Von Backen und Nebel

„Komm schon, Hermine, nur noch dieses eine Mal!" Ron Weasley saß mit seinen besten Freunden im Gemeinschaftsraum und war dabei seine Zaubertränke Hausaufgaben zu lösen. Mehr oder weniger selbstständig, das liegt im Auge des Betrachters.

„Nein, Ron, Ihr beide habt schon so oft abgeschrieben, wenn ihr es nicht lernt, werdet ihr durchfallen!" Das braunhaarige Mädchen hatte aus Gewohnheit Harry auch gleich mit einbezogen, obwohl dieser sich nicht beschwert hatte.

Harry Potter blendete das bekannte Streitgespräch aus und ließ seine Gedanken schweifen. Er wusste sehr wohl, dass er anfangen musste zu lernen. Nur weil Snape sie nun nicht mehr im Fach Zaubertränke unterrichtete, hieß es nicht, dass er nicht lernen musste.

Der Held der Zaubererwelt seufzte und dachte mit Grauen an das Gespräch dieses Nachmittags zurück.

„Potter, bleiben Sie doch noch einen Moment!" Die Stimme des Zaubertranklehrers hallte durch den fast leeren Kerker. „Wir warten draußen", kam es von Hermine, die Ron hinter sich her zog. Dieser hatte wieder getrödelt und heute ausnahmsweise mit Hermine zusammengearbeitet und ihr so ihr ‚Ohnegleichen' für den heutigen Trank verdorben.

Harry nickte den beiden zu und schritt mit einem Seufzen auf den Lippen nach vorne zum Lehrertisch. „Also, Professor, was haben Sie mir und Potter zu sagen?" Harrys Kopf fuhr erschrocken herum. Er hatte gar nicht gemerkt, dass Draco Malfoy auch geblieben war. Dieser hatte die schmalen Lippen zu einem hämischen Grinsen verzogen, und sein Blick zeigte ganz deutlich, was er von ihrem Lehrer hielt: Nämlich gar nichts. Harry presste seine Lippen aufeinander um keinen höhnischen Kommentar abzugeben.

Nun meine Herren, wie ihr wisst ist in diesen dunklen Zeiten der Besondere Zusammenhalt zwischen den Häusern sehr wichtig." Harry konnte Malfoy neben sich genervt schnauben hören, doch Slughorn hob seine Hand, um ihm den Kommentar, den der sogenannte Prinz von Slytherin abgeben würde, zu untersagen.

Potter, ihre Noten sind in Zaubertränke miserabel! Sie müssen weit mehr tun, um den Stoff aufzuholen, den Sie auch aus den vorherigen Jahren nicht verstanden haben." Harry runzelte die Stirn und aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Malfoy gehässig grinste.

Und Sie, Mister Malfoy, so ließ es mir Professor Snape zukommen, haben zwar kein Problem mit dem Stoff der Verteidigung der Dunklen Künste, aber sehr wohl mit dem beschwören eines Partronus." Die Lippen des Blonden bildeten nur noch eine feine weiße Linie, Harry feixte innerlich, wurde auch Zeit, dass die Schlange mal zurechtgewiesen wurde. Oh, er würde das gleich alles brühwarm seinen Freunden mitteilen.

Deshalb hat Professor Dumbledore-" Sowohl Harry als auch Malfoy hielten die Luft an. Harry sandte ein Stoßgebet zum Himmel, während Malfoy so aussah, als würde er sofort nach Beendigung dieses Gespräches einen Brief an seinen Vater schreiben. „- beschlossen, dass Sie, Mister Potter, von Mister Malfoy Nachhilfe in Zaubertränke erhalten und ihm im Gegenzug bei seinem Patronus helfen!" Slughorn hatte das letzte Wort noch nicht gesprochen, als Harry empört den Mund öffnete und Malfoy ein „Niemals" zischte.

Der Zaubertranklehrer sah zwischen den beiden so unterschiedlichen Schülern hin und her, bevor er zu einer Antwort ansetzte.

Sollten sich die Herren weigern, wird das mit Strafarbeiten, Punktabzug und Ähnlichem geahndet." Der ergraute Professor nickte seinen Schützlingen zu und gab ihnen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie sich jetzt entfernen konnten.

Und nun saß er hier. Im Gemeinschaftsraum der Löwen und hatte noch fünfzehn Minuten Galgenfrist. Da half es auch nicht, dass er das Schicksal verfluchte, oder bei Merlin schwor, dass er ab jetzt mehr lernen würde, nein … gleich traf er sich mit seinem Erzfeind, diesem miesen kleinen Frettchen, das mal so richtig den A-

„Harry?" Er zuckte zusammen und starrte Hermine an. Diese sah ihn abwartend an.

„Äh, was war die Frage noch mal?" Hermines Gesicht verdunkelte sich,

„Ich an deiner Stelle würde auch mit den Hausaufgaben anfangen! Du wirst nämlich nicht von mir abschreiben, keiner von euch! Ich werde bestimmt nicht für euch lernen und euch durch die UTZ schummeln. Auf gar keinen Fall!

Sie holte tief Luft, Ron rutsche tiefer in seinen Sessel und Harry erhob sich.

„Ich werde mit dem Frettchen lernen." Rons Augen wurden groß, Hermine war sprachlos und Harry so wütend auf Dumbledore, dass er am liebsten jemanden geschlagen hätte, bevorzugt natürlich Draco Malfoy. Rons Mund klappte auf und wieder zu und Hermine sah ihn nun nicht mehr sprachlos an, sondern forderte stumm eine Antwort.

„Dumbledore", knurrte der Golden Boy, der nun am liebsten seinem Mentor mal so richtig die Meinung gesagt hätte. Schließlich war Malfoy selber Schuld! Von Anfang an hatte ihn der Malfoyspross fertiggemacht, und Harry kannte nicht einmal den Grund dafür- sicherlich, da war ihr unglückliches Zusammentreffen vor der Häuserzeremonie, andererseits war Malfoy ja selber Schuld. Schon als Kind war er ein arrogantes Miststück. Und Harry konnte sich bei Gryffindor kein Grund vorstellen, warum der Blonde so verbittert war. Er hatte alles, was Harry sich je gewünscht hatte. Nun jedoch tat er das nicht mehr, denn er selbst hatte Freunde, die er nicht tauschen würde, und die Weasleys und auch Sirius und Remus waren wie eine Familie für ihn geworden. Nicht zu vergleichen mit Malfoys oberflächlichen Freunden, die genauso egoistisch waren wie er und ihn, sollte sich die Gelegenheit bieten, ebenfalls ans Messer lieferten.

Aber er hatte Eltern. Auch wenn Harry sich die Malfoys nicht als liebende Familie vorstellen konnte. Dafür war Lucius Malfoy zu sehr Todesser, um seinen Sohn ein nettes Wort entgegenzubringen. Wenn Malfoy nicht selbst so verabscheuungswürdig gewesen wäre, hätte er sogar Mitleid mit ihm gehabt. In allen Situationen, in denen Harry Vater und Sohn zusammen gesehen hatte, und sie sich unbeobachtet fühlten, hatte Malfoy Senior ihn nur zurechtgewiesen und ihm Vorwürfe gemacht, warum ausgerechnet ein Schlammblut besser war als ein Malfoy.

Mrs. Malfoy hingegen hatte Harry nur ein paar Mal gesehen. Mit zögernden Schritten bog er in den Gang ein, der ihn zu dem ‚verabredeten' Klassenzimmer bringen würde. Doch eine Szene war ihm deutlich im Gedächtnis geblieben: Es war letztes Jahr; er musste den Anfang des Sommers im Surry verbringen, und war deshalb noch auf dem Bahnsteig, als die Malfoys kamen um ihren missratenen Sprössling abzuholen.

