Tja, das ist sie, meine erste Fanfiction, nach langem Abändern, Neuschreiben und Immer-noch-nicht-gut-finden endlich in einer Fassung, die man (hoffentlich) der Öffentlichkeit zumuten kann. Reviews wären großartig, konstruktive Kritik ist immer gern gesehen, ernst gemeintes Lob natürlich genauso.

Plot und Titel sind nicht unbedingt neu, weiß ich, ich hoffe trotzdem, dass es keine Mary-Sue geworden ist.

Disclaimer: Ich bin nicht J.K. Rowling (wer hätt's auch gedacht), daher nix meins außer meiner Hauptfigur und den Teilen des Plots, die ihr nicht kennt. Ach ja, die Musik gehört Alicia Moore a.k.a. Pink.

Soundtrack: „Get the party started" von Pink

Here we go…

Erstes Kapitel

Aufwachen, einen Blick auf den Wecker werfen, umdrehen, weiterschlafen.

Soweit der Plan, der in der Theorie auch wirklich gut funktioniert. Nur ist das mit Theorie und Praxis ja bekanntlich so eine Sache…

Tatsächlich klappte bis zu „umdrehen" alles ganz wunderbar und hätte das, was mich betrifft, auch weiterhin getan, wäre da nicht Minnie gewesen. Sie knabberte an meinem Ohr, stupste mich und gab sich auch sonst alle Mühe, mein Vorhaben – sofern man es als solches bezeichnen kann – zu vereiteln.

Vielleicht sollte man an dieser Stelle, nur um eventuellen Irritationen vorzubeugen, erwähnen, dass Minnie meine Ratte ist. Meine dunkelblau-metallicfarbene Ratte, benannt nach keiner geringeren als Minerva McGonnagal höchstpersönlich. Weder der Name noch die Fellfarbe (ich hätte bordeauxrot bevorzugt) stammten von mir, nein, die Welt verdankte sie einem meiner besten Freunde (nicht, dass es die Welt großartig interessiert hätte). Besagter Freund versteht sich – wie man an diesem Beispiel deutlich sehen kann - bestens darauf, seine durchaus vorhandene Intelligenz zu verbergen, es erstaunt mich immer wieder.

Genau wie ihre Namensvetterin war Minnie sehr pflichtbewusst und eine Art Erinnermich, wenn auch ein recht lebendiges. Als sie nach guten zehn Minuten und einigen Ermahnungen meinerseits (von „Bitte, Minnie, ich will schlafen" über „Es reicht!" bis hin zu „Herrgott, jetzt lass mich endlich in RUHE!") immer noch nicht aufgegeben hatte, kam mir daher der Verdacht, dass ich womöglich grade irgendetwas Wichtiges im wahrsten Sinne des Wortes verschlief.

Mit äußerster Willenkraft raffte ich mich zu einem zweiten Blick auf den Wecker auf, aber da stand bloß –

Oh, SHIT

Das heißt, das stand natürlich nicht, viel schlimmer, da stand:

1.9., 10:27

Der Hogwartsexpress würde in genau 33 Minuten abfahren.

Ich hatte meinen Koffer noch nicht gepackt, meine Schulsachen nicht zusammen geklaubt, nicht geduscht, nicht gefrühstückt und, und, und.

Oh, meine Fahrkarte hatte ich auch noch nicht wieder gefunden (sie war etwa sieben Minuten nach ihrer Ankunft per Eulenpost unter einem enormen Berg von CDs begraben worden, weil das Regal, auf dem die CDs gestanden hatten, umgekippt ist, weil…ach, vergesst es, ist 'ne längere Geschichte, im Endeffekt war meine Karte weg).

Diese Art von Situation nur zu gewohnt, reagierte ich äußerst kompetent:

Ich bekam einen Schreikrampf.

„Verdammt, Mandy, es ist mitten in der Nacht!"

Dieser feinfühlig aus dem Mundwinkel geschnauzte Kommentar stammte von meiner älteren Schwester Lucy, die, mit tatkräftiger Unterstützung des Türrahmens, auf der Schwelle zu meinem Zimmer stand und sich alle Mühe gab, mich böse anzufunkeln, dabei jedoch an ihren offensichtlich viel zu schweren Augenlidern scheiterte. Und es trotz allem noch schaffte, besser auszusehen als ich, wenn ich hell wach und bestens gelaunt war.

Das Leben kann so unfair sein.

Mit „Mandy" war natürlich ich gemeint. Mein voller Name lautet Mandalay Penelopé Hendricks und gehört zu den Dingen, die ich meiner Mutter nie, niemals verzeihen werde (zumindest die ersten zwei Drittel).

Wahrscheinlich war sie dem weit verbreiteten Irrglauben erlegen, dass zu einem vollwertigen Mitglied der magischen Gemeinschaft ein möglichst abgefahrener Name gehört (Lucy heißt eigentlich Lucinda – muss ich mehr sagen?).

Das ärgerliche an meinem Namen ist, dass jeder Idiot sich dazu berechtigt fühlt, mich „Mandy" zu nennen. Und man glaubt gar nicht, wie viele Idioten es gibt, wenn man das erst einmal als Definition nimmt… Wer mich kennt, weiß, wie sehr ich es hasse, und nennt mich bei meinem richtigen Namen oder, im Falle meiner Freunde, „Pinsel" (auch dieser Name ist nicht auf meinem Mist gewachsen – tatsächlich ist der Verantwortliche derselbe wie bei Minnie – aber er hat seine Berechtigung, zu der wir allerdings später kommen).

Ausnahme: Man will mich ärgern (so wie Lucy im Moment) oder hat einen dringenden Todeswunsch.

Ich hörte nicht auf zu schreien, variierte aber ein bisschen: „LUCY!"

