Hallo, ihr Leser da draußen :o)

Dies ist also meine erste Fanfiction. Eigentlich bin ich professionelle Autorin und schreibe mein eigenes Zeug, aber gelegentlich mache ich mal „Kurzurlaub" in anderer Leute Universen, und die hohe Anzahl an sehr interessanten Junggesellen in Rowlings Welt hat mich schon lange gereizt :o)

Also, Joanne, Hut ab und danke für die Jungs!

Disclaimer:

Natürlich gehört alles bis auf Emilia und den Plot und ein paar anderen Kleinigkeiten JKR. Ich verdiene nichts mit dieser Story, höchstens Anerkennung. Und nun viel Spaß.

1.KESSEL UND KOLLEGEN

„Professor Liguster!"

Ich stoppte auf meinen Hacken, so dass die Truhe mit meinen Sachen, die hinter mir her glitt, mir unsanft gegen die Beine fuhr. Ich drehte mich um, ich hoffte, dass man mir die Verzweiflung nicht allzu deutlich ansah.

„Professor McGonagall" sagte ich. „Merlin, Sie schickt wirklich der Himmel. Dieses Schloss ist ja riesig. Und wenn es nur mal die Treppen an einem Ort behalten würde!"

Sie lächelte mich freundlich an.

„Machen Sie sich nichts draus" sagte sie. „Jeder verläuft sich anfangs. Aber die Treppen verschieben sich immer im gleichen Rhythmus. Sie werden ein Gespür dafür entwickeln."

„Das hoffe ich" sagte ich und versuchte ebenfalls ein Lächeln. Es wurde etwas schief. Der Tag war einfach zu lang gewesen.

„Darf ich Sie zu Ihren Räumen begleiten?" fragte sie.

„Ja" sagte ich, „bitte", und die Erleichterung stand mir in kapitalen Buchstaben ins Gesicht geschrieben.

„Dann hier entlang" sagte sie und zeigte einen der fünf Flure hinunter, die ich gerade zu meiner ratlosen Auswahl gehabt hatte.

Meine Truhe und ich setzten uns in Bewegung und folgten ihr, deren dunkelgrüne Roben ein angenehmes leises Rascheln von sich gaben.

„Ich entschuldige mich nochmals dafür, dass alles so überstürzt ablief" sagte sie. „Wir richten es normalerweise so ein, dass neue Kollegen einige Tage vor Unterrichtsbeginn eintreffen, um sich ausreichend mit den Einrichtungen der Schule vertraut machen zu können. Sie werden ja nun reichlich ins kalte Wasser geworfen…"

„Das macht nichts" sagte ich tapferer, als mir zu Mute war. „Ich finde mich schon zurecht."

„Sobald Professor Snape zurück ist, was hoffentlich noch im Laufe der Nacht geschieht, werde ich veranlassen, dass er mit Ihnen bei nächster Gelegenheit eine Einweisung in die Tränkeküche, Vorratsräume und so weiter vornimmt. Und vergessen Sie nicht, sich seine Passwörter für den Gesicherten Bereich geben zu lassen."

„Ja" sagte ich. „Kein Problem." Internes Memo: Passwörter.

„Hier entlang" sagte McGonagall und zeigte auf eine schmale Stiege, die zwischen zwei schwer bewaffneten Ritterrüstungen steil in die Tiefe führte. Meine Truhe rumpelte und nahm Fahrt auf. Gerade noch rechtzeitig hatte ich meinen Stab in der Hand und bremste sie ab, bevor sie uns beide ummähte.

„Ich hatte mich schon gefragt, wer im Kollegium mein Vorgänger war" sagte ich, meine Stimme klang muffelig in dem engen Treppenhaus.

„Es läuft einiges nicht ganz rund zu Beginn dieses Schuljahres" sagte sie vor mir. „Was vielleicht auch nicht zu erwarten ist, unter diesen Umständen. Achten Sie auf diese Stufe. Sie macht gerne einen kleinen Hopser, wenn man sie betritt. Unheilbarer Fall von Kitzligem Kalk."

„Okay" sagte ich. Internes Memo: nicht auf die Nase fallen.

„Professor Snape wird schon seit einigen Tagen zurück erwartet" fuhr sie fort. „Ich hoffe nur, wir müssen nicht gleich für seinen ersten Unterrichtstag in Verteidigung eine Vertretung organisieren."

„Ich hatte es den Sommer über verfolgt" sagte ich. Die Treppe endete in einer kleinen, hohen Halle. Über uns schwenkte eine Treppe von einem Sockel zum nächsten und entließ eine Gruppe angeregt plaudernder Schüler auf eine steinerne Balustrade, wo sie zielstrebig in einem weiteren Gang verschwanden. „Es gab mehrere Stellenanzeigen für den Posten, in diversen deutschen Zauberblättern. Eine ganz lange in den Frankfurter Nachtwichten. Hat sich wirklich niemand für den Posten interessiert?"

