Kirschblüten im Winter
-Kapitel 1: Deine Augen auf mir-
Zusammenfassung: Sakura Haruno ist Fürst Uchihas erstgeborenem Sohn und Erben versprochen.
Sie kann nur nicht aufhören an seinen gutaussehenden, jüngeren Bruder zu denken.
Und warum starrt er sie immer so eindringlich an?
Die Welt war wunderschön, wenn der Herbst über das Land zog und Bäume und Büsche, ja sogar ganze Wälder in bunten Farben schmückte. Eine goldene Abendsonne stand tief am Horizont und färbte den Himmel rot und rosa und orange. Im Sonnenlicht schimmerte das Laub der Wälder in noch prächtigeren Rot- und Gelbtönen. Sie überquerten einen breiten Fluss auf einer steinernen Brücke, und das Farbenspiel des Himmels spiegelte sich in den sanften Wellen des Wassers. Ein Fischerboot glitt gemütlich über den Fluss, während die Fischerleute und jungen Knaben der vorbeiziehenden Gesellschaft zuwinkten.
Seit zehn Tagen waren sie unterwegs und die ganze Zeit über hatte Sakura kaum etwas anderes getan, als in ihrer engen Kutsche zu sitzen und sich die vorüberziehende Landschaft anzuschauen. Erwartungsgemäß war die Fahrt äußerst unbequem und nur wenig abwechslungsreich gewesen. Schon nach der Hälfte des ersten Tages war ihr bei dem ständigen Holpern die Lust auf eine Kutschfahrt vergangen und das ewige Sitzen hatte sie auch nicht länger aushalten wollen. Doch es half alles nichts und so hatten sie vor sechs Tagen die Grenze zum Uchiha-Reich überquert. Seitdem verwandelte sich Sakuras Ausblick zunehmend in eine Berglandschaft mit großen, dichten Wäldern. Es sah erstaunlich aus, aber gleichsam kam es Sakura so fremd vor, dass sich ein seltsam bedrückendes Gefühl in ihrer Brust breit machte. Bald würde dies auch ihre Heimat sein. Immerhin brachte man Sakura Haruno nicht ohne Grund hierher und vielleicht würde sie irgendwann sogar den Uchiha-Namen tragen müssen. Bei diesem Gedanken lief ihr ein Schauer über den Rücken und so gut sie konnte, versuchte sie diese Vorstellung zu verdrängen.
„Sakura", rief eine Frauenstimme nach ihr. Dann tauchte Tsunade neben der Kutsche reitend auf. „Es dauert nicht mehr lange. Schon morgen werden wir die Uchiha-Residenz erreichen."
Sakura nickte. Die Vorstellung, dass sie bald dem Uchiha-Fürsten und seiner Familie gegenüber treten musste, machte ihr große Angst. Nervös fummelte sie an den Zipfeln ihres olivgrünen Umhangs, in den sie sich eingewickelt hatte, um sich warm zu halten. Was, wenn sie mich nicht mögen? Wenn ich nicht gut genug für sie bin? Sie wusste, dass ihre Familie und der gesamte Haruno-Clan viel von ihr erwarteten. Das Letzte, was sie wollte, war ihre Familie zu enttäuschen.
Natürlich bemerkte Tsunade ihre Unruhe gleich. „Keine Angst, Sakura. Sei einfach du selbst und alles wird gut."
Sakura hatte Zweifel, doch als sie das zuversichtliche Lächeln ihrer Lehrmeisterin und Beschützerin sah, wagte sie zu hoffen.
„Sag Tsunade, wie sind die Uchiha so? Du warst schon einmal bei ihnen, nicht wahr?" Selbst im Reich der Haruno hörte man die ein oder andere Geschichte über die Uchiha. Sakura hatte einmal gehört, dass die Uchiha kalt und grausam seien und Spaß daran hätten, ihre eigenen Untertanen zu jagen und zu foltern. Aber Sakura war nicht so dumm, alles zu glauben, was man sich so erzählte.
