Der
Himmel war wolkenverhangen und die Sonne hatte sich schon den ganzen
Tag nicht blicken lassen. Nur vereinzelte schwache Sonnenstrahlen
glitzerten im frisch gefallenen Schnee. Die Jugendlichen liefen
vermummt mit Schal und Mütze über das Gelände um
wenigstens ein bisschen frische Luft zu schnappen.
Schon seit
Tagen war es eiskalt und niemand konnte es mehr ignorieren:
der
Winter war gekommen.
Die Bäume in der Nähe von Hogwarts
hatten alle ihre Blätter restlos verloren, doch der verbotene
Wald war so zugewachsen wie eh und je. Manche Schüler
tuschelten, Dumbledore hätte ihn mit einem Zauber belegt, damit
seine Bäume nicht ihre Blätter verloren und dadurch der
Blick auf ein schreckliches Grauen offenbart wurde... Nur ein paar
Schüler, die diesen Wald schon so oft von innen gesehen hatten
wie vielleicht keiner der Lehrer, wussten, dass es nichts wirklich
gefährliches in diesem Wald gab. Abgesehen von einem ausgerissen
Riesen,
den Hagrid immer noch suchte, und ein paar Riesenspinnen.
Und die Zentauren, die etwas schlecht gelaunt waren, konnte man ja
wohl kaum als gefährlich bezeichnen, oder?
Eine von diesen
Schülern lief gerade umwickelt von mehreren, wolligen Schals
über das Gelände. Hermine stapfte in ihrem neuen Mantel und
vollbepackt mit Büchern hinunter zu Hagrids Hütte. Kleine
Wölkchen stiegen vor ihrem Mund auf wenn sie ausatmete. Ihre
Nase war rot angelaufen und ab und zu nieste sie.
"Jetzt hab
ich mir wegen der Astronomie-Stunde gestern Nacht auf dem Turm doch
tatsächlich eine Erkältung geholt. Und dabei war sie doch
so spannend!", dachte sie missmutig und seufzte laut. Ein paar
kleine 1. Klässler liefen kichernd an ihr vorbei und Hermine sah
ihnen ärgerlich nach.
"Wenn ich nicht so gutmütig
und sanft wäre...", murrte sie leise und trat wütend
gegen einen Stein. Ein großgewachsener Slytherin ging Hand in
Hand an mit einer aufgetakelten Blondine an ihr vorbei und deutete
prustend auf Hermine.
"Hör zu, Langley!", fauchte
Hermine und ihre Augen funkelten böse.
"Auch wenn ich
im 6. bin, ich bin trotzdem Vertrauensschülerin!
Dumbledore
hat mir diesen Job nämlich wiedergegeben, weil wir letztes Mal
unter der Umbridge nichts zu sagen hatten! Und deswegen kann ich dir
immer noch Punkte abziehen! Hast du verstanden?! Ich kann dafür
sorgen, dass du dir wünschst, nie geboren zu sein!!!"
Langley zuckte mit den Schultern und die Blondine, die an seinem
Arm hing, fragte ihn leicht amüsiert: "Wer ist denn die
Zicke?"
Langley grinste süffisant zu Hermine. "Ach,
nur so ein Schlammblut. Hängt immer mit diesen Potter rum und
fühlt sich deswegen als was besonderes."
Hermine biss
die Zähne zusammen und stapfte aufgebracht weiter.
Sie hatte
schreckliche Laune und nur ein falsches Wort konnte sie zur Weißglut
bringen. Als sie sich in Hagrids warmen Hütte aus ihrer
Verpackung schälte,
musterte Hagrid sie besorgt.
"Was
ist eigentlich los mit dir, Herm?"
"Nenn mich nicht
Herm!", kreischte Hermine und ihr Gesicht verfärbte sich
rot.
Hagrid ging wortlos zu seinem Kessel, in dem heißes
Wasser blubberte und werkelte ein bisschen herum, bis er zwei Tassen
dampfenden Tee vor Hermine auf seinen Tisch stellte.
"Hier!
Geheimrezept. Beruhigt die Nerven und man kann Dampf ablassen."
Hermine ließ sich auf einen wackeligen Stuhl plumpsen und
betrachtete feindselig die Tasse in ihrer Hand.
