Es
war einmal wieder ein regnerischer und verflucht kalter Tag gewesen,
in einem Land, von dem ich vor ein paar Jahren nicht einmal träumen
wollte. Deutschland. So viel war hier geschehen und noch immer war
kein Ende in Sicht. Es war stockduster und leise. Eigentlich viel zu
leise für dieses Land. Hatten diese Crowds etwa schon aufgegeben?
Ich wollte gar nicht daran glauben. Nur ein Soldat, der bereits mit
seinem Leben abgeschlossen hatte, war ein guter Soldat. Und ich hatte
bereits vor dem ersten Absprung damit abgeschlossen. Vielleicht war
das ein Grund warum ich noch lebte. Gerade ich, der es schon
herausforderte drauf zu gehen.
„Lager!", ertönte es plötzlich
vor mir und ich musste etwas schmunzeln. Wie aufmerksam sie doch
waren. Als ob sie nicht sowieso dem Tode geweiht waren.
„Feuer.",
gab ich dennoch zurück und trat an das Schützenloch. „Wie sieht's
aus?" Ich hatte nur einen kurzen Blick hinein geworfen. Ich kannte
sie sowieso nicht. Seit ich die Dog-Company verlassen hatte, kannte
ich deren Gesichter nicht mehr. Seltsamerweise war es an mir alle
Schützenlöcher abzulaufen.
„Ist alles okay, Sir. Die machen
keinen Mucks. Wahrscheinlich haben wir sie eingeschüchtert, Sir..",
kam es mit etwas zittriger Stimme zurück. Die beiden mussten
unglaublich frieren. Doch ich hatte kein Mitleid mit ihnen. Der eine
war, wenn sein Dienstgrad stimmte, gerade Private. Allerdings konnte
man hier nicht wirklich davon ausgehen, dass die Dienstgrade auf den
Uniformen den Menschen entsprachen die sie trugen. Allerdings war mir
auch das egal.
„Scheint auch ruhig zu bleiben heute Nacht.
Wechselt euch mit dem Schlafen ab, aber wärmt euch zwischendurch
auch etwas auf.." Damit setzte ich meinen Weg wieder fort. Die
anderen saßen jetzt sicher in ihren Schützenlöchern, während ich
hier gut sichtbar die Frontlinie abschritt und damit alle unsere
Posten bekannt gab. Jedoch war Befehl nun einmal Befehl und wenn er
dann auch noch von ganz oben kam, konnte man gar nichts mehr dagegen
tun. Außerdem lockte doch das warme Lager auf der anderen Seite
dieser verdammten Crowds. Wir mussten sie nur endlich einmal
überrennen und nicht wie in Bastogne in den Löchern hocken.
Schließlich kam ich bei der nächsten Stellung an und ohne lange
nachzudenken sprang ich in das Schützenloch, spürte im nächsten
Moment jedoch einen Gewehrlauf in meinem Magen.
„Mit einem
Bajonett wäre das bei weitem wirksamer, Sergeant Grant.", murmelte
ich, woraufhin sich der Lauf wieder zurückschob. Es erklang keine
Entschuldigung. Ich hatte sie auch nicht erwartet. Ich hatte mich in
dieses Schützenloch geschlichen und dennoch überlebt. Eigentlich
keine gute Quote, wenn man in Betracht zog, dass ich auch ein
Deutscher hätte sein können. Was mich mit Grant verband konnte ich
nicht einmal sagen, ich weiß nur, dass es etwas einzigartiges war.
Zumindest von meiner Seite aus. Ich mochte ihn. Nun.. eigentlich
mochte ich nahezu jeden aus der Easy, doch Grant war etwas
Besonderes. Ebenso Winters.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass
ich die Dog-Company bereits hinter mir gelassen hatte. Der Sergeant
sah mich an. Nein, er starrte. Wahrscheinlich hatte er etwas zu mir
gesagt und ich hatte es nicht mitbekommen. Mein Blick fiel auf den
zweiten Mann im Schützenloch. Shifty Powers schlief in eine dicke
Decke gehüllt und das Gewehr an sich gedrückt. Erneut sah ich zu
Grant.
„Sir? Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie wirken etwas in
Gedanken.", meinte er, ließ sich nun auch wieder auf den Boden
sinken. Das kleine Feuer in der Mitte des Loches strahlte etwas Wärme
in dieser kalten Nacht aus und so beugte auch ich mich hinunter.
„Mir
geht es gut. Ich habe mir nur ein paar Gedanken gemacht.", erklärte
ich und ich zog eine Packung Zigaretten aus der Hosentasche. Ich nahm
eine heraus, hielt dann Grant die Packung hin, welcher unwillkürlich
anfing zu grinsen.