„Niemand, den wir für kompetent hielten" sagte McGonagall. „Und in der Summe waren es auch nicht sehr viele. Der Posten hat eine etwas unglückliche Geschichte. Es gab… sagen wir, häufigen Wechsel in den letzten Jahren."

„Dann ist es aber sehr nett von Professor Snape, das Fach zu wechseln" sagte ich und empfand spontane Sympathie für den unbekannten Kollegen, der immerhin damit seinen Stuhl für mich frei gemacht hatte.

„Ja" sagte McGonagall und hatte plötzlich etwas Steinernes an sich. „Sehr nett."

Sie führte mich zu einer weiteren Treppe, und wir stiegen tiefer hinab.

„Ähm" sagte ich vorsichtig, „Sie haben mich doch nicht… im Keller untergebracht?"

„Nein" sagte sie. „Im Erdgeschoss. Der Übereifrige Aufgang hat sie vorhin nur bis fast unters Dach befördert. Weiter oben, als Sie waren, kommt nur noch die Eulerei."

„Oh" sagte ich und kam mir dumm vor. Das musste man erst mal schaffen. Sich auf dem Weg ins Erdgeschoss bis unters Dach zu verlaufen. Internes Memo: Lageplan von Hogwarts auswendig lernen.

Die Treppe endete an einem schmalen, überdachten Außengang, der zwischen dem Kräutergarten und der alten Fassade des Schlosses entlang zu einer kleinen, schiefen Tür führte. Rechts davon schimmerten die ersten Stufen einer weiteren steilen Treppe im Mondlicht.

„Hier ist es" sagte McGonagall und winkte der Tür, die daraufhin aufsprang und ein warmes, erleuchtetes Viereck auf den steinernen Boden warf. Sie ließ mir den Vortritt, und meine Truhe und ich rumpelten über die Schwelle in ein kleines, plüschig eingerichtetes Zimmer. Ein Feuer brannte im Kamin, die Decke des mit Kissen voll gestopften Bettes war einladend zurück geschlagen, und auf dem Tisch unter dem Fenster stand ein Tablett mit Schüsseln, aus denen es dampfte.

„Oh, Mann" sagte ich. „Wie wundervoll."

„Dann ist es zu Ihrer Zufriedenheit" sagte McGonagall. „Wie schön."

„Ja" sagte ich. „Es ist toll."

„Ich habe die Hauselfen angewiesen, Ihnen ein Abendessen bereit zu stellen" sagte sie. „Sie haben ja leider das Große Festessen verpasst. Hier" sie zeigte auf einen rotsamtenen Klingelzug neben dem Kamin, „können Sie jederzeit einen Hauselfen zu Ihren Diensten herbei rufen. Hier" – Fingerzeig auf ein schmales Stück Pergament und einen Kohlestift auf dem Nachttisch – „notieren Sie Ihre gewünschte Weckzeit. Unterrichtsbeginn ist morgen um halb neun Uhr. Einen Stundenplan finden Sie auf dem Schreibtisch."

„Danke" sagte ich, einigermaßen erschlagen. „Und auf die Gefahr hin, dämlich zu klingen, wie finde ich meinen Unterrichtsraum?"

„Einfach die Treppe neben Ihrer Tür hinunter" sagte sie mit einem Lächeln. „Die ersten drei Türen auf der linken Seite sind Unterricht, Vorbereitung und Vorratskammer. Die Räume auf der rechten Seite betreten Sie besser nicht unaufgefordert. Es sind Professor Snapes Räumlichkeiten."

„Im Keller?" sagte ich entsetzt.

„Wir haben alle unsere kleinen Eigentümlichkeiten, nicht wahr?" sagte sie.

„Ja" sagte ich schnell. „Natürlich."

„Machen Sie sich keine Sorgen" sagte sie. „Sie übernehmen Schüler, die sowohl fachlich als auch in Sachen Disziplin hervorragend ausgebildet sind. Sie werden keine Schwierigkeiten haben. Und ich bin sicher, Sie verstehen Ihr Geschäft. Der Direktor hat mit Ihnen eine hervorragende Wahl getroffen."

„Danke" sagte ich. „Ich werde wirklich mein bestes geben."

„Nichts anderes wird von Ihnen verlangt" sagte sie. „Willkommen in Hogwarts, meine Liebe."

Um zehn nach fünf am nächsten Morgen war ich wach. Es drang noch kein Licht durch die dicken, goldgelben Fensterscheiben. Ich fummelte meine Brille vom Nachttisch und sah auf meinen Weckzettel, auf dem ich halb sieben notiert hatte. Kein Grund zur Panik. Alles im Griff.

