Ein ganz herzliches Dankeschön an Rygel, der mir hilft, dicke Patzer zu vermeiden (ich werde NIE wieder Dalek falsch schreiben!) und Ideen einbrachte, auf dich ich ohne das entsprechende Vorwissen nie von alleine gekommen wäre.
Spoilerhinweise - Diese Story spielt NACH „Journeys End" – der letzten Folge der vierten Staffel von Doctor Who
Bad Wolf's Life...
Ein Jahr war vergangen...
Ein Jahr, seit sie an der Bad Wolf Bay abgesetzt worden waren...
... in seiner persönlichen Hölle...
Er hätte es wissen müssen...
Aber stattdessen hatte er ernsthaft geglaubt, er würde dieses neue, dieses eine Leben mit Rose an seiner Seite, mit Freude begrüßen.
Es gab durchaus Aspekte dieses Lebens, die er genoss. Es gab sogar Aspekte, die er nicht mehr missen wollte. Doch was den restlichen, größeren Teil seines neuen Daseins betraf, wusste er heute, dass die meisten seiner Erinnerungen an ein Leben als sterblicher Lehrer John Smith, in einer ganz offensichtlich verklärten Variante in seinem Hirn verblieben waren.
Es war nach dem Verschwinden der Letzten seiner Art immer wieder ein durchaus realer Wunsch gewesen, sein Leben in einer endlichen Spanne mit jemandem zu verleben – nicht zusehen zu müssen, wie die, die ihm lieb und teuer geworden waren zu Staub zerfielen, sondern gleichzeitig mit ihnen zu enden – wieder echter Teil eines Ganzen zu sein.
Aber gleichgültig wie intensiv dieser Wunsch gewesen war, lebte in ihm doch der gleiche Überlebenswille, wie in allen... nun gut – in fast allen... Arten des Universums und so hätte er bei allen Nachteilen die seine beinahe unbegrenzte Lebensspanne mit sich brachte, derselben doch nie freiwillig ein Ende gesetzt.
Aber sein unbedachter Wunsch war nun – ohne dass man ihm ein Mitspracherecht eingeräumt hatte - erfüllt worden... Er lebte ein sterbliches Leben. Er hatte Rose bei sich. Er hatte eine Familie und obendrein, quasi als Bonus, war die Verantwortung die er stets empfunden hatte, über all die unvorhersagbaren großen und kleinen Katastrophen des Universums, von seinen Schultern genommen worden. Er liebte, er wurde geliebt – was mehr hatte er wünschen können?
Trotz des beängstigenden Gedankens, sich tatsächlich niederlassen zu müssen, war seine anfängliche Begeisterung sogar so weit gegangen, den Doktor der ihn hier abgesetzt hatte zu bedauern. Ihn dafür zu bemitleiden, dass er all dies nicht haben konnte und stattdessen wieder allein war – vielleicht an der Seite eines Begleiters – aber im Grunde genommen doch wieder allein...
Doch dieses Mitleid war schnell verschwunden und stattdessen war Zorn in ihm aufgestiegen... vor allem, als er erkannte, was der Doktor vermutlich längst gewusst hatte, der ihn, wie er es rückblickend empfand, in purer Egozentrik erschaffen hatte, als er schlicht keine „Lust" gehabt hatte, sich zu regenerieren – ungeachtet der Konsequenzen die sich daraus ergeben würden.
In seinem Hinterkopf, vom Wein den er im Verlauf des Abends schon übermäßig genossen hatte leider nur unzureichend vernebelt, nagte unerwünscht der Gedanke, dass weniger die unmittelbar nach dem Vorgang so offen zur Schau gestellte, selbstverliebte Egozentrik, als vielmehr die Angst, eine weitere Regeneration zu verbrauchen, der Grund für seine Handlung gewesen war... aber es gelang ihm stets, die von seinem Erschaffer unmittelbar nach der abgebrochenen Regeneration gesprochenen, höchst eitlen Worte in den Vordergrund seiner Erinnerung rücken zu lassen.
Abgesehen davon war nicht seine Erschaffung der Grund für seinen langsam aber stetig gewachsenen Hass auf den „Anderen"...