"Hagrid, ich
warne dich. Ich bin nicht bereit, irgend so ein komisches Gebräu
zu schlucken, das mich in eine Kröte verwandelt!"
Hagrid
schüttelte den Kopf und ging zu Fang und kraulte sanft seinen
Kopf.
"Danach wird es dir besser gehen", meinte er und
sah auf den Boden.
Hermine setzte vorsichtig die Tasse an ihre
kalten Lippen.
Das heiße Getränk rann ihre Kehle
herunter und sofort wurde ihr von Innen heraus warm. Nachdem sie die
Tasse vollständig geleert hatte, stellte sie sie zurück auf
den Tisch. Hermine lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Sie fühlte sich merklich besser und ihr tat es Leid, Hagrid
so angegiftet zu haben. "Danke", flüsterte sie leise
und schon wieder verschwamm ihr Blick durch die Tränen, die
wieder aufstiegen.
Sie hatte in letzter Zeit einfach zu nah ans
Wasser gebaut...
Plötzlich spürte sie wie ihre Ohren
anfingen zu glühen und entsetzt krallte sie sich an sie, ließ
aber wegen der hohen Hitze sofort wieder los.
Und dann begann sie
aufeinmal auch noch zu pfeifen wie ein Teekessel!
"Hagrid!",
quiekte sie entsetzt und sprang auf. Hagrid sah sie erschüttert
an, sagte dann aber mit zittriger Stimme: "Ich muss wohl zu viel
genommen haben... Keine Angst, Herm. Es fühlt sich nur etwas
seltsam an, wird aber gleich aufhören."
Das leise
"Glaub ich..." hörte Hermine gar nicht mehr, denn aus
ihren Ohren stieß mit einem gewaltigen Druck Dampf aus und ein
Höllenlärm schien ihr Trommelfell zerplatzen zu lassen.
"HILFE!!!", kreischte Hermine und lief wie ein
aufgescheuchtes Hühnchen durch die Hütte. Hagrid ging mit
zwei raschen Schritten auf sie zu, schnappte sie sich und hielt sie
zitternd fest. "Lass mich los!", brüllte sie und
schlug um sich.
Jäh hörten ihre Ohren auf Dampf
auszustoßen und wurden langsam wieder kälter. Auch das
Pfeifen hatte aufgehört. Fürsorglich trug Hagrid das
erschöpfte und Tränen verschmierte Mädchen zu seinem
riesigen Bett und legte sie sorgsam unter die Decke. "Es tut mir
Leid", sagte er und Tränen rannen über seine haarigen
Wangen als Hermine die Augen öffnete.
Hermine griff nach
Hagrids großer Hand und drückte sie. Ein kleines Lächeln
huschte über ihre Lippen.
"Schon gut. Es geht mir
wirklich besser. Jetzt weiß ich wenigstens wie ein Teekessel
sich fühlt." Auch über Hagrids Gesicht huschte ein
Lächeln. Hermine befreite sich aus der viel zu schweren Decke
und setzte sich mit den Beinen baumelnd an den Rand des Bettes.
"Willst du mir nicht endlich sagen was los ist? Seit Tagen
kommst du zu mir, kaust auf deinen Lippen herum und versuchst etwas
zu sagen. Aber dann haust du nach 5 Minuten sofort wieder ab und
murmelst etwas von Hausaufgaben und Pflichten."
Hermine
senkte den Kopf und starrte verbissen auf den ausgefransten Teppich.
"Ich kann es nicht sagen!", stieß sie hervor und
sprang wieder auf.
"Es tut mir Leid, aber...", murmelte
sie und ihre braunen Augen waren so traurig wie Hagrid es noch nie
bei ihr gesehen hatte.
"Wenn du nicht mit mir reden kannst,
dann rede mit jemand anders. Wie wäre es mit Ron oder Harry?"
Hermine lachte hohl und schüttelte den Kopf. "Man sieht
sich!", rief sie Hagrid noch einmal zu als sie wieder hoch zum
Schloss stapfte.
Harry lag mit unter dem Kopf verschränkten
Armen auf seinem Bett und starrte verträumt auf die
Zimmerdecke.
Neville kam ins Zimmer und suchte verzweifelt nach
einer Feder.