Ich legte mich zurück in die Kissen und schloss die Augen. Drei Sekunden später hatte ich sie wieder offen und starrte an die gewölbte, weiß getünchte Zimmerdecke. Mein Gehirn überschlug sich, als hätte jemand den BoogieWoogie-Hex darauf gelegt.

Erste Stunde, halb neun. Doppelstunde fünfte Klasse. Halb elf: Doppelstunde Erste. Grundlagen Tränke, soweit klar, aber was mach ich mit der Fünften? Passwörter! Komm ich auch ohne zurecht? Unterrichtsraum! Muss ich da noch was in Ordnung bringen? Literatur vor Ort oder in der Bibliothek? Und wo, zum Teufel, ist die Bibliothek?

Ich sprang aus dem Bett. Internes Memo: Bitte nicht durchdrehen.

Barfuss ging ich über den kühlen Steinboden hinüber zum Fenster und ließ Luft in den Raum. Es roch feucht und erdig, schon ein wenig nach Herbst. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber einige frühe Vögel machten sich schon warm für das Morgenkonzert. Rechts über mir ragte die Silhouette des Eulenturms in den sich kaum merklich aufhellenden Himmel. Ich ließ das Fester offen und öffnete meine Truhe, die ich am Abend zuvor unberührt hatte stehen lassen.

Welche Robe war passend für den ersten Unterrichtstag?

Ich hatte, wenn man mal die Muggelklamotten wegließ, nicht viel Auswahl. Da war meine alte Robe, ein etwas verwaschenes Blau und der Saum war schon reichlich ausgefranst. Man konnte fast die Jahreszahl drauf blinken sehen, Sommer vor drei Jahren, das war, als man die Roben plötzlich überlang trug, eine unpraktische Mode, die sich auch nicht länger als eine Saison gehalten hatte. Ich schob die blaue Robe beiseite und holte die raus, die ich mir extra für den neuen Job angeschafft hatte. Sie war knöchellang und orangerot gebatikt, mit kleinen Glöckchen am Gürtel und bestickt mit verschlungenen Ornamenten aus glänzender Seidenschnur. Im Laden hatte ich sie toll gefunden. Jetzt, angesichts der dezenten, gediegenen Farben, die ich an meinen Kollegen gesehen hatte, kam sie mir total bescheuert vor. Vielleicht war das England. Vielleicht trugen die Lehrer hier höchstens Schottenkaro, und das auch nur an ihren mutigen Tagen. Ich seufzte. Ich hatte nicht die Zeit, mir über meine Garderobe Sorgen zu machen, und bevor ich ständig über das blaue Ding stolperte, gab ich lieber den Paradiesvogel.

Ich nahm die Robe mit in das kleine, weiß geflieste Bad, das ganz allein meines war. Heißa! Keine Gemeinschaftsduschen mehr. Über einer weißen Badewanne mit Löwenfüßen ragte etwas aus der Wand, das wie das Ende einer Gießkanne aussah. Ich tippte es mit meinem Stab an. Es gab ein Fauchen von sich und Wassertropfen sprangen in alle Richtungen, bevor es einen dicken, dampfenden Wasserstrahl in die Badewanne spie, dass es spritzte.

Protego" murmelte ich erschrocken und zog ein Kraftfeld um die Wanne, bevor das ganze Badezimmer schwamm.

Zehn Minuten später war ich frisch geduscht und fühlte mich gar nicht so schlecht in meiner orangeroten Robe. Ich warf einen Blick auf meinen Stundenplan. Die Fünfte und die Erste, mehr stand mir heute nicht bevor. Das würde ich irgendwie hinkriegen. Ich steckte meinen Stab in die dafür vorgesehene Gürtelschlaufe, griff nach meinen Unterlagen, nahm mir eine Handvoll Glückskekse und eine Kaffeekapsel aus meinem Notvorrat und machte mich auf den Weg in den Keller.

Merlin, war das dunkel und feucht hier unten. Immerbrennende Fackeln beleuchteten den steilen Abgang, der sich zog, als stiege ich bis hinunter zum Erdmittelpunkt. Jemand hatte Gefallen daran gefunden, die Flammen grünlich einzufärben. Ich fand die Idee nicht so prickelnd.

Endlich hatte ich die letzte Stufe erreicht. Für einen kurzen Augenblick panickte ich. Was hatte McGonagall gesagt? Links oder rechts? Was, wenn ich plötzlich versehentlich im Wohnzimmer des unbekannten Kollegen stand? Dann sah ich, dass eine der Türen auf der linken Seite nur angelehnt war. Ich sah dunklen Steinboden und den Rand eines Tisches. Ich schob die Tür auf und steckte meinen Kopf durch den Spalt.

