Ich bin weder JKR, noch verdiene ich einen Cent mit meinen kleinen Geschichten. Ich spiele nur. Die Charaktere werden zurückgegeben. Snape darf allerdings bleiben, wenn es ihm hier besser gefällt.
A/N: In dieser Geschichte wurden bekannte Märchen schamlos integriert, geklaut, verdreht, gezwirbelt, durchgeknetet und neu zusammengesetzt. Ich entschuldige mich bei Hans Christian Andersen und Ludwig Bechstein.
Tausend Dank an chivalric fürs Korrekturlesen! Sie verdient den Merlin-Orden Erster Klasse. Alle verbleibenden Fehler beruhen auf meiner Schussligkeit und sind nicht chivalrics Schuld.
Diese Geschichte wurde für den OWL House Cup geschrieben, der 2009 von dem wunderbaren aber leider nicht mehr vorhandenem Archiv OWL veranstaltet wurde. Wir Slytherins haben hart gekämpft, aber nicht gewonnen. Jedes Kapitel, egal wie lang, brachte Punkte, es musste nur mindestens 100 Wörter enthalten, deshalb gab es plötzlich sehr viele Drabble-Serien. Ich habe hier die ca. 100-Wort Kapitel zu einer besser lesbaren Einheit zusammengefasst. Das Ganze gibt es auch als englische Version.
Märchenstunde 1: Severus Schläft
Kapitel 1
Hermine Granger war nach dem Krieg nicht, wie jeder es von ihr erwartet hätte, im Ministerium in die Lehre gegangen, sondern hatte sich, zu jedermanns Verblüffung, für eine Ausbildung zur Heilerin entschlossen. Wenn jemand sie fragte, warum sie denn nicht Anwältin oder Abteilungsleiterin im Ministerium werden wollte, gab sie zur Antwort, dass sie nach all den Kämpfen und Leiden des Krieges etwas Vernünftiges lernen wollte. Sie wollte etwas tun, das allen Menschen helfen würde, und welche bessere und noblere Tätigkeit als die der Heilerin würde es da wohl geben? Für die Politik, so sagte sie, hätte sie später immer noch Zeit. Als Hexe habe sie schließlich eine lange Lebenserwartung.
Niemand wollte ihr da widersprechen, nicht einmal ihr Freund Ron, obwohl er der Meinung war, sie hätte lieber ins Ministerium gehen sollen, da hätte sie sich besser um ihn kümmern können.
Die beiden stritten sich häufig – so häufig, dass Hermine sich manchmal fragte, ob Ron eigentlich wirklich in sie verliebt war oder nur in die Idee, dass die drei alten Freunde nun alle Teil einer großen Familie werden würden.
Als Hermine ihm ihre Zweifel anvertraute, wurde Ron so wütend, dass er sie beschuldigte, immer nur ihre Karriere im Kopf zu haben. Die beiden stritten sich so fürchterlich, dass sie sich anschließend trennten.
Hermine war sehr traurig, dachte sich aber, dass es wahrscheinlich besser sei, sich jetzt zu trennen, als erst einige Jahre unglücklich zusammenzuleben. Sie gab sich alle Mühe, wenigstens die Freundschaft, die sie mit Ron verband, am Leben zu erhalten, was ihr auch gelang. Sie hätte es sehr bedauert, einen ihrer zwei besten Freunde zu verlieren.
Zwei Jahre nach Beginn ihrer Ausbildung hatte Hermine alles gelernt, was es in St. Mungo zu lernen gab; sie hatte die Ausbildung in nur der Hälfte der Zeit abgeschlossen. Ihr Examen bestand sie natürlich mit fliegenden Fahnen, und nun musste sie nur noch ihr praktisches Jahr hinter sich bringen.
Sie erhielt viele Angebote für dieses praktische Jahr und entschloss sich, es in der Krankenstation in Hogwarts zu verbringen. Die vielen Zauberunfälle der Schüler dort würden ihr sicher die nötige Erfahrung als Zauberheilerin verschaffen. Poppy Pomfrey war eine sehr erfahrene Krankenschwester, und Hermine war sicher, dass Hogwarts ihr den letzten Schliff geben würde. Außerdem würde sie sich dort, vorsichtig und behutsam, um die Belange der Hauselfen kümmern können.