Harry hatte sich noch von den Weasleys verabschiedet, ehe diese mit Flohpulver von dem bahnsteigeigenen Kamin zum Fuchsbau reisten, bevor er sich langsam auf den Weg zur Absperrung machte. Der Schwarzhaarige hatte nicht das Bedürfnis, schnell zu seinen Verwandten zu kommen. In seinem Inneren brodelte es; er verstand nicht wieso Dumbledore so viel Wert darauf legte, dass er jetzt nach Hause fuhr! Viel lieber hätte er seine Sommerferien ebenso unbeschwert verbracht wie Ron und Hermine auch! Konnte nicht alles normal sein? Aber nein, sein Direktor hatte ja nur das Beste für ihn im Sinn und schickte ihn deshalb in seinen schlimmsten Albtraum zurück. Auch wenn er jetzt nicht mehr unter der Treppe lebte, war in diesem Haus im Ligusterweg alles lebendig. Jedes aufgehängte oder -gestellte Foto von Dudley lachte ihm entgegen und machte ihm deutlich wo sein Platz in der Familie war. Hinter dem Hund, wenn die Dursleys je einen besitzen würden. Harry hatte oft geträumt, dass er irgendwann nach Hause kommen würde. Dorthin, wo er hingehörte, gewollt, geliebt und gebraucht wurde! Um neu anzufangen. Als er elf war, gab die Zauberwelt, von der Hagrid erzählte, einen so wunderschönen Ausblick. Die Zauberei in der Winkelgasse und die fröhlichen Gesichter der Zauberer und Hexen, die sie dort getroffen hatten. Alle kannten seinen Namen, das war ungewohnt und unangenehm, aber jeder, der seinen Namen aussprach, sah ihn an, als ob Harry etwas Besonderes wäre. Als ob er endlich ein Zuhause finden würde. Das hatte er in Hogwarts natürlich auch, und je näher ihr Schulabschluss rückte, umso mehr wünschte sich Harry, hier bleiben zu können. In Hogwarts, wo er seine Freunde gefunden hatte, die für ihn sterben würden und er für sie. Die Weasleys, die sich für ihn aufopferten und ihn so nahmen wie er war. Sirius, der ein Teil der Vergangenheit seiner Eltern war, ebenso Professor Lupin. Wenn Harry sich vorstellte, wie die drei - oder besser gesagt vier, obwohl Harry sich weigerte zu glauben das sein Dad, Remus und Sirius sowie seine Mum je richtig mit Pettigrew befreundet waren - durch Hogwarts schlichen, in demselben Schlafsaal gewohnt hatten und dort alles angefangen hatte, dann schlug sein Herz schneller und er würde alles geben, sie einmal zu sehen! Er seufzte und dachte wieder an den Tag in der Winkelgasse zurück. Es hatte sich so seltsam angefühlt, alle hatten etwas erwartet. Er dachte an den Tag zurück, als er Draco Malfoy zum ersten Mal gesehen hatte. Denn, bei Godric, Malfoy war der erste andere Bald-Erstklässler, den Harry kennen gelernt hatte. Er war schüchtern zu Madam Malkins hineingegangen und wurde gleich auf einen Hocker gestellt. Ihm gegenüber stand ein anderer Junge, mit blassem etwas spitzem Gesicht und großen grauen Augen, die Harry für einen kurzen Moment genauso schüchtern angesehen haben, bevor er überheblich anfing zu sprechen. Harry glaubte, dass es ein Gespinst seiner Fantasie gewesen war, dass er Malfoy für einen Moment unsicher gesehen hatte. Immerhin war es etliche Jahre her.

Sohn." Die Stimme von Lucius Malfoy riss ihn aus seinen Gedanken und Harry trat aus reiner Geistesgegenwart hinter eine breite Säule.

Vater" Er konnte sehen, wie der Blonde seinem Vater kühl zunickte und sah Lucius Malfoys verstimmtes Gesicht. Hermine war wieder Jahrgangsbeste gewesen, nicht Malfoy. Harry hatte immer gedacht, Malfoy Senior würde seinen Sohn auf einen Thron setzen, schließlich war Malfoy egoistisch und gewohnt, alles zu bekommen was er wollte. Doch diese Kälte und kurzzeitig auch die Enttäuschung auf dem Gesicht von Lucius lehrte Harry Besseres. Da war keine Liebe, keine Freude und kein Glück darüber, dass der Sohn nach der langen Abwesenheit wieder daheim war. Da war kein Stolz, den er von Arthur und Mollys Gesicht kannte, wenn diese ihre Kinder in Empfang nahmen und sich sofort nach ihrem Befinden erkundigten. Es war so, als stände sein Widersacher einem Fremden gegenüber.

Narcissa Malfoy stand hinter ihm, und schenkte ihrem Sohn ein Lächeln, das frei von der Kälte und Hochnäsigkeit war, die Harry sonst von ihr kannte. Es war das Lächeln einer Mutter. Ihr Sohn verzog keine Miene, vielleicht auch deshalb, weil sein Vater ihn immer noch musterte.

Lucius Malfoy nickte knapp ihn Richtung eines Kamins und schritt forsch darauf zu. „Wir reden zu hause weiter", war das, was Harry noch von dem Malfoyoberhaupt zu hören bekam, bevor dieser hoheitsvoll in den Kamin schritt und ‚Malfoy Manor' befahl.

Kaum war ihr Mann aus den Flammen verschwunden, zog Narcissa Draco in eine Umarmung, die von dem Blonden erwidert wurde. Sie nickten sich zu, Narcissa strich eine Strähne des blonden Haares hinter Malfoys Ohr und dann traten sie gemeinsam in den Kamin.

Wenn er selbst sich nicht schon eine feste Meinung von dem Blonden gebildet hätte, hätte ihm das vielleicht einen Denkanstoß gegeben. So aber beeilte sich Harry, um zu seinen Verwandten zu kommen und die Liebe auf Narcissas Gesicht zu vergessen.

Harry hatte die Tür zu dem Klassenzimmer erreicht und starrte einige Sekunden gegen das dunkle Holz, bevor er eintrat.

Malfoy saß schon an einem Tisch und zog ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Das hob sein spitzes Gesicht noch unvorteilhafter hervor, als es sonst überhaupt möglich war.

„Du bist spät, Potter, aber es war ja nicht anders zu erwarten", schnarrte Malfoy, mit der schleppenden Stimme, die er benutze, wenn er Crabbe und Goyle Anweisungen verdeutlichen wollte.

Harry erwiderte nichts, und hätte sich dafür am liebsten in den Hintern getreten, als er Malfoys höhnisches Grinsen als die Antwort auf sein Schweigen sah.

Selbst Schuld, höhnte die dunkle Stimme in seinem Kopf, doch Harry ignorierte sie und stapfte schlecht gelaunt auf den von Malfoy erkorenen Tisch zu, setzte sich und knallte seine Zaubertrankbücher auf den Tisch.

Sie funkelten sich an und Harry konnte den altbekannten Hass in Malfoys Augen sehen, von dem er nicht wusste, woher er kam. Sicher war jedoch, dass Malfoy ebenfalls Abscheu in Harrys grünen Augen lesen konnte.

„Also, Potter, was hast du minderbemitteltes Halbblut nicht verstanden?" Malfoys Stimme war gefüllt mit kalter Wut; dieselbe Wut, die auch Harry fühlte, wenn er daran dachte, dass er, ausgerechnet er von alles Schülern und Lehrern in dieser Schule, aus Draco dem Eisklotz Malfoy glückliche Erinnerungen ausquetschen musste.

„Alles." War also Harrys Antwort. Dumme Frage, dumme Antwort!

Er konnte sehen, wie Malfoy die Lippen fest aufeinanderpresste, um an sich zu halten, Harry nicht zu verfluchen. Harry hingegen konnte sich grade noch ein Lächeln verkneifen, das Malfoys Selbstbeherrschung sicherlich den Gar aus gemacht hätte.

„Du saßt also sechs Jahre im Zaubertränkeunterricht und hast nichts verstanden?!" Die Stimme des Blonden war kalt wie Eis.

Harry rollte mit den Augen über so viel Dummheit auf einem Haufen.

„Natürlich nicht!" Malfoy zog seine Augenbraue nach oben, „Ich habe schon was begriffen, aber ich verstehe nicht, was es mit der Zeit auf sich hat." Malfoys Augenbraue würde nun bestimmt unter seinem Pony verschwinden, wenn er einen gehabt hätte. „Welche Zeit?", presste er heraus.

„Wieso ist es so wichtig, wann was gepflückt wird, wann es hinzugegeben wird…? Diese Zeit." Seine Stimme ähnelte nun der Malfoys vor wenigen Minuten. Aber wenn er, verflucht sei Dumbledore, nun schon seine Zeit mit Malfoy hier absitzen musste, würde er das nutzen und Malfoy nebenbei auch noch gehörig auf die Nerven gehen, indem er sich dumm stellte.

