Der Regen goss in einem endlosen Strom vom Himmel, ertränkte Starling City, geplagt von den Sünden einer unterdrückten Bevölkerung. Aber dieses einfache Naturschauspiel reinigte die faul riechenden Straßen dieser einst so glorreichen Stadt, die verrottete und verweste.
Starling City war auf direkten Weg in die Zerstörung und das letzte bisschen Hoffnung in den Straßen würde ebenfalls bald die traurige Wahrheit erkennen.
Die Stadt lag im Sterben und nichts konnte sie retten. Nicht einmal der Eine, der gekommen war, um sie vor ihrem moralischen Untergang zu bewahren. Während er auf dem Dach eines der vielen Wolkenkratzer stand und ein wachsames Auge auf die verlorene Großstadt hatte, kämpfte Arrow gegen zwei gegensätzliche Kräfte, die über seinen Verstand triumphieren wollten. Die eine zog ihn Nacht für Nacht in die Schatten, um das Böse zu bekämpfen, das sich aus der bitteren Leere erhob; die andere sprach ihm Vernunft zu und versuchte ihn zur Einsicht zu bringen.
In Rinnsalen schlängelte das Regenwasser das glatte dunkelgrüne Leder hinab, das seine Haut bedeckte und ihn zu dem machte, was er sein wollte: eine Kreatur, die die Herzen derer mit Angst erfüllte, die Leid über Starling City brachten.
Er bestand aus Rache... er wurde zur Nacht. Aber in den grausamen Morgenstunden schwand seine Entschlossenheit, wenn er wieder in sein normales Leben zurückkehrte, und dem bitteren Geschmack von Verlust und Bedauern.
Die Windrichtung drehte sich und der kalte Wind peitschte den Regen in seine Augen. Er blinzelte heftig, eine behandschuhte Hand wischte die stechende Flüssigkeit aus den Augen, als er versuchte, wieder eine klare Sicht auf die Glades zu bekommen, Zentrum von Drogen und Anarchie.
Ein schwacher Schatten bewegte sich im Regen und lenkte seine Augen auf die Welt unter sich, ein Trugbild seiner Phantasie lief durch den Regen und seine Augen weiteten sich, denn er könnte schwören, er sah seinen Vater durch die verfluchten Straßen laufen. Er trat näher an den Abgrund, um einen besseren Blick zu haben. Aber leider war da nichts, nur eine Katze, eine Kreatur der Nacht wie er.
Enttäuscht wandte er sich ab, sein Herz gebrochen.
Natürlich... sein Vater war tot.
Warum dachte er, er wäre am Leben? Wenn er selbst gesehen hatte, wie er sich erschossen hatte? Um seinen Sohn zu retten.
Er verzog das Gesicht, als er den Riß in seinem Herz spürte, wie eine ferne Geliebte.
„Dad," sagte er, seine Stimme schwach, aber nicht gebrochen.
Er zog sich in die Nacht zurück, als sich der Morgengrauen rasch näherte und die Stille des beginnenden Morgens die Schuldgefühle eines neuen Tages brachte. Er stürzte sich in die Dunkelheit. Die Kapuze flatterte im Wind, er landete sicher neben seinem Motorrad, das ihn in die umgebaute Lagerhalle zurückbrachte. Sicher und geschützt vor den Elementen, raste er durch die Nacht, schnitt Kurven und ließ verlassene Straßen hinter sich. Er fuhr durch die dunkle, abgeschiedene Straße, die zu seiner Festung der Einsamkeit führte, als aus dem Nichts jemand seinen Weg kreuzte, die Gestalt einer Frau erstrahlte in den Scheinwerfern. Sein Herz sprang ihm förmlich bis zum Hals, er stieg auf die Bremsen und hielt nur wenige Zentimeter vor ihr.
Ihr Gesicht wurde blaß im Licht der Scheinwerfer, Angst erfüllte sie beim Anblick der dunklen Gestalt auf dem Motorrad vor ihr. Aber der Schmerz eroberte sie zurück und sie vergaß die Sekunden, die ihr fast das Leben gekostet hätten, als sie nach vorne fiel und sich am Vorderrad des Motorrads abstützte.
Sie hielt sich ihren Magen und kämpfte gegen die Schmerzen und die Angst, mitten auf der Straße zu sterben. Aber mit jeder Minute nahm der Schmerz zu, ihre Knie zitterten unter der Qual, und sie umklammerte den Reifen voller Verzweiflung, die glühende Oberfläche verbrannte ihre Handfläche. Doch sie spürte den Schmerz gar nicht, er wurde überschattet von dem Stechen in ihrem Magen. „Nein... bitte nicht..."