Hermine genoss ihre ersten vier Wochen in Hogwarts sehr; es war schön, ihre alten Lehrer wieder zu sehen, und Hagrid war ganz aus dem Häuschen, als sie ihn in seiner Hütte besuchte.
Sie hatte sich gerade gut an die Routine im Schulalltag gewöhnt, als ihr eines Morgens auffiel, dass Poppy unglücklich aussah.
"Was ist denn los?", fragte sie. "Geht es dir nicht gut?"
"Ach", sagte Poppy, "mir geht es schon gut, aber ich habe da einen Patienten... Naja, ich hätte dich ohnehin bald einweihen müssen. Komm einfach mal mit."
Hermine schaute sie fragend an, aber Poppy legte nur einen Finger auf ihre Lippen und nahm Hermine bei der Hand. Sie führte sie zu dem Bildnis von Janus Thickey, das in einer Nische hing, und klopfte mit ihrem Zauberstab dreimal gegen den Rahmen.
"Passwort?", fragte Janus Thickey freundlich.
"Schlangengrube", flüsterte Poppy.
Das Gemälde schwang zur Seite und gab eine Öffnung frei, die gerade groß genug für eine erwachsene Person war.
"Schlangengrube?", fragte Hermine, nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte und sie beide einem dunklen Gang folgten, der sie abwärts führte.
Poppy nickte und lächelte etwas schief. "Du wirst schon sehen. Hoffentlich wirst
du nicht zu sehr erschrecken. Du wirst gleich jemanden sehen, den die Welt für tot hält."
"Wen?", fragte Hermine, während ihr das Herz im Hals schlug.
"Severus Snape."
"Snape hat überlebt?" Hermine schrie es fast. "Aber das ist ja fantastisch! Warum ist das denn ein Geheimnis?"
Das wirst du gleich sehen, Hermine", sagte Poppy und klang dabei sehr traurig.
Als die beiden Frauen endlich am Ende des Gangs angekommen waren, öffnete Poppy eine weitere Tür, indem sie laut ihren Namen sprach und ihre Hand auf die Tür legte.
"Wir werden der Türe beibringen, auch dich zu erkennen", sagte sie zu Hermine, bevor sie sie in einen kleinen Raum führte.
Hermine, die so etwas wie ein Kellerverlies erwartet hatte, wurde angenehm überrascht. Der Raum war zwar klein, aber luftig und sonnendurchflutet. Es war ein typisches Krankenzimmer mit einem Bett, Nachttisch, ein paar Stühlen und einem Schrank. Auf dem Bett lag ein Mann.
Er hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen. Seine Haut war fahl, das Gesicht dünn, schon fast hager, was seine ohnehin imposante Nase nur noch größer erscheinen ließ.
Das schwarze Haar rahmte sein Gesicht ein, ein paar Strähnen klebten an seiner Stirn, auf der Schweißperlen standen.
"So ist er jetzt schon seit einigen Tagen", sagte Poppy.
"Wie war er denn vorher?". fragte Hermine während sie einen Lappen befeuchtete und ihrem ehemaligen Lehrer damit vorsichtig den Schweiß von der Stirn tupfte. Das schien dem Mann jedoch keine Erleichterung zu bringen. Ausserdem bemerkte Hermine entsetzt, dass er sehr schwer und rasselnd atmete.
"Er war die meiste Zeit im Koma", erzählte Poppy. "Nachdem wir ihn gefunden hatten und feststellten, dass er noch lebte, hatte ich alle Hände voll zu tun, ihm genug Blut-Erneuerungstrank einzuflössen, um ihn zu stabilisieren und die Wunde zumindest zeitweilig zu heilen. Naginis Gift hat das ziemlich erschwert, aber wir haben diskret in St. Mungo angefragt, und deren Erfahrung mit Arthur Weasley hat uns schließlich hier weitergeholfen.
