Disclaimer: Die Welt von Harry Potter gehört JK Rowling und ich verdiene absolut kein Geld mit der Geschichte
Spoiler: Den "Halbblutprinzen" gelesen zu haben ist bei der Geschichte sicherlich von Vorteil;)
Der Rosengarten
Das leise Trippeln winziger Füße macht mich auf die Anwesenheit meiner Hauselfe aufmerksam. Langsam blicke ich auf und beobachte wie das kleine Geschöpf vorsichtig eine Tasse mit heißen Tee in meine Reichweite auf den Tisch vor mir stellt.
„Fipsy hat Madam ihren Tee gebracht", piepst die Hauselfe und trippelt davon.
Nachdenklich sehe ich ihr nach wie sie in die Küche verschwindet und komme nicht umhin, als wieder einmal zu bemerken, dass Fipsy nicht mehr so flink ist wie vor einigen Jahren noch. Eine Tatsache, die auf ihr hohes Alter zurückzuführen ist. Doch nicht nur meiner Hauselfe merkt man ihr Alter an. Auch an ihrer Herrin ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Schon seit geraumer Zeit verbringe ich meine Tage am liebsten in einem bequemen Stuhl in der Nähe des Kamins und blicke durch das Wohnzimmerfenster ins Freie. Fast ebenso lang zählt eine warme Tasse Tee, die Fipsy jeden Tag pünktlich – wie es sich für eine gute Hauselfe gehört – um ein Uhr serviert zu meiner alltäglichen Routine.
Doch heute werfe ich nur einen kurzen Blick auf den Tee und richte meine Aufmerksamkeit stattdessen wieder dem Stück Pergament zu, das vor mir liegt. Obwohl ich die Feder schon eine Weile in der Hand halte, ist noch kein Wort zu lesen. Wo soll ich nur beginnen? Wie soll ich Geschehnisse am besten zu Papier bringen, über die ich solange geschwiegen habe. Nie habe ich jemanden erzählt, was sich vor so langer Zeit ereignet hat. Doch jetzt, in meinem fortgeschrittenen Alter, verspüre ich plötzlich das Bedürfnis über diese Ereignisse zu berichten. Vielleicht wird es befreiend wirken, das Erlebte in Worte zu fassen, auch wenn ich noch nicht weiß, was ich dann mit dem Pergament anfangen werde. Werde ich es verbrenne oder zu meinen Sachen legen, damit es nach meinem Tod, wenn es das Schicksal will, gefunden und gelesen wird? Es wird sich zeigen.
Vielleicht sollte ich damit beginnen, wer ich bin. Mein Name ist Madam Trelawney. Ich bin eine Urenkelin der berühmten Seherin Cassandra Trelawney. Sie werden vermutlich noch nicht von mir gehört haben, denn ich führe schon seit geraumer Zeit ein sehr zurückgezogenes Leben. Aber wenn Sie nicht gerade Durmstrang oder Beauxbaton besucht haben, werden Sie als ehemaliger Hogwarts Schüler sicher von meiner Nichte Sybill Trelawney gehört haben und wenn Sie bei ihrer Fächerwahl etwas Vernunft bewiesen haben, werden sie nicht nur von ihr gehört haben, sondern sie wird Sie sogar höchstpersönlich in Wahrsagen unterrichtet haben. Dann wissen Sie sicher, die Schwingungen in den höheren Sphären und die Einblicke in die Zukunft, die das innere Auge gewährt, entsprechend zu würdigen.
Aber vielleicht wissen Sie meine außergewöhnliche Begabung aber auch nicht zu schätzen. Es würde mich nicht wundern. Es ist schließlich das Schicksal vieler berühmter Seherinnen, dass sie nicht ernst genommen werden. Vielleicht wird sich Ihre Einstellung zu der hohen Kunst des Wahrsagens ein klein wenig ändern, wenn Sie gelesen haben, was ich niederschreibe. Doch erwarten Sie jetzt bloß keine spektakulären Vorhersagen oder die Enthüllung von weltbewegenden Ereignissen. Nein, gehen Sie besser nicht von solchen Dingen aus, sonst werden Sie am Ende noch enttäuscht sein, wenn Sie das Pergament fertig gelesen haben. Aber in dem Fall haben Sie vermutlich aber auch nicht wirklich verstanden, worum es bei meiner Geschichte wirklich geht. Sollte dies der Fall sein, seihen Sie nicht vergrämt. Schließlich kann nicht jeder empfänglich für die Schwingungen sein, die uns einen tieferen Einblick gewähren.
