Disclaimer: "Alle Charaktere aus der Serie Bones gehören Fox. Diese Fanfiction dient der Unterhaltung und ist ohne jedes finanzielle Interesse geschrieben und veröffentlicht worden. Verantwortung und Copyright für den Inhalt der Geschichte verbleiben beim jeweiligen Autor. Eine Verletzung von Urheberrechten ist nicht beabsichtigt."
Xmas
Es klopfte. Sie hatte es erst gar nicht gehört, sie war im Bad und hatte sich die Haare geföhnt. Aber doch, es klopfte, und zwar hartnäckig. Seufzend legte sie Föhn und Bürste beiseite und schlüpfte in ihren Bademantel. „Wer kommt denn auf die Idee, am Weihnachtsabend um kurz nach elf bei mir zu klopfen?", dachte sie und schaute durch den Spion.
„Booth? Was machst du denn hier? Ist was passiert? Haben wir einen Fall?" „Nein, Bones, nein, kein Fall."
Jetzt sah er auf und bemerkte, dass sie im Morgenmantel und mit feuchten Haaren vor ihm stand. „Oh, ich störe wohl, sorry Bones. Schönen Abend noch." Mit diesen Worten machte Booth kehrt und ging den Gang hinunter in Richtung Fahrstuhl.
„Warte Booth, komm zurück. Was ist denn los? Du kannst nicht abends um elf vor meiner Tür auftauchen und dann ohne Erklärung wieder verschwinden. Ich will jetzt wissen, was los ist!" Diesen Blick kannte er nur zu gut. Wenn Dr. Temperance Brennan die Hände in die Hüften stemmte und jemanden durchdringend ansah, dann tat man besser daran, zu antworten, wollte man nicht einen Orkan entfachen. Also drehte Booth sich abermals um und ging langsam zur Wohnungstür zurück.
„Eigentlich ist nichts, Bones. Ich wollte dich nur fragen, ob du Lust hast, ein Glas Wein mit mir zu trinken." Bei diesen Worten bemerkte Bones auch die Tüte, die er in der Hand hielt und aus der er jetzt einen sündteuren französischen Rotwein hervor zauberte.
Sie war gelinde gesagt ein wenig verwirrt. Klar, es wäre nicht das erste Mal, dass sie und Booth etwas zusammen trinken würden. Nach dem etwas holprigen Start ihrer Zusammenarbeit hatten sie sich dann doch zusammengerauft und waren Freunde geworden. Aber was machte er jetzt mit Rotwein vor ihrer Tür? Hatte er nicht vor wenigen Stunden, nachdem sie alle zusammen diesen ‚Weihnachtslungenpilz' überstanden hatten, freudestrahlend verkündet, er ginge jetzt Parker abholen? Also, warum stand er jetzt hier und saß nicht mit seinem Sohn unterm Tannenbaum und verwöhnte ihn mit viel zu viel viel zu teurem Spielzeug, um damit zu kompensieren, dass er den Kleinen nicht oft sah und nur ein Teilzeitdaddy war? Irgendwas war vorgefallen und auch wenn Bones sich mit Gefühlen und Emotionen nicht besonders aus kannte, hatte sie doch den Eindruck, dass Booth nicht hier stehen würde, wenn alles in Ordnung wäre und sein Weihnachten so gelaufen wäre wie geplant. Sie machte einen Schritt zur Seite. „Gern. Ich hätte mir sowieso gleich einen Wein aufgemacht. Komm rein."
Nachdem sie die Wohnungstür geschlossen hatte, ging sie schnurstracks in Richtung Schlafzimmer, um sich um zuziehen. „Gläser sind in der Küche, Korkenzieher erste Schublade links, ich bin gleich fertig." rief sie über die Schulter, bevor sie die Türe schloss.
Booth stand mitten im Wohnzimmer und atmete tief durch. Jetzt war ihm schon leichter ums Herz, auch wenn er sich vorhin kurzfristig wie ein Idiot fühlte, als seine Partnerin ihn mit strenger Stimme wie einen Schuljungen über den Flur zitiert hatte. Aber was hatte er eigentlich erwartet? Tauchte mitten in der Nacht bei ihr auf und wollte reinkommen, ohne dass es einen besonderen Grund dafür gab. Sicher, sie hatten eigentlich immer gut miteinander reden können und das erfrischende an Unterhaltungen mit Bones war, wenn man sich erstmal daran gewöhnt hatte, dass ihre Sicht der Dinge oft völlig anders war als bei den meisten anderen Menschen.