Passenderweise hatte er das mit dem Zeitfaktor von Zutaten und Substanzen wirklich nicht verstanden. Hermine hatte es zwar versucht es ihm zu erklären, aber sie zitierte jediglich die Lehrbücher, die Harry ebenfalls gelesen hatte und es dabei nicht verstanden hatte.

Malfoy sah den Pottererben an wie ein besonders ekliges Exemplar eines Knallrümfigen Kröters. Wie gern würde er jetzt diesem Halbblut einen Fluch auf den Hals setzten oder ihm etwas falsch erklären. Aber Dumbledore hatte deutlich gemacht, dass er sich schon zu viele Fehltritte dieses Jahr geleistet hatte und dies nun seine Chance war, sie wieder zu bereinigen, etwas Gutes zu tun und nebenbei auch noch etwas von Potter zu lernen! Pah! Als wenn der Slytherin jemals etwas von Potter lernen würde. Trotzdem zwang er sich zu antworten. Denn Professor Slughorn würde Potters Entwicklung, wie er es nannte, überprüfen und eine Verschlechterung seines Feindes würde sich ebenfalls in seinen Noten wiederspiegeln.

„Hast du schon mal Kuchen gebacken?" Das. War. So. Erbärmlich. Draco schwor sich bei der nächsten Gelegenheit, die sich ihm bot, Potter so richtig eine reinzuwürgen. Oh ja, er würde leiden, denn wenn Potter nicht so dumm gewesen wäre und auch mal Bücher gelesen hätte, würden sie hier zweifelsohne nicht sitzen.

Potter hingegen sah durch diese scheußliche Brille an als wäre er verrückt geworden.

„Malfoy, ich bin hier um etwas über Zaubertränke zu lernen, nicht übers Backen." Potters Stimme troff vor Ironie und Draco krampfte seine Hand um die Tischkante, um ihn nicht zu schlagen.

„Nun, Narbengesicht, da du die Grundlagen nicht begriffen hast, muss ich es so erklären, dass selbst du es verstehst. Hast du schon mal Kuchen gebacken?" Wenn Potter jetzt irgendwas sagte, würde er ihm - bei Salazar - Furunkel auf den Hals hetzten.

„Ja." Potters Stimme war kalt und beherrscht und er sah aus, als hätte ihm jemand unschön in die Rippen geschlagen.

„Nun, dann wirst du mir sicherlich sagen können, wieso das Backpulver nicht zuerst in den Teig kommt, sondern erst als allerletztes?" Wenn ihn hier jemand hören würde, wie er mit Potter über Kuchen sprach, er müsste diesem Jemand wehtun.

„Weil Backpulver ein Triebmittel ist, das später den Teig aufgehen lässt. Würde man es gleich am Anfang dazu geben, würde der Teig nichts werden."

„Wieso ist man keine grünen Bananen?" Noch entwürdigender ging es nicht. Wenn Potter auch nur ein Wort über ihre heutige Sitzung verlieren würde, er würde ihm die Zunge rausschneiden.

Sein Gegenüber sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Das hatte er in den Tat, schließlich saßen sie beide friedlich hier und er, Draco Lucius Malfoy, erklärte Potter Zaubertränke. Hätte ihm das jemand heute Morgen erzählt, er hätte ihn ausgelacht und zusammenschlagen lassen.

„Weil sie noch nicht gut sind?"

„Korrekt, beim Zubereiten eines Zaubertrankes ist es daher, genau wie beim Backen, unabdinglich, dass die Zutaten in dem Zustand sind, wie sie gefordert werden, also reif sind. Dabei spielt auch der Mond eine Rolle, da er auf besondere Pflanzen eine besondere Wirkung hat. Und die korrekte Reihenfolge ist ebenfalls wichtig. Noch von Bedeutung ist das Hinzugeben. Beim Kuchen tust du ja auch nicht alles Zutaten zusammen in die Schüssel, sondern verrührst sie. Das Hinzugeben nach einer bestimmten Zeit hängt damit zusammen, wie weit sich die anderen Zutaten bis dahin verbunden haben und so möglicherweise auch noch andere Inhaltsstoffe freisetzten."

Draco sah sein Gegenüber an, das ihm während des gesamten ‚Vortrages' ruhig gelauscht hatte und ihn nun ansah, als sähe er ihn zum ersten Mal.

„Verstanden?"

Harry konnte nicht fassen, dass Draco Malfoy in weniger als einer Viertelstunde das geschafft hatte, das weder Hermine noch Snape geschafft hatten. Er hatte tatsächlich verstanden, was der Andere ihm erklären wollte und noch viel wichtiger: Es war logisch.

Er nickte nur benommen. Aber eine Frage interessierte ihn brennend:

„Woher kannst du Kuchen backen?"

Malfoys Antwort darauf war nur ein tiefes Knurren gewesen und ein Blick der ihm klarmachte, dass er entweder sofort die nächste vernünftige Frage stellte, oder kreischend wie ein Mädchen das Weite suchte.

Harry konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann genau er ins Bett gekrochen war, sein Kopf war voll mit Wissen (Auch wenn das Frettchen betonte, dass es Grundlagen seien, die jeder Erstklässler wisse) über Zaubertränke. Und Harry hatte die dumpfe Befürchtung, dass er das auch nicht mehr vergessen würde.

Entgegen seiner Erwartungen war Malfoy die meiste Zeit über ruhig gewesen, hatte natürlich nicht mit Schimpfwörtern gespart, aber andererseits hatte Harry noch vor dem Treffen damit gerechnet, dass sie am Ende des Tages im Krankenflügel landen würden.

Morgen würde er also probieren, Malfoy bei seinem Patronus zu helfen. Und übermorgen würde er wieder Erstklässlerfragen an Malfoy stellen und überübermorgen… Harry sank in einen tiefen traumlosen Schlaf.

„Hey Harry!" Jemand warf sich auf ihn und er wurde jäh aus dem Schlaf gerissen.

Völlig verwirrt und halbblind konnte er aufgrund des Lachens, das sich irgendwo links neben ihm befinden musste, Seamus ausmachen, der sich köstlich über Harrys Erschrockenheit amüsierte.

„Ich dachte, ich bin dein Held des Tages und weck dich mal!", flötete ihm der Ire ins Ohr, in einer Lautstärke die Harry auch noch taub werden ließ.

Im nächsten Moment traf ihn ein Kissen.

„Sorry, Harry, das war für Seamus!" Deans Stimme konnte er nun beim besten Willen nicht orten, aber Seamus schnappte sich das Kissen und ging zum Angriff über. Nun endlich konnte er seine Brille nehmen und tauchte wieder in die Welt der Sehenden ein.

Im Gemeinschaftsraum traf er dann auch auf Hermine und Ron, welcher sich gerade eine Standpauke anhören durfte. Als Hermine ihn sah, hielt sie inne und betrachtete ihn von oben bis unten.

„Nichts gebrochen, Alter?", kam es schelmisch von Ron, der sich imaginären Staub vom Pullover klopfte, als würde er damit Hermines Gardinenpredigt abklopfen. Auch Hermine sah ihn auffordernd an, während sie gemeinsam wie üblich zur Großen Halle hinunter gingen.

„Nichts gebrochen." Hermine unterbrach ihn: „Ihr habt euch doch nicht etwa duelliert?" Sie hatte einen ähnlichen Blick wie McGonagall aufgesetzt, wenn diese Schüler zurechtwies.

„Wir haben uns nicht duelliert", zischte Harry und warf ihr einen scheelen Blick zu. „Wir haben Zaubertränke gebüffelt", gab er unwillig zu.

Rons Augen wurden groß und sein Mund klappte auf und gab den Blick frei auf seinen halbzerkauten Schinken und Rührei. „Ron!", zischte Hermine und der Gescholtene klappte sogleich den Mund zu. „Ja, ja", murmelte er nur, bevor er sich eine weitere Ladung in den Mund schob.

„Harry, du willst mir weismachen ihr habt euch nicht gestritten?!" Die Braunhaarige sah ihn an, als erzählte er ihr er habe ein Verhältnis mit Pansy Parkinson.