Ich hatte den Unterrichtsraum gefunden.

Meine leise Sorge, der Vorgänger hätte den Raum vielleicht unaufgeräumt oder sonst wie nicht betriebsbereit zurück gelassen, bewahrheitete sich nicht. Dies war entschieden der penibelst aufgeräumte Klassenraum, den ich je gesehen hatte. Ein Dutzend Tische und Bänke standen in akkuraten Dreierreihen in der Mitte des Raumes, das dunkle Holz sprach Zeugnis von ungezählten Jahrgängen, die auf dieser Unterlage Tinte, Säure und vermutlich auch Tränen vergossen hatten. An beiden Wänden entlang zog sich eine dunkle, schwarze Feuerrinne, über der in Reih und Glied schmiedeeiserne Dreibeine standen. Ich war überrascht zu sehen, dass der hinterste Kochplatz in Betrieb war: Ein dunkler kupferner Kessel hing dort über etwas, das ich für Magikohlen mit extralanger Glühdauer hielt. Ein dünner hellgrauer Rauchfaden stieg aus dem Kessel. Zwischen den Tischreihen hindurch ging ich zu dem Kochplatz und warf einen Blick in den Kessel. Der Inhalt war glänzend und zähflüssig wie auf den Punkt gekochtes Karamell, allerdings auf Grund der ausgeprägten Lilafärbung nicht mit solchem zu verwechseln. Gelegentlich stieg eine Blase aus der zähen Masse auf und platzte träge und mit leisem Plopp an der Oberfläche. Ich streckte die Hand aus, um mir Geruch zuzufächeln. Es blitzte, und ich wurde unsanft zurück gestoßen. Ich fluchte leise und hielt mir die Hand, der es einen ordentlichen Schlag versetzt hatte.

FINGER WEG

erschien in fluoreszierenden Buchstaben über dem Kessel.

„Ist ja schon gut" murrte ich. „Man wird doch wohl mal einen Blick drauf werfen dürfen."

Meine Hand mit der anderen umschließend ging ich nach vorne zum Pult, das auf einem dreistufigen Podest über dem Klassenraum thronte. Dahinter an der Wand befand sich die sorgfältig gewischte Tafel. Ich stieg die Stufen hinauf und drehte mich zum Klassenraum um.

Was für ein fürchterlicher Ort zum Lernen. Es war feucht, es war nicht richtig hell, das grüne Licht machte mich krank. Ein leichter, aber penetranter Geruch nach Alchimikalien lag in der Luft. Was mir fehlte, war ein Fenster, um Luft herein zu lassen. Ich mochte mir nicht vorstellen, wie es hier unten zuging, wenn einer der Schüler Stinkwurz oder Pestkraut fehl dosierte.

Ich sah auf die Uhr über der Tür. Zwanzig vor sechs. Noch blieb mir Zeit.

Eine Stunde später hatte sich die Lage merklich gebessert. Ich hatte die Farbe der Immerbrennenden Fackeln in ein neutrales Weiß mit einer winzigen Einmischung von Orange geändert und ihre Leuchtkraft verstärkt, so weit es mir möglich war. In einer Kammer hatte ich die säuberlich aufgestapelten Kessel der Schüler gefunden und mir einige davon ausgeliehen. Sie hingen jetzt über kräftigen Feuern und ihr Inhalt produzierte dicken weißen Rauch, der zumindest etwas von der Feuchtigkeit aus dem Gemäuer ziehen sollte. Ich hatte immer gewusst, dass man fürs Leben lernt, wenn man in einer Küche arbeitet. In diesem Fall hatte es mich gelehrt, schnell und präzise sechs Kessel gleichzeitig zu versorgen, ohne dass etwas explodierte.

Der Aufwärmer war auf den Weg gebracht. Bald würde man in dem Unterrichtsraum die Hand nicht mehr vor den Augen sehen. Ich schloss die Tür zum Flur und sah mir die Nebenräume an.

Im Arbeitszimmer fand ich neben den allgegenwärtigen Immergrünen Fackeln einen schweren Schreibtisch, auf dem noch die Hinterlassenschaften meines Vorgängers lagen: Klassenlisten vergangener Jahrgänge, Übungsblätter zur Pflanzenanalyse, alles erstellt in einer schrägen, klaren, sehr disziplinierten Handschrift. Ich rollte vorsichtig ein Pergament auseinander und fand eine Liste vergebener Strafarbeiten, jeweils mit Datum, Dauer und Lerninhalt versehen. Ich blies die Backen auf. Geizig mit Strafarbeiten war er wohl nicht gewesen, mein Vorgänger, dafür umso gewissenhafter in der Dokumentation. Ich legte das Pergament zurück auf seinen Stapel.

