Schon lange lebe ich wieder hier. Hin in meiner Welt, in meiner Zeit. Lange war ich nicht ehr im Mittelalter. Aber es kommt mir nicht so lange vor. Alles ist schon vergangen. Nur noch in meinen Gedanken aktuell. Ich gehe meinen Weg wie immer.

Auch früher war es für mich selbstverständlich. Und heute auch wieder. Aber es gab eine Zeit dazwischen, in der ich selten hier war und meinen Weg zur Schule gehen konnte. In dieser Zeit war ich immer in einem anderen Zeitalter. Immer unterwegs. Unterwegs um das Juwel zu suchen. Die Splitter des Juwels, um genau zu sein.

Ich habe viele Tage und Wochen dort verbracht. Ich habe neue Freunde gefunden. Und eine neue Liebe. Ich wollte eigentlich immer mit Hojo zusammen sein, einem sehr netten Klassenkameraden. Aber jetzt nicht mehr. Hojo interessiert mich nicht mehr.

Ich bin in der Zeit, in der ich weg war, gewachsen. Meine Gefühle haben sich verändert. Ich sehe diese Welt um mich herum anders. Anders als früher. Aber was ist das schon? Was macht das für einen Unterschied? Ich sehe aus wie früher. Auch mein Verhalten hat sich nicht groß geändert. Ich habe nur an Erfahrung zugelegt.

Mein Weg führt mich zur Schule. Ich sehe die ganzen anderen Schüler, wie sie ihren Weg ebenfalls zur Schule fortsetzen. Einige lächeln und andere ziehen ein miesgelauntes Gesicht. Sie wissen nicht, wie einfach sie es doch haben. Sie denken ihr Leben ist schwierig aber im Vergleich zum Mittelalter ist das Leben hier das reinste Paradies.

Plötzlich schlägt etwas von hinten auf meine Schulter. Es sind meine Freundinnen, die mich jetzt in die Schule begleiten. Sie reden über alles mögliche. Das heutige Thema ist die gestrige Verabredung von Eri. Sie schwärmt von dem netten Jungen und wie toll der Abend war. Das sind alles nur Schwärmereien, keine Liebe.

Liebe, die nicht erwidert wird oder welche, die ein anderer nur empfindet, weil man ihn an eine vergangene Liebe erinnert, ist hart. Sehr hart. Ich habe so etwas durchgemacht. Ich bin die Reinkarnation von Kikyo, einer Priesterin aus dem mittelalterlichen Japan. Meine Aufgabe war es, das Juwel der vier Seelen, Shikonotama, zu beschützen.

Leider war meine erste Reise in die Vergangenheit nicht so gut gelaufen und das Juwel ist zerbrochen. Ich und ein Hundedämon, dessen Name Inu Yasha lautet, machten uns auf den Weg und suchten die Splitter es Juwels. Auf unserer Reise trafen wir viele Leute und einige haben uns auf der ganzen reise begleitet. Wir wurden Freunde.

Aber für Inu Yasha empfand ich mehr als nur Freundschaft. Anfangs war es mir nicht klar, aber mit der Zeit wurde es immer deutlicher. Aber dann kam sie, Kikyo. Eine alte Hexe hatte sie wieder ins Leben zurück gebracht. Sie und Inu Yasha verbrachten viel Zeit miteinander und ich merkte wie er mich immer mehr vergaß.

Es schmerzte. Es schmerzte schrecklich. Obwohl ich noch in Hojo verliebt war, schmerzte mich der Anblick der beiden. Aber dann verließ Kikyo Inu Yasha. Sie folgte ihren eigenen Weg. Erst dann verbrachten wir wieder mehr Zeit miteinander.

Nun aber nicht mehr. Meine Aufgabe ist erfüllt und das Juwel ist wieder eins. Wir haben alle Splitter gefunden. Es war hart, aber zusammen haben wir es geschafft. Ich war so glücklich als wir das letzte Stück gefunden hatten. Zwar war der Kampf gegen Naraku, einem Dämon, der das Juwel wollte, schwer aber wir haben letztlich doch gewonnen.

Als ich wieder nach Hause wollte, übergab ich das Juwel Kikyo, die in der Zwischenzeit ihre Reise beendet hatte und nun ihr Leben mit Inu Yasha leben wollte. Sie übernahm die Aufgabe und beschloss es zusammen mit Inu Yasha gegen machthungrige Dämonen zu verteidigen. Ich verabschiedete mich mit einem Lächeln von allen und wünschte ihnen noch ein schönes Leben. Mir war klar, dass ich sie nie wieder sehen würde.

