Emmetts Story

Kapitel 1

1935 – Der Weg durch die Berge

„Verdammte Hitze"

Emmett fluchte.

Der dreckiggelbe Dump-Truck, den er fuhr, glühte in der Nachmittagssonne. Keine Wolke am Himmel. Der Weg nach Jonesboro war ausgetrocknet und tiefe Risse in der Strecke ließen den Truck gefährlich holpern. Für den Wagen waren die Risse kein Problem, aber die Lieferung auf der Ladefläche war diesmal extra mit „fragile" beschriftet.

Also ziemlich zerbrechlich!!

Emmett musste wohl oder übel langsamer fahren. Bald würde es hügeliger werden und hoffentlich merklich kühler. Noch war die Straße flirrend, hinter ihm bildeten sich Staubfontänen. Emmett grinste in den Rückspiegel. Sein Arm hing lässig aus dem heruntergekurbelten Seitenfenster. Er überlegte, ob er sein Unterhemd auch noch ausziehen sollte. Er wusste, dass der alte Lonegan, sein Boss, von seinen Fahrern ein anständiges Auftreten erwartete, doch hier war er alleine auf dem Highway.

„Was solls…"

Antworte er sich selbst und zog das Unterhemd aus. Der wenige Fahrtwind war angenehm auf der Haut. Fast so angenehm wie die Finger von Louise, der frühreifen Tochter von Lonegan. Emmett wusste, wenn Lonegan von seinen heimlichen Dates mit Louise erfuhr, war er seinen Job los. Es musste aufhören. Im Grunde war Emmett an Louise nicht wirklich interessiert. Nur an ihrem körperlichen Vorzügen. Louise war ein sehr freizügiges Mädchen. Keiner der Fahrer entkam ihren Blicken. Es würde ihr nichts ausmachen, wenn er es beendete.

Emmett schlug eine Fliege auf seiner Schulter tot. Diese Biester waren die Hölle auf der schweißnassen Haut. Endlich veränderte sich das Straßenbild. Es wurde kurviger und der Truck zog merklich aufwärts. Emmett schraubte an den Radioknöpfen. Vielleicht war hier endlich Empfang. Zwischen dem kratzigen Rauschen war tatsächlich ein Sender zu finden. Ein geschmeidiger Countrysong löste das Rauschen ab. Emmett summte die bekannte Melodie mit.

Felsen am Straßenrand schenkten ihm zwischendurch Schatten und Emmetts Laune stieg mit der willkommenen Abkühlung. Der Truck hatte immer mehr Mühe sich um die engen Felsenpfade zu kämpfen. Die Steigung tat ihr übriges. Leider war nun auch der Radiosender wieder verschwunden und das nervige Rauschen mischte sich mit dem quälenden Truckmotor.

Emmett hoffte bis oben ohne Gegenverkehr durchziehen zu können. Das Rangieren mit entgegenkommenden Autos war hier extrem gefährlich. Er drückte das Gaspedal voll durch, wollte so schnell wie möglich den Anstieg schaffen. Damit war er deutlich zu schnell, um ausweichen oder bremsen zu können. Emmett setzte einfach auf sein Fahrerglück.

Mit dem Gegenverkehr hatte er auch diesmal Glück. Niemand kam ihm entgegen! Doch der Berg war am Vorabend ins Rutschen gekommen und ein Felsabgang hatte die gesamte Straße zugeschüttet. Emmett sah die blockierenden Felsen auf der Fahrbahn viel zu spät. Die Bremsen durchgedrückt hörte er noch, wie die Ladung gegen die Truckwand schepperte, dann schlug er selbst an der Frontscheibe auf. Der Truck rumpelte hart in den Felsenberg. Aus Emmetts Stirn blutete es stark. Wütend über sich selbst, spürte Emmett keinen Schmerz.

Fluchend trat er gegen die Tür, doch die war verkantet. Emmett musste auf die Beifahrerseite rutschen. Die Tür ließ sich problemlos öffnen.

„Scheiße…verdammte Scheiße"

Fluchte er immer wieder und lief um den demolierten Truck herum. Die Ladungskisten hatten sich beim Aufprall geöffnet und Emmett mochte gar nicht nachschauen, was drinnen alles kaputt war. Den Job war er mit Sicherheit los. Der Truck hatte Totalschaden. Wütend schlug Emmett mit seinem Fuß gegen den Hinterreifen.

Und diese verdammte Hitze. Emmett musste irgendwie einen klaren Kopf bekommen. War gut möglich, dass eine Woche lang niemand hier entlang fuhr. Auf Hilfe konnte er also nicht warten. Er musste erst über die Felsen, dann durch die Berge Richtung Jonesboro.

Emmett überlegte. Da lagen doch noch andere Ranches auf dem Weg. Ja, dahin musste er laufen. Emmett stieg noch einmal durch die Beifahrertür in den Truck und holte sich seine Klamotten und eine halbgeleerte Wasserflasche. Dann ließ er den Truck zurück. Über die Felsen war einfach zu klettern. Danach lag die Straße wieder friedlich vor ihm. Emmett hoffte, dass irgendeiner an diesem Tag ebenfalls den Plan hatte die Strecke zu befahren. Wenn nicht würde ein langer Weg werden.

Doch soweit er sehen konnte, war kein Aufstauben zu erkennen. Also war vermutlich in den Hügeln und Bergen niemand unterwegs. Emmett nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. Einige Zeit lief er gleichmäßig aufwärts den Weg entlang. Der Weg schmiegte sich serpentinenförmig um den Berg. Emmett blickt aufwärts. Es wäre eine Abkürzung steil aufzusteigen, als den lahmen Weg zu gehen. Ja, er wollte das Ganze beschleunigen. War zwar anstrengender, aber bestimmt schneller. Emmett band sich seine Klamotten um den Körper und steckte die Wasserflasche dazwischen, dann hatte er zumindest die Hände frei.

Ab jetzt ging es nur noch aufwärts.

tbc