„Ja, ein paar Mal habe ich deinen Vater bei diplomatischen Treffen mit den Uchiha begleitet", antwortete Tsunade. „Um die Wahrheit zu sagen, ich kann sie nicht leider. Sie sind furchtbar arrogant und starrköpfig." Sie seufzte. „Aber dich werden sie gut behandeln, Sakura. Außerdem bin ich bei dir und beschütze dich." Sie zwinkerte dem jungen Mädchen in der Kutsche zu und ließ ihr Pferd zum Kopf der Gesellschaft galoppieren.
Sakura war zwar nicht wirklich beruhigt, aber wenigstens hatte sie nicht mehr das Gefühl, alleine in eine Schlangengrube gestoßen zu werden. Einmal mehr fragte sich Sakura, wie sie – die einzige Tochter von Kizashi Haruno, dem Oberhaupt des Haruno-Clans – es geschafft hatte hier zu landen: als zukünftige Gemahlin des Erben der Uchiha-Dynastie.
Tatsächlich war der Haruno-Clan eher bescheiden. Die Harunos waren nicht besonders wohlhabend oder mächtig. Selbst ihr Territorium reichte längst nicht an jenes der Uchiha heran. Andererseits aber waren sie bekannt für ihre fruchtbare Erde und die großartige Pferdezucht. Während sich im Gebiet der Uchiha Berge und Hügelketten aneinander reihten, folgten im flachen Land der Harunos Reisfelder auf Reisfelder so weit das Auge reichte. Die Reiterkunst war aber ihre eigentliche Spezialität. Sakura selbst hatte schon als kleines Kind das Reiten gelernt und es kam ihr so vor, als hätte sie nie etwas anderes getan. Tsunade hatte ihr alles beigebracht, was sie wissen musste, ihr sogar gezeigt, wie man mit Pfeil und Bogen umging. Ein paar Mal durfte sie sogar auf die alljährlichen Jagdausflüge ihrer Familie mitkommen. Wie gern hätte Sakura die Reise zu den Uchiha auf einem Pferderücken verbracht. Unterwegs hatte sie sogar Tsunade mehrmals darum angefleht, sich auf ein Pferd setzen zu dürfen. Aber man hatte ihr erklärt, dass die Uchiha ihre Frauen nicht reiten ließen und es auch nicht gern sehen, wenn junge Damen sich wie Männer benehmen. Also hatte Sakura nachgegeben. Aber der Gedanke vielleicht nie wieder auf einem Pferd sitzen zu dürfen, schmerzte sie sehr.
Mit ihren siebzehn Jahren war Sakura vielleicht jung und ein bisschen naiv, aber dumm war sie nicht. Sie wusste sehr wohl, was man von ihr erwartete. Sie wusste auch, zu welchem Zweck man sie zu den Uchiha schickte. Aber das hieß nicht, dass es ihr auch gefallen musste.
Als ihr Vater ihr mitgeteilt hatte, er wolle sie an den Hof des Uchiha Clans schicken, damit sie dort den ältesten Sohn und Erben des Fürsten Fugaku Uchiha heiraten und die Familien vereinen solle, war sie so wütend gewesen. Sie hatte ihren Vater sogar angeschrien. Aber ihr Vater hatte einfach ruhig dagestanden, als wäre sie überhaupt nicht da. Und als sie so lange getobt hatte, dass ihre Stimme versagte, hatte er sie nur streng ermahnt, sie dürfe keine Schande über die Familie bringen, und war gegangen. Damit war die Sache erledigt gewesen und wenige Tage später hatte sich Sakura auf die Reise gemacht.
Jetzt, wo sie soweit von zu Hause fort war, tat es ihr Leid, dass sie ihm angeschrien hatte. Und sie bereute, dass sie sich in ihrer Wut und Sturheit nicht von ihm verabschiedet hatte. Jetzt vermisste sie ihre Eltern sehr.
Am Horizont war die Sonne schon fast verschwunden, als die Gruppe plötzlich zum Stehen kam. Die Dämmerung hüllte die Welt in ein schummriges Licht, welches bald der Dunkelheit weichen würde. Sakura spähte aus dem Fenster ihrer Kutsche, um zu erfahren, weshalb es nicht weiterging. Sie befanden sich auf einer Anhöhe umgeben von lichtem Nadelwald, direkt vor ihnen wartete eine Gruppe Reiter. Sie waren zu weit entfernt, als dass Sakura sie im Dämmerlicht hätte erkennen können. Doch es waren nicht mehr als ein Dutzend Männer.
