Der Beginn des Prozesses
„Endlich! Heute ist der Prozess."
Zufrieden sah Harry Potter seine Freunde Ron Weasley und Hermine Granger an. Die Tatsache, dass sich heute alle verhafteten Todesser – einschließlich seines verhassten Ex-Lehrers Severus Snape – vor dem höchsten Zauberergericht verantworten mussten, erfüllte ihn zugegebenermaßen mit einer genugtuerischen Freude.
„Ja."
Hermine nickte nur, während sie versuchte, sich und den beiden Jungs einen Weg durch die Menge zu bahnen, die sich vor dem Eingang des Gerichtssaals drängte.
„Hey! Harry, Ron, Hermine!"
Sie sahen Rons Vater Arthur Weasley an einem kleinen Nebeneingang stehen. Dieser sah sich hastig um und winkte sie zu sich. Die drei folgten ihm und wurden von ihm auf eine der Extratribünen geführt, von der man einen perfekten Blick hatte.
„Super, hier sitzen wir echt ideal!", freute sich Ron und setzte sich mit Harry in die erste Reihe, während sich die Masse ins Parterre drängte.
„Wir sind hier nicht im Kino.", flüsterte Hermine und setzte sich zu den übrigen Erwachsenen, die nachdenklicher aussahen.
Lupin, Moody, Tonks, McGonagall und die anderen Lehrer befanden sich neben der Weasley-Familie noch auf der Tribüne. Obwohl sich auf der Anklageliste der Hauptverbrecher heute etwa 20 Leute befanden, kam es den Anwesenden auf dieser Tribüne doch nur auf einen an: Severus Snape, der Mörder Albus Dumbledores. Bis zum Ende hatten die Erwachsenen – zum Unverständnis von Harry – nicht glauben wollen, dass Snape wirklich auf der anderen Seite stand.
‚Aber jetzt steht es ja fest und heute kriegt er alles zurück.', dachte der-Junge-der-lebt zufrieden, doch seine Gedanken wurden unterbrochen, als die Menge unten in Aufregung ausbrach.
Unter Bewachung von einem ganzen Aufgebot von Auroren wurden die 20 Angeklagten in schweren Ketten hereingeführt. Die meisten sahen sich hektisch um, man sah ihnen an, dass sie nicht abschätzen konnten, was auf sie zukam. Nur einer nicht: der letzte Hereingeführte, Severus Snape. Er sah strikt geradeaus, missachtete die Leute, die verschmähenden Rufe, die ganze Hetze um ihn herum. Die Wächter führten die Delinquenten auf die Empore vor dem Gericht und sperrten jeden in einen einzelnen kleinen Käfig, der auf Halshöhe der Inhaftierten nach innen gerichtete Stahlstacheln hatte.
„Das Gericht eröffnet die Verhandlung.", erhob der Vorsitzende die Stimme. „Die hier Vorgeführten werden der Verschwörung mit dem-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf und der Organisation dieses illegalen Bundes beschuldigt. Möchte sich einer der Angeklagten dazu äußern."
Narcissa Malfoy und ein paar andere Frauen kauerten sich einfach nur zusammen und schluchzten. Die Augen ihres Mannes, ihrer Schwester Bellatrix und der übrigen Todesser huschten weiterhin hektisch durch den Raum. Nur Severus Snape lächelte den Vorsitzenden höhnisch an.
„Was passt Ihnen denn besser in Ihre Urteilsbegründung?", konterte er sicher.
Überrascht sahen die Richter ihn an.
„Wie meinen?"
Snape lachte kurz trocken auf.
„Herr Vorsitzender, wem wollen Sie hier etwas vormachen? Der Nation? Uns? Oder Sich selbst?"
Das aufgeregte Nach-Luft-Schnappen, das den Raum daraufhin erfüllte, ignorierte er und sprach unbeirrt weiter:
„Tun Sie nicht so empört. Wir alle wissen doch, dass das Urteil über uns schon spätestens mit unserer Verhaftung gesprochen wurde. Alles, was jetzt folgt, ist lediglich die farbenprächtige Ausschmückung Ihrer Urteilsbegründung. Also, was darf es sein? Die geläuterten, auf den Knien rutschenden Opportunisten, die versuchen, sich rauszureden? Oder die stolz zu ihren Taten stehenden Verbrecher? Wie hätten Sie's denn gerne?"
„Wollen Sie das Gericht hier als Farce bezeichnen?", empörte sich der Vorsitzende.
„Nein," antwortete Snape, „ich will das nicht, ich tue das: Diese ganze Verhandlung ist eine Farce."
Aufgeregte Rufe erfüllten den Raum, denen der Vorsitzenden auch mit seinem Hammer und der magisch verstärkten Stimme nicht Herr wurde.
„Das Gericht unterbricht die Verhandlung!", rief er schließlich.
Mit einem Wink seines Zauberstabes fuhren die Käfige in den Boden, bis sich über ihnen der Boden wieder schließen konnte. Mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen drängten sich die Leute nun wieder aus dem Saal. Auch das Gericht verließ den Saal.
„Ich glaub's nicht!", empörte sich Harry Potter. „Was erlaubt sich Snape eigentlich?"
„Nun, was hat er zu verlieren?", murmelte Lupin hinter ihm.
Bevor Harry darauf jedoch einsteigen konnte, kam eine rothaarige Frau, die etwa in Tonks' Alter war, auf sie zu.
„Mad-Eye, Tonks! Da seid ihr ja!"
„Sandra!", grüßte Tonks die Frau. „Was gibt es? Du bist ja so aufgeregt!"
Kurz verbeugte sich die Angesprochene in Richtung der anderen Anwesenden.
„Sandra Allen, ich bin in der gleichen Abteilung wie Mad-Eye und Tonks beschäftigt."
Dann wandte sie sich an ihre Kollegen.
„Wir sind ja bis eben noch damit beschäftigt gewesen, das Büro des verstorbenen Direktors Albus Dumbledores zu durchsuchen."
Moody nickte.
„Ich weiß. Aber das haben wir doch seit seinem Tod fast dauerhaft getan und nichts Verwendbares gefunden."
„Bis jetzt!", korrigierte Sandra Allen.
Auf die entgeisterten Blicke reichte sie Moody ein zusammengefaltetes Stück Pergament.
„Bei einem unglaublich gut versteckten Denkarium.", erklärte sie.
„Mad-Eye?", fragte Lupin auf dessen ungläubiges, langsames Kopfschütteln.
„Das muss zum Gericht.", antwortete der alte Auror nur.
Sandra nickte.
„Das Denkarium wird bereits dorthin gebracht."
