Zwei Jahre… zwei lange Jahre. Still und leise lächle ich in mich hinein, umspiele einige meiner Haarsträhnen. Als all dies geschehen ist, hab ich es nie für möglich gehalten, dass diese Zeit so schnell vergehen würde. Und nun? Nun sitze ich am Ufer, ausgerechnet auf der Insel auf der alles ein Ende fand und nun? Nun ist es der Ort unseres Wiedersehens, unseres Neustarts.

„Ob wir uns sehr verändert haben?", murmle ich fragend vor mich hin. Mein Blick ist auf den Horizont gerichtet. Die letzten Sonnenstrahlen werden von der Dunkelheit verschlungen. Der Himmel schwärzt sich mehr und mehr, während allmählich die ersten Sterne gesichtet werden. Der Mond, nur eine schmale Sichel, bahnt sich seinen Weg und wird in seiner Form nur wenig Licht spenden. Die kalte Luft, die mich langsam umgibt, stört mich kaum. Fast scheint es mir, als wärme mich der Gedanken an die bevorstehende Wiedervereinigung. Das Meer ist ruhig, sachte Wellen schlagen gegen das Ufer. Wie unfair. Vor zwei Jahren hat sich unsere Welt aufgehört zu drehen, doch diese hat ihren Weg fortgesetzt. Die Nacht hat weiterhin den Tag abgelöst, während die Regenwolken von Sonnenstrahlen durchbohrt und vertrieben worden sind. Das Leben ist nicht vom Kurs abgekommen, wir aber sind es. Es zeigt lediglich die Unbedeutsamkeit meiner Existenz im Gegensatz zum Ganzen, nein, unsere.

Innerlich wie äußerlich. Man erkennt einen Unterschied. Manche Spuren haben sich in unsere Haut gebrannt, andere in unser Inneres. Inwieweit wir damit umzugehen vermögen, ist ungewiss. Momentan kann ich lediglich aus meiner Sicht schildern, trotzdem, ich bin der festen Überzeugung, dass es uns allen ähnlich ergeht. Die seelischen Wunden werden nicht so schnell verheilen. Es ist nicht so einfach, wie bei körperlichen. Denn die sind es längst. So manch jemand wird fragen, warum? Die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden… Tut sie das? Nein. Wer das gesagt hat, der kennt die Bedeutung vom wirklichen Schmerz nicht. Man kann vieles verdrängen, vergessen aber nicht. Selbst nach dieser Zeit überkommt es mich. Ich spüre den Schmerz, es verschlägt mir aufs Neue meinen Atem. Nachts wache ich schweißgebadet auf, sehe wie meine Freunde, meine Familie, verschwinden. Dann sehe ich ihr Gesicht. Angst und Reue. Ein quälender Ruf. Stille. Ja, ich habe mich verändert und doch auch wieder nicht.

„Wirst du mich noch lieben?" Ist es Dummheit, die aus mir spricht? Ist es die Hoffnung, die nicht schwinden will? Die Liebe macht uns blind, verletzlich. Blind vor der Wahrheit, der Rationalität. Wir öffnen uns, wir verlieren uns und am Ende ist es meist nicht bestimmt. Wir lassen uns darauf ein, nicht wissend wie es auszugehen vermag. In gewisser Hinsicht bin ich dumm. Ich kann sie noch immer nicht vergessen. Noch immer bin ich blind vor der Liebe zu ihr. Noch immer will ich nicht hören. Ihre Gründe waren einleuchtend. Wir waren nicht füreinander geschaffen. Ja, wir waren. Nun stimme ich ihr nicht mehr zu. Ich bin gereift. Man könnte auch von Einsicht sprechen. Heute habe ich eine klarere Sicht über die Probleme, die zur Trennung geführt haben. Ich bin nicht mehr dieser Hitzkopf von damals. Nicht mehr in dieser extremen Form. Nun könnte es funktionieren. Wenn sie es zulassen würde, wir könnten es schaffen.

Ein Seufzer entkommt meiner Kehle. Müde senkt sich mein Kopf. Wenn wir hierfür einen Neuanfang geschenkt bekommen, warum sollte dieser dann nicht auch für die Liebe gelten? Verloren blicke ich zu den Sternen.

„Beeil dich, ich wart auf dich."

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Endlich! Vor zwei Jahren schien alles noch so fern. Das Gefühl erneut auf unserem Schiff zu stehen, es ist unbeschreiblich. Die Tatsache, dass es diese Zeit unbeschadet überstehen würde, war nicht selbstverständlich. Im schlimmsten Fall wäre es in die Hände der Marine gefallen. Wir stehen tief in der Schuld unserer Helfer. Ob wir es je wieder gutmachen können?

„Der Rest sollte schon bald eintreffen", höre ich Franky, der hinter mir in einer Liege sitzt und sich eine Cola genehmigt. Wie hat er es bloß geschafft, sich solch einer Veränderung zu unterziehen? Sein Aussehen hat sich gewandelt, jedoch ist er im Inneren derselbe geblieben. Als Antwort schenke ich ihm ein Lächeln. Ja, bald treffen sie ein. Ich blicke diesem Treffen mit Nervosität entgegen. Nicht, weil ich meine Freunde lange nicht gesehen habe. Nicht, weil es auch bei ihnen große Veränderungen geben könnte, nein. Bald Nami gegenüberzustehen, das macht mich ein wenig unsicher. Hat sie sich stark verändert? Was ist ihr widerfahren? Wie wird sie überhaupt reagieren? Das Beziehungsaus vor der Trennung, dann dieser Zeitraum ohne jeglichen Kontakt. Die Möglichkeit zur Aussprache ist uns genommen worden. Das Risiko, dass sich Nami in diesem Sinne vollkommen verändert hat, also mir gegenüber. Was ist, wenn wir nicht einmal mehr normal miteinander reden können? Selbst nach diesem Schicksalsschlag?