Zuerst wollte ich Severus nach St. Mungo schicken, aber Minerva meinte, dass es besser sei, wenn er hier bliebe, zumal nicht sicher war, dass er überleben würde. Sie hat ihm damit wahrscheinlich das Leben gerettet, weil die Stimmung gegen Todesser in dieser Zeit sehr gewalttätig war, wie du ja selbst weißt."
Hermine nickte. Sie hatte sich damals für Draco Malfoy eingesetzt und mit Harrys Hilfe hatten sie die Familie Malfoy sicher ins Ministerium gebracht. Snape wäre ebenfalls angegriffen worden, die Leute kannten ihn ja nur als Mörder Dumbledores und als schrecklichen Direktor von Hogwarts unter dem Voldemort-Regime.
"Später, als sich die Leute wieder beruhigt hatten, war sein Zustand stabil und Kingsley meinte, dass Severus in seiner gewohnten Umgebung wohl am ehesten wieder zu sich finden würde. Mir hat es nichts ausgemacht, mich um ihn zu kümmern. Er ist allerdings nie richtig aufgewacht. Es sah fast so aus, als wollte er nicht aufwachen. Rennervate hat ihn immer nur in einen halb-bewussten Zustand versetzt, in dem ich ihm etwas zu essen geben konnte."
"Seit einigen Tagen funktioniert das aber nicht mehr", fuhr Poppy mit ihrer Erzählung fort. "Er atmet sehr schwer und schwitzt stark, hat aber kein Fieber. Er isst nichts und Wasser kann man ihm nur mit großer Mühe einflössen. Ich fürchte, wenn das so weitergeht, werden wir ihn verlieren." Sie hatte ihr Taschentuch aus ihrem Kittel geholt und tupfte sich damit die Augen.
"Es muss etwas geben, das wir machen können", sagte Hermine voller Leidenschaft. Sie war so glücklich, dass Snape, der Kriegsheld und der mutigste Mann, den sie kannte, noch am Leben war. Sie würde jetzt nicht zusehen, wie er einfach starb.
"Mir fällt nichts mehr ein", sagte Poppy traurig. "Ich habe alle Heilzauber und Tränke ausprobiert, die mir eingefallen sind, aber nichts hat geholfen. Es ist fast so, als wolle er nicht mehr leben."
"Es könnte sein, dass er in seinem eigenen Kopf gefangen ist. Ich habe ähnliche Fälle schon gesehen. Wenn das wirklich der Fall ist, muss man ihm zeigen, wie er sich befreien kann."
"Das ist gut möglich, aber wie macht man das?"
"Es gibt da einen neuen Therapieweg von Heiler Hagen Leid aus Österreich. Dazu muss man Legilimentik anwenden, die Gedanken des Patienten aufnehmen, dann die eigenen Beobachtungen extrahieren und in einem Denkarium analysieren."
"Darüber habe ich gelesen", sagte Poppy. "Aber ich habe keine Erfahrung damit und ich bezweifle, dass sie das in St. Mungo können."
"Nur wenige beherrschen die Technik. Dr. Leid war für drei Monate Gast in St. Mungo und hat die neue Therapie gelehrt. Ich habe bei ihm studiert und kann es tun, wenn du denkst, dass wir es riskieren sollten, Poppy."
Poppy atmete tief durch und blickte Hermine kritisch an. "Ich denke, dass es das Einzige ist, was wir hier noch für ihn tun können. Wann willst du anfangen?"
"Warum nicht gleich?", fragte Hermine. "Ich habe Zeit, und du wahrscheinlich auch. Alles was wir brauchen ist eine Kristallkugel, die uns alarmiert, wenn wir in der Krankenstation gebraucht werden."
"Ich habe meine Kugel immer hier", sagte Poppy und nahm eine kleine Kristallkugel aus ihrer Tasche.
"Also gut, was brauchst du?"
"Ruhe, ein Gefäß für meinen Erinnerungen und ein Denkarium. Außerdem solltest du hier sein, falls sich sein Zustand ändert oder er sich wehrt, was auch manchmal vorkommt."
