Vorbemerkung:

Hallo ihr lieben Leser,

willkommen zum ersten Beitrag zu unserer Self-Insertion-Challenge: Geschichten, in denen die Autorin selbst auftreten muss (Selbstportrait, nicht Mary Sue), und außerdem fünf vorgegebene Wörter eine Rolle spielen müssen.

Meine Wörter waren „Fußnägel abkauen", „DIE defekte Straßenlaterne", „moderne Kunst", „Chaostheorie" und „Dreitagebart". Die Wörter sind im Text hervorgehoben.

Meine Self-Insertion umfasst vier Kapitel und beinhaltet nicht nur einen Auftritt von mir, sondern auch welche von anderen Rumtreiberinnen. Hier die Aufschlüsselung der Namen:

Ich - Trovia - bin Geli.
Meike ist KitKat2006.
Julia ist Imperiatus.
Theresa ist Nutellamädchen.
Sina ist Zauberfee.
Gina ist Angel de la Luna. Maria ist Mariacharly. Und Jean ist Jean.

Dank für die Beta geht an PadBlack!

Habt viel Spaß beim Lesen und schreibt mir doch bitte ein Review! Ich verspreche auch, ab dem zweiten Kapitel kommen mehr Rumtreiber und weniger Rumtreiberinnen, und im letzten Kapitel versteht man auch den Titel! ;-)

Eure Trovia


Dreimal zweiter Klasse bis Tshwane


Teil 1: Natürlich können wir Karten lesen


Aus dem Haufen verknoteter Körper löste sich ein Arm.

„In meinem Auge steckt ein Zeh", beschwerte sich eine Stimme.

„Hoffentlich gehört er nicht derselben Person, deren Hand in meinem Schritt..."

„Geli!"

„Ich war's nicht!"

Der Haufen geriet in Bewegung. Im Schatten, den er gegen den Schein einer weit entfernten Straßenlaterne warf, sah er aus wie die Formation eines besonders grotesken Wasserballetts.

Schließlich krabbelte eine Frau aus dem Pulk, riss ihren Fuß mit einem kräftigen Ruck daraus los, rappelte sich auf und klopfte sich den Schnee von der Jeans. Sie trug eine dünne Jacke, die überhaupt nicht zum Klima passte. Klamm rieb sie sich die Oberarme. Aus den Überbleibseln ihrer Frisur lösten sich rote Haarsträhnen, als sie den Kopf in den Nacken legte und in die Dunkelheit der Straße blinzelte. Eine Straßenlaterne blinzelte zurück. Sie war defekt.

„Ich hab gleich gesagt, dass wir rechts hätten abbiegen sollen...", murrte die erste Stimme vom Boden aus.

„Wo zum Teufel sind Sina und Theresa?"

Die junge Frau sah immer noch nach oben. Jetzt legte sie den Kopf schief und runzelte die Stirn, während sie lautlos die Lippen bewegte, als rechne sie innerlich etwas nach.

Hinter ihr löste der Haufen sich in zwei weitere Frauen auf, die voneinander herunter rollten. Sie landeten beide im schmelzendem Schnee. Eine sah fluchend auf ihre ruinierte Bluse hinab. Die andere trug einen wasserfesten Ledermantel. Sie setzte sich auf und strich sich kurze schwarze Haare aus dem Gesicht.

„Also gut", sagte sie in dem vernünftigen Tonfall, den man entweder von Anwälten oder von Amokläufern kennt. „Wir sind gerade hunderte von Intraportalpunkten weit gereist. Wir haben Sina und Theresa verloren, und Gott weiß, wo. Wir haben nicht die geringste Ahnung, wo wir sind, oder wann wir sind, oder was wir hier..."

„Wir sind in Minsk", erwiderte die rothaarige Frau, die nach oben sah.

„Aha. Und wir wissen das, weil...oh."

Simultan waren die beiden sitzenden Frauen dem Blick der ersten gefolgt. Einen Moment lang herrschte Stille, während sie sich gegenseitig aufhalfen und zu beiden Seiten neben ihre Begleiterin traten. Die Nasse zupfte hoffnungslos an ihrer Bluse.

Sanfter Schnee begann aus dem Nachthimmel zu trudeln.

„Das ist die defekte Straßenlaterne", stellte die Nasse fest.

Die defekte Straßenlaterne", präzisierte die Frau im Ledermantel.

„Na", erwiderte die Nasse im Plauderton einer Person, die jeden Moment aus Verzweiflung den Verstand verlieren wird. „Wenigstens wissen wir jetzt, wo wir sind. Schon wieder."

