Dunkler Fluss aus Norden
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Kapitel 1
Ein Elb betrat den Raum. Seine Gestalt und sine Auftreten verrieten höhere Abkunft. Seine Kleidung war grau und sein Mantel war von einem langen Ritt verschmutzt. Seine langen grausilbernen Haare waren fest zurückgebunden, einige Strähnen hatte der Wind jedoch in sein Gesicht geweht. Dies tat jedoch störte sein würdevolles Auftreten keineswegs. Seine Augen hatten fast dieselbe Farbe wie seine Haare, etwas dunkler vielleicht und blickte ruhig auf die Menschen um ihn herum.
So viel Machar wusste, kam dieser Elb als Herold mit den selben Bitten und Empfehlungen wie alle seine Vorgänger. Und auch dieser Elb würde bald im Kerker liegen. Genauso wie die anderen.
Machar war kein Mann, auch wenn ihr Name der eines Mannes war. Ihr Vater, der König, hatte nie eingesehen, warum er eine Tochter hatte. Ihre Mutter war früh gestorben, und ihr Vater wollte einen Sohn, der ihm verweigert geblieben war. Eine zweite Heirat war ausgeschlossen gewesen, da dies für einen König, der schon ein Kind hatte, nicht angemessen war. So lautete das Gesetzt. Also hatte er kurzerhand aus seiner Tochter einen Mann gemacht.
Auch wenn Machar das Kämpfen liebte, so bedrückte es sie doch, dass ihr Vater ein Tyrann war, der nicht einmal gegen ein schwindendes unterdrücktes Volk Mitleid empfand. Die Elben waren schon seit langem zu schwach um gegen irgend jemanden kämpfen zu können. Sein waren zu wenige um noch eine Gefahr darzustellen.
Es hatte gar keinen Sinn, wenn man sie nun schnell beseitigte. Möglichst qualvoll. Warum dieses Volk zu schwinden begonnen hatte, das einstmals diese gesamte Gegend beherrscht hatte, wusste niemand. Das einzige was den König zu interessieren schien, war dass er mehr Land bekam und die Elben konnten sich nicht mehr wehren. Und in letzter Zeit waren es ihrer so wenige, dass sie sich völlig zurückgezogen hatten. Wohin wusste niemand genau, man war sich nicht einmal sicher, dass sie überhaupt noch da waren, aber die in regelmäßigen Abständen geschickten Boten ließen noch auf ihre Anwesenheit schließen.
Bedrückt hörte Machar wie ihr Vater auch über diesen Elb Gericht saß und ihn damit zum Tode verurteilte. Versteinert stand sie neben dem Thron und ließ ihn handeln, auch wenn sie wusste, dass er Unrecht tat. Ihre Augen schauten an dem Elben vorbei, durch ihn hindurch. Unsicher wie sie es jedes Mal war, traute sie sich nicht einmal den Verurteilten anzuschauen. Ihre Lippen wurden schmal, als ihr Vater geendet hatte. Der Elb wurde wieder hinausgeführt. Den nächsten Sonnenaufgang würde auch dieser Elb wahrscheinlich nicht mehr erblicken.
Das Herz wurde ihr schwer, wie nach jedem Todesurteil über einen des schönen Volkes. Aber es hatte keinen Sinn Einspruch zu erheben. Es würde ihr nur schaden und dem Elben nichts nützen. Niedergeschlagen verließ sie den Thronsaal um in ihre Gemächer zu gelangen.
Wie jedesmal wenn sie den großen kalten Saal verließ schien es ihr, als sei eine Zenterlast von ihren Schultern genommen worden. Ein kalter Schauer rieselte ihr über den Rücken.
Auf dem Weg hinaus traf sie Ngara, ihre Amme. Wenn es nach ihrem Vater gehen würde, dann hätte sie sie schon lange nicht mehr gesehen. Doch Machar hatte durchgesetzt, dass sie die alte Frau sehen konnte und dass sie hier auf der Burg eine Arbeit fand.
