Jenseits der Hoffnung
Vorbemerkung: Diese Geschichte beginnt etwa ein halbes Jahr nach Silver Lady. Sie spielt zur Gänze in der Zukunft, ist aber in dem Sinne kein echtes Sequel, weil andere Figuren im Mittelpunkt stehen.
Teil 1 Rettung zu einem bitteren Preis
Die Morgendämmerung kündigte sich an. Ein leichter Nebelschleier lag über dem schlafenden Kristalltokio. Überall lagen die Menschen noch in ihren Betten, bis auf die Straßenbeleuchtung war die Stadt dunkel. Dunkel und still.
Neo Königin Serenity wälzte sich im Bett herum. Es hatte keinen Sinn, es noch länger aufzuschieben. Mit einem unhörbaren Seufzer schlug sie die Bettdecke zurück und erhob sich. Ihre nackten Füße machten auf dem weichen, weißen Teppich kein Geräusch, als sie an die Glasfront des Palastgemaches trat und auf die dunkle Stadt hinabblickte. In Gedanken wanderte sie ein halbes Jahr zurück, wo ihre Tochter mit Helios eine rauschende Hochzeit gefeiert hatte. Wie erwachsen die Kleine Lady geworden war, Silver Lady, diesen neuen Namen trug sie nun auch offiziell. Serenity drehte sich zu dem breiten Bett um, wo Endymion noch immer tief und fest schlief. Endymion ... es war ihr sehr schwer gefallen, es vor ihm zu verheimlichen, vor allem vor ihm... Serenity seufzte nochmals. Dann tapste sie auf Zehenspitzen um das Bett herum und kniete auf der anderen Seite vor Endymion nieder. Wenn er so entspannt und friedlich da lag, dann erinnerte er sie immer noch an den ernsthaften Jungen namens Mamoru, in den sie sich zu verlieben begonnen hatte, ehe sie herausfand, dass er der von ihr verehrte Tuxedo Kamen und ihr wiedergeborener Prinz war.
Ihr Herz war schwer, als sie sich sacht über ihn beugte und einen Kuss auf seine Lippen hauchte. Er erwachte nicht, aber sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Serenity schluckte, ja, so wollte sie ihn in Erinnerung behalten. "Leb wohl, Mamoru", flüsterte sie und erhob sich, um in ihr Ankleidezimmer zu schleichen. Dort drin war es finster. Sie streckte die Hand aus und beschwor den Silberkristall herbei, sein Licht reichte aus, dass sie in ihre gewohnte Robe schlüpfen konnte. Die Schuhe noch in der Hand verließ sie die königliche Zimmerflucht und schlüpfte erst auf dem Flur in die weißen Stiefletten.
Wie erwartet, brannte das Licht in der Bibliothek. Sailorpluto saß über einem Stoß uralter Bücher und blätterte mit verbissenem Gesicht darin. Als Serenity eintrat, erhob sie sich ungewohnt langsam und schwerfällig. Serenity brauchte nicht zu fragen. Ein Blick in das müde Gesicht Plutos war genug.
"Du hast es nicht gefunden", stellte die Königin ruhig fest.
"Aber ich weiß, dass es da sein muss", erwiderte Pluto und rieb sich die Augen. "Ich brauche noch ein wenig Zeit...."
"Wieviel Zeit haben wir denn noch?", fragte Serenity.
Pluto bückte sich und hob ihren Schlüssel, der neben ihr auf dem Teppichboden gelegen hatte. Sie blickte einen Moment lang in das Granatauge, dann sagte sie heiser: "Noch gut 90 Minuten."
"Bis wir dort sind dauert etwa eben so lange.", gab Serenity ruhig zurück.
Pluto nickte und sank wieder in ihren Sessel. Der verzweifelte Ausdruck in ihrem Gesicht tat Serenity weh. Leise trat sie an die Hüterin der Zeit heran. "Verzeih mir bitte, Pluto."
Pluto wandte erschöpft den Kopf. "Was denn?"
"Dass ich dir verboten haben, die anderen mit hinein zu ziehen, dass du die Last alleine tragen musstest, all die langen Tage seit damals ..."
Entschieden schüttelte Pluto den Kopf. "Es hätte nichts geändert ... auch wenn sie es gewusst hätten. So haben sie wenigstens noch eine schöne Zeit verlebt ... falls alles versagt."
"Das wird es nicht", in der Stimme der Königin lag heiliger Ernst. "Lass uns gehen."
Seite an Seite verließen die beiden den Palast. Nirgendwo gab es Wachen, schließlich war es schon lange her, seit Kristalltokio von der Familie des Schwarzen Mondes bedroht worden war. Während sie schweigend nebeneinander durch die leeren Straßen schritten erinnerte sich Serenity an jenen Abend vor zehn Tagen, als plötzlich alles anders geworden war ....
******************************
Sie saß gerade in der Bibliothek und blätterte in den alten Büchern, als die Türe aufschwang und Sailorpluto herein getaumelt kam. Die Wächterin des Zeittores war totenbleich und zitterte am ganzen Körper.
"Pluto!", rief Serenity erschrocken und eilte ihr entgegen. Sie half Pluto in den nächsten Sessel und streckte die Hand nach dem Schalter aus, um die Dienerschaft zu rufen, aber Pluto schüttelte nur den Kopf.
"Keinen Arzt und keinen heißen Tee, Majestät", sagte sie müde. "Für beides ist es längst zu spät ..."
"Wovon redest du?!" Serenity ließ sich in einen Sessel genau gegenüber von Pluto nieder und strich die Falten ihrer Robe glatt. "Was ist passiert? Haben Feinde das Zeittor gestürmt?"
Pluto starrte auf ihre immer noch bebenden Hände, die den Zeitschlüssel fest umklammert hielten. "Ich wünschte, es wäre so, meine Königin."
"So rede doch endlich! Was ist geschehen?"
"Es ist aus. Es ist alles zu Ende." Pluto hob den Kopf und in ihren dunklen Augen glomm eine Hoffnungslosigkeit, die Serenity bis ins Mark traf. Die Königin musste sich sehr zusammen nehmen, um Pluto nicht an den Schultern zu packen und zu schütteln, damit diese endlich mit genaueren Informationen herausrückte. Einige endlose Atemzüge vergingen, dann sprach Pluto weiter: "Ich habe es nur durch Zufall herausgefunden, denn es ist passiert, lange bevor es Leben auf der Erde gab. Ein Stern ist gestorben, explodiert. Er ist erloschen, wo er nicht hätte erlöschen dürfen, die Super Nova hat andere Sterne mit in den Tod gerissen, es entstand eine Welle aus unglaublich starker Energie, die schneller als das Licht durch das All rast, sie hat lange, lange gebraucht, um den Abgrund zwischen den Armen der Galaxie zu durchqueren. Doch nun ist sie auf dem Weg hierher." Pluto starrte wieder auf ihre Hände. "Es ist eine Macht tausend mal stärker als tausend böse Galaxias zusammen, sie ist nicht böse, man kann sie nicht besiegen. Wenn sie über dieses System hinwegfegt, wird sie die Sonne auslöschen und dann weiter rasen bis ins Zentrum der Galaxie, dabei wird sie immer stärker werden und stärker. Und wenn sie erst mal im Zentrum der Galaxie ist, werden all die dicht stehenden Sterne dort kollabieren, zerrissen werden wie nichts. Vom Zentrum bleibt dann nur noch ein gigantisches Schwarzes Loch, das alle restlichen Arme in sich hineinsaugen wird. Wir sind verloren, wir alle!" Stöhnend vergrub Pluto ihr Gesicht in den Händen.
Serenity war nun ebenfalls sehr, sehr blass geworden. "Wenn ich dich recht verstanden habe, so wird diese Energiewelle uns bald treffen. Wie bald?"
Pluto atmete tief durch. "Zehn Tage."
Serenity zuckte zusammen. Sie dachte an die Unbeschwertheit der Senshi, an das junge Glück ihrer Tochter mit Helios, an die Menschen in Kristalltokio und dem Rest der Welt, die eine glückliche Zukunft planten .... "Wir müssen etwas tun."
"Ich wüsste nicht was." Pluto starrte nun an der Königin vorbei and die Wand, als könne sie durch die Mauern das Nahen des Todes sehen. "Oder glaubt ihr, Merkur findet eine Lösung?"
"Zehn Tage sind sehr wenig Zeit, um so ein gigantisches Problem zu lösen. Dazu währen wohl Jahrzehnte oder Jahrhunderte nötig...", seufzte Serenity.
