sherlock…Sie…Sie stehen unter Schock."
Sie ließ ihre Hände auf den Schoss fallen. Er starrte sie bittend an und hievte sich umständlich aus dem Bett, um sich aufrecht hinzusetzen.
,,Kann ich Sie allein lassen, Sherlock?"
,,Ja, Molly. Machen Sie sie sich keine Sorgen. Ich werde gleich John an -".
Sherlock hielt geschockt von seiner eigenen geistigen Verwirrung inne. Dann zwang er sich weiterzusprechen ,,Machen Sie sich keine Sorgen, Molly. Ich bin bald wieder ich selbst. Sie haben Recht, das ist der Schock."
Sie presste nickend die Lippen aufeinander.
,,Bitte, Sherlock."
,,Ja, Doktor Hooper?"
Er warf ihr einen Blick, und hätte es vermutlich genossen, sie allein damit aus der Fassung zu bringen, wenn er sich nicht wie ausgekotzt gefühlt hätte.
,,Ruhen Sie sich aus, wenigstens heute. Auch wenn es … Ihnen schwerfällt."
Ihr Mundwinkel zuckte zu einem zittrigen Lächeln zusammen und sie wirkte dabei wie ein Teenager vor irgendeinem Abschlussball.
Er wusste, was zu tun war. ,,Danke." sagte er langsam. ,,Molly."
Nach ihrer kleinen Unterhaltung hatte Molly ihn in Ruhe gelassen. Morgens ging sie zur Arbeit und ließ ihn in seinem Zimmer in Ruhe. Sie legte ihm Handtücher aus, kleine Zettel der Aufmunterung, und morgens standen Toast und Tee für ihn bereit, den er kaum anrührte.
Den Arztkoffer hatte sie seit dem Vorfall mitgenommen und auch den Badezimmerschrank hatte sie leergeräumt. Auf eine seltsame Art erleichterte ihn das. Wenn Sie vorher nicht gewusst hatte, dass er Rausch- und Betäubungsmitteln zugetan war, dann ahnte sie es jetzt. Alles kostete ihm Kraft an diesem Morgen, aber er war froh, dass Molly zwar seine Freundin und Ärztin sein wollte, aber wenigstens nicht seine Krankenschwester. Sie gönnte es ihm, dass er in seinem Stolz unter der Dusche ausrutschte. Und sie vertraute ihm, dass er seinen gebrochenen Fuß genug schonte, damit er heilen konnte.
Meist trank er nur den Tee und betrachtete dabei sein Smartphone, durch dessen Display sich ein Riss zog. Es war bei dem Sturz zerstört worden, doch er schaffte es noch nicht, es zu ersetzen.
Den Toast rührte er nicht an, denn das Blei in seinem Magen hätte keinen Platz dafür gelassen.
Als sie fort war machte er sich daran, den Rest der Wohnung anzusehen. Das Wohnzimmer war erstaunlicherweise erfüllt von einer Unordentlichkeit, die ihn erleichterte.
Mycrofts Haus hätte ihn erstickt, hier fühlte er sich lediglich nur unwohl, weil es nicht seine eigenen vier Wände waren. Aber geordnetes Chaos beruhigte ihn.
Bücher lagen ebenso auf einem Tisch vor dem Sofa, wie sie sich in den Regalen aneinander reihten. Eine Palme im Tontopf. Zwei angetrocknete Teetassen neben einem Stapel Medizinjournalen.
Ein kleines Klavier beim Fenster neben dem Bücherregal mit aufgeschlagenen Noten. Seine Augen zuckten erstaunt bei diesem Anblick.
Er ging zum Klavier hob den Deckel und ließ ein paar Tasten sprechen. Gedankenverloren starrte er auf die Tasten. Er war schon immer auf die Nerven gegangen, wenn er ziellos und disharmonisch, in Gedanken versunken, auf seiner Geige herumgestrichen hatte, wenn John lesen wollte.
John.
Er ertappte sich dabei, nach den richtigen Tönen für Johns Lieblingsmelodie von Mendelsohn zu suchen. Schwer war es nicht. Eine Stunde und -
Bald John, dann spiele ich wieder Mendelsohn für Sie.
Er wandte sich um. Hatte er nicht auf der Kommode gegenüber Familienfotos gesehen? Er pirschte sich an sie heran. Molly mit ihren Eltern. Ihr Vater sah genauso aus, wie er sie sich vorgestellt hatte. Molly war das Produkt dessen, was er aus ihren Gesichter ablesen konnte. Sie war das einzige Kind ihrer Eltern, eingekeilt zwischen Ihnen, als einziger mit einem zaghaften, aber ehrlichem Lächeln auf dem Gesicht.
Auf einem anderen Foto war Molly mit Doktorhut und Abschlusszeugnis zu sehen, ihre Eltern hinter ihr sahen aber nicht besonders berührt davon aus, wie nicht anders zu erwarten. Molly lächelte verlegen, wie eines dieser Mädchen, die nicht in die Gefahr geraten wollten, ihre weibliche Demut aufzugeben, wegen so einer Kleinigkeit wie eines akademischen Abschlusses an einer medizinischen Hochschule.
Sherlock verspürte plötzlich Wut auf Molly. Aber er hatte keine Kraft sie zu hinterfragen. Er wusste nur, dass er es nicht mochte.
Ein weiteres Bild von Dürer hing neben den Fotos. Es war größer als die anderen. Dieses Bild kannte er. Melancholia. Die Frau mit dem Zirkel, melancholisch ihren Gedanken und ihrer Arbeit ergeben.
Dieses Bild hielt ihn länger gefangen als die anderen. Es enthielt Symbole, die er nicht verstand, weil sie mit Wissen verbunden waren, dass er nicht besaß.
Er riss sich von dem Bild und dem bitteren Gefühl, das es in ihm verursachte los und humpelte mit den Krücken zur Tür auf der rechten Seite des Wohnzimmers und drückte die Klinke. Sie war nicht abgeschlossen.
Eine Inbrunst an Büchern, mit Artikeln vollgestopften Ordnern, stapelweise Berichte und wissenschaftliche Veröffentlichungen und zwei lange Regale mit Fachbüchern kam ihm entgegen.
Mit einem Mal nahm die harte Arbeit Kontur an, die dieses schüchterne einundreissig jährige Mädchen, das immer stammelnd vor ihm gestanden hatte, vollbracht hatte, aber auch ihre furchtbare Angst vorm Leben.
Dazwischen stand eingekeilt ein schmaler Schreibtisch mit Laptop. Sherlock starrte den Computer an. Es wäre ein Tor zur Außenwelt.
Instinktiv wich er zurück. Er spürte ein leises, beißendes Gefühl. Seine Krücke schlug gegen eines der Regale, als seine Hände zu zittern begannen.
Die Demontage seiner Person zu erleben war schlimmer als den Hund im Moor, schlimmer als Moriarty und mit ihm seine Hoffnung auf ein unblutiges Ende sterben zu sehen. Er holte Luft, kämpfte gegen das Zittern an. Moriarty hatte ihn die Angst in seiner ausgeprägtesten Form gelehrt, aber zum Glück hatte er es nicht mehr mitbekommen.
Er stürzte vor und schnappte sich den kleinen Zettel, der am Laptop klebte.
Sie sind Sherlock Holmes. Ihre Molly.
Tbc…