Wohl aber die Gründe, die dieser für seine Erschaffung aufgezählt hatte: ‚Geboren im Krieg' – hatte er es dramatisch genannt... ‚erfüllt von Blut, Zorn und Rache'. Er war also der Doktor, der Völkermord an den Daleks begangen hatte und deshalb nicht unbeaufsichtigt bleiben durfte? Was sollte dieser Unsinn? Was war mit ihm - seinem früheren Selbst! Er hatte nicht nur ebenfalls die Daleks vernichtet – sondern obendrein sein eigenes Volk! Und er würde es wieder und wieder und wieder tun – wenn die Umstände es erforderten! Es gab konkrete Gründe dafür, warum es so viele Wesen im Universum gab, die ängstlich zurückwichen, wenn sie seinen Namen hörten. Jedem Anderen hätte er – vielleicht – das Recht zugestanden, die Notwendigkeiten seines Handelns in Zweifel zu ziehen. Aber nicht ihm!
Ihn als Völkermörder zu bezeichnen, ihn als den „Preis" zu bezeichnen, den man hatte zahlen müssen um das Universum zu retten - als die Unsäglichkeit, deren Erschaffung nicht zu vermeiden gewesen war und ihm Rose als „Wächterin" an die Seite zu stellen um das Monster, das er angeblich war, im Zaume zu halten und zu läutern... das war einfach lächerlich!
Alles was Rose an dem Doktor bewirkt hatte, von dem sie so selbstgerecht an der Bad Wolf Bay zurückgelassen worden waren, hatte sie auch an ihm getan. Wenn der Doktor also tatsächlich durch den Einfluss einer blutjungen blonden Menschenfrau in so kurzer Zeit so sehr verändert worden war, was seiner Meinung nach generell ein kitschig romantischer Trugschluss war, dann galt dies für ihn ebenso wie für den anderen! Seine Erschaffung war aus der Energie dieses doch angeblich bereits veränderten Doktors hervorgegangen. Die Regenerationsenergie, die ihm zuvor ermöglicht hatte, eine neue Hand wachsen zu lassen, hatte nun sozusagen der Hand ermöglicht, einen neuen Doktor wachsen zu lassen. Er konnte sich nicht an eine ähnliche Geschichte erinnern und es wäre zum Lachen gewesen, wäre die ganze Angelegenheit nicht so überaus ernst. Sie waren, abgesehen von dem fehlenden Herzen und dem menschlichen Anteil in ihm, identisch. Körper, Gedanken, Erinnerungen, Eigenschaften und Empfindungen! Wie konnte der andere dann mit solch einer Überzeugung behaupten, er sei soviel anders als er?
Wenn er tatsächlich charakterlich anders war, dann konnte dies nur an dem Teil liegen, der ihn von seinem Erschaffer unterschied – dem menschlichen Teil – Donna... und ausgerechnet von ihr zu behaupten, sie sei der Anteil in ihm, der für Blut, Rache, Zorn und Völkermord zuständig war, war wohl im besten Fall ein schlechter Scherz...
Und doch hatte er auf diese an den Haaren herbeigezogenen Anschuldigungen kaum reagiert, weil der Andere so überaus geschickt vorgegangen war...
Er war inzwischen davon überzeugt, dass dieser Doktor lange vor ihm gewusst hatte, was ihm bevorstehen würde. Durch den menschlichen Faktor in ihm veränderte sich seine gesamte Physis rapide schnell.
Es musste für das Schiff verwirrend sein, dass er nun zweimal existierte und vielleicht hätte es ihn in gealterter Form schon bald nicht mehr als den erkannt, der er war? Zumal der ursprüngliche Doktor nach wie vor mit der TARDIS verbunden war, als sei nichts geschehen.
Er schluckte.
Nein... das wäre nicht geschehen... sie würde ihn immer erkennen!
Oder?
Nein! Es wäre nicht geschehen! Seine Verbindung zur TARDIS hatte nichts mit dem Aussehen oder gar dem Alterungsprozess seines Körpers zu tun!
Aber gleichgültig wie das Schiff sich ihm gegenüber verhalten hätte, wäre es in jedem Fall eine Option gewesen, zu dritt weiter zu reisen.
Es gab dutzende „möglicher Vielleicht" in diesen Überlegungen.
Es wäre eventuell nicht mehr seine TARDIS gewesen. Vielleicht war es nun die des „Anderen"... aber selbst in diesem Punkt war er nicht sicher. Immerhin hatte das Schiff einen nicht unerheblichen Beitrag zu seiner Erschaffung geleistet. Das Schiff hatte überhaupt erst ermöglicht, dass Donna ihren Teil zu der unerwarteten Regeneration beitrug.
Vielleicht hatte es sogar gewollt, dass er an Bord bleibt und spürte nun seine Abwesenheit ebenso schmerzhaft wie er die des Schiffes?