Etliche Jahre zuvor…
Schnipp. Schnipp.
Fein säuberlich abgetrennt fallen die Zweige von meinen Rosenbüschen zu Boden. Zufrieden betrachte ich das Ergebnis meiner Arbeit. Kein Zweig zuviel abgetrennt, keiner zuwenig. Perfekt. Mit Stolz betrachte ich meine Lieblinge. Keiner hier in der Umgebung kann einen Garten mit solch einer Rosenpracht vorweisen. Das Schlurfen von Schritten reißt mich aus meiner glückseligen Betrachtung von der Schönheit der Blumen vor mir und ich blicke auf. Jenseits des Gartenzauns sehe ich eine dickliche Gestalt auf mich zugehen. Ich merke wir mir das Lächeln auf dem Gesicht einfriert. Offensichtlich ist die ältere Hexe, die zu meinem größten Leidwesen nebenan wohnt, gerade auf den Heimweg. Mit einem falschen Lächeln auf ihrem Gesicht bleibt sie vor mir stehen um ein Gespräch zu beginnen.
Offen gesagt wäre es mir lieber sie würde nicht immer Gespräche mit mir anfangen, denn ich weiß genau, dass sie eigentlich nur mit mir redet, weil sie die Gespräche mit mir belustigen. Offenbar hält sie mich für so weltfremd und innerlich abwesend, dass sie meint ich würde es nicht bemerken. Doch vor dem inneren Auge kann sie es nicht verbergen. Außerdem hatte ich ohnehin vor einigen Monaten ein Gespräch zwischen ihr und einer ihrer Verwandten, die zu Besuch waren, mit angehört, als ich mich um meine Rosen kümmert und die beiden mich nicht bemerkt hatten. Wie konnte sie es nur wagen zu erzählen, ihre Nachbarin sei eine verrückte Schwindlerin, die nichts von den Fähigkeiten ihrer Ahnin besitze und sich nur wichtig machen wollte. Im Winter richtigerweise zu behaupten, dass es bald schneien würde, könnte ja schließlich bald wer, dazu bedürfe es ja keiner besonderen Kräfte.
„Guten Tag, meine liebe Madam Trelawney."
„Guten Tag", erwidere ich und beginne wieder damit überflüssige Rosenzweige zu entfernen. Doch das innere Auge flüstert, dass meine Nachbarin den subtilen Hinweis es bei dem bloßen Austausch von Höflichkeitsfloskeln zu belassen, nicht bemerken wird. Das innere Auge irrt nicht.
„Sie sehen aber heute wieder großartig aus, meine Liebe."
Der Höfflichkeit wegen lächle ich pflichtschuldigst, auch wenn ich genau weiß, dass sie der Ansicht ist, ich sehe wie eine dürre Vogelscheuche aus. Aber nicht nur meine Nachbarin versteht sich auf höffliche Schmeichlereien, die nicht weiter von der Wirklichkeit entfernt sein könnten.
„Das ist ganz lieb von Ihnen, dass Sie das sagen. Aber ich kann das Kompliment nur erwidern. Wie machen Sie das nur, dass Sie so jung aussehen?"
Ein geschmeicheltes Lächeln erscheint im Gesicht meines Gegenübers, offenbar hat sie mich ernst genommen. Kurz frage ich mich, ob es im Nachbarhaus keine Spiegel gibt.
„Ihre Rosen sind ja wirklich ganz prächtig, verehrteste Nachbarin."