Um besser sehen zu können, stieg Sakura aus der Kutsche aus und beobachtete, wie Tsunade auf ihrem Pferd sitzend den Männern entgegen trabte. Die Abendluft war so kalt, dass Sakura ihren Wollmantel fester um ihren Körper wickelte. Für einige Augenblicke war es so ruhig, dass sie das schnaubende Atmen der Pferde und das Knistern des Waldes hören konnte. Irgendwo gurrte eine Eule und in der Ferne heulte ein einsamer Wolf.
Tsunade unterhielt sich mit einem der berittenen Krieger, doch Sakura konnte sie nicht verstehen. Dann aber bewegten sich die beiden auf die übrige Gesellschaft zu und als ihnen zwei Bannerträger folgten, erkannte Sakura das Wappen des Uchiha-Clans darauf: ein Fächer in Rot und Weiß auf dunklem Grund. Der Reiter kam langsam auf Sakura und die Kutsche zu. Er trug dunkles Leder und ritt auf einem schwarzen Pferd. Zweifelsohne war er ein Uchiha. Sein Haar war so rabenschwarz wie das aller Uchiha. Außerdem saß er mit einer ungerührten Würde im Sattel seines Pferdes, wie Sakura es noch nicht gesehen hatte. Seine Haut wirkte im Schein der Dämmerung so hell und makellos, dass sie einen angenehmen Kontrast zur dunklen Aufmachung des Mannes darstellte. Erst als er direkt vor Sakura stehen blieb, konnte sie sein Gesicht sehen. Seine Gesichtszüge waren hart aber seltsam edel. Er verzog keine Miene, doch mit seinen kühlen, onyxfarbenen Augen starrte er direkt in ihre smaragdgrünen. Für einen Moment hatte es ihr den Atem geraubt und sie war wie gelähmt von seinem Blick. Aber dann fühlte sie ihre Wangen aufflammen und wandte ihre Augen hastig von ihm ab.
„Ich bin Sakura Haruno", brachte sie gerade noch heraus und sie hoffte inständig, dass er in der Dunkelheit ihre geröteten Wangen nicht sehen konnte.
Er musterte die junge Frau ohne von seinem Pferd abzusteigen. „Sasuke", erwiderte er schlicht. Dann wandte er sich wieder an Tsunade. „Ihr seid spät dran. Wir hatten euch schon zur Mittagszeit erwartet."
„Für die Verspätung entschuldige ich mich, Euer Gnaden", antwortete die blonde Kriegerin. „Aber wegen der Kutschen mussten wir einen Umweg nehmen und kamen langsamer voran als erwartet."
„Hn", erwiderte er darauf nur.
Euer Gnaden?, erkannte Sakura besorgt. Ich habe ganz vergessen ihn mit seinem Titel anzusprechen!
„Es ist schon spät. In der Nähe gibt es einen Gasthof. Dort übernachten wir und im Morgengrauen ziehen wir weiter", befahl Sasuke Uchiha. Noch einmal blickte er zu Sakura hinab und für einen kurzen Moment trafen sich erneut ihre Blicke. „Steigt in Eure Kutsche, Sakura." Dann wendete er sein Pferd und ritt zurück an die Spitze der fürstlichen Eskorte. Das Wappen des Hauses Uchiha prangte stolz auf seinem Rücken.
An diesem Abend sah Sakura den jungen Uchiha-Krieger nicht mehr. Er ritt zu weit voraus, als das Sakura ihn aus ihrer engen Kutsche heraus hätte beobachten können. Und als die Gesellschaft dann am Gasthof ankam und Sakura endlich die Kutsche verlassen konnte, war Sasuke mit seinen Männern nirgends auszumachen.