Er hatte sich an sie gewöhnt und sogar angefangen, sie richtig gern zu haben. So war es eigentlich kein Wunder, dass es ihn heute Abend ausgerechnet vor ihre Türe getrieben hatte. In diesem Moment wurden seine Grübeleien aber dadurch unterbrochen, dass sich die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnete und Bones hinaus kam. Sie hatte den Bademantel gegen eine bequeme Hose, dicke Socken und einen kuscheligen alten Pullover getauscht, der eindeutig mehr nach Herrenabteilung aussah.
„Booth, was stehst du da so rum? Ich dachte, der Wein ist schon auf und ich kann mich setzen und was trinken. Gib schon die Flasche her und setz dich, ich mach schon." Das riss ihn wirkungsvoll aus seiner Lethargie. „Nein, Bones, wenn ich dich schon überfalle, dann lass ich mich nicht auch noch von dir bedienen. Wein kommt gleich." Damit schmiss er seinen Mantel über die Sofalehne und verschwand in Richtung Küche.
Bones setzte sich auf das Sofa, ein Bein unter das andere geschlagen und wartete. Eben beim Umziehen hatte sie überlegt, was sie jetzt mit Booth anfangen sollte und war zu dem Schluss gekommen, dass er ihr schon sagen würde, was ihn bedrückte. Denn dass ihn etwas bedrückte, dessen war sogar sie sich sicher. Sie lauschte auf das Klirren in der Küche und wusste, jetzt würde er gleich kommen.
Booth hatte zwei Gläser und die geöffnete Weinflasche in der Hand, stellte alles auf dem Couchtisch ab und ließ sich schwer auf das Sofa fallen. Er fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und durch die Haare, als wollte er irgendetwas wegwischen. Sie beugte sich derweil vor und füllte die Gläser. Als sie ihrem Partner eines reichte, sah sie ihn mit einem aufmunternden Blick an und fragte „Also, Booth, versteh mich nicht falsch, ich freue mich ja dich zu sehen, aber was verschafft mir ausgerechnet heute die Ehre deines Besuches?" Er trank einen Schluck aus seinem Glas, stellte es wieder auf den Tisch und schaute nach unten auf seine Füße, als wäre dort die Antwort auf ihre Frage zu finden.
„Rebecca hat Parker eben wieder bei mir abgeholt." sagte er tonlos. Das ließ sie aufhorchen. Sie wusste erst seit zwei Tagen davon, dass er ein Kind hatte, aber seitdem hatte er ihr ein wenig über Parker erzählt. Anderes hatte sie von Angela und Dr. Goodman erfahren, mit denen er sich –zugegebenermaßen im medikamenteninduzierten Drogenrausch – wohl etwas ausgiebiger unterhalten hatte. Was sie jedoch genau wusste, war die Weihnachtsvereinbarung zwischen Booth und der Mutter seines Sohnes. Er sollte ihn heute Abend bekommen und der Kleine sollte bis morgen Mittag bei ihm bleiben. Diese paar Stunden an Weihnachten waren Booth heilig, soviel hatte sie verstanden. „Warum? Ihr hattet doch eine Vereinbarung." „Stimmt, die hatten wir. Aber Rebecca ist plötzlich anderer Meinung. Sie will unbedingt heute Nacht noch zu ihren Eltern nach New Jersey fahren und da muss Parker natürlich mit. Als ob das nicht wenigstens Zeit bis morgen früh gehabt hätte." Er lachte bitter.
„Zu hause ist mir die Decke auf den Kopf gefallen, nachdem Parker weg war. Ich wollte nicht allein sein und da ist mir spontan jemand eingefallen, der Weihnachten mindestens genauso wenig leiden kann wie Ich seit kurzem auch und dem ich mit meiner miesen Laune nicht irgendwelche Weihnachtsstimmungen kaputt mache - du. Also hab ich meinen Weinkeller geplündert und mich auf den Weg zu dir gemacht. Schlimm?"
Sie blickte nachdenklich in ihr Weinglas. „Nein, nicht schlimm. Aber du hast nicht recht damit, dass ich Weihnachten nicht leiden kann. Es macht mich nur traurig. Das ist ein Unterschied" „Tut mir leid, Bones, aber du hast die ganze Zeit so gegen Weihnachten gewettert, dass ich dachte, du kannst es wirklich nicht leiden." Booth sah sie bestürzt an. Hatte er jetzt dem einzigen Menschen, bei dem er sich sicher war, dass er sich nichts aus Weihnachten machte, doch das Fest verdorben?