Nachdenklich lehne ich mich gegen die Brüstung. Mein Blick streift umher und ich kann nichts erhaschen, das seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte. Resignierend stelle ich fest, dass mich Franky nicht aus den Augen lässt.

„Woran denkst du?", fragt er mich. Seine Neugierde ist nicht zu überhören. Ich warte mit meiner Antwort. Überlege, ob ich die Wahrheit sagen oder doch ausweichen soll.

„An sie", kommt es schlussendlich doch über meine Lippen. In zwei Jahren kann sich so vieles verändern. Ich hab es an der Welt gesehen. Nichts ist mehr wie zuvor. Der Tod des berüchtigten Kaisers, Edward Newgate alias Whitebeard, hat eine Erschütterung mit sich gebracht. Selbst auf dieser Insel ist nichts, wie wir es bisher gekannt haben. Von der Pracht und der Furcht ist nichts übrig geblieben. Im Gegenteil, Nichtsnutze treiben sich hier herum. Raue Umgangssitten stehen an der Tagesordnung. Die Angst vor der Regierung wie weggeblasen. Schrecklich.

„Du weißt nicht, was passieren wird?"

„Was ist, wenn wir an dem Punkt anknüpfen, an dem wir vor diesem Ereignis stehen geblieben sind?"

„Glaube ich nicht."

„Warum?"

„Weil es euch nichts bringt. Ihr hattet eure Differenzen. Wir dachten, dass unser letztes Stündchen geschlagen hat. Wir haben alles verloren und waren auf uns alleine gestellt, ohne dem Wissen es würde wirklich allen gut gehen. Glaubst du nun ernsthaft, dass sie trotzdem nur an euren Streit denken und die Freude über das Wiedersehen links liegen lassen wird?" Kurz hält er inne und sieht mich abwartend an. Der Gedanke ist mir nicht neu. Schließlich habe ich genügend Zeit zum Nachdenken gehabt. Warum aber fühlt es sich anders an, wenn man die Worte von einer anderen Person hört, als von sich selbst? Warum geben mir die Worte aus seinem Mund mehr, als meine Gedanken?

„Ich habe Angst, dass das nichts mehr wird. Freundschaftlich gesehen." Die letzten Worte sind nur schwer über meine Lippen gekommen. Freundschaft. Das Recht auf mehr hab ich wohl verwirkt. Franky straft mich einen Moment lang mit Schweigen. Sein monströser Körper erhebt sich mit einem Ruck. Wie kann er mit diesen Körperbau bloß Kleinstarbeit leisten? In seiner Erscheinung ist er nicht unauffälliger geworden, im Gegenteil. Er stellt sich direkt neben mich und es scheint als würde er das Schiff inspizieren. Seine Pranken streifen das Holz, welches bereits für unsere nächste Reise präpariert wurde. Coating, ein sonderbares Handwerk.

„Dummkopf", murmelt er vor sich hin. Mit der Fingerspitze tippt er mir seufzend gegen meine Stirn.

„Du denkst viel zu kompliziert. Lass es auf dich zu kommen. Wenn es so ist, dann nimm es hin oder kämpfe. Sollte dem nicht sein, dann kämpfe. Verstehst du?" Perplex starre ich ihn an. Solche Worte bin ich von ihm nicht gewohnt, erst recht nicht diese Geste.

„So wie ich es verstanden habe, soll ich kämpfen", antworte ich lächelnd und wende meinen Blick ab.

„Richtig. Hör auf dein Herz und nicht auf deinen Kopf und dann kämpf gefälligst. Ihr gehört zusammen. Das war uns allen schon immer klar. Man konnte euch ansehen, wie glücklich ihr seid, wie ergänzend. Letzteres führte zu Schwierigkeiten, aber auf der anderen Seite macht es diese Beziehung aus. Ihr seid teilweise das genaue Gegenteil des anderen. Ob es nun am Altersunterschied oder an der Lebenseinstellung an sich liegt, man kann es nicht ändern. Der Grund, warum es so ist, hat auch keinerlei Bedeutung. Fakt ist, dass es euch als Paar definiert. Während du ihr Temperament zügeln kannst, lockt sie dich aus der Reserve. Ich glaube kaum, dass ihr weniger Probleme hättet, wäret ihr in gewisser Hinsicht vollkommen identisch. Mit Sicherheit nicht. Euer erster Versucht ist gescheitert. Bedenkt man, was euch in eurer Vergangenheit widerfahren ist, so scheint es normal, dass das nicht von heute auf morgen klappen kann. Aus Fehlern lernt man. Als macht es auch!" Mit diesen Worten kehrt er mir den Rücken zu und lässt sich erneut auf seiner Liege nieder. Lautlos formen meine Lippen: Danke.