Wie lange war all das schon her? Ein Monat? Oder zwei? Ich weiß es nicht. Aber es kommt mir vor als wäre ich erst gestern aus dem Brunnen auf unserem Grundstück gestiegen, durch den ich zwischen mittelalterlichem und modernen Japan hin und her reisen konnte. Die Zeit vergeht und das Leben geht weiter.

Aber mein Herz spürt die Veränderung. Es tut weh. Es vermisst Inu Yasha. Ihn und sein Benehmen. Er ist zwar oft wie ein Rüpel oder Kleinkind gewesen, aber dennoch war er etwas besonderes. Mein Herz sagte es mir immer zu.

Ich vermisse ihn und sein Lächeln. Auch seine Eifersuchtsanfälle fehlen mir. Auf unserer Reise ist uns ein Wolfsdämon begegnet. Sein Name war Koga. Er besaß zwei Splitter des Juwels. Wenn ich daran denke muss ich lächeln.

Koga machte mir immer Komplimente und reizte Inu Yasha damit. Sie stritten fast ununterbrochen, immer wenn sie sich sahen. Wenn Koga meine Hand ergriff und mir schmeichelte, platzt Inu Yasha fast. Er war eifersüchtig. Furchtbar eifersüchtig. Aber das waren nicht seine Gefühle für mich, sondern für Kikyo, die er in mich sah.

Wie gern hätte ich es, wenn er mich wollte und nicht Kikyo. Er hat mich nur beschützt weil ich ihr ähnlich sehe und die Splitter des Juwels spüren konnte. Nur deshalb. Nicht weil ich ihm wichtig war. Vielleicht als Freundin. Aber nicht mehr. Ich war nicht mehr für ihn als die anderen. Wir waren in seinen Augen nur Freunde.

Ich zeigte ihm immer wie sehr ich ihn mochte. Zwar nicht direkt aber immer mit Andeutungen. Diese waren unübersehbar. Selbst die anderen hatten es bemerkt, nur er nicht. Ich glaube aber er wollte es nicht bemerken. Schließlich liebte er immer noch Kikyo.

Ich war kein Ersatz, auch wenn ich ihr ähnlich sah. Wir beide waren doch sehr unterschiedlich. Außerdem hätte er nur mein Äußeres geliebt, weil es eben Kikyo ähnlich sieht. Aber meinen Charakter hätte er nicht geliebt. Was ist das für eine Liebe, die man nur dem Körper empfindet aber nicht der Seele. Das ist eine schmerzliche Liebe. Eine Liebe ohne glückliches Ende für den Geliebten, dessen Körper das einzige Liebliche für den anderen ist.

Ich musste gehen. Auch wenn ich es nicht gern tat. Wäre ich länger dort geblieben, wäre mein Herz vielleicht zerberstet. Ich weiß, ich hätte den Anblick von Inu Yasha und Kikyo in seinen Armen nicht ertragen. So war es besser. Ich werde darüber hinweg kommen. Hoffentlich.

Ich sollte mir an ihm ein Beispiel nehmen. Sicher hat er mich längst vergessen. Vielleicht erinnert Kikyo ihn noch schwach an mich, eine gewöhnliche Freundin für ihn. Aber nur vielleicht. Ich mache mir keine großen Hoffnungen. Immerhin hat er seine große Liebe wieder. Wer denkt da schon an Freunde? An vergangene Freunde? An Freunde, die eh nie wieder kommen?

Ich konnte schon das Schulgebäude sehen. Meine Freundinnen bemerkten wie still ich die ganze Zeit über war. "Was ist mit dir Kagome?" wurde ich gefragt.

Beschwerlich versuchte ich unbekümmert zu lächeln und antwortete "Nichts. Ich habe nur schlecht geschlafen. Das ist alles."

Diese Antwort schien ihnen zu reichen. Sie stellten keine weiteren Fragen mehr. Sie nahmen es einfach hin, wie still ich war. Eigentlich kennen sie mich nicht so. Aber ich bin ja schon so seit ich wieder zurück gekommen bin. Die ganze Zeit. Die Zeit, die mir wie eine Sekunde vorkommt. Mein Kalender aber sagt mir etwas anderes. Er sagt mir, es ist über einen Monat her.

Mittlerweile sollte ich darüber hinweggekommen sein, aber ich bin es nicht. Meine Liebe zu Inu Yasha ist tiefer als ich dachte. Es wird noch einige Zeit vergehen bis ich ihn wirklich vergessen kann. Sicher wird es mir nicht so kurz vorkommen wie die letzte Zeit. Es wird Jahre dauern. Natürlich hoffe ich es nicht. Eine vergebliche Liebe macht das Leben nur schwerer.