"Vielleicht sind in den alten Texten Hinweise zu finden ... der König hat sie von seinem letzten Ausflug zu den Ruinen des Mondpalastes mitgebracht. Wenn der Tod des Sterns schon so lange zurückliegt, habe ihn vielleicht andere vor mir bemerkt und eine Lösung erdacht .... ich erinnere mich dumpf an eine Passage, die von so etwas ähnlichem wie dieser Welle spricht...." Die Hoffnungslosigkeit in Plutos Blick wich neuer Entschlossenheit. "Ich werde Tag und Nacht suchen .... vielleicht kann Merkur mir helfen."
"Nein!", Serenity schüttelte den Kopf. "Ich will, dass niemand außer uns beiden davon erfährt. Versprich es mir!"
"Majestät?", fragte Pluto verwirrt, "wollt ihr nicht wenigstens dem König ... "
"Niemandem. Sieh mal, wenn wir die Lösung nicht finden, oder sie finden und nicht umsetzen können, dann werden sie alle sterben, oder? Ich möchte, dass sie diese zehn Tage in Frieden und Freude verbringen, nicht zitternd vor Angst, verzweifelt, furchtsam. Und sollte etwas darüber in der Stadt verbreitet werden, könnte eine Massenpanik ausbrechen. Nein, wenn es keine Lösung in den Büchern gibt, die wir anwenden können, dann weiß ich, was ich zu tun habe."
Ein Blick in Serenitys entschlossenes Gesicht und Pluto wusste, wovon die Königin sprach.
"Aber .... aber der Silberkristall ist vielleicht nicht stark genug ... und was würde der König sagen ...."
"Deshalb darf er ja nicht davon erfahren, er oder die anderen würden versuchen, mich davon abzuhalten. Aber ist es nicht besser, dass nur einer sein Leben verliert, als dass alle sterben? Wenn ich es nicht versuche, dann werde ich mit den anderen sterben, wenn es mir gelingt, dann sterbe ich eben allein..."
"Das werde ich nicht zulassen! Majestät, denkt an Silver Lady, eure Tochter!"
"Genau das tue ich doch, Pluto. Silver Lady ist nun reif genug, meine Nachfolge anzutreten. Sie hat treue Beschützer und einen zuverlässigen Ehemann. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn ich nicht zumindest versuchen würde, ihr Leben zu retten und natürlich auch das Endymions und aller anderen. Ich bin die Königin und es ist mein Wille!"
Die Unbeugsamkeit ihrer Stimme gab den Ausschlag. Pluto stemmte sich aus dem Sessel hoch und ließ sich vor der Königin auf ein Knie nieder. "Ich werde gehorchen, meine Königin", sagte sie. Als sie hoch sah, glänzten Tränen in ihren Augen, "aber ich darf euch doch begleiten, oder?"
"Natürlich darfst du... ich werde jemanden brauchen, der die anderen abhält, mich aufhalten zu wollen, falls sie es doch irgendwie herausfinden ehe geschehen ist, was geschehen muss. Außerdem bist du mir eine treue Freundin ...."
Pluto schluckte. "Ich bürge mit meinem Leben für die Erfüllung eurer Wünsche, meine Königin."
"Dann ist es gut..."
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Auch Pluto dachte nun an diesen Abend zurück. Die Worte der Königin hallten immer noch in ihrer Seele. Nichts war gut, nichts würde jemals wieder gut werden, wenn es ihnen nicht gelang, die Welle des Todes (so hatte Pluto die Bedrohung benannt) aufzuhalten.
"Schaffen wir es rechtzeitig?", fragte die Königin besorgt. Pluto rechnete im Kopf nach und nickte. "Wir haben noch eine gute Stunde, und der Hügel ist nicht mehr weit."
Nach etwa zwanzig Minuten hatten sie ihn erreicht. Es war genau jener Ort, an dem die Königin und der König damals Kleine Lady willkommen geheißen hatten. Die Blumen blühten und man hatte einen wunderbaren Blick auf das schlafende Kristalltokio. Es funkelte im bleichen Licht des Mondes, die Sterne waren schon fast verblasst und im Osten kündigte sich das erste Morgenrot an.
Serenity sah sich um und entschied sich schließlich für eine Stelle etwas unterhalb des höchsten Punktes, wo besonders viele Veilchen wuchsen. Der Saum ihres Kleides war bereits feucht von Tau und ihre weißen Stoffschuhe waren durchweicht, doch all das würde bald keine Rolle mehr spielen.
"Wie lange soll ich warten?", fragte sie.
Pluto sah hinauf zum Himmel. "Es wird ein paar leichte Beben geben, als Vorankündigung. Der Himmel wird sich verfärben. Ich werde mit dem Zeitschlüssel den richtigen Augenblick bestimmen und euch dann ein Zeichen geben."
Serenity blickte hinab auf die Stadt, dachte an ihre Freunde, an ihre Tochter und vor allem an Endymion. Ihre Augen brannten, aber sie weinte nicht, sie hatte zehn Tage Zeit gehabt, sich in der Stille ihres Herzens von allen zu verabschieden, sich ihre Züge einzuprägen, ihren Stimmen zu lauschen ... der Abschied war nahe, aber sie würde nicht drauflos heulen, wie sie es als Usagi immer getan hatte. Diese Zeiten waren vorüber.
"Beben und Verfärbungen des Himmels" murmelte sie. "dann warten wir eben noch ein wenig ..."
Das erste Beben kam ohne jede Warnung. Es war nicht stark genug, um Schaden anzurichten, aber es schreckte alle Bewohner der Stadt und des Palastes aus ihren Betten hoch. Im Thronsaal des Palastes versammelten sich die Senshi, die Katzen, Helios und der König.
"Hat jemand Serenity gesehen?", fragte Endymion beunruhigt.
"Vielleicht hat sie sich unter dem Küchentisch versteckt", machte Mars den schwachen Versuch eines Witzes, "wenn das Beben sie bei der Suche nach einem Imbiss überrascht hat."
Merkur sah sie strafend an. "Dumme Sprüche helfen uns auch nicht weiter, außerdem haben Jupiter und Vesta schon in der Küche nachgeschaut."
"Vielleicht ist sie im Park", schlug Venus vor.
"Sailorpluto ist ebenfalls verschwunden", fügte Neptun hinzu. "Dabei wollte sie doch noch ihre Studien zu Ende führen, ehe sie zum Zeittor zurückgeht."
"Seht doch!", rief Helios. Sie drehten sich um und sahen gerade noch, wie die erste Welle blutroten Lichtes über den Himmel jagte. Es war beängstigend. Gleich darauf erfolgte der nächste Erdstoß. Einige Vasen kippten um und Bilder fielen von den Wänden.
"Raus aus dem Palast!", rief Artemis. "Im Freien sind wir sicherer!"
Alle Bewohner des Palastes rannten ins Freie. Die Diener hielt es auch nicht im Palastgarten, denn der befand sich ja auch innerhalb einer Kristallsäule, die einstürzen konnte. Die Senshi allerdings folgten ihnen nicht hinunter in die eigentliche Stadt, denn sie hatten die Königin noch nicht gefunden.
"Wo kann sie nur sein?", wunderte sich Luna. "Der Rosengarten ist leer."
Merkur beteiligte sich nicht an der Suche. Statt dessen beobachtete sie wie die zweite Welle aus rotem Licht das Morgenrot überstrahlte, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Der nächste Erdstoß folgte ... Sie murmelte etwas vor sich hin, aktivierte ihren Visor und klappte den Computer auf.
Sie war immer noch mit ihren Rechnungen beschäftigt, als eine weitere Lichtflut hereinbrach. Dieses Mal verschwand sie nicht, sondern setzte den Himmel von Horizont zu Horizont in Brand.
"Was ist das nur?", fragte Uranus verstört.
Sie hatten sich gerade wieder vor dem Palast getroffen, und wollten den nächsten Teil des Parks in Angriff nehmen, als die Erde erneut bebte. Jetzt schwankte die ganze Kristallsäule und Silver Lady verlor das Gleichgewicht. Helios fing sie auf, ehe sie stürzte.
"Ist das ein Angriff neuer Feinde?", fragte Jupiter und machte ein angriffslustiges Gesicht.
"Ich ... ich wünschte dem wäre so", hörten sie Merkurs zitternde Stimme. Die Kriegerin war totenblass und klappte ihren Computer zu. "Das ist der Anfang vom Ende."
"Welchem Ende?", fragte Ceres verstört.