„Ja, Hermine, wir haben uns nur beleidigt und das getan, was Professor Dumbledore uns aufgetragen hat", murrte Harry unwillig.

Hermine zog die Augenbrauen hoch, bevor sich dann lächelte und nickte und sich dann ebenfalls dem Frühstück zuwandte.

Ron warf ihm zwar immer noch ungläubige Blicke zu, wurde jedoch von Lavender abgelenkt, die ihrem Won-Won einen Guten-Morgen-Kuss gab. Hermine erhob sich neben ihm ruckartig und mit einem „Komm wir gehen, Harry!" wurde er auch schon weg von seinem Frühstück geschleift. Dabei hatte er nicht mal einen ganzen Toast.

„Wie kann er nur so blind sein! Aber da passt er ja gut mit Brown in eine Schublade!" Harry unterbrach sie nicht, als Hermine den restlichen Weg zu Verwandlung über Lavender herzog. Schließlich konnte er selbst nicht wirklich verstehen, wie Ron Lavender Hermine vorziehen konnte. Aber erstens ging ihn das nichts an, zweitens hatte er genug zu tun und drittens wurde er so von keinem der beiden weiter über die Treffen mit Malfoy ausgefragt werden. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aber das war völlig in Ordnung, schließlich war Harry das auch. Er selbst hielt sich raus, bezog keine Stellung und ließ sich lieber durch die folgenden Unterrichtsstunden gleiten, mal aufmerksam mal völlig abwesend, doch der Gedanke an Patroni war die ganze Zeit in seinem Hinterkopf.

Schließlich würde Malfoy alle Bücher und Anweisungen kennen. Woran lag es also, dass alles, was er zustande brachte, eine kleine schwach leuchtende Wolke war? Sogar Crabbes und Goyles leuchtete stärker. Es war Harry ein Rätsel.

Der restliche Tag zog sich schleppend dahin. Das Mittagessen war eine Qual. Hermine schien nah an einer Explosion, während Ron sich auf der anderen Seite von Harry köstlich mit Lavender amüsierte. Nun konnte Harry verstehen, wie es für Hermine gewesen sein musste, als er und Ron während des Trimagischen Turniers nicht miteinander gesprochen hatten. Er fühlte sich zwischen den Fronten. Hermine weigerte sich, mehr als nötig mit Ron zu reden, woraufhin dieser eingeschnappt war und noch mehr Zeit in seine ‚Knutschbeziehung' steckte. Wo er früher scherzend seine Zeit mit seinen beiden Freunden verbracht hatte, so war er nun meistens mit Hermine in der Bibliothek. Natürlich schlug sich das in seinen Noten nieder, Zaubertränke einmal ausgenommen, aber Spaß machte es Harry trotzdem nicht. Und da Hermine, wie so oft an den Nachmittagen, in eisernes Schweigen verfallen war, kam das Schlagen der Uhr, die acht Uhr ankündigte, Harry gerade Recht.

„Hermine, ich muss jetzt los, soll ich noch ein paar von den Büchern zurück stellen?" Harry stand an dem runden Tisch umgeben von staubigen Büchern und sah von Hermine gerade nur die Stirn. Der Rest ihres Gesichtes konnte er hinter den Bücher Türmen nicht ausmachen.

„Nein, nein, Harry, ich mach das schon. Viel Spaß und benimm dich!" Nach so langem Schweigen war ihre Stimme belegt, obwohl das sicherlich nicht der einzige Grund war. Harry seufzte „Gute Nacht, Hermine."

Vielleicht sollte er doch mal ein ernstes Wort mit Ron reden. Wie die beiden umeinander herum schlichen, war wirklich nicht auszuhalten. Ihre ständigen Streitereien waren zwar schon zur Gewohnheit geworden, dennoch konnte sich Harry noch gut an die Zeiten erinnern, wo sie lachend zusammen saßen, Snape explodiert oder Zauberschach gespielt hatten. Ein weiteres Mal seufzte Harry und dachte mit Wehmut zurück, als Hermine noch für jedes Problem eine Antwort kannte. Sicherlich hätte sie ihm auch jetzt einen guten Rat erteilt, doch so musste er sich selbst was einfallen lassen.

Malfoy lehnte schon an der Wand im siebten Stock. Ein Klassenzimmer würde ihnen nichts nützen, also wollte Harry in den Raum der Wünsche. Malfoy kannte ihn natürlich schon, da er sie dort vor etwa einem Jahr ausfindig gemacht hatte und an Dolores Umbridge verpetzt hatte.

Harry rang die schlechten Erinnerungen nieder, nickte Malfoy zu und schritt dann dreimal an der Wand gegenüber des Wandteppichs vorbei.

Die Tür, die daraufhin erschien, war alt und hatte einen abgenutzten, goldenen Türknauf.

Der Schwarzhaarige nickte dem Malfoyspross zu und öffnete dann die Tür. Der Raum, der sich dahinter verbarg, war groß und hatte eine längliche Form.

Harry trat ein und fühlte sich ungewohnt an die Geschehnisse der fünften Klasse erinnert. Dennoch sah diese Gestalt des Raumes ganz anders aus als jene, die er und die anderen Mitglieder der DA damals genutzt hatten.

Der Boden war aus dunklem Holz, die Wände waren mit Bücherregalen zugestellt und Kerzenhalter an den freien Mauerwänden waren mit den brennenden Kerzen die einzige Lichtquelle im Raum.

Es gab keine Sitzmöglichkeiten und auch keine Kissen, die Harry zu früheren Zwecken verwendet hatte. Aber sie waren auch nicht zum Plaudern hier, sondern um die gestellte Aufgabe zu erfüllen.

Harry wandte sich wieder dem blonden Slytherin zu, der ebenfalls den Raum gemustert hatte. Der Gryffindor wusste nicht, ob Malfoy den Raum selbst schon einmal genutzt hatte.

„Also, Malfoy, dann zeig mir mal deinen Patronus." Mit langen Schritten entfernte sich Harry von dem Blonden, bis er in der hinteren Hälfte stand. Malfoy war im ein paar Schritte gefolgt und stand nun in der Mitte des magischen Raumes.

Er drehte den Zauberstab abwesend zwischen den Fingern und schien mit seinen Gedanken ganz weit fort. Harry selbst hatte am Anfang natürlich auch Probleme gehabt, allerdings hatte Professor Lupin seine Zweifel verschwinden lassen und ihm so geholfen einen Patronus zu erzeugen.

In dem Moment hallte Malfoys Stimme durch den Raum und unterbrach Harrys Gedanken.

„Expecto Patronum!" Der Blonde hatte die richtige Betonung, sein Arm war durchgehend gestreckt und sein Gesicht zeigte Entschlossenheit. Und trotzdem bildete sich an der Spitze seines Zauberstabes nur ein dünner, schwach leuchtender Nebel.

Sowohl Harry also auch Malfoy seufzten. Der Blonde ließ seinen Zauberstab wieder sinken und starrte Harry an. Sein Gesicht war ausdruckslos.

Harry stieß die angehaltene Luft wieder aus und erwiderte Malfoys Blick.

„Weißt du was ein Patronus bewirken soll?", fragte Harry sicherheitshalber nach, doch der Blonde schien nur darauf gewartet zu haben, um an jemanden seine angestaute Wut auslassen zu können:

„Natürlich weiß ich, was es bedeutet! Ich bin doch nicht blöd Potter!" Das letzte Wort spuckte er geradezu aus, „Mit einer glücklichen Erinnerung rufe ich entweder gestaltlosen Nebel oder einen gestaltlichen Patronus, der die Angreifer abwehrt und sich dann wieder auflöst."

Harry nickte nachdenklich und zermaterte sich das Gehirn auf der Suche nach der Erklärung, die Lupin ihm gegeben hatte.