„Wow, nachdem wir seit 16 Jahren Schwestern sind, kannst du sogar meinen Namen!" Grrrr.

„Lucy! Der Zug fährt in einer halben Stunde, du musst mich hinfahren, bitte!"

„Ich habe 1.diese Nacht etwa drei Stunden geschlafen, 2.Kaffee so nötig wie nie zuvor und 3." sie machte eine kleine Kunstpause „so was von einen gut bei dir."

Kopfschüttelnd verließ sie das Zimmer, blieb am oberen Treppenabsatz kurz stehen, um mir ein original feldwebelmäßiges „In 20 Minuten unten!" zu zurufen und verschwand die Treppe zu besagtem Absatz hinunter.

Meine Panik, die sich kurzzeitig hatte betäuben lassen, kehrte mit aller Macht zurück. Völlig, nun ja, panisch eben, sprang ich auf, zerrte mit ungeahnten Kräften meinen Koffer vom Schrank (der, ähem, neben dem Ex-CD-Regal steht…aber das hat NICHT DAS GERINGSTE miteinander zu tun, überhaupt nicht!) und begann wahllos alles, das irgendwie das Pech hatte, in meine Reichweite zu kommen, hineinzuwerfen, Klamotten, einen hellgrünen Schraubenzieher, Schulbücher, andere Bücher, eine Pfauenfeder, Süßigkeiten, meinen CD-Player (gut, nicht geworfen, aber zumindest unsanft abgestellt), meinen Besen, einen geblümten Kissenbezug, Schreibzeug, Minnies Käfig, mit beiden Händen hineingeschaufelte CDs, kaputte Kugelschreiber, kurz: das Nötigste

… und was eben gerade so greifbar war.

Komplett ausgepumpt ließ ich mich rückwärts auf mein zerwühltes Bett fallen, nur um sofort wieder aufzuspringen, als ich auf etwas landete, das dem Gefühl nach in etwa so kuschelig war wie eine Heugabel und das zu allem Überfluss auch noch irgendetwas ziemlich warmes, um nicht zu sagen heißes, versprühte.

Es stellte sich heraus, dass mein Zauberstab die Angewohnheit hatte, Funken zu entwickeln, sobald sich jemand unangekündigt auf ihn warf.

Ich zerrte dieses illoyale Stück Holz-mit-Drachenherzfaser recht unsanft unter der Decke hervor und sank auf selbige zurück um meine Gliedmaßen zu beruhigen, die wunderbar rhythmisch „KAF-FEE! KAF-FEE!" über meine Synapsen jagten und schlicht mit Befehlsverweigerung drohten. Aber dieses mein Lebenselixier musste warten, denn meine Ruhe wurde abermals gestört von Minnie, die hektisch am linken Bein meiner Schlafanzughose zerrte. Moment. Schlafanzughose? Verdammt!

Wäre dieser Moment von einer Kamera festgehalten worden, ich wäre nur als äußerst verschwommener Wirbelwind wahrzunehmen gewesen. Mit einer für ein derart kleines und vor allem vollgepfropftes Dachkämmerchen wie meins geradezu halsbrecherischen Geschwindigkeit bewegte ich mich zu meinem Koffer und warf mich bäuchlings hinein.

Dank eines Spürsinns, der sich ausschließlich nach Jahren des Dauerkrisenmanagements einstellt, schaffte ich es, kurze Zeit später mit sauberer Unterwäsche, einem T-Shirt und meiner Lieblingsjeans wieder aufzutauchen. Ich beschloss, dass die Dusche bis zur Ankunft in Hogwarts warten konnte und beschränkte meine Morgentoilette aufs Zähneputzen und Gesichtwaschen.

Nachdem auch diese vorerst letzte Hürde auf dem Weg in mein zweites Zuhause genommen war, ging ich mich zurück in mein Zimmer um zu sehen, ob mir irgendwas Wichtiges durch die Lappen gegangen war.

Mein Blick wanderte über das noch immer ungemachte Bett, den mit Süßigkeitenpapieren, Zeichnungen, Schulsachen aus dem 5. Jahr, Muggel-Musikzeitschriften und Stiften übersäten Schreibtisch, die zugezogenen dunkelroten Gardinen, die Stereoanlage, deren Knöpfe vom häufigen Benutzen schon glänzten, den seit einem Anfall von Ferienfrust meinerseits vor zwei Jahren orange-gelb gestreifte Schrank, die mit Postern zugekleisterte Dachschräge, das nun fast leere Bücherregal…

Alles, was sich mitnehmen ließ, hatte ich eingepackt.

Minnie riss mich schließlich aus meinen Gedanken, wiederum durch energisches Zerren an meinem Hosenbein, und so schnappte ich mir nach einem letzten Blick auf den Wecker (Mist, verdammter! 10:44!) meinen Koffer und huschte die ausgetretene dunkle Holztreppe zum Erdgeschoss hinunter.

Unten stand Lucy, die demonstrativ auf ihre Uhr sah, mir dann jedoch den Koffer abnahm und mich mit einem angedeuteten Kopfnicken den schmalen Gang hinunter zum Zimmer unserer Mutter schickte. So leise wie möglich öffnete ich die knarzende Tür und schlüpfte ins Zimmer. Ich brauchte einen Moment, bis mich an das Dämmerlicht und den intensiven Duft nach indischen Räucherstäbchen im Innern gewöhnt hatte.