"Kannst du mir mal eben helfen, Harry?" ,
stieß er schließlich keuchend hervor,
als er es
geschafft hatte, sich in seinen Bettvorhang zu verfangen und in eine
Truhe zu fallen, in der er jetzt fest saß.
Harry sprang
schwungvoll von seinem Bett und schlenderte auf Neville zu, der immer
noch mit seinem Bettvorhang kämpfte. Mit einem Ruck Harrys stand
Neville wieder auf beiden Füßen und war auch Dank Harrys
Hilfe von dem Vorhang befreit. "Was ist eigentlich mit dir
los?", fragte Neville Harry verdutzt, als die beiden den Vorhang
wieder anbrachten. "Du guckst so komisch."
"Ach...",
seufzte Harry und ging zum Fenster wo er sich auf die Fensterbank
stützte und seinen Blick über den verbotenen Wald schweifen
ließ.
"Zur Abwechslung geht es mir einfach mal gut."
"Warum?", fragte Neville ihn und musterte naserümpfend
den Vorhang, der irgendwie schief hing. Schließlich zog er ihn
seufzend ganz zurück und stellte sich neben Harry.
"Nur
so", sagte Harry fröhlich und grinste Neville an.
"Hattest
du eigentlich schon einmal eine Freundin?", fragte er Neville,
der einen roten Kopf bekam.
"Na ja", begann Neville zu
stottern und besah verlegen seine Hände.
„Zu
hause, da is' so ein Mädchen... Sie wohnt neben uns. Wir, wir
haben uns in den letzten Sommerferien jeden Tag getroffen und zum
Abschied hat sie mich sogar ge, ge..." Neville geriet noch mehr
ins Stottern und hielt inne.
"Ihr habt euch geküsst?
Ist doch schön, Neville", meinte Harry und seine Augen
glitzerten vor Schalk.
"Sie schreibt mir jede Woche einen
Brief... Aber ich weiß nicht was ich ihr schreiben soll...
Weißt du, sie ist nämlich ein Muggel und meine Oma will
auch gar nicht, dass ich mit ihr Kontakt habe... Sie hat zwar nichts
gegen Muggel, aber sie meint, ich soll eine Reinblütige
heiraten... Damit unsere Kinder auch Zauberer und Hexen sind. Sie
meint, ich hätte nicht genug Magie in mir um..." Schon
wieder stockte Neville, aber ein Seitenblick auf Harry genügte
und er wusste er hatte ihm gar nicht zugehört.
"Ich
muss los", rief Harry fröhlich und lief die Treppe hinunter
wo er Seamus und Dean fast umrannte.
"Was war denn mit dem
los?", fragte Dean verdutzt und starrte Harry nach.
"Ich
glaub, er hat wieder 'ne Freundin...", murmelte Neville und
kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Seamus stöhnte theatralisch
und ließ sich rücklings auf Nevilles Bett fallen, wobei er
den provisorisch aufgehängten Vorhang runteriss und sich darin
verstrickte.
"Nicht schon wieder", rief er erstickt und
Dean wickelte ihn wieder aus.
"Wie viele hatte er denn
schon? Also die erste war ja Cho Chang und dann kam Susan Bones. Die
war doch in Hufflepuff, oder? Bei denen war er ja noch normal..."
Seamus seufzte und schmiss den Vorhang in eine Ecke, wobei er darauf
achtete, diesen noch mit einem Tritt schön dreckig zu
machen.
"Aber dann hat er mit einer was angefangen und in der
nächsten Woche hatte er schon wieder eine Neue", ergänzte
Dean. "Ich hab sogar Buch darüber geführt! Hier,
wartet mal..."
Er lief zu seinem Nachtisch und holte ein
kleines Notizbuch hervor.
"Wenn man bedenkt, dass er jetzt
im 6. Schuljahr erst seine 2. Freundin bekommen hat, muss man sagen:
der hat's faustdick hinter den Ohren! 25 Mädels hatte er schon.