Schließlich sagte er langsam: „Es ist mehr als das Malfoy. Expecto Patronum bedeutet ‚Ich erwarte meinen Schutzherren'. Der Patronus ist ein Abbild deiner positiven Gefühle wie Hoffnung, Glück oder Liebe. Da er sich aus diesen Gefühlen ‚entwickelt', ist er nicht fähig Angst oder Verzweiflung zu empfinden und ist daher gegen die Dementor Angriffe immun." Er hob seinen Blick wieder, den er während des Sprechens auf den Boden geheftet hatte, und sah in Malfoys blasses Gesicht. Auf einmal war es Harry, als wäre der Blonde unendlich müde und er würde ihm gar nicht richtig zuhören. Doch als er blinzelte, war der erschöpfte Ausdruck verschwunden und Malfoys Gesicht war wieder die altbekannte, kühle Maske. „Ich weiß. Es funktioniert trotzdem nicht." Auch Malfoys Stimme schwankte zwischen Enttäuschung und Ärger. Ob er nun auf sich selbst oder auf ihn sauer war, konnte Harry nicht erkennen.

„Woran denkst du, wenn du den Patronus herbeirufen willst?" Harry bemühte sich, sachlich zu fragen, aber Malfoys mörderischer Ausdruck in den Augen zeigte ihm, dass ihm das reichlich misslang.

„Geht dich nichts an, Potter!", schnarrte er arrogant wie eh und je und Harry konnte nicht verstehen, wie eine Person so schnell und übergangslos die Stimmung wechseln konnte.

„Gut, Malfoy, dann probier eine andere glückliche Erinnerung, da diese anscheinend nicht stark genug ist. Und wenn du es nicht mal hier unter neutralen Umständen schaffst, deinen Schutzpatron herbei zu rufen, wird es dir erst recht nicht gelingen, wenn dir ein Dementor gegenüber steht." Malfoy sah ihn grimmig an, überlegte dann schließlich einen Moment und probierte es noch einmal. Diesmal passierte gar nichts und Malfoy schien der Verzweiflung nahe.

Er probierte es noch zweimal, doch es änderte sich nichts. Kein Nebel oder Sonstiges löste sich aus seinem Zauberstab.

Nun war sich Harry sicher, dass er sich die Müdigkeit auf Malfoys Gesicht nicht einbildete, sondern dass sie tatsächlich da war.

Draco Malfoy, der sonst immer hocherhobenen Hauptes durch die Gänge Hogwarts stolzierte, war einem Jungen gewichen, den Harry nicht kannte. Er war blass, die sonst angegelten Haarsträhnen hingen ihm lose ins Gesicht. Die Schultern waren gesenkt und die ganze Haltung, die er sonst zur Schau trug, war nicht mehr da. Er wirkte - Harry hasste sich dafür, dass er es nicht anders ausdrücken konnte - verloren. Die grauen Augen, die sonst vor Hass und Überlegenheit kühl glühten, waren matt und stumpf.

Er wusste nicht, woher dieser Gedanke kam, doch Harry wusste instinktiv, dass er Malfoy jetzt nicht ansprechen sollte. Wo er sonst liebend gern einen abfälligen Kommentar abgegeben hätte, war heute nur Mitleid.

Der Schwarzhaarige konnte sich noch gut an das Gefühl erinnern, als er krampfhaft nach einer glücklichen Erinnerung gesucht hatte. In seiner Kindheit hatte er sie nicht finden können, und auch in der Schulzeit war es schwer eine einzelne Erinnerung auszumachen. Jetzt war der Gedanke an Sirius eine Qual. Harry fühlte sich schuldig und wusste, dass die glückliche Zukunft die er sich mit Sirius ausgemalt hatte, nie Wirklichkeit werden würde. Zuversicht war zu Schuld geworden. Wieder einmal war er schuld, dass ein geliebter Freund sterben musste. Harry taumelte rückwärts, bis er gegen die kalte Mauer lehnte und seine Gedanken zu dem Tag im Ministerium zurückflogen.

Nur wegen seiner Dummheit hatte er seine Freunde, und auch Ordensmitglieder in Gefahr gebracht. Die Prophezeiung schien ihm im Nachhinein so unwichtig. Er hätte alles gegeben, um Sirius wieder zum Leben zu erwecken. Kälte umklammerte sein Herz und nur der Gedanke, dass Malfoy, der kleine Todesser, mit im Raum war, hinderte ihn daran in Tränen auszubrechen.

Sein Vater war auch dort gewesen. Lucius Malfoy war mit Schuld am Tod seines Paten! Die kalte Wut brodelte in seinem Bauch und der Durst nach Rache schlich sich in seine Gedanken. Hier und jetzt könnte er den Sohn dieses grausamen Mannes, der mehr wie ein Monster auf ihn wirkte, quälen und ihn so leiden lassen, wie er es tat. Tagein, tagaus, jede Nacht quälten ihn die Bilder der Ministeriumsabteilung. Nur schwer ließen sie sich am Tage zurückdrängen. Die Bilder mischten sich mit den Schreien seiner Eltern.

Harrys hassgetränkte Augen fixierten wieder die Ratte Malfoy, doch der Junge stand immer noch da. Er hatte die Hände auf die Ohren gepresst und in seinen Augen stand ein Schrecken, den er selbst kannte, wenn er in den Spiegel blickte: Es war die Angst zu versagen.

Nicht eine Sekunde länger konnte Harry es hier aushalten. Er stieß sich von der Wand ab und durchquerte den Raum mit schnellen Schritten.

Ohne ein Wort des Abschieds rannte er fast zurück zum Turm und platze auch gleich in einen Streit von Hermine und Ron hinein. Die beiden standen an den gegenüberliegenden Seiten im Gemeinschaftsraum und brüllten sich an. Rons Ohren waren schon rot und auch Hermines Gesicht ähnelte einer Tomate. Harry war es jedoch im Moment egal. Ohne noch einen Blick zurückzuwerfen, eilte er die Treppe hoch und verschwand in ihrem Schlafraum.

Er war leer und genauso unordentlich wie Harry und die anderen ihn heute Morgen verlassen hatten.

Er schmiss sich aufs Bett und zog die Vorhänge zu und presste sein Gesicht in das Kissen.

Malfoy war nicht wie er. Er war ein kleines mieses Frettchen, das keine Gelegenheit ausließ, um andere schlecht zu machen! Er hatte sie verraten für mehr Aufmerksamkeit, beschimpfte Ron und Hermine, wo er nur konnte. Und er selbst konnte die Flüche, die Malfoy ihm schon auf den Hals gehetzt hatte, nicht mehr zählen. Er war böse. Und höchstwahrscheinlich würde er genauso ein Fußlecker von Voldemort werden wie sein Vater.

Er hatte überhaupt keinen Grund, so …so verloren, verlassen und hilflos auszusehen! Er, Harry, hatte allen Grund! Malfoy bekam doch den Zucker noch in den Arsch geblasen.

Die wütenden Gedanken und Anschuldigungen wollten kein Ende nehmen, doch zwischen all jene schrecklichen Erinnerungen, in denen Malfoy ihm das Leben zur Hölle gemacht hatte, mischten sich auch solche, in denen er sich unbeobachtet fühlte. Wo er allein stand und auch so aussah. Wo sich Angst in seinen Augen spiegelte. Aber dieser egoistische Mistkerl hatte überhaupt keinen Grund Angst zu haben! Seine Eltern beschützen ihn! Voldemort würde ihn aufnehmen; allein deswegen, weil Draco die gleichen Arschkriecherischen Fähigkeiten wie sein Vater besaß! Harry spürte die heißen Tränen in seinen Augen, aber er weigerte sich sie für so ein Arschloch wie Malfoy zu vergießen!

Der nächste Tag lief genauso ab wie die anderen davor. Hermine und Ron schwiegen sich an. Der Unterricht war langweilig. Er wurde wie üblich von Snape gequält. Saß wortkarg seine Stunden mit Malfoy ab und weigerte sich über diesen Slytherinverschnitt nachzudenken.

Die nächsten Wochen folgten jenem Beispiel. Harry besserte sich in Zaubertränke, aber Malfoy brachte immer noch nicht mehr als eine kleine Wolke zustande.

Zwar übten sie es nicht mehr im Unterricht, dennoch wusste Harry wie auch Malfoy von seinem Versagen.

Weihnachten kam so plötzlich wie jedes Jahr und Harrys Hals wurde eng, wenn er daran dachte, dass dieses Jahr nichts von seinem Paten am Ende seines Bettes liegen würde.