Meine Mutter war zwar eine Hexe, führte jedoch bis auf ein paar Hauhaltszauber (schiere Faulheit) ein Muggelleben, wenn auch ein ungewöhnliches. Sie war eine Art seltsame Mischung aus Hippie und Rockgroupie und weil ihr die Winkelgasse „zu spießig" war, hatte sie den kleinen Laden, in dem sie Pendel, Räucherstäbchen, Tarotkarten und ähnliches verkaufte, in Muggellondon eröffnet, nahe der Portobello Road (mein Verdacht ist, das es nichts mit der angeblichen Spießigkeit der Winkelgasse zu tun hatte, sondern vielmehr damit, dass Muggel Kristallkugeln für wahnsinnig stilvoll-mystische Dekoration halten und sie damit ganz ordentlich Geschäft macht. Ich bin der Meinung, dass nichts auch nur annähernd „mystisches" stilvoll sein, und Prof. Trelawney ist in dieser Hinsicht ein immerwährender Quell der Bestätigung).

Aber jedem – auch den Muggeln - das seine, dafür haben ihre Töchter jetzt einen kleinen Schaden. Muss an den Räucherstäbchen liegen.

Im Moment war aber noch Sommerpause und meine Mum schlief noch, deshalb waren die schweren, dunkelvioletten Vorhänge, die nicht den kleinsten Lichtstrahl durchließen, fest geschlossen während sie tief schlummernd und mit in alle Richtungen ausgebreiteten Gliedmaßen im Bett lag.

Mit leisen, schnellen Schritten durchquerte ich den Raum und ließ mich auf Knien neben ihr nieder. Sie atmete durch den leicht geöffneten Mund und bei jedem Atemzug flatterte eine hennarote Haarsträhne, die sich quer über ihr Gesicht gelegt hatte, ein wenig auf. Mit einem leisen Lächeln strich ich ihr die vorwitzigen Haare hinters Ohr. Meine Mutter, die meistens Kleidung trug, in die ihr zierlicher Körper mehrmals hineingepasst hätte, wirkte immer sehr träumerisch und zerbrechlich. Ich grinste - wie sehr der Einruck doch täuschte…

Ich wollte sie nicht aufwecken um mich zu verabschieden, denn damit wären meine Chancen, rechtzeitig wegzukommen gleich null gewesen, und so bestand mein Abschied nur aus einem Kuss auf die Wange, gerade so leicht, dass sie weiterschlafen würde.

Als ich aus dem Haus trat, traf das Sonnenlicht des strahlenden ersten Septembertags mich völlig unvorbereitet und ich brauchte einen Moment um Lucy zu registrieren, die, ungeduldig mit den Fingern auf dem Lenkrad ihres alten, aber nichtsdestotrotz robusten Chevy trommelnd, vor der Tür stand und mir von innen die Autotür aufhielt.

„Hör mal, ich bin nicht diejenige, die um 11 in Kingscross sein muss!"

„Natürlich musst du", gab ich zurück, „andernfalls bin ich nämlich zu spät und komme nicht nach Hogwarts und dann hättest du mich bis zu den zu den Weihnachtsferien am Hals und DAS wollen wir doch verhindern, oder?"

Geräuschvoll schloss ich die Autotür und sofort trat Lucy das Gaspedal voll durch, sodass unsere Straße vorm Fenster nur so vorbei zu fliegen schien. Mit einem trotz oder gerade wegen der (verhältnismäßig) frühen Stunde erschöpften „Puh!" ließ ich mich gegen die Lehne meines Sitzes fallen und schloss die Augen. Jetzt lag es nicht mehr bei mir.

Die Zeiger der großen Bahnhofsuhr zeigten 10:56 als wir mit einer Vollbremsung vor dem Haupteingang zu stehen kamen. Hektisch zog ich Lucy in eine kurze Umarmung und wollte mich schon zum Gehen wenden, doch sie hielt mich am Ärmel zurück. „Hast du nicht was vergessen?"

In Gedanken ging ich noch mal meine Checkliste durch: Koffer? Besen? Haustier? Geld?

Irritiert runzelte ich die Stirn. Mir fiel beim besten Willen nichts ein.

Lucy seufzte und wedelte mit einem vage vertrauten Stück Pergament vor meiner Nase herum: „Na? Klingelt's?"

„Mein Ticket! Oh Gott, das hab' ich – " „total vergessen, schon klar, du darfst mir später danken." Ich schnappte mir das Ticket, zerrte meinen Koffer von der Rückbank und rannte.

So schnell es mit einem ziemlich schweren Koffer in der einen Hand, einem Besen in der anderen und einer Ratte, die zwischen im Zickzack meinen Füßen umher hüpfte, möglich war, sprintete ich durch die Bahnhofshalle und die Absperrung zu Gleis 9 ¾. Zu meinem Schrecken pfiff der Zug bereits und stieß auch schon enorme Dampfwolken aus, aber noch war er nicht weg. Mir fiel ein Gebirge vom Herzen und mit einem Seufzer, der genau das zum Ausdruck brachte, verstärkte ich noch einmal den Griff um Koffer und Besen und schleifte beides mit mir an Bord.

Die Gänge waren wie ausgestorben, aus den Abteilen drangen Gespräche und Gelächter.

Ich stellte mein Gepäck ab, entkrampfte meine Finger und atmete tief durch. Dann nahm ich meine Sachen wieder auf und machte mich auf die Suche nach meinen Freunden.

Es war Zeit, die Marauder wieder zu vereinen. Und außerdem war es Zeit, endlich mal das verdammte Pathos abzustellen.

Ich hörte sie lang bevor ich sie sah: Das Gelächter aus dem letzten Abteil war das mit Abstand lauteste im ganzen Zug und absolut unverkennbar. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus und mit neuem Schwung zog ich mein Gepäck den schmalen Gang entlang.

Strahlend riss ich die Tür auf und verkündete: „Tadaaaaaaaa!"

Die vier sahen zu mir hoch und - fingen an zu lachen!

„Alle Jahre wieder!" begrüßte Sirius mich schließlich als erster, noch immer lachend, und zog mich in eine Umarmung, die einige meiner Rippen dazu veranlasste, empört zu knacksen. „Gab es eigentlich irgendeinen ersten September, an dem du nicht in der letzten Sekunde reingestürmt bist?" Das kam – etwas gepresst – von Remus, der, ganz Gentleman wie immer, sich damit abmühte, meinen Koffer in die Gepäckablage zu verfrachten, mit zwei Fingern eher symbolisch unterstützt von James.