Hier! Da wären erst mal die schon genannten, dann Lavender
Brown, mit der war er übrigens am Kürzesten zusammen: einen
Tag. Dann kommen Parvati Patil, die Süße aus der 7., ihr
wisst schon, die mit der Wahnsinnsfigur, Padma Patil, Hannah Abott,
die deutsche Austauschschülerin Karen Messner... Wen hatte er zu
letzt...? Ach ja, noch mal Padma Patil, oder? Und irgendwo hab ich
doch auch eine Slytherin aufgeschrieben..."
"Lass
das!", stieß jemand zähnknirschend hervor und schlug
Dean das Buch aus der Hand. Ron stand vor dem Schwarzen und sein
Gesicht war wutverzerrt.
"Wie kannst du darüber Liste
führen, du Arsch?! Und das nennt man Freunde?! Harry kommt in
letzter Zeit gut bei den Mädchen an! Er hat sich halt sehr
verändert!" Ron bückte sich und hob das Büchlein
auf. Dann hielt er seinen Zauberstab daran und murmelte etwas worauf
das Buch in Flammen aufging und als Asche auf den Boden fiel.
"Spinnst du?!", schrie Dean wütend und sprang auf.
Dann besann er sich anders.
Ein listiges Lächeln schlich sich
auf seine Lippen. "Wusstest du eigentlich, dass Harry auch mal
mit Ginny was hatte? Eher nicht, oder? Die beiden haben zwar nicht
versucht, es vor dir zu verstecken, aber du Blindfisch hast es
trotzdem nicht gesehen."
Ron sah Dean verächtlich an.
"Ach, deswegen bist du sauer auf Harry. Weil Ginny dich für
ihn verlassen hat. Jetzt ist mir alles klar. Und wenn schon? Harry
hat Ginny ja wohl nicht weh getan, oder?"
Mit diesen Worten
rauschte Ron aus dem Zimmer und sah Hermine an einem Tisch sitzend im
Gemeinschaftsraum.
"Hausaufgaben?", fragte er knapp und
setzte sich neben sie.
"Ja, ich hab mich doch freiwillig für
die Zusatzaufgabe von Flitwick gemeldet. Hätte ich gewusst, dass
es ein Aufsatz über den Ortungszauber ist...", jammerte
Hermine und schielte zu Ron. Auch er sah sie an. Allerdings nicht
flehend, sondern verwundert. "Wie kommt's, dass du wieder so
viel redest?"
Hermine lächelte ihn leicht an. "Oh,
Hagrid hat mir so einen Trank gebraut. Mit dem konnte ich mächtig
Dampf ablassen. Also, könntest du mir vielleicht...?"
Ron
grinste und zog das Pergament zu sich rüber. "Das es mal
einen Zauber gibt den ich besser kann als du...", meinte er
spöttisch und überflog Hermines sorgfältig
geschriebene Aufzeichnungen, die aber nicht ein Bruchteil so lang
waren wie ihre normalen.
"Das liegt nur daran, dass du damit
ständig die Karte des Rumtreibers erweiterst", murrte
Hermine beleidigt und lehnte sich mit verschränkten Armen in den
bequemen Sessel zurück, der sofort staubte.
"Was ist
eigentlich mit den Hauselfen los?", fragte Ginny, die gerade an
Hermine und ihrem Bruder vorbeikam, erstaunt und bekam bei der
Staubwolke einen leichten Hustenanfall.
"Schaut euch mal die
Teppiche an! Und denkt an das Essen seit der letzten Woche! Und die
Feuer müssen wir auch immer selbst machen um nicht zu
erfrieren", fügte sie hinzu, als sie wieder Luft
bekam.
Hermine sah die Rothaarige überrascht an.
"Wow,
du hast Recht! Ich war in letzter Zeit so beschäftigt, dass ich
gar nicht mehr B.ELFE.R. gedacht habe."
Womit warst du
eigentlich beschäftigt?", fragte Ron sie und schob ihr das
Pergament zurück, dass jetzt mit seiner krakeligen Schrift bis
auf den kleinsten Fleck beschrieben war.
"Geht dich nichts
an", meinte Hermine knapp. "Ich geh mal runter in die Küche
und schaue nach."
Ron sah ihr kopfschüttelnd nach und
Ginny setzte sich zu ihn.
"Sag mal", flüsterte er
leise und beugte sich zu ihr. "Warst du mal mit Harry
zusammen...?" Ginny brach in ein wildes Kichern aus.