„Ich wusste, dass wir falsch abgebogen sind", murrte die andere.

Während dieses Austauschs hatte ihre rothaarige Begleiterin ein Gerät aus ihrer Innentasche gezogen, das dort nach allen Maßstäben der Physik überhaupt keinen Platz gehabt haben sollte, denn es hatte Antennen, die fast so lang waren wie ihr Unterarm. Es sah aus wie etwas aus Dr. Who. Schwarzweißversion.

Sie drückte ein paar Knöpfe. Bunte Lichter leuchteten auf dem Display auf. Dann stieß das Gerät einige Piepser aus. Die Schwarzhaarige sah es misstrauisch an, als verdächtige sie es, sie auszulachen.

Die Nasse verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir hätten Theresa und Sina nicht verloren, wenn Geli nicht so wild mit den Armen gefuchtelt hätte..."

„Sina hat mich angerempelt", erwiderte die Schwarzhaarige. „Julia, sag was."

„Was", erwiderte die Rothaarige geistesabwesend. Geli verdrehte die Augen.

Schweigend warteten sie ab. Julia drückte Knöpfe. Weitere Lichter leuchteten. Weitere Piepser lachten.

„Also gut", sagte Julia schließlich. „Wir sind wieder in Minsk."

„Das wussten wir schon", erwiderte die Nasse geduldig.

„Sch, Meike", sagte Geli und wandte sich an Julia. „Wir müssen im Kreis gereist sein."

„Offensichtlich", flötete Meike.

Geli warf ihr einen genervten Blick zu. Meike sah unschuldig in die Nacht und blinzelte, als ihr eine Schneeflocke ins Auge flog. Unnatürlicherweise zitterte keine von ihnen, aber dann wiederum zählten sie insgesamt nicht zu den natürlichsten Anblicken in den Straßen von Minsk.

„Diesmal sind wir aber ein paar Monate früher gelandet", fuhr Julia fort. „Diesmal ist es besser. Richtige Zeit. Falscher Ort."

„Besser?", fragte Geli kritisch.

„Wir haben auf dem Weg zwei Leute verloren", erinnerte Meike sie tadelnd.

„Oh, stimmt." Julia blinzelte, als erinnere sie sich erst jetzt daran. Dann fiel ihr Gesicht zusammen. „Mist."

Betreten sahen sie einander an.

Dann räusperte sich Meike. „Nun, es ist nicht so schlimm, oder nicht?", fragte sie optimistisch. „Wir sind immer noch zu dritt. Wir haben Theresa verloren, okay, und ohne Navigatorin kommen wir wahrscheinlich... nie wieder... zurück..." Sie stockte, fing sich aber. „...und unsere Diplomatin ist auch weg, aber he, wir können mit Leuten reden, oder nicht? Wir sind nette Leute..."

„Sprich nicht für mich", wehrte Geli ab.

„...das wird ein Kinderspiel, auch ohne die beiden", schloss Meike im Ton tiefster Überzeugung. „Und wir sind schon am richtigen temporalen Punkt! Wir müssen nur noch an den richtigen geographischen. Von Minsk nach England, das kann ja nicht so schwer sein, sogar, öhm, mitten in der Sowjetunion im Kalten Krieg im Winter..." Ihre Stimme versiegte. Gleichzeitig wandten sie sich in Richtung der entfernten funktionierenden Nachbarlaterne um, aber die Hauptstraße schien ebenso verlassen zu sein wie der Standort der defekten Laterne.

„Hört zu, ihr zwei", setzte Meike neu an. „Wir haben keine andere Wahl. Wir haben eine Mission, nicht wahr? Wir müssen die Welt retten! Oder naja..." Sie zögerte. „Zumindest diese. Wir müssen diese Welt retten! Und wenn wir Theresa und Sina ohne Theresa nicht finden können, dann müssen wir es eben alleine machen! Einer für alle! Alle für einen!"

Julia sah sie zweifelnd an.

„Meike hat Recht." Geli machte eine entschiedene Geste. „Wir machen es zu dritt. Was machen wir zuer..." Sie fuhr herum, als mit quietschenden Reifen ein Auto auf der Hauptstraße zum Stehen kam. Scheinwerfer schienen sie an. Sirenen jaulten auf.

„Oстанавливаются! Полиция!", rief eine barsche Polizistenstimme.

Keiner von ihnen sprach Russisch, und Geli hatte keine Zeit, den Translator auszupacken. Aber die Nachricht kam durch.

Schluckend sahen sie sich an.

„Rennen", empfahl Meike.


Tbc...