Der Raum war alles andere als zum Wohlfühlen. Die Wände waren voller Regale, auf denen Gläser und Flaschen in allen möglichen Größen und Formen standen, gefüllt mit obskuren Dingen. Mancher Inhalt bewegte sich leise, plätscherte gegen die Innenseite des Gefäßes oder drehte sich schwerfällig in einer Art von immerwährendem Strudel. Ich sah Dinge wie Wurzeln… quallenartige Geleemasse…

…Körperteile…?

Wozu, bei Merlin, Gandalf und noch ein paar anderen, brauchte ein Tränkemeister solches Zeug?

An der hinteren Wand des engen Raumes, bevor es weiter ging zum Vorratsraum, stand ein Schrank mit gläsernen Türen, hinter deren spiegelnder Oberfläche sich Flasche an Flasche und Phiole an Phiole reihte, gefüllt mit Dingen, die mir schon eher als Trankzutaten ein Begriff waren: Flüssigkeiten, Kristalle, Pulver und Kräuterextrakte, aber ich sah keine Beschriftung an den einzelnen Behältern. Wie ich meinen Vorgänger mittlerweile einschätzte, war das Absicht: einer, der Klassenlisten von längst verabschiedeten Jahrgängen aufhob, vergaß nicht einfach, Ingredienzien zu beschriften. Meine Hand näherte sich vorsichtig dem silbernen Türknauf, der, eigenwillig genug, die Form einer zusammengerollten Schlange hatte. Die Kesselsache hatte mich gelehrt, auf der Hut zu sein, und tatsächlich entrollte die Schlange sich blitzartig, richtete sich auf und schnellte in meine Richtung, das Maul weit aufgerissen, Giftzähne entblößt, ein hässliches Zischen kam aus ihrem metallischen Rachen. Ich zog die Hand zurück.

„Ich weiß schon" sagte ich. „Finger weg. Alles klar. Mit dem Kerl werde ich ein Wörtchen zu reden haben, sobald er hier auftaucht."

Zumindest der Vorratsraum enthielt keine Überraschungen, abgesehen davon, dass er außerordentlich gut ausgestattet und übersichtlich katalogisiert war, was mich mit meinem Vorgänger wieder ein wenig versöhnte. Der Gesicherte Bereich war klar als solcher ausgewiesen, und ich beschloss, die Finger davon zu lassen, so lange ich kein Passwort hatte.

Ich kehrte zurück zu dem schweren Schreibtisch und betrachtete den hohen, mit schwarzem Leder bezogenen Sessel dahinter.

Revelatio" sagte ich zu ihm und deutete mit meinem Stab auf ihn, als wollte ich ihm ein Loch ins Leder bohren. Der Stuhl blieb stumm. Nichts geschah. Ich setzte mich vorsichtig. Nichts biss mich in den Allerwertesten oder versengte meine Robe.

Ich begann, mich ein klein wenig zu entspannen.

Als die Fünfte um punkt halb neun in den Unterrichtsraum strömte, war meine Entspannung dahin, ich war aufgeregt wie vor meinem allerersten Zauberspruch. Ich hatte gerade noch rechtzeitig die letzten Reste des Aufwärmer-Nebels aus dem Klassenraum entfernen können. Das Ergebnis war trotz der kurzen Einwirkzeit recht gut: Die Temperatur war um einige Grad gestiegen, die steinernen Wände verströmten nun eine leichte Wärme, und mein Lufterfrischer-Hex hatte einen zarten Zitronenduft über den Alchimikaliengeruch gelegt. Die Fünfte schien den Unterschied auch sofort zu bemerken. Während ich meine Sachen auf dem Pult ordnete, fing ich ihre erstaunten Äußerungen auf.

Ich ordnete etwas länger als unbedingt nötig, um ihnen Zeit zu geben, sich zu gewöhnen, dann sah ich auf und rückte meine Brille auf der Nase zurecht. Augenblicklich kehrte Stille ein.

Ein Dutzend Teenager saß da vor mir in ihren Schulroben, jeder vor sich eine Ausgabe von Advanced Potions. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.

„Guten Morgen" sagte ich, meine Stimme klang etwas quietschig. „Der letzte macht die Tür zu, ja?" Ich deutete nach hinten auf die angelehnte Tür, und einer der Schüler sprang auf, zog sie ins Schloss und stolperte dann eilig auf seinen Platz zurück.

