Heilung
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Disclaimer: Die Welt von Harry Potter gehört J. K. Rowling.
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Kapitel 1
Ein Auftrag und seine Folgen
Schmerz.
Er schwebte in einem rot brodelnden Nebelfeld.
Schmerz.
Scharf wie ein Messer, allumfassend wie die Luft, die ihn umgab.
Severus machte eine winzige Bewegung – die wütende Reaktion seiner aufbrüllenden Nerven ließ ihn nach Atem ringen. Sein ganzer Körper schien nur noch aus Schmerz zu bestehen.
„Hilf mir, ihn hochzuheben!"
Eine körperlose Stimme, die irgendwie durch den roten Nebel zu ihm drang. Er fühlte, wie er an Beinen und Armen gepackt wurde. Wie eine Springflut raste die Pein über ihn hinweg, bis sie sich in einem gellenden Schrei entlud. Severus hätte nicht gedacht, dass die Schmerzen noch schlimmer werden könnten – er hatte sich getäuscht.
„Vorsichtig, Mann!"
Doch die Warnung half nicht viel. Der Schmerz wurde unerträglich, als sie ihn vom Boden hochhoben. Severus brüllte. Eine Welle der Qual schlug über ihm zusammen und riss ihn ins Bodenlose hinab.
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„Hallo? Kannst du mich hören?"
Da war etwas Warmes auf seiner Schulter, das leichten Druck ausübte. Eine Hand. Severus blinzelte benommen, um den wabernden Nebel vor seinen Augen zu vertreiben. Er vermisste etwas. Irgendwie sollte da etwas sein ... Dann begriff er, dass es der Schmerz war, der ihm fehlte. Langsam wurde sein Blick klarer. Eine dunkle Gestalt zeichnete sich verschwommen vor seinen Augen ab. Er blinzelte erneut und ihre Konturen wurden deutlicher. Es war eine Frau, kräftig und untersetzt gebaut, gehüllt in einen dunkelgrauen Umhang. Als sie sich über ihn beugte, streifte eine Strähne ihres langen kastanienbraunen Haars über sein Gesicht.
„Wie fühlst du dich? Hast du noch Schmerzen?" Eine tiefe, warme Stimme.
Mühsam schüttelte Severus den Kopf. Er wollte antworten, doch seine Zunge war klebrig und geschwollen, sie gehorchte ihm nicht. Eine kräftige Hand schob sich unter seinen Rücken und half ihm auf. Eine zweite Hand drückte ihm einen tönernen Becher an die Lippen.
„Trink!", befahl die Frau leise, während sie ihn abschätzend musterte. Ihre Augen waren schmal und von tiefen Schatten umgeben, die Iris hatte eine unbestimmbare Farbe zwischen Gelbgrün und Ocker.
Dankbar schluckte Severus die warme Flüssigkeit. Es war Kräutertee, und seine geübten Sinne erkannten Mädesüß, Himbeerblätter und Ringelblume – unter anderem. Er glaubte, einen Hauch von Fingerhut zu schmecken und schauderte zurück. Wollte sie ihn vergiften? Ein dünnes Lächeln trat auf ihre Lippen, als seine Augen unsicher zu den ihren huschten.
„Du hast es rausgeschmeckt? Ja, es sind auch Giftpflanzen drin, aber du solltest selbst am besten wissen, dass die Dosis das Gift macht. Ich musste dir einen starken Trank gegen die Schmerzen verabreichen, mit Bilsenkraut und Stechapfel, und jetzt gebe ich dir Fingerhut, um dein Herz zu stärken – damit es unter den Beruhigungsmitteln nicht schlappmacht."
Severus bedachte sie mit einem letzten zweifelnden Blick, dann leerte er schicksalsergeben den Becher. Sollte sie ihn doch vergiften, wenn sie wollte. Ihm war es gleich. Der Tee rann durch seine Kehle und verbreitete eine angenehme Wärme in seinem Magen.
„Wer bist du?", fragte er, als er ausgetrunken hatte. Normalerweise hätte er eine Fremde gesiezt, es sei denn, er befand sich hinter der Maske des Todessers und war beauftragt, sie zu töten oder zu quälen. Doch die Frau hatte ihn geduzt und darum würde er es ebenso halten –schon allein, um einen gleichen Rang ihr gegenüber einzufordern. Obwohl er dazu augenscheinlich in keiner günstigen Position war.
„Du kannst mich Feli nennen."