So war Ngara auch jetzt ihre Vertraute, mit der sie alle ihre Ängste teilte, ihr die Mutter ersetzte und mit der sie über anderes, als nur über den Krieg, sprechen konnte. Doch über ihren Vater sprachen sie nie mit niemanden, obwohl sie wusste, dass Ngara sie genau durchschaute und mitbekam, wie sie sich jetzt fühlte.
Im Moment erntete sie aber nur einen mitleidigen Blick, ehe die Alte in Richtung der Waschküche verschwand. Machar begab sich zur Wache. Sie würde hier eine Weile ihre Arbeit verrichten.
Grau uns düster hob sich die dunkle Burg von der weiten Ebene ab. Seit einer dunklen Zeit in ihrer Kindheit, an die sich Machar nicht mehr wirklich erinnerte, wuchsen keine Bäume mehr auf dem Burgberg. Sie waren alle gefällt worden. Einsam und öde war es heroben und kalt pfiff der Wind durch zwischen den ungeschützten Steinen.
Die Wachen gingen stumm ihre Wege. Die Anwesenheit eines Elben war meist etwas Bedrückendes. Nur der König schien das nicht so zu empfinden. Er war hart und kalt wie der Stein seines Thrones. Machar wusste selbst, dass man zu Recht sagte, er habe gar kein Herz. Und Machar war darüber traurig, denn sie liebte ihren Vater, trotz allem, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, warum. Es war so und es tat ihr weh, wenn er jemanden verletzte, genauso wenn es ihr weh tat, wenn er verletzt wurde. Doch er schien sie nicht zu beachten. Für sie war sie nur ein Nachfolger, den er in die Welt gesetzt hatte. Und das verbitterte sie.
Als sie bereits ein paar Stunden auf der Wachmauer gestanden hatte, sah sie wie sich ein einzelner Reiter von Horizont in großer Geschwindigkeit der Burg näherte. Zwischen dem hohen wogenden Gras war er kaum auszumachen. Als er näher kam, sah sie, dass es kein Elb war, so wie sie anfangs befürchtet hatte. Es war einer der Meldereiter, die von Zeit zur Zeit ihre Ritte zwischen den äußeren Wachstellen zu der Burg und zur nächsten Wachstelle ritten. Doch dieser Reiter wirkte anders!
Das schwarzbraune Pferd scheute, als der Bote den schmalen Karrenweg um Schloss hinauf galoppierte . Der Schaum flog ihm um den Mund und es zitterte.
Aus der Stirn des Reiter quoll ein breiter roter Faden, der über seine Augen floss. - Blut!
Das Tor wurde geöffnet, Machar verließ ihren Wachplatz. Sie hatte ihre Vater zu melden, wenn es neues gab.
Als sie in den Hof rannte, sah sie gerade noch, wie das Pferd unter seinem Reiter zusammenbrach und schweißgebadet liegenblieb. Eine andere Wache dämpfte den Fall des Reiters. Jetzt erkannte Machar, was die Wunde an der Stirn des Reiters eigentlich war. Es war ein ein großes Auge, das tief in die Stirn des Reiters eingeritzt war, sodass das Blut von seiner Stirn herunter in die Augen lief.
Erst danach fiel ihr Blick auf den blutdurchtränkten Verband um den Hals des Reiters. Darunter hatte sich auch schon sein Gewand rot gefärbt. Mit zwei Schritten war sie bei ihm.
Seine blauen und schon fast leblosen Augen blickten sie durch einen Blutschleier hindurch an. Aus seinem Mundwinkel rann ein dünner Streifen Blut. Er hustete bis er endlich etwas sagen konnte. Und dann auch nur leise und stockend.
"Nern...das Dunkel ist zurück!"
Sein Blick verlor sich, seine Augen wurden starr. Er war tot.
TBC...
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