"Ich werde euch beide beobachten", sagte Poppy und setzte sich auf einen der Stühle. Hermine nahm ihren Zauberstab und murmelte ein schnelles Rennervate über ihn. Snapes schwarze Augen öffneten sich und er blickte sie an, aber er schien weder etwas zu sehen noch zu erkennen. Er atmete nur noch schwerer und der Schweiß lief ihm jetzt die Schläfen hinunter.
"Legilimens", sagte Hermine und tauchte in seinen Geist ein.
Eine Stunde später fand sie sich in ihrem eigenen Kopf wieder. Schnell extrahierte sie die Gedächtnisstränge der vergangenen Stunde und füllte sie in ein kleines Glasgefäß. Sie trank dankbar das Wasser, das Poppy ihr reichte und dann ging sie zu dem Denkarium, das Poppy in der Zwischenzeit herbeigezaubert hatte.
Nachdem die Gedanken in das Denkarium geschüttet waren, rührte Hermine kurz mit ihrem Zauberstab um und dann brachten beide Frauen ihre Gesichter ganz nahe an die Oberfläche der Gedankenflüssigkeit und schauten hinein.
Die standhafte Schachfigur
Hermine und Poppy fanden sich im Büro des Schulleiters von Hogwarts wieder. Es musste während Dumbledores Amtszeit gewesen sein, weil überall Schalen mit Zitronenbrausebonbons, Pfefferkeksen und Getrockneten Kakerlaken herumstanden.
Auf einem kleinen Tisch vor dem Kamin stand ein Schachbrett mit Schachfiguren aus Zinn und auf dem Kaminsims waren mehrere Schokofroschkarten so angelehnt, dass man sie vom Schachbrett aus sehen konnte.
Alle Schachfiguren sahen ganz normal aus, eine fiel allerdings etwas aus der Reihe. Es war ein Läufer, und er hatte eine größere Nase als all die anderen. Er unterstand dem weißen König und wurde ständig hin und hergeschickt. Zu allem Überfluss fing auch noch der schwarze König an, ihm Befehle zu geben und ihn herumzuscheuchen. So musste der Läufer laufen und laufen und laufen, und hatte niemals eine Minute Ruhe oder Zeit für sich selbst.
Das einzige Vergnügen, das der Läufer sich gönnte, bestand darin, sich die Schokofroschkarten anzusehen. Eine der Karten zeigte ein schönes, junges Mädchen mit roten Haaren, das lebhaft und klug aussah. Sie trug ein prächtiges blaues Seidenkleid und hatte einen großen silbernen Stern auf der Brust. Sie hüpfte und sprang in ihrer Karte herum und schien nie stillzusitzen.
Das wäre die richtige Frau für mich, wir würden gut zusammenpassen, dachte der Läufer und starrte sie an. Wie sie zusammenkommen sollten, wusste er allerdings nicht. Wann immer er nicht für den schwarzen oder weißen König unterwegs war, starrte er das schöne Mädchen an, aber sie schaute nie in seine Richtung.
Eines Abends vergaß der Direktor, die Schachfiguren zurück in ihre Schachtel zu legen, was ratsam war, weil die Figuren allesamt ein sehr kriegerisches Gemüt hatten. Hätte man die beiden Parteien nicht immer getrennt aufbewahrt, hätten sie sich schon längst die Köpfe eingeschlagen, so wie diesen Abend. Die Bauern fingen an, sich mit Fausthieben zu unterhalten, die beiden Königinnen hieben lautstark mit ihren Schwertern aufeinander ein und die Springer machten das Chaos perfekt, indem sie überall hin hüpften. Die Türme blieben jedoch an Ort und Stelle, sie mussten die Könige bewachen und nahmen ihre Aufgabe sehr ernst. Die Läufer taten das, was sie am besten konnten: laufen.