„Ich bin" –
„Ich weiß, wer du bist", unterbrach sie ihn brüsk und über ihre Augen huschte ein eisiger Schatten, der Severus die Nackenhaare aufstellte. Ihre Stimme war deutlich kälter geworden, als sie hinzufügte: „Ich weiß es nur zu gut. Ihr wart im Haus meiner Schwester Amra, hörst du, Severus Snape? Rhia, das ist meine andere Schwester, ihr Mann Dario, mein Mann Joshua und ich sind zu spät gekommen. Amra war schon tot. Auch ihre drei Kinder waren tot. Ich musste meinen Schwager Brian mit eigenen Händen töten, um ihn von seinen Qualen zu erlösen. Ich weiß sehr gut, wer du bist, Severus Snape", wiederholte sie nachdrücklich.
Entsetzen packte ihn, als die Erinnerung mit brutaler Plötzlichkeit über ihn hereinbrach. Da war ein Auftrag gewesen ... Er und vier weitere Todesser waren zu Brian und Amra Leforge geschickt worden, mit dem Befehl, aus dem jungen Auror alle Informationen herauszufoltern, die sie kriegen konnten und anschließend ihn und seine komplette Familie auszulöschen. Sie hatten die beiden im Schlaf überrascht, das Paar hatte keine Chance gehabt. Severus hatte die Aktion geleitet und seinen Begleitern erlaubt, sich zuerst über Brians Frau herzumachen, um seine Auskunftsfreudigkeit zu erhöhen. Zwar hatte der junge Auror geredet, Amra damit aber nicht retten können. Vor Brians Augen war sie elend krepiert, nackt und geschändet und vor Schmerzen schreiend, nachdem ihr einer der jüngeren Todesser den Bauch aufgeschlitzt hatte. Die Kinder hatten zusehen müssen, so erstarrt vor Angst und Entsetzen, dass sie nicht einmal hatten weinen können. Das jüngste, ein Mädchen, war gerade drei oder vier Jahre alt gewesen, der Junge vielleicht sechs und die älteste Tochter neun oder zehn. Als sich einer seiner Gefährten diesem Mädchen hatte zuwenden wollen, hatte Severus alle drei Kinder mit dem Avada-Kedavra-Fluch getötet. Das hatte er dann doch nicht zulassen können.
Brian Leforge hatte sich heulend und brüllend vor Wut und Schmerz am Boden gekrümmt. Er war nicht nur von zahlreichen Cruciatusflüchen getroffen worden, sondern auch von ganz ordinären Tritten und Schlägen. Nachdem sie seine Familie getötet hatten, hatte er gar nichts mehr sagen wollen und Severus hatte zu eher speziellen Methoden, einigen von ihm selbst entwickelten Folterflüchen, greifen müssen. Es war nicht mehr viel von Brian übrig gewesen, als sie sich schließlich zum Gehen gewandt hatten. Ein Avada Kedavra war er ihnen nicht wert gewesen, in zwei oder drei Stunden würde er an den Folgen der Folter krepiert sein und falls die andere Seite ihn vorher fand, würde er weder in der Lage sein, eine Aussage zu machen – dazu fehlte ihm schlicht die Zunge –, noch würde ihn der geschickteste Heiler retten können.
Sie hatten sich gerade mit ein paar bösen Witzen in Richtung des sterbenden Aurors verabschiedet, da waren plötzlich die beiden Türen aufgeflogen und, begleitet von den bunten Lichtblitzen zahlreicher Flüche, mehrere Personen in den Raum gestürmt. Wer auch immer sie gewesen waren, sie hatten keine Hemmungen gehabt, die Unverzeihlichen anzuwenden. Zwei von Severus' Gefährten waren sofort tot gewesen, ein dritter war von einem Lähmzauber zu Boden geworfen worden. Severus und Mercutio, der letzte außer ihm verbliebene Todesser, hatten sich ein wildes Gefecht mit den Eindringlingen geliefert, waren letztlich aber chancenlos gewesen. Severus war von zwei Flüchen in Brust und Bauch getroffen worden und unter furchtbaren Schmerzen an der Wand zusammengesackt. Er hatte noch erkennen können, dass zwei der Angreifer Frauen waren, beide mit langen Haaren, die in dem mit Magie überladenen Raum knisternd um ihre Köpfe wehten, die eine mit kastanienbraunem, die andere mit schwarzem Haar. Die Schwarzhaarige war auf ihn zugestürzt wie eine von Rabenfedern gekrönte Rachegöttin, das Gesicht von Hass und Schmerz verzerrt. Er hatte einen heftigen Tritt in die Brust gespürt und die Frau schrill schreien hören. Alles war schwarz geworden und er war in die Finsternis hinabgestürzt.