Niemand, der es noch nicht erlebt hat, kann das nachempfinden. Das ist unmöglich. Aber es gibt dennoch Menschen auf dieser Welt, die es können. Menschen, die ähnliches durchgemacht haben. Sie haben die gleichen Gefühle erlebt und wurden in ähnlicher Weise enttäuscht. Oder verlassen.

Nun sind wir am Schuleingang. Es klingelt bereits zum hereingehen. Alle lachen und gehen hinein. Manche rennen sogar. Ein neuer Tag in meiner Welt beginnt. Ein weiterer Tag, der mich von meinen Erinnerungen verblassen lässt. Ein Tag ohne ihn. Ohne Inu Yasha.

Ich gehe hinein und der Unterricht beginnt. In fast jeder Pause kommen Jungs zu mir, die mir sagen wie sehr sie mich mögen. Seitdem sie wissen, dass ich von Hojo nichts mehr will, werde ich von ihnen regelrecht belagert. Von Jungs, die sich Hoffnungen machen. Aber keiner kann mit Inu Yasha mithalten.

Es wird lange dauern bis ich einen Mann finde, der ihm ähnlich ist. Sehr lange. In der Zeit habe ich noch meine Erinnerungen an ihn. Immerhin etwas. Aber diese Erinnerungen und die dazugehörigem Bilder machen mich traurig. Dennoch lächle ich. Nur ist es ein trauriges Lächeln. Ein Lächeln das meine Trauer und den Verlust widerspiegelt.

Die Schule ist zu Ende und es kam mir vor als hätte ich gerade erst das Gebäude betreten und bereite mich auf die erste Stunde vor. Ich trete aus dem Schatten, den das Schulhaus wirft und trete in das Licht. So als würde ich von einer Zeit in die andere gehen, ganz einfach wie durch den Brunnen.

Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Die Wärme schmeichelt meine Wangen und erwärmt alles. Nur mein Herz kann sie nicht wärmen und zu einem Lächeln zwingen. Mein Herz ist traurig. Es muss den Verlust der ersten richtigen Liebe verkraften. Ich gehe meinen Weg nach Hause. Keine meiner Freundinnen begleitet mich. Sie sind mit ihren Freunden verabredet.

Auch Morgen werden sie wieder vom heutigen Abend reden. Sie werden sich freuen und wie die Sonne lächeln. Sie sind glücklich. Sie werden den Schmerz erst lernen. Erst die Zeit wird ihnen die Erfahrung bringen, die ich schon kenne. Auch sie werden traurig sein. Sie werden mein Verhalten noch am eigenen Leib erfahren. Aber im Moment wünsche ich ihnen, dass sie glücklich sind und so lange wie möglich bleiben.

Mein Weg zeigt mir mein Ziel. Noch ist es nicht in Sicht, aber bald. Dann bin ich wieder Daheim. Muss vorbei an den alten Schrein, in dessen Innerem sich der Brunnen versteckt. Der Weg in die Vergangenheit. Nur werde ich ihn nicht gehen. Ich werde an dem Schrein und die Vergangenheit vorbeiziehen. Jeden Tag werde ich dis tun. Genauso wie die letzten Wochen.

Die Zeit vergeht und sie zieht an mir vorbei. Auch die Sonne geht schon unter. Es kam mir gar nicht so lange vor. Die Zeit rennt nur so an mir vorbei und ich lebe wie in Zeitlupe. Die Welt zieht an mir vorbei und ich sehe wie die Menschen durch die Gegend hetzen als gäbe es kein Morgen.

Aber alles kommt wenn die Zeit reif ist. Die Zeit vergeht und wir leben weiter. Immer weiter. Die Zeit vergeht und mein Herz wird langsam leichter. Was ist Zeit? Sie vergeht und zieht uns mit sich. Sie vergeht und wir leben mit ihr. Unser Leben zieht in der Zeit wie eine Sekunde vorbei. Wir vergessen und erinnern uns an Vergangenes.

Eines werde ich niemals vergessen. Meine Zeit im mittelalterlichen Japan. Auch diese Zeit vergeht und schon sind wir im hier und jetzt. Im modernen Japan.

Was ist Zeit? Sie vergeht und reißt uns mit sich. Was ist Zeit? Wir haben kaum Zeit im Leben aber aus der Sicht der Ewigkeit ist ein Leben nur ein Bruchteil einer Sekunde. Was ist Zeit? Sie vergeht und wir bemerken es nicht.

Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden. Ob es auch in meinem Fall so sein wird?

Ende

Kommentar: Ich war zwar noch niemals bisher verliebt. Trotzdem hoffe ich, dass ich die Gefühle und Gedanken von Kagome verständlich und nachvollziehbar beschrieben habe.