Befreit lachte Brom auf. Vergessen waren die Anstrengungen der letzten Wochen, vergessen all der Stress und die Anspannung. Er war glücklich – und Saphira war es auch.
In rasend schnellen Kapriolen ließen sie die vertrauten Gegenden Alagaesias hinter sich und stießen vor in neue, unbekannte Gefilde. Die Abenteuerlust hatte sie gepackt, sie genossen es einfach, nach den anstrengenden Ausbildungswochen frei und unbekümmert zu fliegen, ohne Verantwortung und ohne Aufgabe. Sie hatten einfach nur Spaß.
Saphira ging abrupt in einen steilen Sturzflug und der junge Mensch auf ihrem Rücken schaffte es nur dank seiner inzwischen eines Drachenreiters würdigen Reflexe, sich festzuhalten und nicht taumelnd in die Tiefe zu fallen.
Doch selbst wenn er gefallen wäre – Saphira hätte ihn aufgefangen, noch bevor er dem Boden auch nur nahe gekommen wäre. Er vertraute ihr ganz und gar, sie hatten keinerlei Geheimnisse voreinander.
Als Saphira den Sturzflug kurz über dem Boden mit einem lauten Brüllen, welches von überschäumender Freude kündete, in einen rasend schnellen Flug verwandelte, konnte auch Brom sich Saphiras jugendlichem Überschwang nicht verschließen und so breitete er lachend die Arme aus und ließ sich den stechenden Flugwind ins Gesicht blasen. Seine Augen tränten und es war auch recht kalt, dennoch genoss er das Gefühl des Fliegens viel zu sehr, als dass er sich an den Unzulänglichkeiten seines Körpers gestört hätte.
‚Sind wir heute ein wenig übermütig?', fragte Saphira ihn schelmisch und Brom fragte sich einmal mehr, womit er soviel Glück verdient hatte. Saphira war das Beste, was ihm je passiert war und er konnte noch immer nicht ganz glauben, dass sie ihn gewählt hatte und nicht einen der edlen, vor Selbstbewusstsein und Kraft strotzenden Knaben vom Königshof.
Doch Saphira war geschlüpft, als er, ein zehnjähriger Junge von den Straßen Teirms, der sich am Königshof als Küchenjunge verdingt hatte, durch das Schloss streifte und per Zufall in der Höhle der Drachen landete. Neugierig wie er war hatte er jeden Gedanken an die zu erwartende Strafe für seine Unverschämtheit verdrängt und so sah er sich genau um. Als eines der Eier zu wackeln begann und schließlich sogar zersprang, hatte er den Schreck seines Lebens bekommen und nur noch an Flucht gedacht. Doch einer der aufmerksameren Drachenpfleger hatte ihn schon am Schlafittchen gepackt und sah ihn mit so finsterer Miene an, dass er dachte, sein letztes Stündlein hätte geschlagen. Damals dachte er wirklich, er hätte allein durch seine verbotene Anwesenheit eines der kostbaren Dracheneier zerstört...
‚Tja, so kann man sich irren', meinte Saphira zärtlich und landete elegant auf einer großen Lichtung. Sie winkelte eines ihrer Beine an, sodass Brom bequem zu Boden klettern konnte und nicht springen musste. Im Gegenzug nahm Brom ihr den inzwischen doch schon etwas knappen und damit auch unbequemen Sattel ab und gemeinsam machten sie es sich auf der Lichtung gemütlich. Saphiras warmer Körper neben ihm verdrängte die Kälte des Fluges, welche sich trotz der gefütterten Reiterkleidung in seinen Knochen festgesetzt hatte, aus ihm und als Saphira ihn aus ihren großen, unergründlich blauen Augen ansah, fühlte er sich wahrhaft zufrieden.
„Nun, meine Hübsche, wie geht es dir heute?", fragte er, genau wissend, dass sie heute genau das Gleiche fühlte wie er.
‚Hm, lass mich überlegen... Wir haben heute die letzte Prüfung bestanden und sind damit endlich vollwertige Drachenreiter... Wir haben es all den arroganten Elfen und Adligen gezeigt... Ich war einfach nur gut...' Brom knuffte sie spielerisch in die Seite und grinste ‚na gut, du warst auch nicht schlecht... Alles in allem würde ich sagen... Ich hab dich lieb und ich bin überglücklich, dass du dich damals keinen Deut um irgendwelche Regeln geschert und mich aufgesucht hast – auch wenn es nur Zufall war.'
„Ich habe dich auch lieb, Saphira. Und Zufall... Ich tippe eher auf Schicksal. Oder wie erklärst du es dir, dass ich dich vor Galbatorix verschont habe, der deinem Ei ja immerhin als Nächstes vorgestellt worden wäre?", brummte Brom und kraulte den großen, blauen Drachen im Nacken. Saphira seufzte genießerisch und eine kleine Stichflamme entkam ihrem offenen Maul. Sie liebte es, dort gekrault zu werden und Brom wusste dies genau.