„Ähm", machte ich, auf der Suche nach einer Antwort, die in der Lage war, meine chronische Unpünktlichkeit zu kaschieren. Und tatsächlich fand ich eine: „Ja! Vor zwei Jahren war ich schon eine halbe Stunde früher da!" Ha! Hahahaha!

„Was nicht zufällig damit zusammenhing, dass du die letzte Ferienwoche damals bei mir verbracht hast, oder?" fragte James offensichtlich belustigt, die Augenbrauen so weit hochgezogen, dass sie in seinem wie immer hoffnungslos zerstrubbelten Haar verschwanden.

Die anderen lachten, als ich großzügig abwinkte.

„Ist auf jeden Fall schön, dass du's geschafft hast", schaltete sich Peter ein, der sich mittlerweile von seinem Platz am Fenster erhoben hatte, und ich begrüßte auch ihn mit einer Umarmung, die Minnie dazu nutzte, von meiner auf seine Schulter auf seine zu wechseln. Naturgegeben verstanden die beiden sich ausgesprochen gut.

Remus hatte endlich den Kampf gegen meinen Koffer gewonnen und drängte sich nun an Peter vorbei, um sich seine Begrüßung abzuholen, die ein wenig kurz ausfiel, weil er es eilig hatte zum Vertrauensschülerabteil zu kommen.

Ich ließ mich neben James nieder und drückte auch ihn, bevor ich erwartungsvoll in die Runde sah: „Was haben wir?"

„Nichts. Nada. Niente. Rien.", antwortete James.

„Du hast die Alliteration versaut.", sagte Sirius beiläufig.

„Bitte was? Seit wann benutzt du Worte mit mehr als zehn Buchstaben? Und weißt auch noch, was sie bedeuten?" Man konnte praktisch sehen, wie sich ein großes, blinkendes Fragezeichen über seinem Kopf bildete und anfing zu rotieren. Aber auch ich war gelinde erschrocken.

„Seit er aus Versehen mal gefragt hat, was denn PMS sei. Alles darüber hinaus ist Moonys schlechter Einfluss", grinste ich.

„Macht euch nur lustig. Du kennst solche Worte doch auch nur, weil Evans mal das Gegenteil behauptet hat, Prongs.", er wandte sich mir zu, „und du bist ein Mädchen, Mädchen wissen so was immer."

„ Naturgegeben, wenn's um PMS geht, und ich frag' jetzt lieber nicht, was Moony ist. Aber trotzdem: Was haben wir?"

James zog die Augenbrauen hoch: „Was glaubst du denn, wie viel seit grade eben zu „nichts" dazu gekommen ist?"

„Klugscheißer."

Jetzt schaltete sich auch Peter sich ein: „Wenn wir einen Jahreseröffnungsstreich wollen, sollten wir vielleicht Vorschläge sammeln statt mit Worten um uns zu werfen die wir eh nicht buchstabieren können."

„Da kannst du nur von dir reden", murmelte Sirius und fügte laut und deutlich hinzu: „Wir brauchen was, dass richtig reinhaut. Keine halben Sachen! Narcissa wird dieses Jahr eingeschult, und ich will ihr doch einen würdigen Empfang bereiten."

„Wie wär's, wenn wir die Boote für die Erstklässler losbinden und auf den See schicken?", schlug Peter vor.

James schien die Sache zu erwägen, aber ich schüttelte den Kopf: „Die sind mit ein, zwei guten Accio wieder da, ist witzlos. Wir könnten Peeves überreden, das Tor von innen zu verriegeln."

„Und uns draußen den Allerwertesten abfrieren, vielen Dank auch. Hast du mal auf die Wetterseite vom Propheten geschaut? In Hogwarts schüttet es seit vorgestern wie aus Kübeln."

Diesen zugegebenermaßen berechtigten Einwand hatte James gebracht. Eine Weile herrschte Schweigen, während jeder sich das Hirn zermarterte auf der Suche nach einem Streich, der sich in wenigen Stunden Zugfahrt vorbereiten und ohne jegliche Scherzartikel durchführen ließ und trotzdem uns und unserem Ruf angemessen war.

Plötzlich setzte Sirius sich auf, so ruckartig, dass Peter fast vom Sitz rutschte. Langsam breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus: „Gibt mir mal bitte einer das Zauberkunstbuch, ich muss da mal was nachschauen…"

Erst Fremdworte und jetzt sagte er auch noch bitte – ich machte mir wirklich Sorgen…

Der Prophet hatte sich zur Abwechslung an die Fakten gehalten: Als wir in Hogsmeade den Zug verließen, hielt der Regen das Dorf und die umgebenden Hügel fest in seiner nass-kalten Umklammerung und die Tropfen fielen so dicht und unablässig, dass man keine 10 Meter Sichtweite hatte. Es war kein Vergleich zu dem hochsommerlichen Wetter Londons oder der stickigen, aber gemütlichen Wärme des Zugs, und ich wusste, was mir lieber war.

Im kalten Wind zitternd, die Krägen und Kapuzen unserer Umhänge hochgeschlagen und ohne ein Wort zu wechseln hasteten wir durch diese Sintflut, mit dem einzigen Ziel und Gedanken, die trockenen Kutschen so schnell wie möglich zu erreichen.

Wir fünf eroberten eine nur für uns, unsere von Kälte und übermäßiger Feuchtigkeit geprägte Laune spiegelte sich auf unseren Gesichtern wieder und hielt unsere Mitschüler davon ab, sie uns streitig zu machen. Rumpelnd setzten die Kutschen sich in Bewegung und ich nutzte die kleine Verschnaufpause, um meine Freunde nach zwei Monaten Ferien zum ersten Mal wirklich in Augenschein zu nehmen.