Die Nacht war grauenhaft. Man hatte dem Haruno-Mädchen das beste Zimmer im Gasthof gegeben. Doch das Bett war trotzdem mit altem Stroh gefüttert und die Leinenlaken waren so dünn, dass das Stroh darunter an ihrem Rücken kratzte. Hier irgendwo im nirgendwo war man eben nicht für hochgeborenen Besuch ausgestattet. Sakura musste sich also damit abfinden. So konnte sie die halbe Nacht nicht schlafen und als sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel, träumte sie von Onyxaugen, die sie wie Geistergestalten durch einen fremden Wald jagten, und von einer dunklen Stimme, die ihren Namen flüsterte.
Tsunade weckte sie früh am nächsten Morgen und half ihr eiligst beim Anziehen. Sie hatten nicht viel Zeit und so musste Sakuras Morgentoilette auf das nötigste beschränkt werden. Es machte ihr nichts aus. Sie war schließlich keine von diesen perfekt herausgeputzten Prinzessinnen.
„Diese Uchiha-Bastarde! Haben es immer so verdammt eilig!", fluchte Tsunade laut, als sie Sakuras buttercremefarbenes Kleid zuschnürte.
„Tsunade! Was, wenn dich einer von ihnen hört?"
„Ach, mach dir keine Sorgen, Sakura. Außer uns ist doch niemand hier und du wirst mich doch wohl nicht verraten!?" Tsuande lächelte.
„Ich könnte das alles nicht durchstehen ohne dich!", gab Sakura ehrlich zu.
„Das wirst du auch nicht, Kind", versicherte Tsunade und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Außerdem sind diese Uchiha viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Mit dem Stock im Arsch ist es kein Wunder, dass sie immer so grimmig dreinschauen."
Sakura lachte.
„Besonders dieser Uchiha-Bengel, hält sich für was ganz besonderes", spottete Tsunade weiter. „Denkt wohl, die Welt drehe sich allein um ihn, nur weil er ein Hochgeborener ist."
„Meinst du etwa Sasuke? Ist er der Sohn des Fürsten?" Für einen Augenblick spürte Sakura ihr Herz flattern.
„Sasuke Uchiha, ja. Er ist Fürst Fugakus zweiter Sohn." Tsunade beobachtete Sakura eingehend. „Du bist doch nicht etwa enttäuscht, dass er nicht der erstgeborene ist, oder Sakura?"
„Nein", log sie schnell. Doch sie war sicher, dass ihre roten Wangen sie verrieten. Sie war dem erstgeborenem Sohn und Erben des Fürsten versprochen.
Tsunade sagte nichts darauf. Stattdessen legte sie Sakura den olivgrünen Mantel um, obwohl er durch die lange Reise schon einige Flecken hatte. Da sie keine Zeit mehr hatten, ließ Sakura ihr pinkes Haar offen über die Schultern fallen.
Sie waren gerade fertig, als es an der Tür klopfte. Ohne zu überlegen öffnete Sakura die Tür und wurde von eben jenen anziehenden, onyzschwarzen Augen begrüßt, die sie im Traum verfolgt hatten.
„Sasuke", entfuhr es ihr überrascht. Doch dann bemerkte sie ihre Dummheit. „Ich meine Euer Gnaden … Lord Uchiha", stammelte sie hilflos.
Sasuke Uchiha jedoch war weder wütend noch verärgert. Er wirkte eher genervt. „Seid Ihr fertig?", wollte er ungeduldig wissen. „Wir können abreisen und alles wartet auf Euch."
„Ja, natürlich", brachte Sakura nur heraus.
Jetzt im Tageslicht sah er immer noch besser aus als jeder andere Mann, den Sakura kannte. Sein Haar war wild, zerzaust und stand an den Enden spitz ab. Sakura fand, dass es ihm gut stand.
„Hn." Dann verschwand Sasuke.
Als Sakura die Tür schloss, seufzte sie. Jetzt hält er mich bestimmt für ein dummes Ding, dachte sie bitter. Tsunade räusperte sich laut. Doch Sakura ignorierte sie und suchte hastig ihre restlichen Sachen zusammen. Dann nahm sie ihren gewohnten Platz in der Kutsche ein und kurz darauf machte sich die Gesellschaft wieder auf den Weg.