Ron war immer noch wütend auf Hermine, und diese von Rons Blindheit so verletzt, dass beide dieses Jahr nach Hause fahren würden. Hermine hatte sich tausendmal bei ihm entschuldigt bis Harry der Geduldsfaden gerissen war und er ihr deutlich gesagt hatte, dass sie sich nicht entschuldigen brauchte. Wenn er selbst in so einen Idioten verliebt gewesen wäre, würde er auch nicht anders handeln. Daraufhin war Hermine ihm um den Hals gefallen und hatte erst einmal ausgiebig geweint. Der Umstand, dass Ron sie so gesehen hatte, führte dazu, dass seine Verabschiedung von Harry weniger herzlich ausfiel als es sonst der Fall war.

Nun war jedenfalls der vierundzwanzigste Dezember. Morgen war Weihnachten, er hatte die Geschenke für seine Freunde schon besorgt: Hermine bekam ein hübsch eingebundenes Tagebuch mit passender, filigraner Feder. Ron ein Buch: ‚Wie erkennt Mann, dass eine Frau auf ihn steht?'. Harry hatte die Nase gestrichen voll, und wenn Ron und Hermine aus den Ferien zurückkamen, würde er zumindest Ron mal gehörig die Meinung sagen.

Er übte immer noch mit Malfoy. In einer stummen Übereinkunft hatten beide beschlossen, dass Beleidigungen ihnen nicht helfen würden. Auch Flüche halfen nicht.

Heute war ein kalter Morgen in Hogwarts der Harrys unterkühlte Stimmung perfekt unterstrich. Zudem war heute die letzte Übungsstunde mit Malfoy: Das letzte Patronustraining in diesem Jahr.

Der Tag war ruhig abgelaufen, das Essen war wie immer köstlich und die restliche Zeit bis zum Abend hatte Harry genutzt und war auf dem Quidditschfeld trainieren geflogen.

Das Abendessen war ein Genuss und der Umstand, dass er Malfoy von seinem Platz nicht sehen konnte, machte es nur noch besser.

In den letzten Wochen hatte sich Harry einiges eingestanden:

Erstens, Draco Malfoy war vielleicht doch kein so großes Arschloch, wie Harry immer angenommen hatte. Die Zeit in den Ferien hatte Harry genutzt und war mit dem Tarnumhang und der Karte auf geheime Mission gegangen: Wer ist Draco Malfoy wirklich?

Denn ein weiteres Eingeständnis war, dass Draco Malfoy vielleicht und auch nur vielleicht, doch einen Charakter besaß und nicht vollkommen böse war.

Auf einem seiner Streifzüge durchs Schloss hatte er Malfoy gefunden. In der kaputten Mädchentoilette von Myrte. Und der große Draco Malfoy hatte geweint wie ein kleines Kind. Mit roten Augen und nassen Wangen war er an eine Toilettentür gelehnt gewesen und hatte unverständliche Worte gemurmelt.

Harrys Neugier war natürlich stärker gewesen, also blieb er bis Malfoy gegangen war und quetschte dann Myrte aus:

„Hey, Myrte?!" Harry hatte seinen Tarnumhang abgenommen und stand an der Stelle, wo Malfoy zuvor noch geweint hatte.

„Komm schon Myrte, ich weiß, dass du da bist!", zischte er ungehalten. Wenn er an den aufdringlichen Geist dachte, bekam er ein mulmiges Gefühl im Magen, das dem ähnelte, wenn er zu viel Kürbispastete gegessen hatte.

„Harry, Liebster", kicherte Myrte aus einer Kabine und waberte durch die Tür, die Harry gegenüber lag. „Was treibt dich denn hierher?" Ihre toten Augen wurden groß und sie versuchte vergebens einen unschuldigen Augenaufschlag. „Ich bin gekommen, um dich was zu fragen, Myrte…" Er sah ihre enttäuschte Miene und vollendete seinen Satz anders, als er es eigentlich vorhatte.

„-und ich hatte Sehnsucht nach dir." Harrys Lächeln wirkte gezwungen, doch die Geisterdame bemerkte es nicht, sondern kicherte nur schaurig.

„Was willst du denn wissen? Wann ich Geburtstag habe?" Ihr schrilles Kichern bescherte Harry eine Gänsehaut und ein ums andere Mal verfluchte er seine Neugierde.

„Der Junge, der eben hier war, hast du gehört, was er gesagt hat?" Myrtes Lächeln verschwand augenblicklich von ihrem weißen Gesicht.

„Wieso willst du das wissen? Interessierst du dich etwa für ihn!?" Ihre Stimme hatte eine fürchterliche Tonlage angenommen und Harry betete, dass keiner sie hören würde. Dann erst begriff er, was sie mit dem letzten Teil gemeint hatte, Er und...Malfoy?

„Nein, Myrte, ich würde nie…" Er wagte es nicht mal, es auszusprechen.

Sie musterte ihn einen Moment und lächelte dann verführerisch. „Also gut, ich erzähle es dir, wenn du mich wieder öfter besuchen kommst! Du warst soooooo selten hier, Harry!" Den letzten Teil zog sie unheimlich in die Länge. Wenn es möglich wäre, hatte Harry soeben Gänsehaut auf seiner Gänsehaut bekommen.

Harry nickte nur schwach.

„Er sitzt hier immer nur und heult wie ein Baby." Myrtes Stimme hatte einen fröhlichen Unterton. „Nein, Vater, ich will nicht so werden! Ich will nicht kämpfen. Lass Mutter da raus!" Sie stieß ein schrilles Kichern aus, bevor sie auf eine Toilettenschüssel zuzischte. „Richtig langweilig, immer dasselbe, wie ein Baby, Besuch mich Haaaarryyy!" Und damit war sie Wasser verspritzend in der Toilette verschwunden.

Harry stand noch einige Minuten still da, bevor er kehrtmachte und zum Turm zurückkehrte. Der Abend und die darauffolgenden Nächte waren die Hölle. Myrtes Worte ließen ihn nicht los, dabei war es weniger das, was Myrte über Draco gesagt hatte, sondern vielmehr das, was Myrte über sie beide gesagt hatte. Er und Malfoy …zusammen. Das war so unvorstellbar, eher würde Voldemort freiwellig kapitulieren, als dass er und Draco … MALFOY nicht Draco. Harry schüttelte den Kopf. Aber sobald er die Augen geschlossen hatte, kamen die Bilder ganz von allein.

Heute hatte er sich vorgenommen, Malfoy auszuquetschen, ihn zu provozieren und so mehr zu erfahren. Denn es war offensichtlich, dass Malfoy Senior Draco zu etwas zwang, was er nicht wollte. Höchstwahrscheinlich hatte es mit Hogwarts zu tun. Vielleicht auch mit ihm. Malfoy versteckte etwas. Ihn quälte etwas und er, Harry Potter, würde herausfinden, was es war!

Pünktlich wie immer kam Harry im siebten Stock an. Malfoy wartete immer auf ihn. Bis jetzt hatte der Blonde kein einziges Mal gewagt, selbst den Raum der Wünsche herbeizurufen.

Als er diesmal die Tür öffnete, war der Raum anders. Harry seufzte und verabschiedete sich von seiner Hoffnung, dass Malfoy erst mal unwissend war, was Harrys Plan anging.

Der Raum war klein, mit dicken Teppichen ausgelegt und auf der rechten Seite war ein riesiger offener Kamin. Davor standen ein Sofa und zwei Sessel. Alles war in gedeckten Farben gehalten, wobei es weder die Farbe Rot noch Grün gab.

Es waren dunkle und helle Brauntöne, die sich abwechselten und ergänzten.

Malfoy war neben ihn getreten und sah sich schweigend im Raum um. Harry hatte sehr wohl gemerkt, dass der Blonde von einer seltsamen Resignation ergriffen war, die nichts mehr mit der Angst vor einigen Wochen zu tun hatte. Nach außen hin war Malfoy das gleiche Arschloch geblieben, das Harry all die Jahr gekannt hatte, doch mit Beleidigungen gegen ihn und seine Freunde hielt er sich zurück. Es war, als würde ihm Malfoy aus dem Weg gehen.

Doch sobald sie alleine waren, trat an die Stelle des arroganten Schnösels ein ernster junger Mann, der Harry dazu brachte nachzudenken.