„Mein Name ist Emilia Liguster" sagte ich. „Ich bin Ihre neue Tränke-Meisterin, wie Sie sich unschwer denken können. Ich bin erst gestern aus Deutschland gekommen, dies nur zur Erklärung, falls Sie meinen Akzent bemerken. Aber seien Sie unbesorgt, das Tränkebrauen ist eine sehr internationale Angelegenheit." Ich fischte die Klassenliste von meinem Pult.

„Ich möchte zunächst mit Ihnen die Anwesenheit abgleichen und dabei versuchen, mir gleich Ihre Namen zu merken." Meine Augen gingen die Liste entlang.

„Brown?" Ein Mädchen mit dickem Zopf hob die Hand. Ich nickte ihr zu.

„Crabbe?"

„Yo" knurrte ein Riesentier von Fünftklässler, dem ich spontan wünschte, er wäre klüger, als er aussah.

„Granger?" Diese Hand schnellte mir beinahe mit der Geschwindigkeit der silbernen Schlange entgegen.

„Goyle?" Noch so ein Gorilla, der lässig die Hand hob.

„Longbottom?" Der Junge, der die Tür geschlossen hatte, meldete sich und wischte mit dem Ärmel seiner Robe sein Tintenfass vom Tisch. Gelächter kam aus der Ecke der Gorillas. Vor allem ein schlanker Blonder, der zwischen seinen beiden Begleitern aussah wie ein Erstklässler, schien sich prächtig zu amüsieren.

„Nichts passiert" versicherte ich Longbottom, der hektisch versuchte, den Tintenfleck von den Steinen zu entfernen. „Reparo" sagte ich zu den Resten des Tintenfasses, und gehorsam fügten sie sich zu ihrer ursprünglichen Form zusammen. Longbottom lächelte unsicher. Ich ließ ihn in Ruhe.

„Malfoy?"

„Darf ich Sie etwas fragen, Professor?"

„Nur zu, Mister Malfoy."

„Hält man das, was Sie da tragen, in Deutschland für eine Robe?"

Crabbe und Goyle wieherten.

„Mister Malfoy" sagte ich. „Ich kann gehen und mir eine andere Robe anziehen, aber was machen Sie mit Ihrem Gesicht?"

Jetzt wieherte die andere Hälfte der Klasse. Ich hatte soeben zweifelsfrei die Slytherins von den Gryffindors unterschieden.

„McFinnegan? Parkinson? Patil? Potter?"

Moment mal. Potter? Harry Potter? Ich blätterte in der Klassenliste. DER Harry Potter, von dem die Zeitungen voll waren? Der junge Der Es Überlebt Hat?

Ich suchte sein Gesicht. Er sah aus wie ein ganz normaler Fünftklässler, ein wenig zu leicht für seine Größe, ein blasses, trotziges Gesicht, große grüne Augen hinter einer schiefen Brille. Das Gesicht kam mir aus der Zeitung vage bekannt vor.

Ich nahm meine Liste und suchte den letzten.

„Weasley?"

„Ja" sagte ein langer Rothaariger, der seine Beine neben Potter unter den Tisch gefaltet hatte.

„Schön" sagte ich. „Alle da. Dann holen Sie sich bitte alle Ihre Kessel und Schutzbrillen und machen Sie Feuer. Und, äh, Finger weg von diesem Kessel, der da in der Ecke blubbert."

Grangers Hand schoss in die Höhe.

„Ja?"

„Ma'am, wir haben keine Schutzbrillen."

„Äh" sagte ich. „Ach so. Dann haben Sie bisher mit Schutzzaubern gearbeitet. Mit welchem denn?"

„Mit keinem, Ma'am."

„Wie, mit keinem?"

„Wie ich sagte, Ma'am. Mit keinem."

„Ja, aber" sagte ich verwirrt. „Das geht doch nicht. Was, wenn mal was daneben geht?"

„Professor Snape vertrat die Ansicht, wir müssten nur korrekt genug arbeiten, dann würde auch nichts passieren" erklärte Granger.

„Du meine Güte" sagte ich. „Das sind ja Methoden! Ich hoffe, Sie alle haben nichts dagegen, wenn wir zukünftig ein paar Sachen anders machen."

„Nein, Ma'am" sagte die Klasse wie aus einem Mund, es schien, als seien die Häuser sich zumindest in diesem Punkt einig.

Ich verwandte die Stunde darauf, der Klasse die Grundlagen des Protego-Zaubers beizubringen, und entließ sie alle außerordentlich beschwingt nach einer Runde niedrig dosierter Glückskekse. Mit den Erstklässlern nahm ich eine Runde Grundlagen der Tränkeküche durch (Niemals eine entnommene Probe in den Topf zurück schütten! Und niemals, NIEMALS mit dem Plastiklöffel!), dann war der Vormittag vorbei und ich hatte meinen ersten Unterrichtstag hinter mir. Ich setzte mich hinters Pult, legte die Füße hoch und ließ den Blick durch mein Klassenzimmer schweifen. Ich war sehr zufrieden mit mir. Ich hatte einen überstürzten und holperigen Start gehabt, aber meine erste Flugrunde war tadellos gewesen. Wenn ich noch mehr Zeit in meine Vorbereitung stecken konnte, würde ich zu Höchstform auflaufen, und wenn ich nachmittags viel an die frische Luft ging, konnte ich es vielleicht sogar in diesem Keller aushalten.