„Sieh mal, Booth, rational gesehen ist Weihnachten und der ganze Christenmythos-" hier schnappte er nach Luft und wollte etwas sagen, besann sich dann aber eines Besseren. „-natürlich nur Humbug, aber selbst ich war mal ein kleines Mädchen, das mit seinem Bruder mit glänzenden Augen vorm Weihnachtsbaum gesessen hat, ob du es glaubst oder nicht. Ich werde also an Weihnachten ein bisschen nostalgisch."
„Ich glaub es schon" meinte er grinsend. „Du warst bestimmt ein entzückendes kleines Ding mit langen Zöpfen, das an Heiligabend die Überreste des Truthahns analysiert hat." Auch wenn er sich den Kommentar nicht verkneifen konnte, wurde Booth jetzt wieder ernst. „Kannst du dich noch an Weihnachten mit deiner Familie erinnern?"
Bones sah ihn verständnislos an. „Natürlich kann ich mich erinnern, ich war 15, als meine Eltern verschwanden, nicht fünf!" Booth schluckte. Daran hatte er nicht mehr gedacht. Wenn man Bones heute kennen lernte, so wie er es getan hatte, dann konnte man sich oft gar nicht richtig vorstellen, dass sie einmal ein ganz normales Kind mit einer ganz normalen Familie gewesen war. Sie war als erwachsene Frau so anders als die meisten Menschen und verstand manchmal so erbarmungswürdig wenig von den sozialen Gepflogenheiten der Menschen und dem, was man als Popkultur bezeichnet, dass er schlicht vergessen hatte, dass ihr Start ins Leben gar nicht so anders als seiner gewesen war.
„Das tut mir leid, Bones, das muss es für dich noch schwerer machen." Dieser nett gemeinte Kommentar verwirrte sie aufs neue. „Wie meinst du das, noch schwerer? Was soll es mir noch schwerer machen?" „Na, dass du dich erinnern kannst. Ich könnte mir vorstellen, dass es einfacher wäre, wenn du gar keine Erinnerungen an deine Familie und das Weihnachten mit ihnen hättest. Dann gäbe es jetzt auch nichts, was du vermissen würdest."
„Wäre es dir dann lieber, du würdest nichts von Parker wissen?" Diese Frage schockierte Booth. Er liebte seinen Sohn über alles, auch wenn es mit ihm und Rebecca nicht funktioniert hatte. „Wie kannst du so was fragen, Bones? Auch wenn es nicht immer einfach ist, ihn nur so selten zu sehen, würde ich Parker für nichts auf der Welt hergeben.", erwiderte er aufgebracht.
„Beruhige dich, Booth, ich wollte damit doch nur sagen, dass ich die Erinnerungen an meine Familie auch nicht vergessen möchte, selbst wenn sie mich traurig machen. Sie sorgen wenigsten dafür, dass ich weiß, wo ich herkomme. Aus anthropologischer Sicht definiert sich ein Individuum zu großen Teilen über seine Herkunftsfamilie, auch wenn es Gesellschaften oder Gruppen gibt, bei denen der Status und das Selbstverständnis des Einzelnen über ein selbst gewähltes bzw. sich freiwillig bildendes Netz soziale Interaktion definiert wird." „Heimat ist da, wo dein Herz zu hause ist, meinst du das?" fragte er. Darauf gab sie keine Antwort, sondern beugte sich vor, um ihre Weingläser nachzufüllen.
Eine Weile saßen sie sich schweigend auf dem Sofa gegenüber und hingen ihren Gedanken nach.
„Booth, darf ich dich mal was fragen?" „Versuchs doch", meinte er lächelnd. „ ich kann es ja noch vorziehen, nicht zu antworten." Bones nahm einen Schluck aus ihrem Glas, stellte es langsam wieder ab und machte den Mund auf. „Wenn dir das zu privat ist, versteh ich das, aber er interessiert mich, weil ich es nicht verstehe. Warum bist du nicht mit Parkers Mutter zusammen? Ich meine, gerade bei deinem religiös geprägten Wertekodex, den du immer hoch hälst, ist eine uneheliche Schwangerschaft ja etwas Unerlaubtes. Ich hätte gedacht, dass du die Mutter deines Kindes geheiratet hättest. Du hast mir doch neulich noch erklärt, dass du nicht mit Frauen ins Bett gehst, die dir nichts bedeuten. Und du musst mit Rebecca im Bett gewesen sein, denn sonst gäbe es ja wohl Parker nicht, oder?"
