Eine Frage des guten Tons – A Matter Of Decorum

Originaltitel: A Matter of Decorum

Autor: Kerr Avonsen

Übersetzt von Wine Witch

Disclaimer: Harry Potter gehört JK Rowling. Autor und Übersetzer spielen lediglich in deren Sandkasten. Kein Geld, nur Spaß.

Anmerkungen der Übersetzerin: Herzlichen Dank an Kerr Avonsen für die freundliche Erlaubnis zur Übersetzung.

Original Prompt: Die kulturelle Bildung für Muggelgeborene lässt in Hogwarts sehr zu wünschen übrig, und in Anbetracht der Geheimhaltung und Abgeschlossenheit der magischen Welt steht nicht alles in Büchern geschrieben. Unwissenheit mag ein Segen sein, aber ein sozialer Fauxpas Hermiones führt zu unbeabsichtigten (und, wenn gewollt, unterhaltsamen) Konsequenzen.


Kapitel 1: In dem Hermione einen Fauxpas begeht

Hermione starrte nervös in den Spiegel. Die Zauber in 1001 Haushaltszauber zu verstehen, war eine Herausforderung gewesen. Sie hatte den Band in einer Kiste alter Bücher auf dem Jahrmarkt in Hogsmeade gefunden, einer Wohltätigkeitsveranstaltung zum Wohle der Kriegswaisen. Jetzt, da Voldemort jetzt tot war, nannten sie es einen Krieg, obwohl er im Vergleich zu Muggelkriegen nicht viel darstellte. Nein, das war nicht wirklich wahr. Weil es ein Bürgerkrieg gewesen war, und die waren die schlimmsten. Hör auf, darüber nachzudenken. Denke an den Zauber.

Die Zaubersprüche im Buch waren einfach, aber die Bewegungen des Zauberstabs wurden oft im Vergleich mit anderen Zaubern beschrieben, etwas, das man besser in einem Diagramm darstellen würde. Wenn sie diesen falsch ausführte, wäre sie eine Zielscheibe des Spotts. Sie seufzte. Jetzt oder nie.

Capilli conlineo!" sagte sie und vollführte dabei eine lange, schnappende Bewegung mit ihrem Zauberstab. Ihr buschiges, wuscheliges Haar zog sich glatt.

Es sah furchtbar aus. Schlaff, platt, leblos.

Finite Incantatem!"

Nichts passierte. Dann fiel ihr wieder ein, dass dieser Zauber einen ganzen Tag wirksam bleiben sollte, ehe er nachließ. Sie seufzte. Nun, zumindest funktionierte er. Mehr oder weniger.

Vielleicht war etwas zu retten. Sie erinnerte sich an einen anderen Zauber aus dem Buch. Er hing stark von der Visualisierung ab, deshalb schloss sie die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. „Capilli plexum!" Sie schlug die Augen wieder auf und gab einen Seufzer der Erleichterung von sich. Ihr Haar war zu einem kunstvollen französischen Zopf nach hinten frisiert, der die Unzulänglichkeiten perfekt verbarg. Sie grinste. Nicht schlecht. Gar nicht schlecht.

Es war seltsam, in der großen Halle zu frühstücken; manchmal fühlte sie sich, als ob das Geplauder der Schüler und das Klappern des Bestecks wie in einem Traum verklingen würden, und sie würde in einem Zelt in der Kälte, mit dem furchtbaren Wispern von Horkruxen, aufwachen. Bei anderen Gelegenheiten, wenn Harry an ihrer einen Seite saß und Ron an der anderen, fühlte es sich an, als ob die Suche nach den Horkruxen ein Alptraum gewesen sei, und sie Hogwarts nie verlassen hätte. Dann würde sie erneut Nevilles unnatürlich kurzes Haar, Deans Hinken oder die Narbe an Professor Snapes Hals wahrnehmen und beim Anblick dieser Andenken schaudern, weil nichts davon ein Traum gewesen war. Die Schulleiterin hatte erklärt, dass das vorherige Jahr so zerrissen gewesen war, dass sogar diejenigen, die Hogwarts hatten besuchen können, das Jahr komplett wiederholen mussten, auch wenn dies bedeutete, dass es doppelt so viele Erstklässler wie sonst geben würde. Manche, wie Colin Creevey, würden nie zurückkehren. Snape hätte beinahe zu ihnen gehört, aber man konnte einem Tränkemeister vertrauen, rechtzeitig ein Gegengift zu Naginis Gift vorbereitet zu haben. Unter den gegebenen Umständen war er wochenlang todkrank gewesen, wenn er jetzt auch wiederhergestellt zu sein schien. Genügend wiederhergestellt, jedermann wütend anzublitzen, wie er es jetzt mit Hermione tat.

Sie sah weg und nahm einen Schluck von ihrem Kürbissaft.

„Was hast du mit deinem Haar gemacht?" fragte Harry mit dem Mund voller Toast.

