freedom

Auf den Länderein von Hogwarts
21. Oktober 1995

Die Sonne erhob sich langsam über den Bergen im Osten. Die warmen Strahlen berührten die Pflanzen auf den grünen Hügeln von Hogwarts. Das Gras schien aus der nächtlichen Starre erwacht zu sein und wallte leicht in einem kühlen Windhauch. Die Nächte wurden länger, die Tage kälter. Dieser Nordwind würde bald Schnee mit sich bringen und die Länderein mit einem weissen Schimmer überziehen.

Eine einzelne Gestalt schritt alleine über das wallende Gras. Der Mann war gross gewachsen, sein langer silberweisser Bart bewegte sich leicht im morgendlichen Wind und als er seinen Blick gen Osten wandte, blitze die Halbmondbrille auf, die auf seiner langen Hakennase sass. In seinen eisblauen Augen, die sonst so voll Scharfsinn und Weisheit leuchteten, lag ein trauriger Ausdruck. Er schien etwas in weiter Ferne zu betrachten. Sein nachtblauer Umhang, mit silbernen Runen bestickt, die Stärke, Weisheit und Kraft verhiessen, flatterte um seine Knöchel. Lange stand der Mann so da. Sein Name? Wer würde je seinen Namen vergessen? Der Name jenes Zauberers, den grössten des Jahrhunderts, der so lange nur für einen Gedanken, nur für eine Vision gekämpft hatte. Wer würde den Namen des Zauberers vergessen, der seit jeher als einziger gilt, vor dem sich der mächtigste und schwärzeste Magier seiner Zeit, fürchtete? Albus Dumbledore, ein Mann, den viele für unbesiegbar, ja vielleicht sogar unsterblich hielten.

Der alte Mann stand noch lange so da, Minuten, Stunden vielleicht. Den Blick in weite Ferne gerichtet, wartend, hoffend. Der Ruf eines Wolfes hallte über die Hügel. Nichts regte sich.
Dumbledore hob die Hand. Hoch über ihm, weit entfernt, kam ein kleiner Punkt in Sicht, der schnell grösser wurde. Eine schneeweisse Taube, so klein, dass man sie in einer Hand bergen konnte, schwebte sanft auf den alten Mann zu, der seine Hand noch immer einladend gen Himmel streckte. Flatternd landete der Vogel auf der Handfläche des Mannes und er zog ihn vorsichtig zu sich. Seine stechend blauen Augen suchten den Blick des gefiederten Geschöpfes, das keine Angst zeigte, sondern ihn nur munter und neugierig aus seinen dunklen Augen anblickte.

»Welch Botschaft hast du für mich, mein Kleiner«, sprach der alte Mann leise. Der Vogel erwiderte nichts. Dies war durchaus zu erwarten, doch dann spannte er seine kleinen Flügel und flatterte davon, als wisse er, dass seine Ankunft nichts Gutes verhiess.
Alles was zurück blieb war eine kleine, dunkelgraue Feder. Dumbledore betrachtete sie und ein neuerlicher Windstoss trug sie hinfort.
»Leb wohl, alter Freund. Wir werden uns wieder sehen«, flüsterte Dumbledore.
Der kleine, weisse Vogel erreichte nie sein Ziel.

Dumbledore, der einzige, der wusste was geschehen war, schritt davon über den Rasen, hinauf zum Schloss. Er hätte es wissen müssen. Die Zeichen waren deutlich gewesen. Doch hätte er sich dazu hinreissen lassen wieder zurück zu kommen?

Als der alte Mann die Treppe zum Schloss hinauf stieg, traf er auf Minerva McGonagall, die Lehrerin für Verwandlung. Mit ihrem bodenlangen, dunkelgrünen Umhang, der geraden Haltung und den scharfsinnigen Augen wirkte sie wie ein wachsamer Adler, immer bereit zuzuschlagen, immer auf der Hut.
»Albus« Mit diesen Worten holte sie den Schulleiter aus seinen Gedanken. »Warum so besorgt?«, fragte sie, als sie den traurigen Ausdruck in den sonst so strahlenden Augen erkannte.
»Die alte Last der Schuld, Minerva, sie liegt schwer auf meiner Seele«

Minerva runzelte die Stirn, dann lockerte sich ihre Haltung und sie trat auf den alten Mann zu. »Albus, er wäre nicht zurück gekommen«, flüsterte sie. »Es war seine Entscheidung, er hat sie zum Wohl aller getroffen. Gib Dir nicht die Schuld für Dinge, die Du nicht beeinflussen kannst. Das hätte er nicht gewollt.«
»Die Zeichen« erwiderte der Schulleiter und blickte seiner Kollegin in die Augen. »Sie werden deutlicher. Die Dunkelheit naht.«
Minerva sah ihn wissend an. »Ich spüre es auch«, sagte sie so leise, als fürchtete sie belauscht zu werden. »Die Nächte werden kälter, das Licht schwindet. Das Böse sammelt sich und ich weiss nicht was geschehen wird.« Verzweiflung spiegelte sich in ihren dunklen Augen wider, und erinnerten Dumbledore einen Moment an den Freund, den er verloren hatte. »Die Prophezeiung, sie wird sich erfüllen, Minerva. Schon bald wird sich das Schicksal der Zaubererwelt offenbaren.«
»Sie müssen uns anhören.«, sagte sie mit einer Spur der Verzweiflung in der Stimme.
»Sie werden nicht verstehen, Minerva. Sie werden niemals verstehen«
Mit diesen Worten wandte sich Dumbledore und ging davon, nicht hinauf zu seinem Büro, sonder in Richtung der Kerker. Eine kleine, weisse Feder in seiner Hand.