Ihre Finger strichen über die Bücher in ihrem Regal, leicht und fast testend, wie es jemand tun würde, der das heiße Wasser der Badewanne an einem kalten Herbsttag testet. Sie war bereit, tief einzutauchen. Was also sollte es heute sein? Ihr Kopf –noch immer in die burgunderrote Wollmütze eingehüllt, da sie sofort nach Betreten ihres Apartments zum Bücherregal stolziert war– kippte zur Seite als sie versuchte, die langsam verbleichenden Buchstaben auf den lange missbrauchten Büchern auszumachen. Dabei machte es nichts, dass sie die Buchstaben nicht mehr lesen konnte, kannte sie doch jedes dieser Bände auswendig. Kannte sie, seit sie 12 Jahre alt gewesen war. Die Bedeutung und der Wert der Worte änderte sich jedes der Dutzenden Male, die sie jedes einzelne dieser Bücher über die Jahre gelesen hatte, doch noch nie hatten Jane's Worte so trostversprechend gewirkt wie heute Abend. An diesem Abend, 17 Jahre später im Alter von 29 Jahren.

Mr. Darcy?

Ihr Zeigefinger hielt inne und sie fuhr vorsichtig über den Buchrücken. Ihre Augen schlossen sich, ohne dass sie sie stoppen konnte, als ein Mann mit seinem ganz persönlichen Mix aus Darcy-hafter Arroganz, Eingebildetheit, Stolz – aber auch Intelligenz, Anstand und Ehrlichkeit ungefragt ihre Gedankenwelt betrat. (Dieser war jedoch blond, nicht dunkelhaarig.) Sein Lächeln war das gleiche wie sieben Jahre zuvor. Eines der ansteckenden Art, welches an den Mundwinkeln zieht; eines, das ihren Nacken und ihr Gesicht erröten ließ und sie erwärmte. (Er lächelte allen anderen zu, nur ihr nicht, zumindest bildete sie sich dies ein. Und Darcy, nun, er lächelte selten, fast nie. Somit sollte ein Vergleich lächerlich sein.)

Dieses Haus ist großartig, rief ihr Freund David begeistert aus, während er die aus Cherubinen und Seraphim bestehende Kuppeldecke betrachtete. Und ist das.. ist das ein Velasquez? Oh, ja, ja, das ist einer, unglaublich, oder?, hatte sie zurückgemurmelt.

Wer würde nicht die Hausherrin Pemberleys sein wollen?

Nun, Lizzy nicht, schnappte sie zu sich selbst, als sie endlich ihre kinnlangen Haare von der Wollmütze befreite. Sie starrte das braune in Leder gebundene Buch vor sich voll Missachtung an. Den Kopf etwas senkend gab sie vor sich selbst zu, zumindest zuerst nicht..


Nein. Es war überhaupt nicht so. Er ist- war- der erste Mann, der um ihre Hand anhielt. Es war die Idee der Ehe selbst, die so absurd in ihren Gedanken schien, in ihrem Leben, mit 22 Jahren. Sie räusperte sich, als ob sie versuchte, es zu vertreiben; das Netz aus Erinnerungen, das sich um ihr Herz schlang, um den Finger, der noch immer den Buchrücken berührte.

Sie presste das Buch wenn möglich noch tiefer in das Regal hinein, ließ es zwischen den anderen Austen's verschwinden, bis sie es nicht mehr sah. Sie würde heute nicht über einen abgelehnten Heiratsantrag lesen. Nicht heute. Auch wenn Darcy und Lizzy glücklich endeten... nun, nicht heute Abend. Es war einfach zu nah und zu weit entfernt von ihrer Realität.

Meine Güte, nun nimm endlich eines, ermahnte sie sich selbst und wickelte den Schal von ihrem Hals, um ihn achtlos auf ihr Bett zu werfen. Sie war erschöpft, doch gleichzeitig zu aufgebracht von den Entwicklungen des Abends um allein einschlafen zu können. Lass also die liebenswerte Miss Jane sie in den Schlaf lesen, sie mit den Geräuschen des Tanzens und der Mütter und Pferdekutschen einlullen. Lenk mich ab, lull mich in einen traumlosen Schlaf, flehte sie beinahe, als sie verwundert auf die Hand sah, die er so fest ergriffen hatte vor nicht allzu langer Zeit, sie geschüttelt hatte wie er Davids schüttelte, der doch ein Fremder für ihn war.

Die Hand streckte sich blind aus und nahm irgendein Band aus dem Regal. Ein dünnes, schnell ergriffen und aufs Bett geworfen. Es war erst nachdem sie geduscht und ihre Pyjamas angezogen hatte, sich unter ihrer Decke eingegraben hatte mit nur der Nachttischlampe erleuchtet, die den Raum in ein oranges Licht tauchte, als sie realisierte, welches Buch sie gewählt hatte. Oder eher, welches Buch das Schicksal für sie ausgesucht hatte.

Die Überredung

Ihre Hand zitterte leicht, als sie das Buch umdrehte und die Beschreibung las. (Sie kannte sie natürlich mittlerweile auswendig, aber solche Gewohnheiten waren nur schwer abzulegen)

Zufrieden, dass das kleine Ritual abgeschlossen war begann sie zu lesen und schlief ein, die Hand, die er berührt hatte, unter ihrer Wange. Anne Elliot war in ihren Träumen. Anne Elliot, die überredet worden war, ihre große Liebe abzuweisen, um eine zweite Chance gewährt zu bekommen, 7 Jahre später.

Es war zu spät gewesen, das Buch ins Regal zurückzustellen, davon war sie überzeugt, zu spät, um es durch den gespenstischen Unsinn von „Kloster Northanger" zu ersetzen.

Zweite Chancen? Nein. Auch dafür war es zu spät. Schließlich war es eine Verlobungsfeier gewesen, die sie mit David in dem Pemberley in Hartford besucht hatte.