James neben mir hatte etwas weniger kindliche Züge und schien mir etwas muskulöser und ein Stück gewachsen, aber an Moony und Padfoot reichte er noch immer nicht heran und sonst war er noch ganz der alte, er hatte noch dasselbe Glitzern in den Augen, das seit dem ersten Jahr vor jedem Streich dort funkelte. Außerdem und ungemein typischerweise war er in eben diesem Moment dabei, seinen tropfnassen Schal (wozu hatte der Junge einen Schal gebraucht, als er in London eingestiegen war?) genau über Peters Tasche auszuwringen, selbstverständlich völlig unabsichtlich …

Der Besitzer besagter Tasche saß zu meiner anderen Seite und bereitete sich mittels eines Nickerchens auf den kommenden Stress vor, das rundliche, gutmütige Gesicht entspannt, der ganze Junge hatte sich keinen Deut verändert, er strahlte ein wenig Unsicherheit, aber auch Pragmatismus, Humor und einen Hang zur Gemütlichkeit aus. Allerdings hatte ich etwa dasselbe bis jetzt noch jedes Mal nach den Ferien gedacht, und er sah trotzdem aus wie ein Sechstklässler. Hm.

Ihm gegenüber war Remus, der, etwas schmaler als letztes Jahr, aber noch braun gebrannt von drei Wochen Südfrankreich und mit etwas längeren, von der Sonne ausgebleichten Haaren nicht mehr aussah wie der Intellektuelle, der er zumindest zeitweise war, sondern eher wie ein leicht verhungerter Surfer. Halb angespannt, halb vorfreudig (eine an ihm sehr vertraute Kombination von Gefühlen) ob unseres geplanten „speziellen Willkommengrußes" lenkte er sich ab, indem er mit Minnie spielte, er ließ sie auf seinen Schultern herum turnen, seine Hände beschnuppern, unter den Saum seines Pullovers krabbeln und sie schien ihren Spaß zu haben.

Treulose Ratte.

Und zu guter Letzt schweiften mein Blick und meine Gedanken zu Sirius. Er saß mir schräg gegenüber am beschlagenen Fenster der Kutsche und hatte den Blick starr auf die dunkle Decke gerichtet, schon seit Beginn der Fahrt, und sein Gesicht war ausdruckslos. Irgendwie hatte er sich verändert, auch wenn ich es unmöglich an etwas bestimmten hätte festmachen können. Er war noch genauso groß und gut gebaut (was ich ihm natürlich so nie gesagt hätte, sein Ego war ohnehin an der Obergrenze dessen, was gut war, für ihn und andere), aber er wirkte verändert, irgendwie…erwachsener.

Und vielleicht sah er ja nicht nur erwachsener aus, vielleicht war er tatsächlich erwachsener geworden?

Und vielleicht war McGonnagal nebenberuflich GoGoGirl. Sicher doch.

Der abrupte Halt riss mich aus meinen absurden Überlegungen. Wir tauschten ein letzten Blick, ein angespanntes Nicken, und dann stiegen wir aus, voll konzentriert auf unsere jeweiligen Aufgaben, und dabei so verdammt gutaussehend.

Ich verbrachte zu viel Zeit mit Sirius.

Wir waren kaum durchs Schlossportal getreten als mir auffiel, dass James nicht mehr zu sehen zu war. Ein Grinsen unterdrückend – man war schließlich Profi – biss ich mir auf die Unterlippe und sah zu Sirius. Auch seine Mundwinkel zuckten und kaum merklich nickte er zu einer unscheinbaren, mit einem Vorhang bedeckten Nische in der Wand zu meiner Linken, die Art unscheinbare, mit einem Vorhang bedeckte Nische, von der es in Hogwarts unzählige gibt und die niemand wirklich wahrnimmt – fast niemand…

„Wir dürfen Prongs nicht verlieren", wisperte er als wir kurz nacheinander und so unauffällig wie möglich hinter dem zerschlissenen Stück dunkelrotem Samt verschwunden waren, wo wir jetzt dicht aneinandergedrängt standen, bemüht, nur so viel von der feuchten, muffigen Luft einzuatmen wie unbedingt nötig. Ich antwortete nicht, ich war zu beschäftigt damit, meine sprunghaft angestiegene Anspannung in die richtigen Bahnen zu leiten. Mit angehaltenem Atem lauschte ich auf die Schritte im Gang, die immer weniger wurden und schließlich erstarben. Vorsichtig schob ich den Vorhang ein winziges bisschen zur Seite und murmelte, als der Gang zur Großen Halle wie leergefegt vor mir lag, ohne mich umzudrehen „Jetzt!"

Wir traten aus der Wandnische in den Schein der zahllosen Fackeln, die den Korridor erleuchteten, klopften uns den Staub von den Umhängen und brachten uns in Position: Bauch rein, Schultern zurück, Nase hoch, noch mal tief durch atmen und los ging's.

Ich schob meine Nervosität (Oh Gott, bitte lass den Spruch klappen, bittebittebitte…) in irgendeinen möglichst weit entfernten Winkel meines Bewusstseins ab (…und lass uns rechtzeitig sein…) und konzentrierte mich auf meinen Text (…und lass McGonnagal uns glauben…). Wir mussten sie nur ganz kurz ablenken, aber in diesem Moment durfte sie sich auf gar nichts anderes konzentrieren als auf die Geschichte, die wir ihr präsentierten (bittebitteBITTE!).

Wären wir nicht die Marauder und damit einem gewissen Ruf verpflichtet gewesen, ich hätte schlicht aufgegeben…dummerweise warenwir die Marauder.