Es wäre ihm sicher gelungen, eine veränderte Beziehung zur TARDIS zu akzeptieren – aber nicht diese völlige Trennung, die sich immer noch anfühlte, als fehle ihm ein Bein oder eines seiner Herzen.
Spätestens wenn dieser Gedanke in ihm aufkam, lachte er stets hämisch auf und konzentrierte sich kurz vergeblich auf ein Gefühl, das nicht mehr da war... das Pulsieren seines zweiten Herzens... als habe die TARDIS es mitgenommen.
Als das Schiff diese Dimension verlassen hatte, hatte er für einen kurzen Moment das Gefühl gehabt, es zerreiße ihn. Die Verbindung war auf so schmerzhafte Weise zerschnitten worden, dass er heute noch die Luft anhielt, wenn er nur daran dachte...
... so wie alles in diesem neuen Dasein schmerzhaft war...
Altern... er hatte es immer mit Faszination, aber auch mit einem leichten Gruseln beobachtet, wie die Wesen um ihn herum alterten. Es hatte es für wünschenswert gehalten, es selbst zu erleben – aber da hatte er auch noch nicht gewusst, wie es sich anfühlt.
John Smith, der Lehrer, war ein Mensch gewesen. Er hatte nicht fühlen können, was der Doktor jetzt fühlte – den Verlust der Zellen, die sich nach ihrem Tod nicht wieder regenerierten... Sein Körper war der eines Mannes Ende Dreißig. Der Körper eines Menschen hatte zu diesem Zeitpunkt seinen Zenit bereits überschritten und der Verfall hatte begonnen... Er war Mensch genug, um zu altern – aber er war noch gerade soviel Timelord, dass er diesen Vorgang fühlen konnte – in jeder Sekunde...
Es hatte im vergangenen Jahr Nächte gegeben in denen er schreiend aufgewacht war, weil er im Traum das Gefühl gehabt hatte, sich in seine Einzelteile aufzulösen. Wenn er wie ein ängstliches Kind das Licht angeschaltet hatte um im Lichtkreis der Lampe zu liegen und zuzuhören, wie sich der Herzschlag seines einen Herzens viel zu langsam wieder beruhigte, hatte er es besonders intensiv gespürt...
Er versuchte in diesen Momenten oft, sich zu erinnern, ob es für ihn in seiner achten Form, als er eines seiner Herzen operativ verloren hatte, ebenfalls Phasen gegeben hatte, in denen es so unerträglich gewesen war, nur einen Herzschlag in sich zu spüren, aber die gegenwärtige Empfindung überschattete die Erinnerung und er konnte es beim besten Willen nicht mehr sagen. Er wusste nur, dass es jetzt, vor allem dann, wenn sein Herz schnell schlug, so war, als reiche dieses eine Herz nicht aus.
Und Rose hatte ratlos zusehen müssen, wie seine anfängliche, verhaltene Freude über die neuen Möglichkeiten sich allmählich in eine wütende, aggressive Resignation verwandelt hatte.
Während der Arbeit und wann immer er die Möglichkeit hatte, sich auf etwas zu konzentrieren, schien er den Menschen um sich herum kaum verändert, das wusste und begrüßte er – aber Rose wusste es besser, denn sie erlebte ihn auch in den anderen Momenten.
Ian Foreman, wie er nun hieß, weil die Menschen um ihn herum nicht ohne einen „richtigen" Namen für ihn auszukommen schienen, obwohl sie wussten, wer er war, stand am Fenster seines Firmenappartements und sah mit verschränkten Armen auf die nächtliche Stadt.
Er hatte damals kurz überlegt, seinen üblichen menschlichen Namen, John Smith, zu benutzen, diesen Gedanken aber schnell wieder verworfen.
Dieses Leben war keine kleine „menschliche" Episode im Leben des Timelord – es war sein neues Leben. Ein Leben in dem er ein Appartement besaß, einkaufen und arbeiten ging und ein Gehalt bezog, dessen Umfang bestimmte, welche Möglichkeiten er in diesem Leben haben würde.
Gemessen am Standard der meisten Menschen musste er sich wohl glücklich schätzen, denn sein Wissen hatte ihm einen hervorragenden Platz in der Forschungsabteilung von Torchwood gesichert – wo sonst hätte er auch unterkommen sollen. Er wurde für seine innovativen Einbringungen gut entlohnt, wie er inzwischen beurteilen konnte, und sein Appartement war gemütlich und durchaus ansehnlich. Aber für ihn war es ein Gefängnis...