"Es ist kein Feind, sondern eine Energiewelle von solcher Gewalt, dass sie uns, die Erde, das Sonnensystem und wahrscheinlich die ganze Galaxie auslöschen wird. Da ist nichts, wogegen man kämpfen könnte, genauso gut könnte ein Sandkorn versuchen, die Gezeiten aufzuhalten ..."
Die Senshi starrten sie entsetzt an.
"Wie lange noch?", brachte Venus mühsam hervor.
"Vielleicht fünf Minuten", sagte Merkur. Ihre Hände bebten wie ihre Stimme. Sie wollte den Visor deaktivieren, erwischte jedoch den falschen Punkt und stellte auf Fernsicht. Da sie zufällig genau in Richtung des Hügels über der Stadt blickte, erkannte sie durch den Visor die beiden Gestalten, die für das freie Auge nicht sichtbar dort auf etwas warteten.
"Die Königin und Pluto!", rief sie erstaunt aus.
Die anderen vergaßen für einen Augenblick das nahe Ende der Welt und drehten sich um. Sie folgten Merkurs ausgestreckter Hand, konnten jedoch auf diese Entfernung nichts auf dem Hügel ausmachen.
"Bist du dir ganz sicher?", fragte der König.
Merkur nickte. "Eindeutig ... und die Energiesignatur deutet darauf hin ...." sie schluckte schwer, "dass die Königin den Silberkristall bereit hält."
"Nein!", entfuhr es Endymion. "Sie weiß doch, dass es viel zu gefährlich ist, ihn einzusetzen."
"Kann er überhaupt etwas bewirken?", fragte SailorJuno zweifelnd.
Sailormerkur zuckte die Achseln. "Die wahre Macht des Silberkristalls ist kaum erforscht. In diesem Fall würde er aber dem Träger soviel abverlangen, dass es Selbstmord ist, in zu benutzen."
"Wir müssen sie aufhalten!", sagte Silver Lady.
"Nehmt euch and den Händen!" Uranus Anweisung brachte Leben in die vor Schreck erstarrte Gruppe. Ein jeder, auch Helios und Endymion, half mit, einen Kreis zu formen. Die drei Katzen sprangen in die Mitte. Ihre Mondsymbole glühten und die Stirnreifen der Senshi machten den leuchtenden Planetensymbolen (bei den Asteroidsenshi waren es Sterne in ihren Farben) Platz. Ein jeder rief seinen Schutzplanet an, Helios wandte sich an Elysien und Mamoru an die Erde, die Energie sammelte sich in den Symbolen und brach dann in breiten Strahlen daraus hervor. Für einen Augenblick sah man nur einen strahlenden Regenbogen, dann war das bunte Licht und auch die Senshi verschwunden.
Sie tauchten einige Meter unterhalb von Pluto und Königin Serenity auf.
Endymion fasste sich als erster und rannte auf die Königin zu. "Serenity, tu es nicht!"
Doch ehe er das Veilchenfeld erreichte, stellte sich ihm Pluto in den Weg. Ihr Gesicht war gezeichnet von der Trauer, die sie im Herzen trug, aber auch von einer Entschlusskraft, die jeden Feind in die Knie zwingen konnte.
Jeden Feind, aber nicht Endymion. Er versuchte, sie zu umgehen, aber sie war schneller.
Die anderen warteten schweigend im Hintergrund. Einzig Silver Lady machte Anstalten, sich einzumischen, doch Pallas fasste sie sanft an den Schultern und schüttelte auf ihre erstaunten Blicke hin, den Kopf.
"Warum?", keuchte Endymion nach einem weiteren verzweifelten Manöver. "Warum tust du das, Pluto? Weißt du nicht, was die Königin vorhat?"
"Besser als Ihr, König Endymion", keuchte Pluto. "Von mir weiß die Königin, dass die Energiewelle uns zerstören wird. Ich habe versucht einen anderen Weg zu finden, aber uns bleibt keine Zeit mehr."
"Ich muss sie aufhalten! Geh mir aus dem Weg!"
"Nein!" Plutos Augen brannten. "Ich werde das Vertrauen der Königin nicht enttäuschen."
"Würdest du uns wirklich angreifen, Puuh?", fragte Silver Lady betroffen.
"Nur wenn ihr mich dazu zwingt. Kleine Lady, Chibi Usa .... respektiert den Wunsch eurer Mutter, bitte!"
"Du kannst nicht gegen uns alle gewinnen", sagte Mars entschlossen und ging in Angriffspose.
In diesem Augenblick nahm das Feuer des Himmels eine hellere Farbe an und wurde so grell, dass es in den Augen brannte. Ein heißer Wind kam auf, der einem die Tränen in die Augen trieb.
"Ist es soweit?", fragte Serenity, ohne sich umzudrehen.
"Ja, meine Königin", erwiderte Pluto mit erstickter Stimme. "Jetzt, oder alles ist verloren."
"So sei es denn." Serenity hob beide Arme in die Höhe und der Silberkristall erschien, eine funkelnde Blume die von unterdrückter Kraft zu bersten schien.
"Ihr anderen!", rief Pluto und ließ den Schlüssel sinken, den sie eben noch zur Verteidigung erhoben hatte." Gebt der Königin eure Kraft!" Leiser fügte sie hinzu: "Und betet, dass es genug ist."
Endymion warf einen Blick zum Himmel, einen weiteren auf die Königin, die ihnen allen immer noch den Rücken zuwandte. "Ich liebe dich!", schrie er durch das Brausen des Windes. Dann umfasste er sein Zeremonienschwert mit beiden Händen und schloss die Augen. Das Schwert und er begannen rostrot zu leuchten und das Symbol der Erde erschien auf seiner Stirn.
"Ich liebe dich auch", hauchte Königin Serenity unhörbar, froh, dass niemand die Tränen sehen konnte, die über ihre Wangen rannen. Sie spürte, wie die Kraft Endymions auf den Kristall überströmte.
Die anderen folgten seinem Beispiel. Sie riefen ihre Planeten- und Meteorietenkräfte und übertrugen sie auf den Silberkristall. Luna, Artemis, Diana und Silver Lady verstärkten die Macht des Mondes und Helios rief die Macht seines Traumreiches an.
Das grelle Rot des Himmels wich einem blendenden Weiß.
Serenity legte nun auch noch ihre eigene Kraft in den Kristall und die Macht aller Generationen von Königinnen des Mondreiches.
"Beschütze diese Welt, Silberkristall, diese Welt und diese Galaxie." Sie hob ihn noch höher und gab seine Macht frei.
Ein Regenbogenstrahl schoss aus dem Zentrum der Blume mitten hinein in den gleißenden Himmel. Zunächst sah es aus, als verschlinge das Weiß alle Farben und die Hitze wurde unerträglich. Die Senshi sanken eine nach der anderen in die Knie, ausgepumpt und völlig am Ende ihrer Kraft. Auch Helios und dem König erging es nicht anders.
Mit zusammengebissenen Zähnen gab die Königin auch noch den letzten Rest ihrer Macht dazu und auf einmal drängten die Farben das Weiß zurück. Die Wellen der schützenden Kraft löschten nach und nach das grelle Licht aus, der Himmel wurde wieder blau und die unerträgliche Hitze verschwand. Der Regenbogenstrahl schoss nun hinaus in die Galaxie, um den Ursprung des tödlichen Lichtes zu finden und zu vernichten. Einige endlose Augenblicke stand die Königin noch aufrecht, die Hände erhoben. Als sie fühlte, es war gut, gab auch der Silberkristall nach und zersprang in unzählige Splitter. Mit einem leisen Seufzen brach die Königin zusammen.
Mit einem ungläubigen Aufschrei sammelte Endymion seine verbliebene Kraft, sprang zu ihr hin und schlang im letzten Augenblick die Arme um seine Serenity ehe diese auf dem Boden aufschlug.
"Mama!!!" Tränenüberströmt kroch die erschöpfte Silver Lady zu den beiden hin.
Serenity schien den Schmerz ihrer Lieben zu fühlen, noch einmal schlug sie die Augen auf.
"Es ... ist ... alles gut", flüsterte sie mühsam. "Ihr ... seid ... gerettet."
"Aber ... aber du...", brach es aus der schluchzenden Prinzessin heraus.
"Ich ... bin ... müde ...", seufzte Serenity und schloss die Augen. Ihr Körper erschlaffte.
"Usagi, nein!", krächzte Sailormars erschüttert. Sie alle sahen die Tränen, die über das schmerzverzerrte Gesicht Endymions liefen. Mit übermenschlicher Anstrengung erhob er sich, Serenity immer noch in den Armen haltend.