Eisige Kälte erfüllte Severus, als er Feli jetzt fixierte wie eine schreckensstarre Maus die lauernde Katze. Sie erwiderte den Blick kühl und ruhig. Nach wenigen Sekunden musste er seine Augen abwenden.
„Warum habt ihr mich am Leben gelassen?", krächzte er mühsam.
Ein grimmiges Lächeln trat auf Felis Lippen. „Dein Tod hätte uns nicht genügt. All deine ... Mitmörder sind tot und wir wissen, dass du diese ... Aktion geleitet hast. So viel konnten wir aus deinem letzten Kumpel noch rausquetschen, bevor er leider, leider gestorben ist. Dein Tod wäre eine eher unbefriedigende Antwort auf das, was du Amra, Brian und den Kindern angetan hast, weißt du?"
Severus schluckte mühsam. Der Schmerz, den er bisher erfahren hatte, würde nichts sein im Vergleich zu der Hölle, die ihm nun bevorstand. Er schloss die Augen, riss sie aber erschrocken wieder auf, als ihre Hand leicht seine Schulter berührte. Feli schien ihm die Gedanken vom Gesicht abzulesen und schüttelte müde den Kopf. „Du irrst dich", sagte sie traurig. „Wir werden dich nicht foltern."
Erleichtert seufzte er auf. Dann also doch der Tod. „Beende es", bat er leise.
Feli schüttelte erneut den Kopf. „Du hast mich nicht verstanden. Ich sagte bereits, dass dein Tod nicht genügen würde, um das wieder gut zu machen, was du und deine Freunde meiner Familie angetan haben. Das Einzige, was annähernd zur Wiedergutmachung taugt, ist dein Leben. Dein ganzes Leben."
Severus sah sie verunsichert an. Er begriff nicht.
Wie kann sie mein Leben fordern, ohne mich töten zu wollen?
Feli lächelte dünn, als sie seine Verwirrung bemerkte. „Was ich meine, Severus, ist, dass dein Leben zukünftig uns gehören wird. Meiner Familie. Vielleicht auch den Familien anderer Opfer von dir und deinesgleichen. Du wirst in Zukunft all deine Kräfte und Fähigkeiten rückhaltlos in unsere Dienste stellen. Vielleicht gelingt es dir so, zumindest einen Teil deiner Schuld abzutragen."
Severus starrte sie verblüfft an, während er sich bemühte, das eben Gehörte zu verarbeiten. Sein Leben im Dienst ihrer Familie – wie stellte sie sich das vor? Sollte er eine Art menschlicher Hauself werden?
„Wir werden dir alles erklären – später. Aber zunächst einmal musst du schlafen. Dario und ich haben dich mit zwei ziemlich bösen Flüchen erwischt und es wird dauern, bis du dich davon erholt hast. Außerdem konnten wir Rhia nicht rechtzeitig stoppen – sie hat dir ganz schön zugesetzt. Drei deiner Rippen sind gebrochen und der rechte Lungenflügel ist perforiert – unter anderem. Ich kenne mich nicht ausreichend aus mit Heilzaubern, ich konnte deine Wunden nur konventionell versorgen und dir Kräuter gegen die Schmerzen geben. Wir müssen auf Joshua warten – mein Mann ist Heiler. Aber ich weiß nicht, wann sie ihn aus dem St Mungo's entlassen, einer deiner ... Kameraden hat ihn übel erwischt. Einen anderen Heiler können wir natürlich nicht holen, nicht für einen Todesser, der offiziell gar nicht hier sein dürfte. Du wirst die Schmerzen wohl noch ein paar Tage aushalten müssen. Also schlaf jetzt lieber, solange die Kräuter noch wirken."
Tatsächlich fühlte Severus sich schrecklich müde. Außerdem bot der Schlaf eine willkommene Möglichkeit, Furcht und Verwirrung zu entfliehen. Er ließ sich tiefer in die Kissen sinken und schloss die Augen. Mit einem Hauch von Verunsicherung spürte er, wie Feli die Decken um ihn her feststopfte. Dann fühlte er plötzlich ihre Hand auf seiner Stirn und zuckte heftig zurück.
„Schlaf, Severus. Fürs Erste bist du hier sicher." Feli strich ihm sanft das Haar aus dem Gesicht. Dann hörte er Schritte, eine Tür, die leise geschlossen wurde. Eine Weile zwang er sich noch dazu, wach zu bleiben. Doch endlich überwand die Erschöpfung seine Angst. Severus atmete tief durch und entspannte sich. Dann schlief er ein.
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