Ich kann nicht verhindern, dass sich ein begeistertes Lächeln auf meinem Gesicht breit macht, während ich weiterhin bedächtig Zweige entferne. Plötzlich erscheint mir die Aussicht auf ein längeres Gespräch gar nicht mehr so zuwider.
„Nicht wahr? Meine Rosen sind mein ganzer Stolz und nicht zu Unrecht, möchte ich meinen. Schönere Rosen finden Sie sonst nirgends. Pflanzen brauchen eben viel Liebe und die richtige Person, die sich um sie kümmert. Ja, ja viel Liebe und die richtige Pflege ist das Geheimnis. Stundenlange Pflege um genau zu sein. Bei dieser Rosenart muss man zum Beispiel acht geben…"
„Äh, das ist ja alles ganz lieb und nett. Aber ist Ihnen eigentlich nie der Gedanke gekommen, ich meine es nur gut mit Ihnen, meine Liebe, dass Sie es ein bisschen übertreiben?"
„Wie bitte?"
Diese für meine Nachbarin doch recht offenen Worte, reißen mich brutal aus all meinen Überlegungen, die sich allesamt um die richtige Pflege von Rosen drehten. Für einen schicksalhaften Bruchteil einer Sekunde bin ich derart überrascht und schockiert zu gleich, dass ich mit meiner Hand daneben fahre und in Folge gleich mehrere lange Zweige zu Boden fallen, die eigentlich nicht abgeschnitten gehört hätten. Meine Lieblinge! Ein leiser Schluchzer entfährt mir.
„Aber meine liebe Madam Trelawney. Ich wollte Sie bestimmt nicht kränken. Nehmen Sie sich doch meine Worte nicht so zu Herzen. Ich war nur der Ansicht, dass es vielleicht einmal ganz gut für Sie wäre, wenn Sie sich nicht von früh morgens bis spät abends mit ihren Rosen beschäftigen würden. Nehmen Sie mich zum Beispiel. Ich habe eine Vorliebe für Topfpflanzen und doch beschäftige ich mich auch mit dem Ansammeln von Artefakten und mit vielen anderen Dingen. Ein bisschen Abwechslung würde Ihnen vielleicht sogar gefallen, wenn Sie es nur ausprobieren würden."
Halbherzig nehme ich ihre Worte wahr, doch alles an was ich in Wirklichkeit denken kann, sind die Zweige die mir zu Füßen liegen. Werden sich meine Rosen davon erholen? Wie viele Jahre lang wird man meinen Lieblingen diese schreckliche Schandtat ansehen?
„Nun, also, dann lasse ich Sie mal lieber allein, meine Liebe."
Abrupt sehe ich auf und starre die Frau an, die durch ihre Worte verantwortlich ist, dass mir solch ein Missgeschick überhaupt passieren konnte. Doch sie weiß nicht einmal was sie getan hat. Denkt sie doch tatsächlich, dass alleine ihre Worte mich so aufregen würden und dabei liegt die eigentliche Ursache meines Unglücks direkt vor meinen Füßen. Aber was versteht sie schon von Rosen.
Zorn auf die Frau vor mir breitet sich aus und am liebsten, würde ich den Zauberstab zücken und ihr einen Fluch auf den Hals jagen. Doch das einzige was ich tue, sind ihr ein paar Sätze entgegenzuschleudern.
„Sagen Sie nicht solche Dinge über mich und meine Rosen. Sie haben ja keine Ahnung."
„Aber meine Liebe, jetzt übertreiben Sie es aber ein bisschen. Wer wird sich denn gleich so aufregen. Ich habe Ihnen doch nur zu etwas mehr Bedachtsamkeit mir ihrem Hobby geraten."
„Das gleiche könnte ich Ihnen auch raten. Ihre Artefakte werden Sie noch in Schwierigkeiten bringen. Das innere Auge sieht es", erwidere ich hitzig und beobachte wie meine Nachbarin nach einem knappen Auf Wiedersehen weitergeht und etwas murmelt, dass sich verdächtig nach „verrückte Schwindlerin" anhörte.
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