Pluto wollte ihm helfen, aber er schüttelte ihre Hand ab und würdigte sie keines Blickes. Betroffen wich Pluto zurück. Saturn trat an ihre Seite und legte ihr tröstend die Hand auf den Arm.
"Geduld", murmelte Saturn dabei kaum hörbar, "wir müssen jetzt alle sehr viel Geduld mit ihm haben."
Es war eine schweigende Gruppe, die den bitteren Gang zurück zum Palast antrat. Die Bewohner von Kristalltokio, welche den Kampf der Lichtgewalten am Himmel ängstlich verfolgt hatten, wichen erschrocken zurück, als der König mit der toten Königin im Arm durch die Straßen schritt. Hinter ihm wankte Silver Lady laut schluchzend, gestützt von einem erschütterten Helios. Die Senshi hatten sich zu je zweien aufgereiht, Merkur und Mars vorne weg, danach Jupiter und Venus, Neptun und Uranus stützten sich gegenseitig, wobei zweitere ihren Schmerz hinter einem grimmigen Gesicht zu verbergen suchte. Dahinter kamen Saturn und Pluto, die Kriegerin der Zeit mit hängenden Schultern wie erdrückt von einer Schuld, die nur sie hatte auf sich nehmen können.Ihnen folgten Ceres und Vesta, Juno und Pallas. Luna, Diana und Artemis bildeten das Schlusslicht.
Die traurige Prozession bog vor den Toren des Palastes rechts ab und wanderte ins Zentrum der königlichen Gärten. Dort, wo die Sonne goldene Lichtflecken auf das dunkle Moos einer stillen Lichtung inmitten alter Eichen warf, dort blieb der König stehen. Er sammelte seine verbliebene Magie und erschuf einen Altar aus weißen Marmor, auf den er seine Königin bettete.
Dann, das Gesicht immer noch wie versteinert, die Wangen noch feucht von den Tränen trat er einen Schritt zurück, konzentrierte sich und verwandelte sich in Tuxedo Kamen, was er schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr getan hatte. Er pflückte seine Zauberrosen aus dem Nichts, eine nach der anderen und warf sie zielsicher in das Moos rund um den Altar, bis dieser von ihnen völlig eingekreist war. Dann tat er, was er bisher noch niemals versucht hatte, er legte die Hände wie zum Gebet zusammen, neigte den Kopf bis seine Stirn die Fingerspitzen berührte und sandte den Zauber seines Wunsches wie einen sanften Regen aus. Die Rosen reagierten augenblicklich und fingen an zu wuchern und sich zu richtigen Kletterrosen zu entwickeln. Sie umschlangen den weißen Marmor, vermieden es aber, mit dem Körper der Königin in Kontakt zu kommen. Als die unzähligen Knospen aufsprangen, prangten sie in allen Schattierungen von dunkelstem Rot über sattes Rosa bis zu blendendem Weiß. Seine letzte Gabe an das Mädchen, das er über alles liebte. Total verausgabt sank er in die Knie.
"Papa!", Silver Ladys Stimme zitterte, "das ist wie im Märchen."
"Nur dort erwachen die Heldinnen wieder zum leben", murmelte er bitter und kam mit Helios Hilfe wieder auf die Füße.. "Warum hat sie das nur getan ... wir wollten doch für immer zusammen sein..."
"Was, was hättet Ihr an ihrer Stelle getan?", fragte Pluto. Sie trat vor den König und sah ihm trotzig ins Gesicht. "Wenn Ihr wollt, dann schlagt mich, verbannt mich. Vielleicht hilft das, damit ihr euch besser fühlt.. Denn ich war es, die der Königin die Kunde vom Ende des Universums brachte.", sie schluckte, fuhr aber tapfer fort, "ich habe sie angefleht, es euch allen sagen zu dürfen, aber sie verbot es mir."
"Typisch", Sailormars schüttelte den Kopf. "Usagi musste mal wieder ihren Dickkopf durchsetzen."
"Das letzte mal", murmelte Uranus und fuhr sich mit beiden Händen durch die kurzen Haare. "Mondgesicht ..."
Während alle anderen respektvoll Abstand zum Altar hielten, trat Saturn an die tote Königin heran und legte ihr sanft eine Hand auf die Stirn. "Seltsam ...", murmelte sie und schüttelte den Kopf.
"Was ist seltsam?", fragte Neptun neugierig.
"Sie ist nicht mehr am Leben, aber sie ist auch nicht richtig tot."
"WAS?" Im nu waren der Altar und Saturn von allen umringt.
"Es liegt wohl an den Splittern des Kristalls", meinte Pallas vorsichtig. "Sie sind doch wieder mit ihr verschmolzen, oder? Nicht einfach verschwunden, so wie früher."
"Stimmt", pflichtete ihr Pluto bei. "aber der Kristall ist kaputt, so oder so. Und an ihm hängt doch ihr Leben."
"Wir können ihn nicht aus ihr herausholen und zusammenkleben", meinte Vesta in einem Anflug verzweifelter Ironie.
"Wenigstens wird sie auf ewig so bleiben ...", murmelte der König. "Ich hasse den Gedanken, sie irgendwo in ein Erdloch hinablassen zu müssen."
"Wir werden diesen Ort zu ihrer letzten Ruhestätte erklären", sagte Neptun und die anderen stimmten ihr zu.
Merkur sah zum Palast hin, vor dessen Toren sich eine Menschenschar versammelt hatte. "Das Volk wird Abschied nehmen wollen und wer sagt es ihren Eltern und Shingo?"
"Das übernehme ich", Lunas Stimme klang heiser. Man spürte, wie sie bei jedem Wort gegen die Tränen ankämpfte. "Usagi ... ich meine, Serenity wollte auch sie mit ihrem Opfer beschützen ."
Der König beugte sich ein letztes Mal hinab und küsste die kalten Lippen. "Leb wohl, Serenity, Usagi, Sailormoon ... ich wünschte nur, du hättest mich mit dir genommen." Er spürte, wie die Tränen sich in seinen Augen sammelten, aber er drängte sie zurück. "Wir sind alle erschöpft, aber jemand sollte bei ihr Wache halten.", sagte er und sah die Kriegerinnen fragend an. "Im Palast wartet noch viel Arbeit auf mich."
"Die kann doch warten", sagte Helios ruhig. "Jetzt ist erst einmal wichtig, dass du dich ausruhst, wir werden alle neue Kraft brauchen, um diese schwere Zeit durchzustehen."
"Ich und Haruka halten die erste Wache", sagte Neptun und nickte dem König zu. "Du solltest erst mal versuchen etwas zu schlafen, Mamoru."
Der König zuckte bei diesem Namen zusammen, sagte aber nichts. Mit einer ruckartigen Bewegung, so als müsste er sich dazu zwingen, wandte er sich von dem Altar ab und stakste auf den Palast zu.
"Wer übernimmt die erste Wache bei ihm?", fragte Silver Lady, die sich wieder etwas gefasst hatte.
"Beim König?" Merkur und Mars wechselten einen langen Blick. "Meinst du etwa ..."
"Er hat doch gesagt, dass er sich wünschte, sie hätte ihn mit in den Tod genommen. Ich habe ihn noch nie so erlebt... und ich will nicht Vollwaise werden."
"Ich mache das", sagte Artemis. "Wenn mich in zwei bis drei Stunden jemand ablösen kommt ..." Sie besprachen die Wachwechsel beim Altar und beim König.
"Ich wundere mich etwas, dass wir nicht alle zu Staub zerfallen sind ... ohne den Kristall ...", sprach Jupiter aus, was sich auch die anderen schon heimlich gedacht hatten.
"Offensichtlich wirkt sein lebensverlängernder Zauber immer noch, er selbst ist ja auch noch irgendwie da - in Serenity", meinte Saturn nach einigen nachdenklichen Minuten.
"Lasst uns später darüber weiter reden", Venus schwankte vor Müdigkeit. "Helios hat ganz recht, wir sollten alle versuchen, wenigstens ein paar Stunden zu schlafen."
Eine jede nahm noch schweigend Abschied von Königin Serenity, dann begaben sich alle außer Neptun und Uranus durch eine Hintertüre in den Palast. In ihren Gemächern, ohne Zeugen, fiel eine jede erschöpft ins Bett und ließ ihren Tränen freien Lauf. Wie sollte es ohne die Königin nur weiter gehen?