Ich überlegte gerade, ob ich mir zutraute, den Weg in die Große Halle zum Mittagessen zu finden, oder ob ich einen freundlichen Hauselfen um ein Butterbrot bitten sollte, als die Tür aufflog und etwas wie eine Gewitterwolke meine beschauliche Ruhe jäh unterbrach. Ein Mann stürmte in den Raum, dass seine umfangreichen schwarzen Roben sich hinter ihm bauschten. Sein Gesicht war sehr blass in einem strengen Rahmen von schulterlangem schwarzem Haar, und seine Nase war, nun ja. Prominent. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, rauschte er zu dem Kessel, in dem immer noch die zähe lilafarbene Flüssigkeit blubberte, zog seinen Zauberstab aus dem Ärmel und deaktivierte mit einem Wink den Schutzzauber. Ich war zu Tode erschrocken und saß stockaufrecht in meinem Stuhl, trotzdem fiel mir sofort sein Zauberstab auf: ein langer, schlanker, der gut in seine dünnen Finger passte, aus karamellfarbenem, dunkel durchzogenem Holz. Vogelaugen-Ahorn. Ein Holz, das in der Zauberstab-Herstellung selten Verwendung fand, da es selten den nötigen magischen Gradienten erreichte, aber wenn einmal doch, ergab es die besten Stäbe. Ein Stab aus Vogelaugen-Ahorn war ein Glücksgriff. So wie meiner.

Ich räusperte mich ein wenig, doch der Besitzer des Vogelaugen-Ahornstabes ignorierte mich vollständig. Er nahm einen schmiedeeisernen Löffel vom Kesselrand, murmelte etwas, tippte den Löffel mit seinem Stab an und versenkte ihn dann in der Flüssigkeit. Er rührte, dreimal rechtsherum, dreimal linksherum, nahm dann den Löffel heraus, wobei die Flüssigkeit wie Quecksilber davon abglitt, holte einen kleinen runden Gegenstand aus der Tasche und warf ihn hinein. Er wartete, ich nahm an, er zählte seine Atemzüge. Ich wartete auch. Ich wollte ihm, was immer er da tat, nicht verderben. Dann rührte er erneut, dreimal rechtsherum, dreimal linksherum, hängte den Löffel zurück und errichtete den Schutzzauber von neuem.

Meine Annahme, er könnte mich vielleicht übersehen haben, traf nicht zu, denn ohne Umschweife wandte er sich zu mir. Mit drei großen Schritten brachte er sich neben meinen Schreibtisch und sah auf mich hinunter. Seine Roben raschelten leise, während sie um seine Füße zur Ruhe kamen. Seine Augen waren kohlschwarz, sein Blick hatte etwas von einem Habicht, bevor er auf eine Maus hinunter stößt.

Ich zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht, nahm die Füße vom Tisch und versuchte, mich möglichst wenig mäusemäßig zu fühlen.

„Professor Snape, nehme ich an" sagte ich. „Es, äh… freut mich wirklich, Sie kennen zu lernen. Gewissermaßen. Mein Name ist Emilia Liguster."

„Fassen Sie mir hier unten nichts an" sagte er. Seine Stimme war leise, aber sehr deutlich, und glitt über mich wie ein mit Eiswürfeln gefüllter Seidenhandschuh.

Ich schluckte. Ich fühlte mich mäusemäßig.

„Das wird mir schwer fallen" sagte ich mit piepsiger Mäusestimme. „Ich bin die neue Tränke-Lehrerin."

„So" sagte er.

„Ja" sagte ich.

„Und Sie haben umgehend damit begonnen, sich hier auszubreiten" sagte er.

„Na ja" sagte ich. „Falls Sie die Fackeln meinen… Ich bin ein wenig kurzsichtig." Ich deutete auf meine Brille. „Ich bin angewiesen auf gute Beleuchtung."

„Kommen Sie mir nicht in die Quere" sagte er. „Wir werden am besten miteinander auskommen, wenn ich Sie so wenig wie möglich zu Gesicht bekomme. Und was diesen Kessel betrifft…"

„Ich weiß" sagte ich. „Finger weg."

Er hob eine Augenbraue. In diesem Augenblick verstand ich jeden Schüler, der sich vor diesem Lehrer fürchtete.