Oh man, dachte Booth, das ist ja schlimmer als die spanische Inquisition. Manchmal hatte Bones wirklich das Geschick, zielsicher die Nerven zu treffen, die offen lagen und schmerzhaft nachzubohren. Sie merkte dabei oft gar nicht, dass sie die Gefühle ihrer Mitmenschen verletzte. Er seufzte und setzte zu einer Antwort an. „Ich bin nicht mit der Mutter meines Sohnes zusammen, weil die Mutter meines Sohnes nicht mit mir zusammen sein will."
„Versteh ich nicht", gab Bones zu. „Ich meine, anthropologisch gesehen wäre doch da nichts gegen einzuwenden. Du bist ein Alphamännchen, für die Brut wäre also vermutlich gut gesorgt, wenn nicht ein komplizierender Faktor von außen dich daran gehindert hätte, zum Beispiel ein Unfall oder Krankheit. Rational gesehen hat Rebecca sich nicht sehr vernünftig verhalten, vor allem, wenn man bedenkt, dass Parker ein Junge ist und die soziokulturellen Rituale, die die Gesellschaft von ihm erwartet, von einer männlichen Bezugsperson lernen sollte." Sie trank noch einen Schluck von ihrem Wein.
Booth fuhr sich zum wiederholten Mal mit der Hand durch die Haare. Das war ja nicht zum aushalten! Er wusste nicht, ob er lachen, weinen oder seine Partnerin bemitleiden sollte. „Temperance, das kann doch nicht dein Ernst sein? Um eine Familie zu gründen und zusammen zu leben, braucht es doch mehr als anthropologisch gesehen gute Rahmenbedingungen. Selbst dir müsste doch klar sein, dass so etwas nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen entschieden wird. Ich habe Rebecca geliebt und ich liebe meinen Sohn, aber wenn sie nicht wollte, hat es keinen Sinn."
Bones sah ihn nachdenklich an. „Woher weißt du, dass es mit Rebecca funktioniert hätte? Und woher weißt du, dass du sie geliebt hast?"
Resigniert seufzte Booth und lehnte sich in das bequeme Sofa zurück. Er drehte sein Gesicht zu Bones und machte sich daran, ihr mal wieder eine Nachhilfestunde zum Thema ‚Wie täusche ich glaubhaft vor, ein menschliches Wesen zu sein?' zu geben. „Ich weiß nicht, ob es mit Rebecca bis ans Ende meiner Tage funktioniert hätte. Aber ich war bereit, es zu versuchen. Darum geht es bei der Liebe, Bones. Man bekommt keine Garantien. Man versucht sein Bestes, weil einem was an dem anderen liegt. Nicht, weil man sich selbst bestätigen oder absichern oder sonst was will, sondern weil es einem um den Partner geht. Das ist übrigens bei Freundschaften genau so. Die geht man auch nicht ein, weil man den größten Vorteil für sich herausschinden will. Man bildet Allianzen und Bündnisse im Leben, klar, aber bei Freundschaften und bei Liebe geht es immer um den anderen."
„Also hättest du dich darauf eingelassen, dein Leben auf unbestimmte Zeit nicht mehr selbst planen zu können, ohne Gewissheiten über den Ausgang dieser Unternehmung zu haben?"
„Ja.", antwortete er schlicht. „Genau das hätte ich getan, wenn Sie mich gewollt hätte."
„Dann war Rebecca definitiv unvernünftig. Zur Versorgung ihrer selbst und ihres Kindes wäre das der logische Schritt gewesen."