Ende des ersten Teils
Vorbemerkung: Diese Geschichte beginnt etwa ein halbes Jahr nach Silver Lady. Sie spielt zur Gänze in der Zukunft, ist aber in dem Sinne kein echtes Sequel, weil andere Figuren im Mittelpunkt stehen.
Teil 1 Rettung zu einem bitteren Preis
Die Morgendämmerung kündigte sich an. Ein leichter Nebelschleier lag über dem schlafenden Kristalltokio. Überall lagen die Menschen noch in ihren Betten, bis auf die Straßenbeleuchtung war die Stadt dunkel. Dunkel und still.
Neo Königin Serenity wälzte sich im Bett herum. Es hatte keinen Sinn, es noch länger aufzuschieben. Mit einem unhörbaren Seufzer schlug sie die Bettdecke zurück und erhob sich. Ihre nackten Füße machten auf dem weichen, weißen Teppich kein Geräusch, als sie an die Glasfront des Palastgemaches trat und auf die dunkle Stadt hinabblickte. In Gedanken wanderte sie ein halbes Jahr zurück, wo ihre Tochter mit Helios eine rauschende Hochzeit gefeiert hatte. Wie erwachsen die Kleine Lady geworden war, Silver Lady, diesen neuen Namen trug sie nun auch offiziell. Serenity drehte sich zu dem breiten Bett um, wo Endymion noch immer tief und fest schlief. Endymion ... es war ihr sehr schwer gefallen, es vor ihm zu verheimlichen, vor allem vor ihm... Serenity seufzte nochmals. Dann tapste sie auf Zehenspitzen um das Bett herum und kniete auf der anderen Seite vor Endymion nieder. Wenn er so entspannt und friedlich da lag, dann erinnerte er sie immer noch an den ernsthaften Jungen namens Mamoru, in den sie sich zu verlieben begonnen hatte, ehe sie herausfand, dass er der von ihr verehrte Tuxedo Kamen und ihr wiedergeborener Prinz war.
Ihr Herz war schwer, als sie sich sacht über ihn beugte und einen Kuss auf seine Lippen hauchte. Er erwachte nicht, aber sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Serenity schluckte, ja, so wollte sie ihn in Erinnerung behalten. "Leb wohl, Mamoru", flüsterte sie und erhob sich, um in ihr Ankleidezimmer zu schleichen. Dort drin war es finster. Sie streckte die Hand aus und beschwor den Silberkristall herbei, sein Licht reichte aus, dass sie in ihre gewohnte Robe schlüpfen konnte. Die Schuhe noch in der Hand verließ sie die königliche Zimmerflucht und schlüpfte erst auf dem Flur in die weißen Stiefletten.
Wie erwartet, brannte das Licht in der Bibliothek. Sailorpluto saß über einem Stoß uralter Bücher und blätterte mit verbissenem Gesicht darin. Als Serenity eintrat, erhob sie sich ungewohnt langsam und schwerfällig. Serenity brauchte nicht zu fragen. Ein Blick in das müde Gesicht Plutos war genug.
"Du hast es nicht gefunden", stellte die Königin ruhig fest.
"Aber ich weiß, dass es da sein muss", erwiderte Pluto und rieb sich die Augen. "Ich brauche noch ein wenig Zeit...."
"Wieviel Zeit haben wir denn noch?", fragte Serenity.
Pluto bückte sich und hob ihren Schlüssel, der neben ihr auf dem Teppichboden gelegen hatte. Sie blickte einen Moment lang in das Granatauge, dann sagte sie heiser: "Noch gut 90 Minuten."
"Bis wir dort sind dauert etwa eben so lange.", gab Serenity ruhig zurück.
Pluto nickte und sank wieder in ihren Sessel. Der verzweifelte Ausdruck in ihrem Gesicht tat Serenity weh. Leise trat sie an die Hüterin der Zeit heran. "Verzeih mir bitte, Pluto."
Pluto wandte erschöpft den Kopf. "Was denn?"
"Dass ich dir verboten haben, die anderen mit hinein zu ziehen, dass du die Last alleine tragen musstest, all die langen Tage seit damals ..."
Entschieden schüttelte Pluto den Kopf. "Es hätte nichts geändert ... auch wenn sie es gewusst hätten. So haben sie wenigstens noch eine schöne Zeit verlebt ... falls alles versagt."
"Das wird es nicht", in der Stimme der Königin lag heiliger Ernst. "Lass uns gehen."
Seite an Seite verließen die beiden den Palast. Nirgendwo gab es Wachen, schließlich war es schon lange her, seit Kristalltokio von der Familie des Schwarzen Mondes bedroht worden war. Während sie schweigend nebeneinander durch die leeren Straßen schritten erinnerte sich Serenity an jenen Abend vor zehn Tagen, als plötzlich alles anders geworden war ....
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Sie saß gerade in der Bibliothek und blätterte in den alten Büchern, als die Türe aufschwang und Sailorpluto herein getaumelt kam. Die Wächterin des Zeittores war totenbleich und zitterte am ganzen Körper.
"Pluto!", rief Serenity erschrocken und eilte ihr entgegen. Sie half Pluto in den nächsten Sessel und streckte die Hand nach dem Schalter aus, um die Dienerschaft zu rufen, aber Pluto schüttelte nur den Kopf.
"Keinen Arzt und keinen heißen Tee, Majestät", sagte sie müde. "Für beides ist es längst zu spät ..."
"Wovon redest du?!" Serenity ließ sich in einen Sessel genau gegenüber von Pluto nieder und strich die Falten ihrer Robe glatt. "Was ist passiert? Haben Feinde das Zeittor gestürmt?"
Pluto starrte auf ihre immer noch bebenden Hände, die den Zeitschlüssel fest umklammert hielten. "Ich wünschte, es wäre so, meine Königin."
"So rede doch endlich! Was ist geschehen?"
"Es ist aus. Es ist alles zu Ende." Pluto hob den Kopf und in ihren dunklen Augen glomm eine Hoffnungslosigkeit, die Serenity bis ins Mark traf. Die Königin musste sich sehr zusammen nehmen, um Pluto nicht an den Schultern zu packen und zu schütteln, damit diese endlich mit genaueren Informationen herausrückte. Einige endlose Atemzüge vergingen, dann sprach Pluto weiter: "Ich habe es nur durch Zufall herausgefunden, denn es ist passiert, lange bevor es Leben auf der Erde gab. Ein Stern ist gestorben, explodiert. Er ist erloschen, wo er nicht hätte erlöschen dürfen, die Super Nova hat andere Sterne mit in den Tod gerissen, es entstand eine Welle aus unglaublich starker Energie, die schneller als das Licht durch das All rast, sie hat lange, lange gebraucht, um den Abgrund zwischen den Armen der Galaxie zu durchqueren. Doch nun ist sie auf dem Weg hierher." Pluto starrte wieder auf ihre Hände. "Es ist eine Macht tausend mal stärker als tausend böse Galaxias zusammen, sie ist nicht böse, man kann sie nicht besiegen. Wenn sie über dieses System hinwegfegt, wird sie die Sonne auslöschen und dann weiter rasen bis ins Zentrum der Galaxie, dabei wird sie immer stärker werden und stärker. Und wenn sie erst mal im Zentrum der Galaxie ist, werden all die dicht stehenden Sterne dort kollabieren, zerrissen werden wie nichts. Vom Zentrum bleibt dann nur noch ein gigantisches Schwarzes Loch, das alle restlichen Arme in sich hineinsaugen wird. Wir sind verloren, wir alle!" Stöhnend vergrub Pluto ihr Gesicht in den Händen.
Serenity war nun ebenfalls sehr, sehr blass geworden. "Wenn ich dich recht verstanden habe, so wird diese Energiewelle uns bald treffen. Wie bald?"
Pluto atmete tief durch. "Zehn Tage."
Serenity zuckte zusammen. Sie dachte an die Unbeschwertheit der Senshi, an das junge Glück ihrer Tochter mit Helios, an die Menschen in Kristalltokio und dem Rest der Welt, die eine glückliche Zukunft planten .... "Wir müssen etwas tun."
"Ich wüsste nicht was." Pluto starrte nun an der Königin vorbei and die Wand, als könne sie durch die Mauern das Nahen des Todes sehen. "Oder glaubt ihr, Merkur findet eine Lösung?"
"Zehn Tage sind sehr wenig Zeit, um so ein gigantisches Problem zu lösen. Dazu währen wohl Jahrzehnte oder Jahrhunderte nötig...", seufzte Serenity.