„Ein Zauber", antwortete sie. „Er stand in –"

„– in einem Buch", antworteten Ron und Harry im Chor.

Harry fuhr mit einer Hand über seine Haare, die wie immer in alle Richtungen abstanden. „Hast du einen Zauber, der meine Haare flach liegen bleiben lässt?"

Hermione grinste und richtete ihren Zauberstab auf seinen Kopf. „Capilli conlineo!"

Harrys Haar legte sich glatt an, als ob es gebügelt worden sei. Auf beiden Seiten von Harry und Hermione war ein Japsen zu hören.

„Ich hatte recht", schnappte Ron. „Du und Harry habt etwas miteinander, oder?"

Hermione wandte schnell den Kopf zu ihm um. „Was? Wovon redest du, Ron?"

„Du hast einen Haarzauber in der Öffentlichkeit auf Harry geworfen!" sagte Ron. „Wie viel offensichtlicher musst du noch sein?" Sein Gesicht verzog sich vor Schmerz. „Warum? Du hättest mich behutsam abservieren können, aber nein, du musstest aller Welt mitteilen, was du von mir hältst."

„Was ich von dir halte?" sagte Hermione. Dann platschte etwas Nasses und Fettiges auf ihren Kopf, und sie bemerkte, dass Ginny mit auf sie gerichtetem Zauberstab hinter ihr stand.

„Das ist für den Versuch, meinen Freund zu stehlen", zischte Ginny.

„Aber ich versuche nicht –", begann Hermione.

„Du kannst ihn nicht haben", fuhr Ginny fort. „Er gehört mir."

„Natürlich gehört er dir", sagte Hermione. „Nur, weil ich ihn wie einen Bruder liebe –"

„Du denkst an Harry wie an einen Bruder?" sagte Ginny.

„Natürlich tue ich das", sagte Hermione. „Es ist nicht so, als ob ich einen eigenen Bruder hätte."

„Einzelkind", murmelte Ron. „Wie konnte ich das vergessen? Sorry, Hermione. Ich war dumm."

Ginny hatte den Anstand zu erröten, als sie die Pampe auf Hermiones Kopf verschwinden ließ. „Mir tut es auch leid", sagte sie. „Sorry. Freunde?"

Hermione lächelte matt, denn sie wollte die unberechenbaren Weasleys nicht weiter verärgern. „Freunde, natürlich." Sie fragte sich, ob es nur die Weasleys waren, oder ob die ganze Zaubererwelt verrückt war, und sie es bisher nur nicht bemerkt hatte.

Wie immer, wenn sie vor einem Rätsel stand, befragte Hermione die Bücher. Zunächst las sie erneut den Abschnitt über Haarzauber in 1001 Haushaltszauber; danach las sie noch einmal das ganze Buch von der ersten bis zur letzten Seite, aber es enthielt keine Hinweise.

Im Lauf der nächsten Woche verbrachte sie jeden freien Moment in der Bibliothek, wo sie ihre Nachforschungen auf einem Schreibtisch in ihrer abgelegenen Lieblingsecke zusammentrug. Sie durchstreifte die Regale nach Verweisen auf Haarzauber. Sie lernte eine Menge Zauber, aber fand keinen Hinweis, warum Ron und Ginny sich darüber so aufgeregt hatten, als sie einen Haarzauber auf Harry warf.

Also erweiterte sie ihre Suche nach Büchern über Zaubereretikette. Es gab keine nützlichen Stichwortverzeichnisse, die lauteten „Warum dein Freund es nicht mag, wenn du einen Haarzauber auf deinen besten Freund wirfst", daher hatte sie eine breite Auswahl von Themen zu überfliegen: die drei Formen, Mitglieder des Wizengamots anzusprechen; wie man Personen mit einem Meistertitel in ihrem Fach ansprach; ob man sich vor dem Zaubereiminister verbeugen sollte (gefolgt von einer ergebnislosen Debatte über den Rangunterschied zwischen Reinblütern und Muggelaristokraten); dass man vor einer Person höheren Ranges sich eher verneigen als knicksen sollte, wenn man sie auf der Straße traf; die Formen der Rangordnung bei Hochzeiten und wie sie sich unterschieden, je nachdem, ob Bräutigam oder Braut reinblütig war oder nicht; zwanzig verschiedene Formschreiben für Einladungen einschließlich Hochzeitseinladungen; fünf verschiedene Schutzzauber für Korrespondenz, die zu einer vergleichenden Abhandlung über Schnelligkeit, Intelligenz und Verlässlichkeit verschiedener Arten von Posteulen ausuferte. Aber sie fand keine Antwort auf ihre Frage.

Natürlich wollte sie auch nicht, dass ihre Hausaufgaben unter Vernachlässigung litten, also blieb sie abends länger auf, um daran zu arbeiten. Am Freitagabend forderten die langen Abende ihren Tribut, und sie schlief in der Bibliothek ein.

Und das war, wo Professor Snape sie erwischte.