„Sie spielen nicht an dem Zauber herum" sagte er. „Sie ignorieren diesen Kessel vollständig. Sie lassen die Finger von dem Schrank in meinem Arbeitszimmer. Und von meinen Unterlagen. Und von meinen Büchern."

„Ich schlage vor, Sie räumen den Kram, den Sie brauchen, aus meinem Arbeitszimmer, denn ich gedenke durchaus, es für meine Arbeit zu nutzen" gab ich zurück. Ich war empört, und mir war eingefallen, dass ich nicht seine Schülerin war, sondern seine Kollegin, und dass es nicht an ihm lag, mir eine Daseinsberechtigung zu erteilen. „Ich bin Ihnen auch gerne behilflich" fügte ich etwas lahm hinzu.

Er beugte sich zu mir hinunter. Unwillkürlich wich ich in meinem – seinem? – Stuhl zurück.

„Sie sind eine Episode an dieser Schule, wenn ich es darauf anlege, Miss Liguster" sagte er und tippte mir mit seinem Zauberstab leicht auf die Brust. „Glauben Sie nicht, Sie könnten hier existieren ohne meine Einwilligung. Ich bin seit fünfzehn Jahren in diesen Räumen."

„Und nicht viel ans Tageslicht gekommen in dieser Zeit, nicht wahr?" entfuhr es mir. Er gab etwas von sich, das einem Fauchen glich, richtete sich auf und wandte sich ab. Ich war erleichtert, dass er diesen kohlschwarzen Blick von mir nahm. Merlin, was für ein Freak.

Ein hölzernes Klappern lenkte mich ab. Überrascht beobachtete ich meinen Zauberstab, der auf meiner geliehenen Ausgabe von Advanced Potions zitterte und vibrierte, als hätte er einen seltsamen Anfall von hölzerner Epilepsie, schließlich von dem Buch herunter und bis zum Rand des Pultes rollte, wo er zitternd liegen blieb. Die Spitze zeigte in Richtung meines geschätzten Kollegen, der gerade mit langen Schritten im Nebenraum verschwand.

Als sei er eine bissige Schlange, packte ich meinen Zauberstab und drückte ihn aufs Pult. Nichts geschah. Er fühlte sich völlig normal an. Ich nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn. Alles wie immer. Dunkel gemasertes Holz, der kleine Knoten vorne an der Spitze, das flache, etwas dick ausgefallene Ende, das ihm etwas von einem Kochlöffel gab. Was immer es gewesen war, es war vorbei. Kopfschüttelnd steckte ich ihn an meinen Gürtel und ging nachsehen, was mein Kollege machte.

Er nahm Bücher aus den Regalen und stapelte sie, dann schnickte er seinen Zauberstab, und der Stapel erhob sich in die Luft und verschwand durch die Tür.

„Den Rest hole ich ein andermal" sagte er, während ich dem Stapel auswich, und wandte sich ebenfalls zum Gehen. Mein Zauberstab zitterte und vibrierte in seiner Halterung, als Snape an mir vorbei rauschte.

„Ich brauche noch das Passwort für den Geschützten Bereich" fiel mir gerade noch rechtzeitig ein. „Und… und Professor McGonagall hat mir versprochen, Sie würden mich gründlich einarbeiten… ich hätte noch ein paar Fragen zu den einzelnen Schülern!" rief ich ihm hinterher, der keine Anstalten machte, seinen Schritt zu bremsen.

Parselmouth" sagte er, schon halb durch den Klassenraum.

„Was?" sagte ich verwirrt.

Er hielt inne und drehte sich um, nur ein wenig, eine abgezirkelte Bewegung, sein Gesicht trug übertriebene Geduld zur Schau, als hätte er es mit einem ganz besonders dämlichen Schüler zu tun.

Parselmouth" wiederholte er. „Das Passwort für den Geschützten Bereich. Besuchen Sie Madam Pomfrey im Krankenflügel. Sie verfügt über eine Anzahl sehr kompetenter Hörverstärkungs-Zauber."

„Besten Dank" sagte ich, „aber meine Ohren sind eigentlich ganz in Ordnung, wenn man vernünftig mit mir spricht."

Er atmete tief ein, dann wieder aus. Ich sah förmlich, wie er seine Möglichkeiten erwog, aber da ich nun mal keine Schülerin war, waren die eher gering. Er schien zum gleichen Ergebnis zu gelangen, er wandte sich ab und setzte seinen Weg fort.

„Was ist mit der Einarbeitung?" rief ich ihm hinterher.

„Rechnen Sie nicht damit" sagte er, ohne sich noch einmal umzudrehen, dann rauschten seine Roben um den Türrahmen und er war verschwunden.