Booth stöhnte. „Bones, begreif es doch. Wenn es um Gefühle geht, kommst du mit Logik nicht weiter. Ich gebe dir ein Beispiel: Was hätte ich, rein anthropologisch und vom Kosten/Nutzen-Verhältnis her gesehen von unserer Freundschaft? Nicht viel, würde ich sagen. Arbeiten musst du sowieso mit mir, das steht in deinem Vertrag fürs Jeffersonian. Warum suche ich nicht die Freundschaft von Hodgins, der, wenn er nicht gerade bis zu den Ellenbogen in irgendwas widerlichem steckt, eigentlich ganz cool ist. Oder von Angela, die die einzig Normale in Eurer Blinzlerhorde ist und noch dazu ein echt heißer Feger. Da wäre man als Mann sogar mehr nicht abgeneigt. Aber nein, ich will mit dir befreundet sein, obwohl du, was dein Sozialverhalten angeht, eine mittlere Katastrophe bist, ich verglichen mit dir intellektuell in der Steinzeit vor mich hin dümple und wir am Anfang unserer Zusammenarbeit nicht gerade auf freundschaftlichem Fuß gestanden haben. Mit dir befreundet zu sein nützt mir also nichts. Aber ich bin es gern, weil ich dich einfach mag. Und umgekehrt ist es doch genau so. du würdest mich nicht mitten in der Nacht in deine Wohnung lassen, wenn dir nichts an mir liegen würde." Er grinste breit. „Außer der Tatsache, dass ich ein großer, gut aussehender FBI-Agent bin, hast du doch gar nichts davon. Wir mögen nicht die gleiche Musik. Wie gesagt, was den IQ angeht, stehst du ungefähr 10 km weiter oben auf der Leiter und die halbe Zeit treibe ich dich in den Wahnsinn, weil ich dich Bones nenne und von Sachen rede, von denn du nicht weißt, was sie bedeuten oder die du für Nonsens hälst. Aber trotzdem hast du mich vorhin hereingelassen. Denk mal drüber nach, wo da der rationale Sinn liegt. Bin gleich wieder da."
Mit diesen Worten stand Booth auf, verschwand in Richtung Bad und ließ eine Nachdenkliche Bones im Wohnzimmer zurück. Da sie, wie Booth es eben so schön ausgedrückt hatte, mit Geistesgaben reich gesegnet war, ging auch das Nachdenken bei ihr schnell.
Als Booth aus dem Bad zurück kam, hatte er seine Krawatte abgelegt und die Ärmel seines Hemdes aufgekrempelt. Sie musste zugeben, dass er ihr so besser gefiel. Es wirkte irgendwie privater und nicht, als würde sie sich im nächsten Moment wieder in irgendwas mehr oder weniger Verwestem vergraben müssen. Sie liebte ihren Beruf, er war ihre ganze Leidenschaft, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, heute Abend würde ein anderes Kapitel aufgeschlagen. War es dass, wenn Angela meinte, sie solle sich endlich ein Privatleben zulegen. Ungezwungen mit einem Freund zu hause sitzen und über Gott und die Welt reden?
„Bist du müde, Bones, oder soll ich noch einen Wein aufmachen? Ich habe noch eine Flasche dabei."
Sie sah kurz auf und traf eine Entscheidung: „Gern, ich muss noch nicht ins Bett. Vor zwei oder drei komme ich da eh selten hin."
Booth zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Er ging in die Küche, um die zweite Flasche Wein zu öffnen und kam dann zum Sofa zurück. Als er sich gesetzt hatte, sah Bones ihn an uns sagte: „Ich habe nachgedacht."
„Schön...", meinte er leicht irritiert, weil er nicht wusste, worauf sie hinaus wollte.
„Das hast du gesagt, bevor du ins Bad gegangen bist. Ich soll mal drüber nachdenken, warum ich dich eben in die Wohnung gelassen habe. Und ich hab darüber nachgedacht."
„Hast du auch vor, mir diese Gedanken noch mitzuteilen oder wolltest du nur kundtun, dass du dein Superhirn mal wieder eingesetzt hast?",neckte Booth sie. In Wahrheit war er sehr gespannt darauf zu erfahren, was sie so über die Dinge dachte, die er ihr gesagt hatte. Als er im Bad war, hatte er sich ein bisschen Sorgen darüber gemacht, vielleicht zu direkt gewesen zu sein oder sich wieder so ausgedrückt zu haben, dass Bones ihn nicht verstand. Er füllte die Gläser nach und sah sie erwartungsvoll an.
„Dich habe dich vorhin herein gelassen, weil ich das Gefühl hatte, dass dich etwas bedrückt. Du hattest andere Pläne für heute Abend und dann stehst du plötzlich vor meiner Tür - Da hat was nicht gestimmt. Ich wollte wissen, was los ist. Du hörst mir auch immer zu, dann kann ich dir doch auch mal zuhören, wenn du reden willst. Außerdem hab ich mich gefreut, dass du gekommen bist. Ich verbringe gern Zeit mit dir, auch wenn wir nicht arbeiten. Du weißt, wie schwer ich mich damit tue, mit anderen Menschen Kontakte zu pflegen. Da ist Angela, die mich immer Versteht, aber mit dir ist es noch mal anders. Du versuchst nicht ständig, mein Privatleben anzukurbeln. Wenn wir uns unterhalten, hab ich selten das Gefühl, die mittlere soziale Katastrophe zu sein, von der du eben gesprochen hast. Außerdem bringst du mich manchmal zum lachen, und das konnte ich heute Abend gut gebrauchen."
