Es kommt immer anders…

Prolog:

„Das Nächste bekommst du!" Lisa steht mit vorwurfsvollem Blick vor mir. Das Nächste? Nummer 1 ist noch gar nicht auf der Welt und sie denkt schon an das Nächste… Irgendwie ist sie süß wie sie da so vor mir steht und mich verärgert ansieht. Offensichtlich hat sie alle ihre Energie darauf verwendet, die Bluse, die schon vor zwei Wochen kaum noch zuging, zu schließen. Wenn sie jetzt einatmet, muss ich in Deckung gehen, weil alle Knöpfe dann wohl durch die Gegend schießen. Wir wollen zu einer Modenschau der Konkurrenz. David sollte hingehen, aber nach Lisas Ansage vor ein paar Tagen hat der sich zurückgezogen und nicht einmal die Aussicht, nach der Modenschau etwas langbeiniges Blondes abzuschleppen, hat ihn hinterm Ofen hervorgelockt. Darum muss die Mehrheitseignerin nebst Lebensgefährten herhalten. „Wir haben dir doch ein Kleid besorgt, wieso ziehst du das nicht an?" - „Weil ich darin aussehe wie ein Osterei." Schwanger zu sein muss wohl die Wahrnehmung stören, denn Lisa sieht darin hinreißend aus und das weiß sie, das hab ich ihr im Kaufhaus x-mal gesagt... „Es hat die Schleife an der rundesten Stelle." Ich muss lachen. „Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt." Sie macht eine kurze Pause. „Würde ich wenigstens noch in meine eigene Unterwäsche passen, könnte ich das auch mit Humor nehmen." Na endlich, sie ergibt sich im Kampf gegen ihre Bluse und knöpft sie auf. Ich werfe einen Blick auf ihren sich unübersehbar wölbenden Bauch und die scheinbar auf doppelte Größe angewachsenen Brüste, die mir aus ihrem BH entgegenquellen. Tja, ich bin halt auch nur ein Mann, oder? Außerdem habe ich schon viel mehr von ihr gesehen: „Also mir gefällt die Aussicht." Ouf, geschafft, sie lächelt. „Das glaube ich dir gerne, aber für mich ist das nicht so lustig. Können wir dieses Event nicht schwänzen?" – „Nein, Frau Plenske, das können wir nicht. Was spricht denn nun gegen das Kleid, das wir gestern gekauft haben?" – „Eigentlich nichts…" Lisa wird kleinlaut. „Aber ihr fühlt euch nicht wohl darin?" – „Für den Mops kann ich nicht sprechen, aber ich fühle mich nicht wohl darin." – „Gut, dann bleiben wir hier." – „Das geht doch nicht." Schwanger zu sein wirkt sich also nicht nur auf die Wahrnehmung aus, sondern auch noch auf die Logik. Es kostet mich meine ganze Überzeugungskraft, um Lisa dazu zu bewegen, das knielange schwarze Kleid mit der weißen Zierstreifen unter der Brust anzuziehen. Ich bin eben der Werbekomet Rokko Kowalski… Meinetwegen hätte sie auch im Pyjama gehen können, denn für mich ist sie in jeder Lebenslage die schönste Frau in ganz Berlin, wenn nicht in der ganzen Welt, nein, die Welt ist nicht genug, im ganzen Universum. Jep, das trifft's. Sie ist die Mutter unseres Mopses, wie wir das Baby nennen solange wir nicht wissen, was es ist – schon das macht sie zu etwas ganz Besonderem…

„Soll ich dir wirklich nicht helfen?" – „NEIN!" tönt es aus dem Bad. Lisa kann so stur sein. Nie im Leben kommt sie alleine an den Reißverschluss im Rücken, aber wenn sie es so will… Ich bin fertig und geduldig bin ich auch. Das Nächste kriegst du, hat sie gesagt. Dann hat sie das gestern vielleicht auch ernst gemeint, dann haben sich ihre Gefühle für mich vielleicht wirklich „verändert" wie sie gesagt hat. Soll ich dieses Risiko eingehen? Gut, auf Dauer kann die Situation nicht so bleiben wie sie ist. An dieser Ungewissheit gehen wir sonst beide noch ein. Aber was ist, wenn sie es sich anders überlegt? Will ich mich wirklich so verletzbar machen? Aber vielleicht sollte ich diese Geschichte von Anfang an erzählen, damit ihr euch auch ein Bild machen könnt…