Obwohl er durch die große Scheibe, die sein Wohnzimmer von dem ausladenden Balkon trennte, hindurchsehen konnte, spiegelte sich doch auch sein Gesicht darin und er hatte, wie so oft, das Gefühl, seinem Kerkermeister gegenüberzustehen. Er hatte eindeutig erneut zuviel getrunken.
„Du hast das alles gewusst...", sagte er plötzlich, als könne sein Spiegelbild ihn hören. „Dabei ist es doch Unfug, zu glauben, du hättest es gewusst und ich nicht – nicht wahr? Wir sind so kurz vorher noch eins gewesen... ich hätte es genauso wissen müssen... Du hast Rose bei mir gelassen, weil du wusstest, dass diese Möglichkeit meinen Widerstand verschwinden lassen würde... Oooh, du kennst mich so gut... besser als jeder andere... Vermutlich hast du es wieder für eines der großen Opfer gehalten, die du ja immer bringst! Du wusstest, dass ich nicht widerstehen können würde... es war so leicht... du wusstest genau, was du tust, als du ihr nicht gesagt hast, was sie hören wollte... Und sie war so verwirrt, dass sie nicht bemerkt hat, wie unlogisch das war, was du von dir gegeben hast... das ist der eine Punkt, den ich immer noch nicht ganz verstanden habe – warum du sie zurückgelassen hast... aber das war mir in diesem Moment egal... also hab ich ihr die drei kleinen Worte gesagt – berauscht davon, sie endlich auszusprechen und berauscht davon, zu wissen, was es in ihr auslöst. Als du dich abgewandt hast, als sie mich geküsst hat, habe ich geglaubt, du wärst traurig, weil du nicht an meiner Stelle warst – aber heute weiß ich es besser... heute weiß ich, dass du dich geschämt hast, weil ich in deine Falle getappt bin... das Versprechen auf ein Leben an ihrer Seite schien so herrlich, so unwiderstehlich... dass ich, genau wie sie, nicht einmal darüber NACHGEDACHT habe, dass es dummes Zeug sein könnte, dass wir in dieser Dimension zurückbleiben müssen... dabei war es in Wirklichkeit einfach nur so, dass du genau wusstest, was dich erwartet, wenn ich in vollem Umfang realisiere, was du mit mir erschaffen hast... also musstest du mich aus dem Weg schaffen – am besten aus deinem Universum... selbst wenn das hieß, sie erneut zu verlieren."
Er gab ein ungehaltenes Seufzen von sich.
„Und jetzt stehe ich hier, und unterhalte mich wie ein Trottel mit meinem eigenen Spiegelbild..."
Mit einem Ruck wandte er sich von der Scheibe weg und ging die paar Schritte bis zu dem überdimensionierten Sofa in der Mitte des Raumes, einem Sofa, wie es nur Rose Tyler hatte aussuchen können. Aber er musste zugeben, das es der gemütlichste Aufenthaltsort in seiner Wohnung war.
Trotzdem entfloh ein weiterer ungehaltener Laut seinen Lippen, als er sich in die weichen Polster fallen ließ.
Er lehnte sich noch einmal kurz nach vorne, um sich ein weiteres Glas Rotwein einzugießen und trank in zu großen Schlucken aus dem zu teuren Glas...
Dann prostete er einem nicht anwesenden, imaginären Gegenüber zu.
„Auf dich, mein zeitloser Schatten!" seine Stimme gehorchte ihm nicht ganz, was ihn nicht daran hinderte, seinen Trinkspruch zu vollenden. „Auf dass du weiterhin dafür sorgst, dass ich nicht finde, was ich will. Auf Rose Tyler, die weiß, dass ich nicht du bin und die mir diese Tatsache ausgesprochen übel nimmt. Und..." er stand auf, um sich, angetrunken wie er war, etwas wackelig vor seinem imaginären Gast zu verbeugen „und auf den Tag, an dem wir uns wieder gegenüberstehen und an dem ich dir heimzahlen werde, was du mir damit angetan hast, dass du mich geschaffen hast... du selbstsüchtiger..." er holte aus und warf mit wutverzerrtem Gesicht das noch halbvolle Glas gegen den großen Kamin der dem Sofa gegenüberstand, so dass es klirrend daran zerschellte und Wein und Glassplitter auf dem Teppich davor verteilte „...BASTARD!"
TBC