Nach dieser kleinen Ansprache nahm Bones einen kräftigen Schluck aus ihrem Weinglas und schaute angestrengt auf den Boden. Sie war sich nicht sicher, ob sie soeben nicht totalen Müll erzählt hatte, denn wenn es mal nicht um Fakten ging, war sie immer ein wenig hilflos. Außerdem war da noch etwas, dass Booth eben gesagt hatte und das machte sie unsicher.
Booth sah sie aufmerksam an. „Bones, das hast du jetzt alles sehr schön gesagt, aber kann es sein, dass da noch etwas ist, dass du gerne loswerden möchtest?"
Sie blickte auf. Stand es ihr so sehr ins Gesicht geschrieben, dass sie immer noch grübelte? Nein, wahrscheinlich nicht. Sie hatte das bei Booth schon oft bemerkt, während ihrer gemeinsamen Arbeit. Booth hatte das gleiche Talent, das sie befähigte, aus Knochen zu lesen, wenn es darum ging, aus lebenden Menschen zu lesen.
„Du hast eben gesagt, Angela näher kennen zu lernen wäre interessant. Sie wäre die einzige normale bei uns im Labor und außerdem heiß. Ich weiß nicht, was du damit sagen willst. Heißt das, du wärst lieber bei Angela? Ich kann dir Ihre Privatnummer geben, wenn du willst."
Booth musste ein Lachen unterdrücken, konnte aber nicht verhindern, dass sich ein Grinsen auf seine Lippen stahl. „Bones, bist du etwa eifersüchtig auf Angela? Ich würde nicht hier sitzen, wenn ich es nicht wollte. Mach dir mal keine Sorgen. Und was meine Ansichten über Angelas Äußeres angeht, das war nur verallgemeinernd für die Männerwelt gesprochen." Jetzt wurde aus dem frechen Grinsen ein warmes Lächeln. „Du siehst heute Abend ganz reizend aus, auch wenn ich nicht genau weiß, wo du diesen Pulli her hast. Der sieht ein bisschen aus, als ob er vor fünfzehn Jahren in der Herrenabteilung bei WalMart hing."
Die Reaktion, die diese Worte bei ihr hervor riefen, hatte er nicht erwartet. Sie setzte sich stocksteif auf und schaute in die andere Richtung des Zimmers. Ganz leise hörte er: „Zwanzig Jahre. Und es war Sears. Der Pulli gehörte meinem Vater. Sentimentaler Quatsch, ich weiß, aber an Weihnachten kann ich nicht anders." Ihre letzten Worte hatte er kaum noch verstanden, da sie immer leiser wurde und sich auch der ein oder andere Schluchzer dazwischen schlich.
„Ach Bones, es tut mir leid, das wollte ich nicht." Mit diesen Worten legte Booth ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. Er ließ sich nach hinten in die weichen Polster sinken und hielt sie einfach nur im Arm. Sachte strich er ihr über das Haar und den Rücken und murmelte Dinge wie: „Schhhh, Bones , ist ja schon gut, ich bin ja hier, alles ist ok" und ähnlich Beruhigendes mehr und ließ sie sich einfach ausweinen.
Nach einen kleinen Ewigkeit – so kam es Bones jedenfalls vor – merkte sie wieder, was um sie herum vorging. Sie lag mit dem Kopf auf dem Schoß ihres Partners und spürte, wie er ihr immer wieder sanft über denn Rücken strich. Es war ein wenig so, als wäre sie wieder Kind und geborgen im Schoß ihrer Familie, aber auf der anderen Seite merkte sie auch ganz deutlich, wo die Unterschiede lagen. Auch wenn Booth das vorhin nur im Scherz gemeint hatte, ihr war durchaus aufgefallen, dass er ein großer, gut aussehender FBI-Agent war. Ruckartig drückte sie sich hoch und sah ihm ins Gesicht.
„Ich werde nicht mit dir schlafen, Booth!"
Etwas perplex schaute er zurück und lachte dann in sich hinein. „Hat ja auch keiner was von gesagt. Genieß es einfach." Mit diesen Worten küsste er sie sacht auf die Stirn und drückte sie wieder in eine liegende Position. Auch das sanfte Streicheln ihres Rückens nahm er wieder auf und spürte kurz darauf, wie sie sich entspannte und ihre Atemzüge immer länger und gleichmäßiger wurden. Bones war eingeschlafen.
