If I let you go
Lisa stand neben Rokko am Altar. Der Pfarrer hatte sie gerade gefragt, ob sie Rokko heiraten wolle. Bis das der Tod Euch scheidet? Mach ich wirklich das Richtige? Tausend Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. „Lass uns durchbrennen." Das hat David gestern Abend noch zu mir gesagt. „David liebt Dich!" Hatte Mariella Recht? „Tu einfach was Dein Herz Dir sagt" Papa hat Recht, aber was sagt es mir? Ein Schuss durchdrang die Stille, die sich in der Kirche ausgebreitet hatte. „David! " Lisa drehte sich um, raffte ihr Kleid und rannte zur Kirche hinaus. Alle Hochzeitsgäste folgten ihr. Nur Rokko blieb, wie der Pfarrer, irritiert am Altar stehen.
Als Lisa durch die Kirchentür rannte, sah sie wie Richard gerade davonlief. Auf dem Rasen vor der Kirche lag David. Er hielt sich die Hände vor den Bauch. Lisa lief zu ihm. „David!" Sie kniete sich neben ihn und sah ihn an. Er öffnete die Augen. „Lisa? Keine Angst, ich hab die Kugel nicht abbekommen. Bitte tu es nicht. Heirate mich!" Lisa sah ihm in die Augen. Wieder hörte sie die Worte ihres Vaters: „Tu einfach was Dein Herz Dir sagt!" Bilder von dem Kuss mit David, am vergangenen Abend, stiegen vor ihr auf. Will ich das? War das ich? Sie merkte, dass jemand neben sie getreten war. Sie sah auf. Rokko stand neben ihr und sah sie fragend an. Er wird es verstehen. Er wird einfach gehen, wenn ich sage, dass ich mich nun doch für David entschieden habe. Er wollte immer nur, dass ich glücklich bin.
Sie stand auf. Sie nahm Rokkos Hand und sah ihn ernst an. Rokko wusste was nun folgen würde. Er machte sich mit dem Gedanken vertraut, dass er wieder gegen David Seidel verloren hatte.
Rokkos Gesicht verschwamm vor Lisas Augen. Sie sah ihn, mit seiner Gitarre, vor ihrem Fenster sitzen. An dem Abend war ich wirklich glücklich. Das Bild verschwand und wurde durch eine andere Erinnerung ersetzt. Der Abend in ihrem Zimmer, als sie das erste Mal zusammen waren. „Ich geh mit ihrer Tochter.", hatte er zu ihrem Vater gesagt. Lisa war, als fühlte sie immer noch seinen Kuss auf ihrer Stirn, mit dem er sich damals von ihr verabschiedet hatte. „Wir haben doch alle Zeit der Welt!" Ich bin doch glücklich! Jetzt, hier….mit Rokko. Sie sah hinab zu David, der sich schon wieder aufgesetzt hatte. Lisa bemerkte nicht, dass alle Anwesenden nur sie drei anstarrten. War ich mit David jemals glücklich, außer in meinen Träumen? Nein, nie wirklich! Lisa wurde klar, dass sie immer nur um David geweint hatte, dass er nie mehr als eine Träumerei gewesen war, die zwar jetzt zum greifen nah war, aber um welchen Preis? Vor ihr stand der Mann, der sie nie enttäuscht hatte, der sie so liebte wie sie war und das schon von Anfang an. Sie sah die Resignation in Rokkos Augen und die Angst vor dem was sie wohl sagen würde. Sie griff auch nach seiner zweiten Hand und hielt sie ganz fest. „Ich bin Dir noch eine Antwort schuldig." Rokko schluckte, sah ihr aber weiterhin in die Augen. Lisa lächelte ihn an. „Ja, ich will! Ich nehme Dich, Robert Konrad Kowalski, zu meinem Mann!" Rokko konnte nicht glauben, was er da hörte. Er schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, strahlte Lisa ihn immer noch aus ihren tiefblauen Augen an. „Du träumst nicht. Ich liebe Dich und ich will Deine Frau werden!" flüsterte sie ihm zu. Rokko konnte nichts sagen. Er sah Lisa einfach nur in die Augen und erwiderte ihr Lächeln. Lisas letzte Worte waren ihm genug, er brauchte keinen kirchlichen Segen mehr, keinen Standesbeamten. Für ihn war das der Moment an dem Lisa seine Frau geworden war. Dass Helga dafür sorgte, dass alle Anwesenden wieder in die Kirche gingen, mittlerweile ein Sanitäter nach David sah und dass Richard von der Polizei abgeführt wurde, bemerkten die beiden gar nicht. Erst als Hugo Rokko vorsichtig die Hand auf die Schulter legte, wurde ihnen klar, dass sie ihr Ehegelübde ja nochmals vor dem Pfarrer und dem Standesbeamten wiederholen mussten. Langsam liefen sie, Hand in Hand, hinter Hugo zurück zur Kirche. „Lisa! Rokko!" David rief ihnen hinterher. Sie blieben stehen und David kam auf sie zu. „Ich wünsche Euch viel Glück." Er lächelte Lisa an und streckte Rokko seine Hand hin. Zögernd ergriff Rokko sie. David nickte ihm zu und lief dann davon.