Bisher hatte er geglaubt, dass es einfach war, eine Grenzlinie zu ziehen. Zwischen Gute und Böse, richtig und falsch und zwischen ihm und Malfoy.

Doch in den letzten Wochen hatte er versucht zu verstehen. Zu verstehen, dass es vielleicht auf beiden Seiten Opfer gab.

Dass Voldemort auch bei seinen Anhängern und deren Familien Schaden anrichtete, dass Malfoy vielleicht in einer Sackgasse steckte; dieselbe, die Harry schon selbst so viele Male aufgehalten hatte.

Zugegeben, es hatte lange gedauert, bis er in Malfoy nicht nur das Monster sah, das er sechs Jahre gekannt und gefürchtet hatte, sondern den Menschen, der dahinter stand. Auch wenn es ihm zeitweise wiederstrebte, von Malfoy als lebenden, fühlenden Menschen zu denken.

Er atmete tief durch und warf einen Blick zu Malfoy. Dieser musterte die Sitzgruppe ausdruckslos und ging schließlich vorbei und ließ sich auf dem Sofa nieder.

„Was willst du, Potter?" Seine Stimme war ausdruckslos, und Harry war sich nicht mehr sicher, ob er wirklich etwas ändern könnte.

Er atmete tief ein, „Reden, Malfoy." Dieser lachte freudlos auf und warf Harry einen höhnischen Blick zu.

„Reden, Potter? Über was denn? Deine Meinung steht fest, meine Meinung steht ebenfalls, wir haben uns nichts zu sagen." Er sah aus, als hätte er nichts zu verlieren, als könnte nichts von dem, was Harry sagen könnte, etwas ändern.

Doch in Harry erwachte jener Tatendrang, der ihn zu einem Gryffindor gemacht hatte.

„Doch, Malfoy, ich denke, wir haben uns so einiges zu sagen." Der blonde junge Mann gegenüber sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.

„Ich weiß von deinem Vater", begann Harry schließlich. „Wir können zu Dumbledore gehen un-" Hände legten sich um seinen Kragen und zogen ihn hoch.

„Was weißt du schon von meinem Vater, Potter?" Malfoy schubste ihn nach hinten und griff hart nach seinen Schultern, so dass er nicht stürzte. Mit hartem Griff drückte er den Schwarzhaarigen gegen die Wand hinter ihm und die Kälte kroch langsam in Harrys Knochen.

„Ich weiß, dass er dich zu irgendwas zwingen will, Malfoy, aber du musst nicht tun, was er will, du musst nicht gehorchen!", presste Harry hervor und probierte, Malfoys schmerzhaften Griff zu lösen, doch der Malfoyerbe ließ nicht locker.

„Was weißt du schon, Potter, was mein Vater alles kann und was nicht? Denkst du, ich bin frei?" Das letzte hatte er in Harrys Ohr gezischt, bevor er dem Gryffindor hart ins Gesicht schlug. Harry fiel, und Draco mit ihm, da er immer noch dessen Hand umklammert hielt. Der Schmerz im Kinn und der harte Aufprall sowie Malfoys zusätzliches Gewicht trieben ihm die Luft aus den Lungen und die Tränen in die Augen. Mit Wut im Bauch schlug er ebenfalls zu und nur Malfoy schmerzhaftes Aufkeuchen gab ihm die Gewissheit, dass er ihn ebenfalls getroffen hatte. Die darauffolgende Prügelei war genauso wie all jene zuvor, und doch ganz anders. Harry konnte nicht sagen, wo Malfoy ihn überall getroffen hatte, oder wo er Malfoy überall getroffen hatte, alles tat ihm weh. Als hätte ihn eine Horde Hippogreife überrannt.

Er lag auf dem Teppich hinter dem Sofa und Malfoy so dicht neben ihm, dass ihre Arme sich berührten und Harry Malfoys abgehacktes Atmen hören konnte.

„Was sollte das?", brachte Harry schließlich heraus, als er das Gefühl hatte, sein Atem würde reichen.

„Du hast einfach mal ne Abreibung verdient", keuchte der Blonde neben ihm.

„Wofür? Ich hab versucht zu helfen!" Mit einem schmerzhaften Keuchen drehte Harry sich auf die Seite und stütze sich auf seinen unverletzten Arm, so dass er Malfoy ins Gesicht sehen konnte.

„Oh natürlich, der große Harry Potter, Retter der Armen und Weisen versucht mir, dem Todessersohn, zu helfen. Daran glaubst du doch wohl selber nicht!" Die grauen spöttischen Augen, die rote Wange und die zerzausten Haare gaben ein Bild ab, das Harry sicherlich verfolgen würde.

Harry warf ihm einen bösen Blick zu, bevor er tief einatmete.

„Ich hab dich im Mädchenklo gesehen. Und am Bahnhof. Und Im Korridor." Ohne das, er es wollte, sprudelten aus Harry all die Erinnerungen raus, die ihn selbst seit Wochen quälten.

Waren Malfoys Augen am Anfang noch wütend, wurden sie mit jedem weiteren Wort Harrys größer.

„-… und dann hab ich darüber nachgedacht, warum du keinen Patronus zaubern kannst, und warum du weinst und warum du nicht einfach nein sagst, wenn dein Vater dir was sagen will." Harry endete mit roten Wangen und feurigen Blick. Wenn ihm jemand so behandeln würde wie Malfoy seinen Sohn, hätte er ihm längst die Meinung gesagt und wäre abgehauen.

„Ich bin nicht frei", sagte Draco nach einer Weile des Schweigens. Harry sah ihn überrascht an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Draco überhaupt was dazu sagen würde.

„Ich bin nicht so wie du, Harry. Ich kann nicht über mein Leben entscheiden. Ich würde nicht meine gesamte Kindheit über auf Händen getragen wie du. Ich musste lernen, lernen und lernen. Benehmen, Zaubersprüche und das Bessersein. Ich muss in allem der Beste sein. Versagen darf ich nicht, mein Vater und der dunkle Lord, ich kann nicht. Verstehst du das denn nicht? Ich bin nicht frei, ich bin an meine Familie gefesselt! Ich kann nicht einfach zu Dumbledore rennen, wenn ich ein Problem habe, so wie du, und er hilft mir aus reiner Menschenfreundlichkeit. Ich habe so viel falsch gemacht im Glauben, alles richtig zu tun. Und jetzt ist es zu spät. Ich habe keine Wahl, Harry, ich kann nicht über mein Leben entscheiden, schon vor meiner Geburt war es durchgeplant. Ich werde ihm dienen müssen, kämpfen und sterben für eine falsche Sache!" Draco hatte sich ebenfalls aufgerichtet und starrte Harry aus großen, verzweifelten Augen an. Er atmete schwer und seine ganze Haltung wirkte verkrampft.

„Ich wurde nie auf Händen getragen, Malfoy. Dort wo ich wohnen muss, hassen sie mich. Ich lebte in einem Schrank unter der Treppe und war der Hauself für sie. Bis ich elf war, wusste ich nicht mal, dass Zauberei existiert! Und dann komm ich in euere Welt und alle erwarten, dass ich kämpfe, siege und eine neue Welt voller Frieden schaffen werde. Ich war Baby, ich kann doch nichts dafür, dass er unterlag. Es war nicht mein Verdienst, dass ich überlebte. Ich wäre lieber gestorben und wäre mit meinen Eltern gegangen, als noch mal als Held gefeiert zu werden! Denkst du, ich hatte eine Wahl? Ich war nie frei zu entscheiden. Ich werde immer der Held sein. Ich werde kämpfen müssen, ich kann mich hinter niemanden verstecken. Ich bin ganz sicher nicht frei!"

Harrys Stimme zitterte und war verbittert. Noch nie hatte er so frei gesprochen. Nicht mal mit Hermine und Ron, da er annahm, dass sie wussten, wie er sich fühlte.

Draco sah ihn an und Harry starrte zurück.

Sie hatten sich für etwas gehasst, das sie nicht waren. Eigentlich hatten sie das gehasst, was die anderen aus ihnen gemacht hatten. Und nun saßen sie hier, ohne Masken, ohne Geheimnisse und das Schlimmste war, es fühlte sich gut an.

„Und jetzt?" Dracos Stimme war leise und ging beinahe in der Stille unter.