„Wollen Sie mich gleich erschießen, weil ich
Sie eben nicht erstochen habe?", fragte er amüsiert und auch ich
musste grinsen, schüttelte jedoch den Kopf. Ich hatte keinen Grund
diesen Mann zu erschießen. Zumal das auch nur ein Gerücht war, wie
so viele Gerüchte um mich existierten. Den einen hatte ich
erschossen, weil er getrunken hatte, den anderen, weil er in der
Stellung geschlafen hatte und dann noch ein paar Crowds, nachdem ich
ihnen eine Zigarette angeboten hatte. Alles Gerüchte. Doch niemand
fragte danach, denn sie hatten Angst vor mir. Angst vor Ronald
Speirs. Ich wusste auch, dass man mich hinter meinem Rücken ‚Sparky'
nannte. Es klang wie ein Hundename, doch ich sagte nichts. Hier hatte
sowieso jeder seinen Spitznamen. Und irgendwie machte das alles etwas
persönlicher. Wir waren nun schon über 2 Jahre auf einem Haufen,
saßen uns gegenseitig auf den Füßen. Natürlich entwickelte sich
dadurch eine gewisse Art von Freundschaft. Wir kannten uns
mittlerweile besser, als unsere Familien zuhause. Irgendwie ein
seltsames Gefühl und dennoch vertraut. Ich richtete mich wieder
auf.
„Hier scheint alles in Ordnung zu sein.. ich habe noch ein
paar Anlaufstellen vor mir. Viel Glück Sergeant Grant. Und schlafen
Sie heute Nacht auch noch ein wenig.", meinte ich noch, ehe ich
wieder aus dem Schützenloch sprang und meinen Weg fortsetzte. Es
hatte gut getan mich etwas aufzuwärmen, doch ich merkte auch, dass
es ein Fehler gewesen war, denn nun fror ich nur noch mehr als vorher
schon. Ich beschleunigte meine Schritte. Kleine Wolken bildeten sich
vor meinem Gesicht, wenn ich ausatmete und meine Finger fühlten
sich, ebenso wie meine Zehen, langsam an, wie etwas tiefgefrorenes.
Erneut tauchte ein Loch im Boden auf und als kein Anruf erfolgte,
stellte ich mich an den Rand und klopfte einem der Soldaten auf den
Helm. Er stöhnte leise, drehte sich auf die andere Seite. So konnte
man das natürlich auch machen. Ich klopfte erneut auf das Metall,
nahm diesmal jedoch meinen Revolver dazu und sofort war der Soldat
wach, sah mich mit großen Augen an.
„Sir, ich schwöre Ihnen,
es war alles ruhig!", beteuerte er und ich stand auf, nickte
leicht.
„Wechselt euch ab mit dem Schlafen. Aber vergesst nicht,
wir sind im Krieg und da kann jeder kleine Fehler euer letzter
sein.", murmelte ich zweideutig. Der Kleine war einer der
Ersatzmänner, wobei man ihn nicht mal einen Mann nennen könnte. Er
hatte keinen Bartwuchs, war total heiß auf den Krieg. Wenn er
bereits das gesehen hätte, was ich gesehen hatte – er wäre
heulend zu seiner Mutter gelaufen.
Es dämmerte bereits, als
ich meinen Kontrollgang abgeschlossen hatte und mich auf den Weg
zurück machte. Die Deutschen wussten, dass wir da waren. Ebenso wie
wir wussten, dass sie da waren. Ein offenes Versteckspiel. Ich stieg
auf einen kleinen Hügel und lehnte mich an einen der Bäume, die
dort standen. Mein Blick glitt über das freie Feld vor mir und um
herauszufinden, wo sich die deutschen befanden, nahm ich meinen
Feldstecher zur Hand und hob ihn an die Augen. Es war nicht viel zu
erkennen. Ein paar getarnte Panzer waren zu erahnen, ebenso wie
einige Stellungen. Ich ließ das Fernglas wieder sinken, sah noch
einmal zu der anderen Seite und wandte mich um, als es knallte und
mir mein Schiffchen vom Kopf flog. Ich hatte gerade den ersten
Schritt zurück gemacht, als man auf mich geschossen hatte. Und
wieder hatte ich nicht einmal einen Kratzer abbekommen. Langsam
schüttelte ich den Kopf, hob das neu gestaltete Schiffchen wieder
auf und betrachtete das Loch, während ich weiter ging. Anschließend
schob ich es mir wieder auf den Kopf, betrachtete meine Männer, die
in ihrem Schützenloch standen, die Waffe im Anschlag. Sie versuchten
zu Orten, woher der Schuss gekommen war, das konnte ich an ihren
konzentrierten Blicken erkennen.
So beschloss ich hinter den
Stellungen entlang zu gehen und nachzusehen, ob ich eine Waffe für
mich auftreiben konnte. Eine Pistole war unwirksam auf diese
Entfernung und mein Gewehr lag im Kommandostand. Da lag es natürlich
äußerst günstig, wie mir jetzt klar wurde. Vor mir lag wieder
eines der Schützenlöcher und zielstrebig hielt ich darauf zu.
Urplötzlich donnerte es von allen Seiten. Auch hier hatte die
Schlacht nun begonnen. Warum genau hatte ich das Schiffchen
aufgesetzt, als ich heute Nacht losgelaufen war? Hastig wechselte ich
meine Kopfbedeckung, als ich einen seltsam metallenen Klang an meinem
Helm hörte. Mein Kopf explodierte und ich merkte, wie ich ausglitt
und in das Schützenloch rutschte. Mein Helm verrutschte. Verdeckte
mein Gesicht, doch ich konnte keinen Mucks von mir geben. Etwas hatte
sich in meinen Rücken gebohrt und irgendwie konnte ich mich des
Gefühls nicht erwehren, dass es sich hierbei um ein Bajonett
handelte. Dann verlor ich das Bewusstsein.
Damit hatte auch ich es
geschafft, mich für das Purple Heart zu qualifizieren.