"Vielleicht sind in den alten Texten Hinweise zu finden ... der König hat sie von seinem letzten Ausflug zu den Ruinen des Mondpalastes mitgebracht. Wenn der Tod des Sterns schon so lange zurückliegt, habe ihn vielleicht andere vor mir bemerkt und eine Lösung erdacht .... ich erinnere mich dumpf an eine Passage, die von so etwas ähnlichem wie dieser Welle spricht...." Die Hoffnungslosigkeit in Plutos Blick wich neuer Entschlossenheit. "Ich werde Tag und Nacht suchen .... vielleicht kann Merkur mir helfen."
"Nein!", Serenity schüttelte den Kopf. "Ich will, dass niemand außer uns beiden davon erfährt. Versprich es mir!"
"Majestät?", fragte Pluto verwirrt, "wollt ihr nicht wenigstens dem König ... "
"Niemandem. Sieh mal, wenn wir die Lösung nicht finden, oder sie finden und nicht umsetzen können, dann werden sie alle sterben, oder? Ich möchte, dass sie diese zehn Tage in Frieden und Freude verbringen, nicht zitternd vor Angst, verzweifelt, furchtsam. Und sollte etwas darüber in der Stadt verbreitet werden, könnte eine Massenpanik ausbrechen. Nein, wenn es keine Lösung in den Büchern gibt, die wir anwenden können, dann weiß ich, was ich zu tun habe."
Ein Blick in Serenitys entschlossenes Gesicht und Pluto wusste, wovon die Königin sprach.
"Aber .... aber der Silberkristall ist vielleicht nicht stark genug ... und was würde der König sagen ...."
"Deshalb darf er ja nicht davon erfahren, er oder die anderen würden versuchen, mich davon abzuhalten. Aber ist es nicht besser, dass nur einer sein Leben verliert, als dass alle sterben? Wenn ich es nicht versuche, dann werde ich mit den anderen sterben, wenn es mir gelingt, dann sterbe ich eben allein..."
"Das werde ich nicht zulassen! Majestät, denkt an Silver Lady, eure Tochter!"
"Genau das tue ich doch, Pluto. Silver Lady ist nun reif genug, meine Nachfolge anzutreten. Sie hat treue Beschützer und einen zuverlässigen Ehemann. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn ich nicht zumindest versuchen würde, ihr Leben zu retten und natürlich auch das Endymions und aller anderen. Ich bin die Königin und es ist mein Wille!"
Die Unbeugsamkeit ihrer Stimme gab den Ausschlag. Pluto stemmte sich aus dem Sessel hoch und ließ sich vor der Königin auf ein Knie nieder. "Ich werde gehorchen, meine Königin", sagte sie. Als sie hoch sah, glänzten Tränen in ihren Augen, "aber ich darf euch doch begleiten, oder?"
"Natürlich darfst du... ich werde jemanden brauchen, der die anderen abhält, mich aufhalten zu wollen, falls sie es doch irgendwie herausfinden ehe geschehen ist, was geschehen muss. Außerdem bist du mir eine treue Freundin ...."
Pluto schluckte. "Ich bürge mit meinem Leben für die Erfüllung eurer Wünsche, meine Königin."
"Dann ist es gut..."
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Auch Pluto dachte nun an diesen Abend zurück. Die Worte der Königin hallten immer noch in ihrer Seele. Nichts war gut, nichts würde jemals wieder gut werden, wenn es ihnen nicht gelang, die Welle des Todes (so hatte Pluto die Bedrohung benannt) aufzuhalten.
"Schaffen wir es rechtzeitig?", fragte die Königin besorgt. Pluto rechnete im Kopf nach und nickte. "Wir haben noch eine gute Stunde, und der Hügel ist nicht mehr weit."
Nach etwa zwanzig Minuten hatten sie ihn erreicht. Es war genau jener Ort, an dem die Königin und der König damals Kleine Lady willkommen geheißen hatten. Die Blumen blühten und man hatte einen wunderbaren Blick auf das schlafende Kristalltokio. Es funkelte im bleichen Licht des Mondes, die Sterne waren schon fast verblasst und im Osten kündigte sich das erste Morgenrot an.
Serenity sah sich um und entschied sich schließlich für eine Stelle etwas unterhalb des höchsten Punktes, wo besonders viele Veilchen wuchsen. Der Saum ihres Kleides war bereits feucht von Tau und ihre weißen Stoffschuhe waren durchweicht, doch all das würde bald keine Rolle mehr spielen.
"Wie lange soll ich warten?", fragte sie.
Pluto sah hinauf zum Himmel. "Es wird ein paar leichte Beben geben, als Vorankündigung. Der Himmel wird sich verfärben. Ich werde mit dem Zeitschlüssel den richtigen Augenblick bestimmen und euch dann ein Zeichen geben."
Serenity blickte hinab auf die Stadt, dachte an ihre Freunde, an ihre Tochter und vor allem an Endymion. Ihre Augen brannten, aber sie weinte nicht, sie hatte zehn Tage Zeit gehabt, sich in der Stille ihres Herzens von allen zu verabschieden, sich ihre Züge einzuprägen, ihren Stimmen zu lauschen ... der Abschied war nahe, aber sie würde nicht drauflos heulen, wie sie es als Usagi immer getan hatte. Diese Zeiten waren vorüber.
"Beben und Verfärbungen des Himmels" murmelte sie. "dann warten wir eben noch ein wenig ..."
Das erste Beben kam ohne jede Warnung. Es war nicht stark genug, um Schaden anzurichten, aber es schreckte alle Bewohner der Stadt und des Palastes aus ihren Betten hoch. Im Thronsaal des Palastes versammelten sich die Senshi, die Katzen, Helios und der König.
"Hat jemand Serenity gesehen?", fragte Endymion beunruhigt.
"Vielleicht hat sie sich unter dem Küchentisch versteckt", machte Mars den schwachen Versuch eines Witzes, "wenn das Beben sie bei der Suche nach einem Imbiss überrascht hat."
Merkur sah sie strafend an. "Dumme Sprüche helfen uns auch nicht weiter, außerdem haben Jupiter und Vesta schon in der Küche nachgeschaut."
"Vielleicht ist sie im Park", schlug Venus vor.
"Sailorpluto ist ebenfalls verschwunden", fügte Neptun hinzu. "Dabei wollte sie doch noch ihre Studien zu Ende führen, ehe sie zum Zeittor zurückgeht."
"Seht doch!", rief Helios. Sie drehten sich um und sahen gerade noch, wie die erste Welle blutroten Lichtes über den Himmel jagte. Es war beängstigend. Gleich darauf erfolgte der nächste Erdstoß. Einige Vasen kippten um und Bilder fielen von den Wänden.
"Raus aus dem Palast!", rief Artemis. "Im Freien sind wir sicherer!"
Alle Bewohner des Palastes rannten ins Freie. Die Diener hielt es auch nicht im Palastgarten, denn der befand sich ja auch innerhalb einer Kristallsäule, die einstürzen konnte. Die Senshi allerdings folgten ihnen nicht hinunter in die eigentliche Stadt, denn sie hatten die Königin noch nicht gefunden.
"Wo kann sie nur sein?", wunderte sich Luna. "Der Rosengarten ist leer."
Merkur beteiligte sich nicht an der Suche. Statt dessen beobachtete sie wie die zweite Welle aus rotem Licht das Morgenrot überstrahlte, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Der nächste Erdstoß folgte ... Sie murmelte etwas vor sich hin, aktivierte ihren Visor und klappte den Computer auf.
Sie war immer noch mit ihren Rechnungen beschäftigt, als eine weitere Lichtflut hereinbrach. Dieses Mal verschwand sie nicht, sondern setzte den Himmel von Horizont zu Horizont in Brand.
"Was ist das nur?", fragte Uranus verstört.
Sie hatten sich gerade wieder vor dem Palast getroffen, und wollten den nächsten Teil des Parks in Angriff nehmen, als die Erde erneut bebte. Jetzt schwankte die ganze Kristallsäule und Silver Lady verlor das Gleichgewicht. Helios fing sie auf, ehe sie stürzte.
"Ist das ein Angriff neuer Feinde?", fragte Jupiter und machte ein angriffslustiges Gesicht.
"Ich ... ich wünschte dem wäre so", hörten sie Merkurs zitternde Stimme. Die Kriegerin war totenblass und klappte ihren Computer zu. "Das ist der Anfang vom Ende."
"Welchem Ende?", fragte Ceres verstört.