„Ich weiß nicht", antwortete Harry auf die gleiche Weise.

„Sind wir jetzt Freunde?" Harry schrak bei Dracos Worten zusammen. Die Erinnerung an den kleinen Jungen bei Madam Malkins zog an seinen Augen vorbei, genauso wie die dargebotene Hand des kleinen Dracos mit der arroganten Maske.

„Ich weiß nicht. Willst du das wir Freunde sind?" Harry blickte auf und sah in Dracos Gesicht dieselbe Unsicherheit, die er ebenfalls zur Schau trug.

Der Blonde schien unentschlossen.

„Vielleicht nur hier." Ja, hier im Raum der Wünsche könnten sie neu anfangen. Abseits der Geschehnisse draußen, ohne Einflüsse, Vorurteile und Masken.

Harry nickte, „Gehen wir trotzdem zu Dumbledore?" Draco schien mit sich zu ringen, bevor er ebenfalls nickte.

Die darauffolgende Woche war wie im Flug vergangen. Weihnachten war unspektakulär verlaufen, Dumbledores Gespräch mit Draco durfte er nicht beiwohnen, und Draco hielt sich sehr bedeckt.

Sie saßen auf Kissen im Raum der Wünsche, dem alten Trainingsraum, der beiden nun viel wärmer erschien. Es war der einunddreißigste Dezember und es war fast Mitternacht, aber weder Harry noch Draco hatte Lust, nach unten zu gehen und der großen Fete beizuwohnen. In wenigen Tagen würden die anderen Schüler zurückkehren und Harry hatte Angst. Er wollte nicht, dass es wieder so wurde wie zuvor. Er wollte sich nicht mit Draco streiten, wo er jetzt den wahren Draco kannte. Sie hatten zwar beschlossen, sich von nun an, wenn andere dabei waren, mit Respekt zu begegnen, aber Harry war sich nicht sicher, ob er nicht in die Bresche springen würde, sollte ein Mitschüler Draco beschuldigen.

Auch weiterhin würden Treffen stattfinden, die sie nutzen wollten, um den anderen besser kennen zu lernen und ihre Noten aufzubessern und weiterhin den Patronus zu üben. Aber allen guten Vorsätzen zum Trotz war Harry das nicht genug. Er konnte es selbst nicht erklären, aber alle Seiten, die er bisher an Draco entdeckt hatte, waren so anders, dass er am liebsten noch mehr von dem Blonden erfahren würde. Vor allem über seine Mutter. Auch wenn Narcissa hinter ihrem Mann zu stehen schien, liebte sie Draco doch abgöttisch. So hatte Draco Harry erzählt, dass er früher mit seiner Mutter oft gebacken hatte. Bis sein Vater sich seiner Erziehung angenommen hatte. Mit jedem Wort, das Draco erzählte, hasste Harry diesen Mann mehr. Und er schwor sich, an Dracos Stelle, ihn dafür zu bestrafen, wie er seinen Sohn behandelte.

„Ich werde Spion." Dracos Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er starrte den Blonden mit großen Augen an.

„Ich werde Todesser und wie Snape ein Spion für den Orden werden!" Dracos Stimme war bestimmt, als er das dem Regal erzählte, das er anstarrte. So zumindest kam es Harry vor. Draco wollte Spion werden? Wie oft stand Snape schon unter Verdacht? Harry wusste, wie gefährlich das war und wie leicht Draco entdeckt werden könnte. Das war viel zu gefährlich!

„Nein!" Harry hatte die Stirn gerunzelt und sich grade hingesetzt.

Draco sah ihn verdutzt an und runzelte aufgrund von Harrys entschlossener Miene ebenfalls die Stirn.

„Das ist viel zu gefährlich, Draco! Weißt du was alles passieren könnte?" Der Schwarzhaarige nahm seine Hände zu Hilfe, um zu verdeutlichen wie gefährlich es für Draco werden konnte, wenn er auffliegen würde.

Der Blonde lächelte leicht. Bei der ganzen Strafpredigt über die gefährlichen Aspekte des Spionagelebens hatten sich seine Wangen rot gefärbt.

Draco wurde leichter ums Herz. Es kam nicht oft vor, dass sich jemand sorgen um ihn machte. Und Harry war ihm in den letzten Wochen sehr ans Herz gewachsen. Er konnte gut verstehen, warum Harry so leicht Freunde fand. Er war offen und ehrlich und es war leicht mit ihm zu lachen. Draco machte die Zeit, die sie hier zusammen verbrachten, schmerzhaft bewusst, wie seine eigene Schulzeit hätte aussehen können, wenn es den dunklen Lord nie gegeben hätte.

Er und Harry hätten Freunde werden können, er hätte das Leben genießen können, er hätte leben können.

Die Stunden, die sie hier zusammen verbrachten, gaben Draco ein Bild davon, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Harry würde auf keinen Fall alleine kämpfen! Er würde ihm und auch dem Orden so gut es ging helfen und verhindern, dass sie in Fallen oder Hinterhalte gerieten. Mit dieser Arbeit wollte er allen beiweisen, dass mehr in ihm steckte. Dass auch er es verdient hatte, einmal glücklich zu sein. Glücklich mit Harry. Er wollte mit ihm auch während der Schulzeit zusammen sein und sich von dem Licht, das Harry ausstrahlte, wärmen lassen, sein Herz und seine Seele heilen lassen. Noch, war es nicht zu spät um mit Harry neu anzufangen. Mehr noch, Sie würden das Leben anfangen, welches ihnen schon immer zugestanden hatte.

Zwei Hände griffen nach seinen Schultern und schüttelten ihn.

„Draco!" Harry sah ihn schockiert an. „Ich mach mir hier Sorgen und du träumst! Wir werden sofort zu Dumbledore gehen und ihm sagen, dass du auf keinen Fall Spion wirst! Du wir-" Dracos Lippen pressten sich auf seine und unterbrachen ihn. Die Gedanken des Schwarzhaarigen rasten, während sich die weichen Lippen des Blonden enger an seine schmiegten. Seine Augen fielen zu und seine verwirrten Gefühle fuhren Achterbahn. Seine Hände griffen in Dracos Haare und zogen ihn näher, dichter und Harry fühlte sich, als hätte er einen Schnatz verschluckt, der nun in seinem Bauch rumorte. Dracos Hände strichen über seinen Rücken und das Kribbeln, das nun durch seinen Körper lief, war besser als fliegen. Es war wie nach-hause-kommen.

Über ihnen im schlug die Schulglocke zwölf und die anwesenden Gäste feierten den Beginn des neuen Jahres, wünschten sich alles Gute für den neuen Lebensabschnitt und schossen farbige Lichter in den Himmel.

Harry Potter wüsste nicht, was er sich für den Moment wünschen sollte. Vielleicht, dass Draco ihn noch mal so küsste, vielleicht auch, dass alles gut enden würde. Das erste kam von ganz allein und für das zweite würde er kämpfen, schließlich war er ein Gryffindor.

Wenn man Draco Malfoy fragen würde, was er sich wünschte, würde er den Idioten, der ihn unterbrach Harry Potter zu küssen, auf den Mond hexen und sagen, dass er nicht an Wünsche glaubte.

Es war der achte Januar des neuen Jahres und der Jahrgang wurde in Verteidigung gegen die dunklen Künste, wiedereinmal, von Professor Snape eingeschüchtert.

Dieser war der festen Überzeugung, dass die Schüler alles über die Ferien vergessen hatten. So rief er nun einen nach dem anderen aufs um zu überprüfen ob der Patronus Zauber gelang.

„Mister Malfoy." Snapes Stimme schnarrte durch den vollbesetzten Raum und durchschnitt die ehrfürchtige Stille.

Der blonde Zauberer schritt nach vorne und hob den Zauberstab. Nach dem zustimmenden Nicken des Lehrers hob er die Stimme: „Expecto Patronum!" Aus der Spitze seines Zauberstabes brach ein großer Löwe mit wilder Mähne, der nun stolz durchs Klassenzimmer maschierte. Die Gryffindors waren sprachlos überrascht und die Slytherins entsetzt. Snape sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen und nur Harry Potter, Held der Zaubernation, sah aus, als wolle er sich am liebsten selbst auf die Schulter klopfen.

-ENDE-