Wir waren fast an den zwei steinernen Wasserspeiern angekommen als diese auch schon beiseite sprangen und den Blick auf die Wendeltreppe freigaben. 'Timing' schoss es mir durch den Kopf und ich brachte meine Mundwinkel nur schwer wieder unter Kontrolle. Sechs Jahre Erfahrung hin oder her, mein Körper kribbelte bis in die Fingerspitzen, mein Puls orientierte sich an einer härteren Techno-Nummer und ich war kurz davor, in hysterisches Kichern auszubrechen.

„Professor", begann Sirius da auch schon neben mir. Prof. McGonnagal, die soeben mit dem Sprechenden Hut in der einen Hand und einem Schemel in der anderen zwischen den Wasserspeiern hervor getreten war, zog überrascht und misstrauisch die Brauen in die Höhe, ganz so, als ob ein Besuch der Marauder so früh im Schuljahr nichts Gutes bedeuten könne…

Hey, so schlimm waren wir auch nicht! Dass sie durchaus Recht hatte, tat ja nichts zur Sache…Und los ging's.

„Was gibt es so dringendes, das nicht bis nach dem Festmahl warten kann?", fragte sie ohne den geringsten Versuch, ihre Ungeduld und Gereiztheit zu verbergen. Also, wenigstens ein bisschen Begeisterung hätte sie schon heucheln können.

„Professor, es tut uns leid, aber es geht um Peter, er müsste dringend in den Krankenflügel. Madam Pomfrey ist aber noch nicht da und da dachten wir, dass sie vielleicht…" Mit meinem treuherzigsten und flehentlichsten Blick sah ich zu unserer Hauslehrerin hoch, während Sirius neben mir so unglaublich ernst und besorgt aussah, dass ich nah dran war zu glauben, es sei wirklich jemand verletzt oder so.

„Pettigrew?" Welcher sonst! McG. runzelte die Stirn und wollte gerade weiterreden, als Stimmen laut wurden. Offensichtlich war jemand auf dem Weg zu uns.

Und tatsächlich, einen Wimpernschlag später kamen Remus und Peter um die Ecke, oder vielmehr, wurde Peter von Remus um die Ecke getragen.

Gut gemacht, Jungs.

Ich hatte mich zu den beiden umgewandt, und als ich hörte, wieMcGonnagal hinter mir scharf die Luft einzog konnte ich sie nur zu gut verstehen. Selbst für mich, die ich ja darauf vorbereitet gewesen war, war der Anblick ein Schock: Peter hatte nur noch ein Bein!

„Bei Merlins Bart, was in aller Welt ist passiert?" McG. hörte sich eindeutig an, als müsste sie sich zusammen reißen um nicht kurzerhand ohnmächtig zu werden. Aber als Hauslehrerin von Gryffindor…echtes Pech.

„D-das ist es ja, weshalb wir sie sprechen wollten, wir h-ha-haben doch nur ein paar Sprüche a-aus dem neuen Zauberkunst-Buch ausprobiert, u-und auf einmal war es einfach weg –" Remus stotterte, weil er so schnell und atemlos sprach. „Um Himmels Willen, Junge, ich hätte sie nun wirklich für intelligenter gehalten!" Aua, das hatte wehgetan. Aber egal, sie hatte es geschluckt! Ich dankte Merlin, oder wer auch immer für so was verantwortlich war, für Remus' schauspielerische Fähigkeiten.

„Im sechsten Jahr lernt man unter anderem auch den Desillusionierungszauber, und so sehr ich mich freue, dass er offensichtlich teilweise geklappt hat, wäre es mir doch lieber, wenn sie sich vielleicht das nächste mal vorher durchlesen, was der Zauber bewirkt!" Der Schemel und der Hut in ihren Händen zitterten – aber das konnte nichts damit zu tun haben, dass die Luft hinter ihr auch zitterte…

Unauffällig tippte ich Sirius auf den Fuß. James war da, jetzt kam sein Part: „Oh, da sind wir aber erleichtert!" Na ja, glaubwürdig war was anderes… „ Nur, wie machen wir das Bein wieder sichtbar?"

„Das mache ich schon. Und, Pettigrew", Peter wurde ein bisschen blass, dieser Ton verhieß nichts Gutes, „ nur weil ihr Bein nicht sichtbar war, hieß das nicht, dass es nicht vorhanden war. Es gab überhaupt keinen Grund, sich stützen zu lassen!" Sie hatte sich eindeutig wieder unter Kontrolle. Ähem, f

ast. So heftig hätte sie den Schemel nicht abstellen müssen und der Hut konnte schließlich auch nichts dafür…

Während McGonnagal sich zu Peter hinunterbeugte, um den Zauber aufzuheben, schoben Sirius und ich uns Schritt für Schritt Richtung Hut, um James zu helfen. Hektisch kramte ich einen Zettel mit der Beschwörung aus meiner Tasche und hielt ihn dorthin, wo ich James vermutete. Der zählte leise bis drei, dann begann er leise eine Art Singsang. Sirius und ich hatten währenddessen die eigentlich simple Aufgabe, den Hut ruhig in der Luft schweben zu lassen, sodass James richtig zielen konnte.

Aber wie es bei Dingen, denen das Wort „eigentlich" voran gestellt ist, nun mal so ist, kam es anders: Der Hut war wesentlich stärker als wir ihn eingeschätzt hatten, er zitterte und bebte und sträubte offenbar heftig dagegen, verzaubert zu werden. So fest es ging umklammerte ich meinen Zauberstab, der unangenehm warm geworden war. Sirius neben mir schien es nicht besser zu gehen. Wie lang brauchte James denn, verdammt noch mal?

Plötzlich machte mein Stab einen Ruck nach vorne, der mich fast von den Füßen riss, und begann dann so heftig zu zucken, dass ich ihn fast los gelassen hätte. Der Schweiß trat mir auf die Stirn, lange würde ich das nicht mehr durch halten.