Der Morgen war grau und die Luft feucht vom Nebel. Die Berge um sie herum wurden höher und beeindruckender. Bald ging es nur noch bergauf. Sakura war fasziniert von der Landschaft und immer, wenn sie in eine lange Kurve gerieten, konnte sie aus ihrer Kutsche heraus den Anfang der Kolonne sehen, wo Sasuke mit seinen Männern ritt. Trotz der unebenen Wege trieb er die gesamte Gesellschaft mit eiligem Tempo an.
Es dauerte nicht lange bis Sakura wusste weshalb. Am späten Vormittag fing es an zu regnen. Zunächst war es nur ein stetiger Nieselregen, der weder Reitern noch Pferden etwas auszumachen schien. Und Sakura saß immerhin trocken in ihrer Kutsche. Irgendwann aber wurde aus dem leichten Nieselregen ein regelrechter Sturzbach, der Mensch wie Tier von allen Seiten ins Gesicht peitschte. Sogar in ihrer Kutsche war Sakura dann nicht mehr sicher, denn der Regen drang durch alle Öffnungen herein und schnell stand ihr das Wasser bis zum Knöchel. Selbst der Grund, auf dem sie ritten, war bald durch die Wassermassen so feucht und matschig, dass es für die Pferde immer schwieriger wurde voran zu kommen. Trotzdem trieb Sasuke sie weiter an. Doch zu allem Überfluss brach plötzlich die Achse der Kutsche und Sakura fiel dabei so unglücklich auf den Kutschenboden, das die Vorderseite ihres schönen Kleides völlig durchnässt war.
Sofort hielt die Gesellschaft an, Tsunade sprang von ihrem Pferd und half Sakura aus dem demolierten Gefährt auszusteigen. Sakura zog die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf, um sich vor dem heftigen Regen zu schützen, doch die Feuchtigkeit drang trotz allem durch ihre Kleidung und schnell war sie durchnässt bis auf die Haut.
„Was machen wir jetzt?", wollte sie wissen. Sakura zitterte und umklammerte ihre Robe noch fester.
„So schnell wie möglich zur Uchiha Burg reiten, würde ich mal sagen." Wind und Regen waren so laut, dass Tsunade fast schreien musste. „Wir können uns hier nirgends unterstellen. Hier gibt's nur Felsen, Schlamm und diesen beschissenen Regen!"
Dann tauchte Sasuke neben ihnen auf. Er war genauso durchnässt wie alle anderen, sein Haar klebte ihm an Kopf und Stirn. Trotzdem, wie er so auf seinem schwarzen Hengst saß, wirkte er so lässig und ungerührt, als machte ihm der Regen überhaupt nichts aus. „Es ist nicht mehr weit. Wenn wir weiter reiten, können wir heute Nachmittag da sein."
„Ach, und wie soll das gehen, Uchiha? Die Achse ist gebrochen und es wird Stunden dauern bis das repariert ist oder wir eine neue Kutsche haben", meinte Tsunade wütend.
Sasuke starrte sie zornig an. „Das ist nicht mein Problem. Ihr habt noch eine Kutsche. Werft einfach das ganze Gepäck hinaus und benutzt die für eure kleine Prinzessin!"
„Du! Uchiha-Basta..."
Sakura hatte Tsunade den Mund zugehalten, bevor sie etwas sagen konnte, dass Sasuke noch mehr verärgern würde. Sie lächelte schwach und versuchte die Situation zu entschärfen, obwohl seine Worte sie verletzt hatten. „Sie meint es nicht so, Mylord. Ich könnte doch einfach selbst reiten. Das ist gar kein Problem. Ich nehme einfach eins der Pferde, die die Kutsche gezogen haben."
„Unmöglich", schnitt Sasuke ihr das Wort ab.
„Warum? Ich bin eine Haruno! Schon als Kind habe ich..."
„Wir haben kein Zaumzeug für die Kutschpferde übrig. Außerdem möchte ich nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn Ihr vom Pferd fallt."
Vom Pferd fallen? Will er mich verspotten?! Sakura war entsetzt. Noch nie hatte jemand das Reittalent der Harunos in Frage gestellt.
„Euer Gnade, Sakura kann bei mir mitreiten. Zwei Frauen dürften für ein Pferd nicht zu schwer sein", schlug Tsunade vor.