‚Verschon mich mit Galbatorix. Skoltan hat gestern schon wieder fast die Höhle abgefackelt, obwohl er genau weiß, dass es einfach verboten ist. Ich finde, die beiden haben einander verdient, Skoltan ist so arrogant wie Galbatorix seltsam ist', schnurrte Saphira mit geschlossenen Augen, noch immer gab sie sich ganz dem Gefühl von Broms Hand hin.
Brom hatte mit Galbatorix kaum etwas zu tun, da der schwarzhaarige Jüngling sich weigerte, mit ihm, der so weit unter seinem Stand war, auch nur ein Wort zu wechseln, was nicht notwendig war. In dieser Hinsicht war er ganz anders als Morzan, mit dem sich Brom schon bald angefreundet hatte. Während der Ausbildung hatten sie natürlich miteinander reden müssen, doch nie waren sie dabei über das Nötigste hinausgekommen. Brom hatte das Gefühl, dass Galbatorix insgeheim neidisch auf ihn gewesen war, da Saphira eine außergewöhnliche Schönheit war und er sich mit ihr blind verstand, während es zwischen Skoltan und Galbatorix des Öfteren Machtkämpfe gegeben hatte. Doch inzwischen verstanden sich auch der arrogante Adlige und sein schwarzer Drache ausgezeichnet und so wusste Brom keinen Grund, warum Galbatorix ihn noch immer verachtete, zumal Galbatorix ihn in fast jedem Bereich übertraf.
Doch der Tag war zu schön, um ihn mit solch düsteren Gedanken zu verderben und so dachte Brom erneut an sein erstes Treffen mit Saphira zurück.
Der Pfleger hatte damals seine ärmliche Kleidung voller Verachtung gemustert, seine Hand flog nieder und gab Brom eine schallende Ohrfeige. Broms ganzes Gesicht hatte gebrannt, so heftig war er noch nie geschlagen worden, obwohl er für seine Neugier des Öfteren bestraft wurde. Schützend verschränkte er die Arme über dem Kopf, doch vor der nächsten Ohrfeige konnten sie ihn nur unzureichend schützen. Zu allem Überfluss brannte seine Handfläche, als ob er in einen Bottich voller Gerbersäure gefasst hätte. Ein helles Leuchten ging von ihr aus.
„Wie kannst du es nur wagen, dich den Eiern auch nur zu nähern, Bauernlümmel? Du hast hier nichts zu suchen!"
Jedes zweite Wort war von einer weiteren Ohrfeige begleitet worden und irgendwann war er einfach nur auf die Knie gesunken und versuchte so gut wie möglich, seinen Kopf zu schützen.
‚Ich wusste genau, was du in diesem Moment fühltest', meldete sich plötzlich Saphira mit so ernster Stimme, wie Brom es noch nie von ihr gehört hatte.
Entsetzt sah Brom sie an. „Das hast du mir nie gesagt! Es tut mir leid...", entschuldigend legte er eine Hand auf Saphiras Klauen und drückte leicht zu.
‚Du hast ja auch nie gefragt', antwortete die Drachendame leicht spöttisch. ‚Außerdem hatte ich nur dadurch genügend Ansporn, den Zauber zu wirken und dich von diesem aufdringlichen Kerl zu befreien.' Zärtlich stupste sie Brom mit der Nase an, was zur Folge hatte, dass Brom fast vornüber fiel. Er lachte leise und stupste sie ebenfalls.
Saphiras und sein erster Zauber. Noch keine fünf Minuten waren sie Drache und Reiter gewesen und schon hatten sie ihren ersten Gegner in die Flucht geschlagen.
„Brisingr war wirklich nützlich", murmelte er und lachte erneut, als er an das entsetzte Gesicht des Mannes dachte, als dieser feststellen musste, dass sein Hosenboden brannte. In Gedanken hörte er Saphiras helles Lachen.
‚Ich weiß, oh du mein starker und mächtiger Reiter mit dem Herz ohne Furcht', hörte er, wie Saphira das Lob ihres alten Lehrmeisters spöttisch wiederholte. Schon seit Jahren zog sie ihn damit auf und inzwischen konnte er darüber lachen.
„Kannst du mal sehen! Du weißt ja gar nicht, wie entsetzlich dunkel dieser Wald war und diese Geräusche... Brrrr... Und diese Banditenbande erst... Huuuu."
‚Weiß ich wohl, ich war dabei', erinnerte Saphira ihn fröhlich. ‚Und dieses Banditenpack hatten vor dir mehr Angst als du vor ihnen, auch wenn ich das nie für möglich gehalten hätte.'
Brom streckte Saphira einfach nur grinsend die Zunge heraus.