Da sah ich aus den Augenwinkeln, dass Sirius nicht mehr da war! Die kleine Ablenkung rächte sich sofort, mein Stab war heißer denn je und der Hut hüpfte wild in der Luft auf und ab.

In diesem Moment gewann das Stimmengewirr hinter mir bedeutend an Lautstärke.

„Mister Black, wären Sie so freundlich Ihren Körper soweit zur Seite zu bewegen, dass ich den Sprechenden Hut in die Halle bringen kann!"

Scheiße.

„Aber natürlich, Professor", ist der lebensmüde, „Ich gehe sofort- AHHH!"

Und dann überschlugen sich die Ereignisse, und ich mich mit ihnen : Irgendetwas riss mich nach hinten, ich verlor endgültig die Kontrolle über meinen Zauberstab, der Hut schoss zunächst gen Decke, um dann zerknautscht auf dem Boden zu landen, etwas (fühlte sich sehr nach dem Hocker an) traf mich am Kopf, und das nächste, was ich wusste, war, dass ich mit dem Gesicht nach unten auf Hogwarts' Steinboden lag, direkt neben etwas schottenkariertem, das sich als McGonnagals Schal herausstellen sollte.

Probeweise wackelte ich mit Zehen und Fingern - sehr gut, alles noch intakt – und hob dann vorsichtig den Kopf. Was ich sah, war…amüsant.

Eine paar Schritte neben mir saß Remus, rieb sich den Kopf, grinste zu mir herüber und deutete vage mit der Hand auf ein enormes, schwarzes Knäuel hinter mir, das ich mit einiger Mühe als McGonnagal, Sirius und Peter identifizierte. Ach ja, der Hocker war auch dabei.

Jetzt kam Bewegung in die Szene; Sirius richtete sich stöhnend und mit gequältem Gesichtsausdruck auf, sah, dass keiner seiner Leidensmiene Beachtung schenkte und stand innerhalb von Sekunden. Dann erhob sich McGonnagal, klopfte sich den Umhang ab und arrangierte ihre Gesichtszüge neu, und schließlich kamen auch Peter (wieder mit normalem Bein), Remus und ich auf die Beine.

Offensichtlich hatte unsere Lieblings- (weil einzige) Hauslehrerin ihre Sprache wieder gefunden: „Da allem Anschein nach niemand verletzt, könnten Sie alle mir jetzt vielleicht erklären, was bei Merlin da eben passiert ist?"

Gute Frage, wüsste ich auch gerne. Davon stand nichts im Drehbuch.

Zur allgemeinen Überraschung trat Sirius nach vorn (als ob sie ihn von da, wo er vorher stand, nicht gehört hätte), räusperte sich und sagte mit seinem patentierten Entschuldigungslächeln und einer seidenweichen Stimme: „Das war wohl meine Schuld, Professor. Peters Bein war noch nicht ganz wieder sichtbar und ich bin drüber gestolpert und habe alle mitgerissen…"

Warum wurde ich den Verdacht nicht los, dass da auch der ein oder andere Stolperfluch nicht ganz unbeteiligt war? Mir sollte es recht sein.

„Das gilt auch für Sie, Miss Hendricks!"

„Huh?" Oops, da war mir wohl was entgangen.

„Ich teilte Ihnen gerade mit, dass sie jetzt in die Große Halle gehen und bei der Verteilung der Neuen zu sehen können. Sie dürfen den restlichen Abend aber selbstverständlich auch hier in diesem heimeligen Korridor verbringen, wenn Sie das möchten, ich versichere Ihnen, ich hätte vollstes Verständnis!" Damit rauschte meine verehrte Hauslehrerin von dannen, den Schemel und einen ganz leicht modifizierten Hut unter dem Arm.

So unauffällig, wie es den größten Unruhestiftern der Schule mit Verspätung möglich war, bahnten wir uns den Weg zu unseren Stammplätzen am Gryffindortisch. Die erste Stufe des Plans mochte gelungen sein, aber es war noch nicht vorbei. Es war verdammt schwer, so unter Strom zu stehen und gleichzeitig so auszusehen als ob man keine größeren Sorgen hatte als die neue (und selbstverständlich um minimal 50 Gegenstände erweiterte) Liste der verbotenen Artefakte.

Doch jetzt konnte es endlich losgehen und wie immer wenn der Hut seinen Auftritt hatte hielt die gesamte Große Halle die Luft an. Ich war nervös. Meine Nackenhaare probten Standing Ovations und mein Mund war so trocken wie der Unterricht von Binns.

Und der Spalt über der Krempe öffnete sich und der Hut begann zu singen…

Ein neues Schuljahr fängt heut an

In dem ich wieder entscheiden kann

Wo ihr die nächsten Jahr' verbringt

Ob Hufflepuff, ob Gryffindor

Ob Ravenclaw, ob Slytherin

Weil Hogwarts nun mal eine Schule ist,

braucht man auch hier ein wenig Grips

nach Hufflepuff kommt, wer den nicht hat

die Sorte Zauberer gibt's dort satt

Die ganze Halle riss den Mund auf. Hatte der Hut das eben wirklich gesagt? Nur zu deutlich spiegelte die Frage sich auf den ungläubigen Gesichtern wieder, gemischt mit Empörung bei den Hufflepuffs, verstohlenem Lachen bei den anderen Häusern und großer Verwirrung bei den Lehrern. Ich sah zu den anderen: Peter und Remus sahen sich übertrieben geschockt an, James begutachtete sehr aufmerksam seine Fingernägel und Sirius klopfte lachend dem Mädchen neben ihm auf den Rücken, das sich vor Schreck an seinem Kürbissaft verschluckt hatte.