"Es ist kein Feind, sondern eine Energiewelle von solcher Gewalt, dass sie uns, die Erde, das Sonnensystem und wahrscheinlich die ganze Galaxie auslöschen wird. Da ist nichts, wogegen man kämpfen könnte, genauso gut könnte ein Sandkorn versuchen, die Gezeiten aufzuhalten ..."
Die Senshi starrten sie entsetzt an.
"Wie lange noch?", brachte Venus mühsam hervor.
"Vielleicht fünf Minuten", sagte Merkur. Ihre Hände bebten wie ihre Stimme. Sie wollte den Visor deaktivieren, erwischte jedoch den falschen Punkt und stellte auf Fernsicht. Da sie zufällig genau in Richtung des Hügels über der Stadt blickte, erkannte sie durch den Visor die beiden Gestalten, die für das freie Auge nicht sichtbar dort auf etwas warteten.
"Die Königin und Pluto!", rief sie erstaunt aus.
Die anderen vergaßen für einen Augenblick das nahe Ende der Welt und drehten sich um. Sie folgten Merkurs ausgestreckter Hand, konnten jedoch auf diese Entfernung nichts auf dem Hügel ausmachen.
"Bist du dir ganz sicher?", fragte der König.
Merkur nickte. "Eindeutig ... und die Energiesignatur deutet darauf hin ...." sie schluckte schwer, "dass die Königin den Silberkristall bereit hält."
"Nein!", entfuhr es Endymion. "Sie weiß doch, dass es viel zu gefährlich ist, ihn einzusetzen."
"Kann er überhaupt etwas bewirken?", fragte SailorJuno zweifelnd.
Sailormerkur zuckte die Achseln. "Die wahre Macht des Silberkristalls ist kaum erforscht. In diesem Fall würde er aber dem Träger soviel abverlangen, dass es Selbstmord ist, in zu benutzen."
"Wir müssen sie aufhalten!", sagte Silver Lady.
"Nehmt euch and den Händen!" Uranus Anweisung brachte Leben in die vor Schreck erstarrte Gruppe. Ein jeder, auch Helios und Endymion, half mit, einen Kreis zu formen. Die drei Katzen sprangen in die Mitte. Ihre Mondsymbole glühten und die Stirnreifen der Senshi machten den leuchtenden Planetensymbolen (bei den Asteroidsenshi waren es Sterne in ihren Farben) Platz. Ein jeder rief seinen Schutzplanet an, Helios wandte sich an Elysien und Mamoru an die Erde, die Energie sammelte sich in den Symbolen und brach dann in breiten Strahlen daraus hervor. Für einen Augenblick sah man nur einen strahlenden Regenbogen, dann war das bunte Licht und auch die Senshi verschwunden.
Sie tauchten einige Meter unterhalb von Pluto und Königin Serenity auf.
Endymion fasste sich als erster und rannte auf die Königin zu. "Serenity, tu es nicht!"
Doch ehe er das Veilchenfeld erreichte, stellte sich ihm Pluto in den Weg. Ihr Gesicht war gezeichnet von der Trauer, die sie im Herzen trug, aber auch von einer Entschlusskraft, die jeden Feind in die Knie zwingen konnte.
Jeden Feind, aber nicht Endymion. Er versuchte, sie zu umgehen, aber sie war schneller.
Die anderen warteten schweigend im Hintergrund. Einzig Silver Lady machte Anstalten, sich einzumischen, doch Pallas fasste sie sanft an den Schultern und schüttelte auf ihre erstaunten Blicke hin, den Kopf.
"Warum?", keuchte Endymion nach einem weiteren verzweifelten Manöver. "Warum tust du das, Pluto? Weißt du nicht, was die Königin vorhat?"
"Besser als Ihr, König Endymion", keuchte Pluto. "Von mir weiß die Königin, dass die Energiewelle uns zerstören wird. Ich habe versucht einen anderen Weg zu finden, aber uns bleibt keine Zeit mehr."
"Ich muss sie aufhalten! Geh mir aus dem Weg!"
"Nein!" Plutos Augen brannten. "Ich werde das Vertrauen der Königin nicht enttäuschen."
"Würdest du uns wirklich angreifen, Puuh?", fragte Silver Lady betroffen.
"Nur wenn ihr mich dazu zwingt. Kleine Lady, Chibi Usa .... respektiert den Wunsch eurer Mutter, bitte!"
"Du kannst nicht gegen uns alle gewinnen", sagte Mars entschlossen und ging in Angriffspose.
In diesem Augenblick nahm das Feuer des Himmels eine hellere Farbe an und wurde so grell, dass es in den Augen brannte. Ein heißer Wind kam auf, der einem die Tränen in die Augen trieb.
"Ist es soweit?", fragte Serenity, ohne sich umzudrehen.
"Ja, meine Königin", erwiderte Pluto mit erstickter Stimme. "Jetzt, oder alles ist verloren."
"So sei es denn." Serenity hob beide Arme in die Höhe und der Silberkristall erschien, eine funkelnde Blume die von unterdrückter Kraft zu bersten schien.
"Ihr anderen!", rief Pluto und ließ den Schlüssel sinken, den sie eben noch zur Verteidigung erhoben hatte." Gebt der Königin eure Kraft!" Leiser fügte sie hinzu: "Und betet, dass es genug ist."
Endymion warf einen Blick zum Himmel, einen weiteren auf die Königin, die ihnen allen immer noch den Rücken zuwandte. "Ich liebe dich!", schrie er durch das Brausen des Windes. Dann umfasste er sein Zeremonienschwert mit beiden Händen und schloss die Augen. Das Schwert und er begannen rostrot zu leuchten und das Symbol der Erde erschien auf seiner Stirn.
"Ich liebe dich auch", hauchte Königin Serenity unhörbar, froh, dass niemand die Tränen sehen konnte, die über ihre Wangen rannen. Sie spürte, wie die Kraft Endymions auf den Kristall überströmte.
Die anderen folgten seinem Beispiel. Sie riefen ihre Planeten- und Meteorietenkräfte und übertrugen sie auf den Silberkristall. Luna, Artemis, Diana und Silver Lady verstärkten die Macht des Mondes und Helios rief die Macht seines Traumreiches an.
Das grelle Rot des Himmels wich einem blendenden Weiß.
Serenity legte nun auch noch ihre eigene Kraft in den Kristall und die Macht aller Generationen von Königinnen des Mondreiches.
"Beschütze diese Welt, Silberkristall, diese Welt und diese Galaxie." Sie hob ihn noch höher und gab seine Macht frei.
Ein Regenbogenstrahl schoss aus dem Zentrum der Blume mitten hinein in den gleißenden Himmel. Zunächst sah es aus, als verschlinge das Weiß alle Farben und die Hitze wurde unerträglich. Die Senshi sanken eine nach der anderen in die Knie, ausgepumpt und völlig am Ende ihrer Kraft. Auch Helios und dem König erging es nicht anders.
Mit zusammengebissenen Zähnen gab die Königin auch noch den letzten Rest ihrer Macht dazu und auf einmal drängten die Farben das Weiß zurück. Die Wellen der schützenden Kraft löschten nach und nach das grelle Licht aus, der Himmel wurde wieder blau und die unerträgliche Hitze verschwand. Der Regenbogenstrahl schoss nun hinaus in die Galaxie, um den Ursprung des tödlichen Lichtes zu finden und zu vernichten. Einige endlose Augenblicke stand die Königin noch aufrecht, die Hände erhoben. Als sie fühlte, es war gut, gab auch der Silberkristall nach und zersprang in unzählige Splitter. Mit einem leisen Seufzen brach die Königin zusammen.
Mit einem ungläubigen Aufschrei sammelte Endymion seine verbliebene Kraft, sprang zu ihr hin und schlang im letzten Augenblick die Arme um seine Serenity ehe diese auf dem Boden aufschlug.
"Mama!!!" Tränenüberströmt kroch die erschöpfte Silver Lady zu den beiden hin.
Serenity schien den Schmerz ihrer Lieben zu fühlen, noch einmal schlug sie die Augen auf.
"Es ... ist ... alles gut", flüsterte sie mühsam. "Ihr ... seid ... gerettet."
"Aber ... aber du...", brach es aus der schluchzenden Prinzessin heraus.
"Ich ... bin ... müde ...", seufzte Serenity und schloss die Augen. Ihr Körper erschlaffte.
"Usagi, nein!", krächzte Sailormars erschüttert. Sie alle sahen die Tränen, die über das schmerzverzerrte Gesicht Endymions liefen. Mit übermenschlicher Anstrengung erhob er sich, Serenity immer noch in den Armen haltend.