Sie biß sich auf die Unterlippe, ein Stich schoß durch ihren Kiefer und sie schmeckte Blut in ihrem Mund.
Noch immer geblendet vom Licht des Scheinwerfers, konnte sie nicht erkennen, wer auf dem Fahrzeug saß, während sie hier kämpfte. Ihre Hand griff ins Nichts, als sie nach Hilfe rief. Eine behandschuhte Hand griff ihre und schwang sie hinter sich auf das Gefährt.
Sanfte Hände legten ihre Arme um seine Mitte. Sie spürte kaltes, glattes Leder und darunter harte Muskeln. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, als die Gestalt sich umsah und sie das Gesicht verborgen hinter einer Maske unter der Kapuze erblickte. Sie schrie entsetzt beim Anblick des maskierten Bogenschützen auf, krümmte sich.
„Wa-was machen Sie mit... mit mir?" stammelte sie, ihr Körper kalt vor Angst.
„Ruhig," grollte er und zog ihr T-Shirt zur Seite. „Ich bin hier, um Ihnen zu helfen."
„NEIN!" Sie schrie fast. Die Idee, von einem Kapuzenmann gerettet zu werden, war lächerlich und sie trat nach ihm. „Bringen Sie mich... in ein Krankenhaus..."
In diesem Moment sank sie in sich zusammen und rutschte seitlich vom Motorrad.
„Verdammt!"
Angst erfüllte ihn, als er von der Maschine stieg und sich neben die bewegungslose Frau kniete. Mit den Zähnen zerrte er einen Handschuh herunter, er schreckte die Hand aus und strich feuchte Haarsträhnen zur Seite. Er erschrak.
Laurel!
Er sah genauer hin. Nein, natürlich nicht. Sein voreiliger Verstand hatte ihn zum Narren gehalten. Tatsächlich hatte die Unbekannte nur eine gewisse Ähnlichkeit mit Laurel. Dunkle Haare, leuchtende Augen. Aber beim genaueren Hinsehen erkannte er, dass sie jünger war, ihr Gesicht runder und die Nase spitzer. Er hob ihr Kinn an und suchte einen Puls. Erleichterung erfüllte ihn. Sie war am Leben...bewusstlos, aber am Leben. Alles kam ihm nur allzu bekannt vor. Wohin sollte er sie bringen?
Ein Krankenhaus war die beste Wahl, aber er konnte kein Krankenhaus betreten. Außerdem bezweifelte er, dass die junge Frau eine Krankenversicherung besaß und somit eine ordentlich Versorgung bekam. Und in Anbetracht der Umstände war ein Krankenhaus nicht die klügste Wahl. Er konnte nicht in eine überfüllte Notaufnahme spazieren, eine verwundete Frau im Arm. Eine Vielzahl von Fragen würden aufkommen... und er konnte nicht zulassen, dass noch jemand starb, weil er den Fehler begangen hatte, Gefühle zu zeigen.
Er wusste, was er tat, war ein schrecklicher Fehler, aber er konnte das Gefühl nicht abschütteln, das in seinem Kopf nagte.
„Oliver, was ist los? Gibt es ein Problem?" erklang Diggles Stimme in seinem Ohr.
„Ja." Er zögerte. Es gab wohl keine schonende Art, Diggle zu beichten, was gerade passiert war und warum er sich verspätete. „Ich glaube... ich habe eine Frau angefahren," sagte er schließlich mit leiser Stimme.
„WAS?!" Felicity und Diggle schrieen gleichzeitig in sein Ohr und er mußte kurz den Kopf schütteln, um das Klingeln in seinem Kopf abzustellen.
„Sie tauchte plötzlich vor meinem Motorrad auf. Wie aus dem Nichts. Ich glaube, sie ist verletzt."
„Ich habe Ihren Standort geortet. Ich schicke sofort einen Krankenwagen. Und ich verständige Lieutenant Lance."
„Nein, Felicity, nicht," stoppte er sie eilig. „Starling City ist sowieso schon nicht gut auf Arrow zu sprechen. Wenn die Bevölkerung erfährt, daß ich eine Frau angefahren habe, werden sie mich erst recht hassen. Wir müssen das diskret behandeln. Außerdem bezweifle ich, daß sie eine Krankenversicherung besitzt."
„Was wollen Sie tun, Oliver?" erkundigte sich Diggle.
„Ich bringe sie mit."
„Was? Nein!"
„Auf gar keinen Fall!"
„Oliver, hören Sie mich? Das können Sie nicht machen!"
„Oliver?"
„Oliver!"