Mittlerweile hatten sich die geflüsterten Diskussionen in der Halle zu einer Art lautem Summen vereinigt, aber Dumbledore brachte die Schüler mit einer Handbewegung zum Schweigen. Denn der Hut war noch nicht fertig…

Das Gegenteil ist Ravenclaw

'Ne arrogante Streberschar

Tag und Nacht am Lernen

Doch niemand hat sie gern

Dieses Mal waren es die Ravenclaws, die entsetzt nach Luft schnappten, während der Rest der Schüler schon offener lachte als bei der Strophe über die Hufflepuffs, offensichtlich würde jeder mal dran kommen. Aus den Augenwinkeln schielte ich hoch zum Lehrertisch, aber McG.s zu einer einzigen schmalen Linie zusammen gezogenen Brauen, die eindeutig auf uns gerichtet waren, überzeugten mich davon, mich doch lieber auf den goldenen Teller vor mir zu konzentrieren.

Was sie nicht davon abhielt sich zu erheben und einen Schritt in Richtung Hut zu machen. Halt, das durfte sie nicht, es war do- AU! Hmpf. Offensichtlich hatte James in etwa dasselbe gedacht, aber WAR DAS VIELLEICHT EIN GRUND, MICH ZU TRETEN!

Aber bevor ich Gelegenheit hatte, mich zu wehren oder gar etwas gegen McGonnagal zu unternehmen, hatte Dumbledore mir die Sache aus der Hand genommen. Die mit McGonnagal, versteht sich. Und da man ein derart charmantes Ärmelzupfen unseres allseits verehrten Direktors nicht so einfach ignorieren konnte, war sie gezwungen, sich wieder hinzusetzen und sich den Rest des Liedes anzuhören, das der Hut soeben fortsetzen wollte:

In Slytherin, da findet Ruh'

Wer Reinblut ist und fies dazu

Muggelfreunde sind zu vermeiden

Die denn die kann man dort meist nicht leiden

Und wer nicht gerade Slytherin oder Lehrer war, lachte jetzt ganz unverhohlen , und selbst bei einigen Mitgliedern des Kollegiums hatte sich ein Schmunzeln auf die Mienen geschlichen. Unparteiisch war das ja nicht eben…und ich hatte ja keine Ahnung gehabt, dass sie so unbeliebt waren! Egal, jetzt kamen wir zum besten Teil der Geschichte, ein Loblied auf das ruhmreiche Haus des Godric Gryffindor!

Nicht überragende Geistesgaben

Gepaart mit vorschnellem Mut

Dies zeichnet aus die Gryffindors

Doch nicht immer tut's ihnen gut

Moment. Vielleicht war ich nicht auf dem neuesten Stand, aber unter „Loblied" verstand ich was anderes!

Prongs hatte es verbockt!

Offensichtlich war ich nicht als einzige zu diesem Schluss gekommen; auch Remus, Pete und Sirius sahen entgeistert zu James, der bloß eine entschuldigende Miene zog und sich zu erklären versuchte: „Der Hut hätte sonst nicht mitgespielt!"

Sirius sah aus, als ob er eine unhöfliche Antwort auf der Zunge hätte, aber Remus ließ ihn nicht zu Wort kommen: „ Die Sache hat einen großen Vorteil", vielsagend wies er mit dem Kinn auf McGonnagal, die uns sehr verblüfft – soviel Gleichberechtigung bzw. Bescheidenheit hatte sie von uns offensichtlich nicht erwartet (warum eigentlich nicht?) – und vor allem abwartend musterte. Sah ganz so aus als ob sie fand, dass das noch nicht reichte. Tja, für dieses Mal musste sie sich mit dieser doch recht zahmen Unterbrechung abfinden, aber, hey, das Schuljahr war ja noch lang …

Eigentlich hatten sich alle bestens amüsiert, aber aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund standen da ein paar Jüngere, die eher panisch als gut gelaunt aussahen.

Oh, natürlich! Es viel mir wie Schuppen von den Augen: Die noch hauslosen Frischlinge, Verzeihung, Erstklässler, unter ihnen auch Narcissa, die mit der „Tradition" nicht vertraut waren! Und wenn ich mich so an meine Auswahl erinnerte, konnte ich diesen fast durchgehenden „Ich-tu-alles-was-ihr-wollt-nur-bitte-lasst-mich-nach-Hause"-Gesichtsausdruck doch sehr lebhaft nachvollziehen…

Nur Fremde um einen herum (von denen die meisten zu allem Überfluss auch noch mindestens einen Kopf größer waren), nicht die geringste Ahnung, was einen erwartete und alle Augen auf einen selbst gerichtet – es war unschön. Und wir hatten nur noch mehr Verwirrung gestiftet!

Hmmmm, sollten wir da irgendwas wieder gut machen…? Ach was, wer nach Hogwarts wollte, musste da durch, basta!

Das Ende dieses bedeutungsschweren Gedankengangs fiel praktischerweise zeitlich zusammen mit dem Beginn der Auswahl, und schon war ein ziemlich zerbrechlich wirkendes kleines Mädchen mit blonden Locken und roten Wangen („Sandsfield, Daria!" wenn ich mich richtig erinnerte) den Slytherins zugeteilt worden, was meine Theorie über das Böse in engelsgesichtigen Kindern – äh, tut jetzt nichts zur Sache.

Als sich die goldenen Teller endlich füllten, waren wir schlicht zu hungrig, um irgendwas anzustellen, daher verlief das Festessen ziemlich ereignislos (nein, zwei Kartoffeln und eine Minibratwurst auf Abwegen zählen nicht als Ereignis).

Und während Dumbledore seine obligatorische Willkommensrede hielt, träumte ich auf meinem Stuhl zurück gelehnt von meinem kuscheligen Schlafsaal – und einer kleinen, aber feinen, privaten Wiedersehensfeier…