Pluto wollte ihm helfen, aber er schüttelte ihre Hand ab und würdigte sie keines Blickes. Betroffen wich Pluto zurück. Saturn trat an ihre Seite und legte ihr tröstend die Hand auf den Arm.
"Geduld", murmelte Saturn dabei kaum hörbar, "wir müssen jetzt alle sehr viel Geduld mit ihm haben."
Es war eine schweigende Gruppe, die den bitteren Gang zurück zum Palast antrat. Die Bewohner von Kristalltokio, welche den Kampf der Lichtgewalten am Himmel ängstlich verfolgt hatten, wichen erschrocken zurück, als der König mit der toten Königin im Arm durch die Straßen schritt. Hinter ihm wankte Silver Lady laut schluchzend, gestützt von einem erschütterten Helios. Die Senshi hatten sich zu je zweien aufgereiht, Merkur und Mars vorne weg, danach Jupiter und Venus, Neptun und Uranus stützten sich gegenseitig, wobei zweitere ihren Schmerz hinter einem grimmigen Gesicht zu verbergen suchte. Dahinter kamen Saturn und Pluto, die Kriegerin der Zeit mit hängenden Schultern wie erdrückt von einer Schuld, die nur sie hatte auf sich nehmen können.Ihnen folgten Ceres und Vesta, Juno und Pallas. Luna, Diana und Artemis bildeten das Schlusslicht.
Die traurige Prozession bog vor den Toren des Palastes rechts ab und wanderte ins Zentrum der königlichen Gärten. Dort, wo die Sonne goldene Lichtflecken auf das dunkle Moos einer stillen Lichtung inmitten alter Eichen warf, dort blieb der König stehen. Er sammelte seine verbliebene Magie und erschuf einen Altar aus weißen Marmor, auf den er seine Königin bettete.
Dann, das Gesicht immer noch wie versteinert, die Wangen noch feucht von den Tränen trat er einen Schritt zurück, konzentrierte sich und verwandelte sich in Tuxedo Kamen, was er schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr getan hatte. Er pflückte seine Zauberrosen aus dem Nichts, eine nach der anderen und warf sie zielsicher in das Moos rund um den Altar, bis dieser von ihnen völlig eingekreist war. Dann tat er, was er bisher noch niemals versucht hatte, er legte die Hände wie zum Gebet zusammen, neigte den Kopf bis seine Stirn die Fingerspitzen berührte und sandte den Zauber seines Wunsches wie einen sanften Regen aus. Die Rosen reagierten augenblicklich und fingen an zu wuchern und sich zu richtigen Kletterrosen zu entwickeln. Sie umschlangen den weißen Marmor, vermieden es aber, mit dem Körper der Königin in Kontakt zu kommen. Als die unzähligen Knospen aufsprangen, prangten sie in allen Schattierungen von dunkelstem Rot über sattes Rosa bis zu blendendem Weiß. Seine letzte Gabe an das Mädchen, das er über alles liebte. Total verausgabt sank er in die Knie.
"Papa!", Silver Ladys Stimme zitterte, "das ist wie im Märchen."
"Nur dort erwachen die Heldinnen wieder zum leben", murmelte er bitter und kam mit Helios Hilfe wieder auf die Füße.. "Warum hat sie das nur getan ... wir wollten doch für immer zusammen sein..."
"Was, was hättet Ihr an ihrer Stelle getan?", fragte Pluto. Sie trat vor den König und sah ihm trotzig ins Gesicht. "Wenn Ihr wollt, dann schlagt mich, verbannt mich. Vielleicht hilft das, damit ihr euch besser fühlt.. Denn ich war es, die der Königin die Kunde vom Ende des Universums brachte.", sie schluckte, fuhr aber tapfer fort, "ich habe sie angefleht, es euch allen sagen zu dürfen, aber sie verbot es mir."
"Typisch", Sailormars schüttelte den Kopf. "Usagi musste mal wieder ihren Dickkopf durchsetzen."
"Das letzte mal", murmelte Uranus und fuhr sich mit beiden Händen durch die kurzen Haare. "Mondgesicht ..."
Während alle anderen respektvoll Abstand zum Altar hielten, trat Saturn an die tote Königin heran und legte ihr sanft eine Hand auf die Stirn. "Seltsam ...", murmelte sie und schüttelte den Kopf.
"Was ist seltsam?", fragte Neptun neugierig.
"Sie ist nicht mehr am Leben, aber sie ist auch nicht richtig tot."
"WAS?" Im nu waren der Altar und Saturn von allen umringt.
"Es liegt wohl an den Splittern des Kristalls", meinte Pallas vorsichtig. "Sie sind doch wieder mit ihr verschmolzen, oder? Nicht einfach verschwunden, so wie früher."
"Stimmt", pflichtete ihr Pluto bei. "aber der Kristall ist kaputt, so oder so. Und an ihm hängt doch ihr Leben."
"Wir können ihn nicht aus ihr herausholen und zusammenkleben", meinte Vesta in einem Anflug verzweifelter Ironie.
"Wenigstens wird sie auf ewig so bleiben ...", murmelte der König. "Ich hasse den Gedanken, sie irgendwo in ein Erdloch hinablassen zu müssen."
"Wir werden diesen Ort zu ihrer letzten Ruhestätte erklären", sagte Neptun und die anderen stimmten ihr zu.
Merkur sah zum Palast hin, vor dessen Toren sich eine Menschenschar versammelt hatte. "Das Volk wird Abschied nehmen wollen und wer sagt es ihren Eltern und Shingo?"
"Das übernehme ich", Lunas Stimme klang heiser. Man spürte, wie sie bei jedem Wort gegen die Tränen ankämpfte. "Usagi ... ich meine, Serenity wollte auch sie mit ihrem Opfer beschützen ."
Der König beugte sich ein letztes Mal hinab und küsste die kalten Lippen. "Leb wohl, Serenity, Usagi, Sailormoon ... ich wünschte nur, du hättest mich mit dir genommen." Er spürte, wie die Tränen sich in seinen Augen sammelten, aber er drängte sie zurück. "Wir sind alle erschöpft, aber jemand sollte bei ihr Wache halten.", sagte er und sah die Kriegerinnen fragend an. "Im Palast wartet noch viel Arbeit auf mich."
"Die kann doch warten", sagte Helios ruhig. "Jetzt ist erst einmal wichtig, dass du dich ausruhst, wir werden alle neue Kraft brauchen, um diese schwere Zeit durchzustehen."
"Ich und Haruka halten die erste Wache", sagte Neptun und nickte dem König zu. "Du solltest erst mal versuchen etwas zu schlafen, Mamoru."
Der König zuckte bei diesem Namen zusammen, sagte aber nichts. Mit einer ruckartigen Bewegung, so als müsste er sich dazu zwingen, wandte er sich von dem Altar ab und stakste auf den Palast zu.
"Wer übernimmt die erste Wache bei ihm?", fragte Silver Lady, die sich wieder etwas gefasst hatte.
"Beim König?" Merkur und Mars wechselten einen langen Blick. "Meinst du etwa ..."
"Er hat doch gesagt, dass er sich wünschte, sie hätte ihn mit in den Tod genommen. Ich habe ihn noch nie so erlebt... und ich will nicht Vollwaise werden."
"Ich mache das", sagte Artemis. "Wenn mich in zwei bis drei Stunden jemand ablösen kommt ..." Sie besprachen die Wachwechsel beim Altar und beim König.
"Ich wundere mich etwas, dass wir nicht alle zu Staub zerfallen sind ... ohne den Kristall ...", sprach Jupiter aus, was sich auch die anderen schon heimlich gedacht hatten.
"Offensichtlich wirkt sein lebensverlängernder Zauber immer noch, er selbst ist ja auch noch irgendwie da - in Serenity", meinte Saturn nach einigen nachdenklichen Minuten.
"Lasst uns später darüber weiter reden", Venus schwankte vor Müdigkeit. "Helios hat ganz recht, wir sollten alle versuchen, wenigstens ein paar Stunden zu schlafen."
Eine jede nahm noch schweigend Abschied von Königin Serenity, dann begaben sich alle außer Neptun und Uranus durch eine Hintertüre in den Palast. In ihren Gemächern, ohne Zeugen, fiel eine jede erschöpft ins Bett und ließ ihren Tränen freien Lauf. Wie sollte es ohne die Königin nur weiter gehen?
Ende des ersten Teils