Sasuke warf nur einen ungläubigen Blick auf Tsunades weiße Stute. Das Tier schnaubte und atmete schwer. „Euer Pferd ist jetzt schon am Ende. Ihr könnt froh sein, wenn es Euch noch bis zur Burg bringt. Aber zwei Reiter wird es nicht aushalten!" Für einen Moment überlegte er, doch er zog dabei die Augenbrauen zusammen, als würde ihm etwas Unbehagen bereiten. „Mein Pferd ist stärker", meinte er bloß und streckte seine Hand nach Sakura aus.
Ohne groß zu überlegen, nahm die junge Frau seine Hand und schwang sich mit seiner Hilfe auf den Rücken des kräftigen Tieres.
„Haltet Euch gut fest. Wegen Euch werde ich sicher nicht langsamer reiten", meinte er.
„Keine Angst. Ich weiß, wie man auf dem Rücken eines Pferde sitzt", erwiderte Sakura forsch. Der Saum ihres Kleides war ihr bis zu den Knien hochgerutscht, sodass ihr Unterrock zu sehen war. Doch es kümmerte sie nicht.
„Hn." Dann befahl Sasuke Uchiha einigen Männern bei den Kutschen zurückzubleiben und schon ritten sie los.
Sasukes Hengst war größer und kräftiger als die Pferde, die Sakura gewohnt war. Doch als sie davon galoppierten, machte das kaum einen Unterschied. Allein wegen dieses Gefühls wieder auf einem Pferderücken zu sitzen und die Welt an sich vorbeiziehen zu lassen, musste sie schmunzeln. Und weil sie sich dicht an Sasukes Rücken schmiegen musste, um nicht herunter zu fallen, traf sie der eisige Wind nicht ganz so hart. Außerdem fühlte sich sein Körper warm an und sie musste nicht mehr so zittern.
Bald sah man schon die Residenz der Uchiha. Wegen dem Regen wagte Sakura nicht, die Augen zu lange offen zu lassen. Doch die hellen Steine der Burgmauern und die rot glänzenden Dachzinnen waren nicht zu übersehen. Der Bau war schmal aber hoch mit Zwillingstürmen, die durch einen Wehrgang miteinander verbunden waren. Die Höhenburg grenzte auf zwei Seiten an eine tiefe Schlucht, auf der dritten Seite stieg der Berg steil an. Selbst jetzt im trüben Grau des Himmels sah sie wunderschön aus.
Dann ritten sie über eine schmale Brücke, die in das Gebirge natürlich eingeformt war. Ein so tiefer Abgrund lag darunter, dass Sakura sich nicht traute die Augen aufzumachen. Unwillkürlich umklammerte sie Sasuke noch ein bisschen fester. Falls es ihn störte, beschwerte er sich jedenfalls nicht. Sie durchquerten ein großes Wehrtor und kamen auf dem Innenhof der Burg zum Stehen. Außer einigen Wachen war niemand zu sehen. Und Sakura war froh darum, denn so dreckig und durchnässt wie sie war, hätte sie sich furchtbar geschämt dem Uchiha Fürsten gegenüberzutreten. Außerdem waren ihre pinken Locken furchtbar zerzaust und ihr hübsches Kleid hatte Risse und dicke, braune Flecken.
„Könnt Ihr selbst absteigen, Lady Sakura?"
Es dauerte einen Moment bis sie Sasukes Worte begriffen hatte und plötzlich wurde ihr klar, dass sie ihn immernoch fest umklammert hatte, obwohl sie schon längst angehalten hatten. „Natürlich", erwiderte Sakura schnell, ließ ihn los und stieg leicht unbeholfen vom Pferd. „Ich danke Euch, Mylord Sasuke."
Ihre Augen trafen sich.
„Die Bediensteten werden Euch gleich zu Euren Gemächern führen. Wartet hier einfach, Sakura." Sasukes Stimme war dunkel, aber ungewohnt weich. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Dann trabte er mit den übrigen Uchiha Männern fort zu den Ställen.
Sakura beobachtete ihn noch einen Moment, doch sie musste nicht lange warten bis man sich ihrer annahm. Erst jetzt bemerkte sie, dass der Regen aufgehört hatte.