Weil aber die Majestäten anderweitig beschäftigt waren, sagte den Läufern niemand, wohin genau sie laufen sollten, und der Läufer mit der großen Nase lief zum Rand des Schachbretts und so nahe zu den Schokoladenfroschkarten wie er konnte. Ach, wenn er ihr doch einmal ganz nahe sein könnte, dann würde sie ihn vielleicht ansehen und auch lieb gewinnen. Vielleicht, wenn er vorsichtig am Rande des Brettes entlang liefe und dann auf den Stuhl am Kamin spränge?
Dazu kam es allerdings nicht, denn als das Chaos auf dem Schachbrett am größten war, kam Peeves der Poltergeist in das Büro des Direktors geflogen und warf alles um, was nicht fest gezaubert war.
Als Peeves das Schachbrett sah, lachte er laut und warf es vom Tisch.
In hohem Bogen flogen die Schachfiguren vom Brett und landeten in einem wilden Durcheinander auf dem Boden, nur der Läufer wurde noch höher geschleudert als alle anderen und landete auf dem Fenstersims. Peeves sah das, lachte noch lauter, öffnete das Fenster und warf den Läufer hinaus.
Der Läufer ergab sich standhaft seinem Schicksal. Er schrie und jammerte nicht, sondern bereitete sich gefasst auf den Aufprall vor. Der kam auch bald, doch anstatt auf dem Boden zu liegen, blieb der Läufer mit seiner Nase zwischen zwei Pflastersteinen stecken.
Das gefiel ihm gar nicht, aber er musste nicht lange warten, denn Peeves kam ihm hinterher, schnitt Grimassen und warf den Läufer in eines der Boote, die die Erstklässler in jedem Herbst vom Bahnhof in Hogsmeade zur Schule brachten.
"Schwimm, Schachfigur", lachte Peeves und gab dem Boot einen Schubs.
Das Boot schwamm auf den See hinaus, wurde aber bald von einer Welle ins Schwanken gebracht. Der Riesenkrake wurde neugierig, er wollte wissen, warum um diese Zeit ein Boot auf dem Wasser war. Die Tentakel des Kraken langten in das Boot herein und suchten so lange darin herum, bis sie den Läufer fanden.
Der Krake fasste den Läufer und sah ihn sich genau an. Er konnte allerdings nichts mit einer Schachfigur anfangen, und deshalb warf er ihn weg.
Der Läufer sank wie ein Stein. Jetzt ist es aus mit mir, dachte er, jetzt werde ich nie wieder das Tageslicht sehen. Was wohl das schöne Mädchen in der Schokofroschkarte macht? Ob sie wohl manchmal an mich denkt?
Er kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, weil ein großer Fisch geschwommen kam und ihn verschluckte. Jetzt sah die arme Schachfigur überhaupt nichts mehr, aber wenigstens war es warm und der Läufer wollte es sich für einen langen Schlaf bequem machen.
Es dauerte jedoch gar nicht lange, bis ein heller Lichtschein den kleinen Läufer mit der großen Nase aufweckte. Er blinzelte ins Licht und stellte fest, dass der Fisch gefangen worden war und jetzt auf einem gedeckten Tisch lag, wo er gerade von jemandem zerlegt wurde.
"Das ist ja mein Läufer mit der großen Nase", sagte eine ihm sehr bekannte Stimme. Es war der Schulleiter, und er hatte den Fisch mit dem Läufer darin gerade essen wollen. "Das ist ja ein lustiger Zufall", sagte der Direktor und lachte. Nachdem er gegessen hatte, nahm er den Läufer mit in sein Büro und stellte ihn auf das Schachbrett, wo er hingehörte.
Glücklich sah der Läufer zu dem Mädchen hinüber; er hatte sie doch sehr vermisst. Er wunderte sich, ob sie ihn wohl auch vermisst hatte, doch sie sprang nach wie vor wild in ihrer Karte herum und schenkte ihm keine Beachtung.
Als der Direktor sich ans Schachbrett setzte – er spielte normalerweise gegen sich selbst, weil er keinen würdigen Gegner fand – fühlte der kleine Läufer sich gleich wieder wie zuhause. Das Schachspiel war aber sehr wild und die beiden Königinnen kämpfen mit aller Macht um die Vorherrschaft. So kam es, dass die schwarze Königin mit ihrem Schwert auf den Läufer einschlug, und wieder flog er im hohen Bogen durch die Luft.
Der standhafte Läufer landete im Kamin, mitten in den heißen Flammen. Er sah zu dem schönen Mädchen hin, und zum ersten mal seit er sie kannte, sah sie ihn auch an. Daraufhin wurde ihm ganz warm ums Herz und er war so glücklich, dass er anfing, Zinntränen zu weinen. Aber vielleicht war es auch die grosse Hitze in den Flammen, die ihn zum Schmelzen brachte, er war sich da nicht ganz sicher.
Die Flammen loderten hell auf und brachten die heiße Luft zum Wirbeln und der Aufwind brachte die Schokoladenfroschkarte des schönen Mädchens ins Wanken. Sie wackelte ein paar Mal hin und her bevor sie schließlich vom Kaminsims fiel.
Die Karte fiel in den Kamin, landete neben dem Läufer und loderte hell auf.
Wie heiß sie für mich entflammt ist! Also muß sie mich doch geliebt haben, dachte der Läufer mit der langen Nase und sein Herz wurde ganz leicht, bevor er dahinschmolz.
Als am nächsten Morgen die Hauselfen den Kamin reinigten, fanden sie von dem schönen Mädchen nur noch einen silbernen Stern, und von der armen Schachfigur blieb nur noch ein Herz aus Zinn übrig. Beide wurden aus dem Kamin gefegt und auf den Abfall geworfen.
Tief atmend tauchten Poppy Pomfrey und Hermine Granger wieder aus dem Denkarium auf.
"Das war ja mal ein sehr merkwürdiger Traum", sagte Poppy. "Das ist es also, was in seinem Kopf vor sich geht während er hier reglos liegt?"
"Ja, ich fürchte schon." Hermine sah sehr traurig aus. "Er vermischt offenbar alte Muggelmärchen mit seinen eigenen Träumen und Wünschen und verfängt sich in diesem Traumgespinst. Ich weiß nicht, ob ich ihm da heraushelfen kann. Eines ist jedoch klar."
"Und was ist das?"
"Er sehnt sich immer noch nach Lily Potter, Harry's Mutter, obwohl er instinktiv weiß, dass er für sie nur eine Kinderliebe war. Ich fürchte, solange er diese Sehnsucht nicht überwinden kann, wird er nicht aufwachen wollen."
"Oh, der arme Mann", rief Poppy. "Solch eine tragische, tiefe Liebe, und nicht einmal jetzt ist ihm Ruhe vergönnt. Sollen wir ihn nicht einfach in Frieden lassen?"
"Nein!", rief Hermine leidenschaftlich. "Er ist doch noch viel zu jung, um an unerwiderter Liebe zu sterben. Er könnte jetzt endlich frei sein, ein neues Leben anfangen. Auch für ihn hat das Leben noch einiges zu bieten, da bin ich mir sicher. Ich muss ihm da raushelfen, das bin ich ihm schuldig. Das sind wir ihm alle schuldig!"
"Wenn Du meinst",, sagte Poppy und wischte Snape die Schweißperlen von der Stirn. Er hatte sich nicht bewegt, während die beiden Frauen mit seinen Erinnerungen und Träumen beschäftigt gewesen waren.
"Und was willst du jetzt tun?", fragte Poppy.
"Ich ruhe mich ein wenig aus, und morgen gehe ich dann noch mal rein." Hermine deutete auf Snapes Stirn. "Vielleicht fällt mir ja was ein. Wenn ich die Gedanken in seinem Kopf lasse, kann ich vielleicht auf diese Weise auf ihn einwirken. Ich werde dich dann halt leider nicht mitnehmen können, Poppy."
"Wenn du meinst, dass ihm das hilft", sagte Poppy und reichte Hermine ein Glas Kürbissaft zur Stärkung.
Hermine nahm einen tiefen Schluck und schaute Poppy nachdenklich an. "Ich in nicht sicher, aber es ist doch auf jeden Fall einen Versuch wert, nicht wahr?"
