°°KAPITEL 1°°

Verdammt, wie konnte mir das nur passieren?

Das Erste was sie spürte, waren die Sonnenstrahlen, die sie bestrahlten und überdeckten wie eine warme Wolldecke.
Als nächstes merkte sie, dass sie in den Armen von jemandem lag.
Dann wurde ihr bewusst, dass sie nackt war.

Hermine Granger blinzelte ein paar Mal und öffnete die Augen. Sie lag in einem weichen Bett und spürte eindeutig die Wärme eines Körpers hinter sich. Ihr Blick fiel als Erstes auf das glänzend weiße, zerknitterte Bettlaken auf dem sie lag. Ihre Augen schweiften durch den Raum und blieben an Einzelheiten wie achtlos hingeworfenen Kleidungsstücken, einem umgeworfenen Stuhl und ein paar Bierflaschen hängen. Müde blinzelte sie. Schwarze Flecken tanzten durch ihr Blickfeld, die letzten Reste der Nacht, die sie zurück in den Schlaf ziehen wollten.

Dumpf erinnerte sie sich an den letzten Abend.

Die Quidditchmannschaft von Gryffindor hatte beschlossen zu dem Gewinn ihres letzten Quidditchspiels gegen Ravenclaw eine Party im Gemeinschaftsraum steigen zu lassen. Die restlichen Häuser hatten dies mitbekommen und aus welchem Grund auch immer beschlossen es ihnen gleichzutun. Hermine wusste nicht wann oder ob die vier Häuser jemals etwas, nicht von der Schulleitung organisiertes, zusammen unternommen hatten. Sie hatte es für eine gute Idee gehalten.

Wo die jeweiligen Gemeinschaftsräume lagen erahnten die meisten Schüler schon lange. Eigentlich war es verwunderlich, dass es überhaupt noch Schüler gab, die nicht wussten wo man die Eingangsportale zu den Gemeinschaftsräume der anderen Häuser fand, da jeden Tag unzählige Schüler auf den Weg dorthin einen Menschenstrom bildeten, der einheitlich in die gleiche Richtung marschierte.
Auch die Passwörter wurden ausgetauscht, was schon problematischer war. Vielen Schülern gefiel der Gedanken nicht, ihren Mitschülern, teilweise sogar Feinden, den Zutritt zu ihren privaten Räumen zu ermöglichen, doch schließlich ließen sich auch die letzten Skeptiker überreden, indem versprochen wurde, die Passwörter am nächsten Morgen sofort zu ändern. Bei dem ganzen Durcheinander hatte Hermine sich gewundert, dass die Lehrer nichts davon mitbekommen hatten. Es hätte sich sicherlich kein Lehrer gefunden, der sie unterstützt hätte, was eigentlich unsinnig war, da solche Ereignisse die perfekte Möglichkeit waren, die Häuser zusammenzuschweißen.

Auch wenn es vielen Schülern Unbehagen bereitet hatte, zu wissen, dass Freunde wie Feinde in ihre Gemeinschaftsräume konnten, hatten sich viele auf das Fest gefreut. Und Hermine war sich beinahe sicher, dass Professor Flitwick ein bisschen zu lange in die Richtung von Cho Chang und Dean Thomas gestarrt hatte, als sie ihre Passwörter austauschten. Allen war klar gewesen, dass es am Tag darauf sicher Ärger geben würde, denn eine Party von so einem Ausmaße würde niemals unentdeckt bleiben, aber sie hatten gewusst, dass Dumbledore niemals die ganze Schule bestrafen würde und Hermine hätte sich nicht gewundert, wenn sie ihn mit einem Glas mit Kürbissaft in der Hand in einem der Gemeinschaftsräume angetroffen hätte.

In dem Gemeinschaftsraum der Gryffindors waren hauptsächlich Gryffindor und Hufflepuff Schüler anwesend gewesen, später auch ein paar Ravenclaw Schüler. Es waren sogar ein paar Slytherin, hauptsächlich Mädchen, aufgetaucht.

Ron, Ginny und Harry wurden mit dem Rest der Mannschaft gefeiert und Hermine und Luna standen am Buffet, das den mit Essen voll gestopften Haustischen in der großen Halle ähnelte, während Hermine Luna ihre Vorgehensweise mit .R erläuterte.

Hauselfen könnten viel mehr bewirken, wenn sie frei währen. Überleg doch mal, wie gut sie arbeiten würden, wenn sie bezahlt werden würden. Vielleicht könnte dein Vater mal ein Artikel über sie im Klitterer bringen!"

Hm, ich denke nicht.", sagte Luna verträumt. „Hauselfen sind von Schlickschlüpfe befallen. Die könnten sich schnell verbreiten wenn Hauselfen, wie alle anderen Zauberer, auf der Straße rumlaufen würden. Sie würden sich in den Ohren von uns annisten und uns vollkommen durcheinander bringen."

Luna nahm sich einen Becher Kürbissaft, in den Lee Jordan, wie sich Hermine sicher war, vor wenigen Minuten noch ein guten Schluck Wodka reingekippt hatte, und verschwand Richtung Tanzfläche, auf der sie anfing sich zu bewegen und zu drehen, vollkommen wider dem Rhythmus der lauten Musik.

Hermine schüttelte lächelnd den Kopf und machte sich auf die Suche nach Harry und Ron. Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen, konnte sie jedoch nicht ausfindig machen. Sie ging auf Neville zu, der auf einem der Sofas saß, seinen Mimbulus Mimbeltonia fest umklammert, und ängstlich in die Menge starrte, die sich tanzend vor ihm auf und ab bewegte. Hermine setzte sich neben ihn.

Hast du Spaß, Neville?", fragte sie so laut wie möglich um die dröhnende Musik zu übertönen. Neville blickte weiterhin in die Menge während er sprach.

„Spaß? Äh…jaa. Suchst du Ron und Harry?"

Hast du sie gesehen?", fragte Hermine hoffnungsvoll

Jaa.", antwortete Neville erneut und seine Wangen färbten sich rosa. „Harry knutscht dort hinten mit Ginny und Ron und Lavender sind eben raus gegangen und haben irgendwas von 'verlassenen Klassenzimmern' gefaselt." Als er zu Hermine blickte, bekam er sofort einen schuldbewussten Gesichtsausdruck.

Tut mir leid, Hermine.", sagte er entschuldigend.

Quatsch, ist schon gut.Ron kann zusammen sein mit wem er will, geht mich wirklich nichts an."

Hermine klang nicht wirklich überzeugt aber sie stand auf und ging zurück zum Buffet. Harry und Ginny waren beschäftigt, zu Ron und Lavender würde sie sich sicher nicht gesellen, Luna tanzte gerade einen Tanz, bei dem sie so aussah, als würde sie gleich vom Boden abheben und von Neville wollte sie sich wirklich nicht bemitleiden lassen. Hermine nahm sich ein Becher, der bis zum Rand mit einer stark riechenden Flüssigkeit gefüllt war, und nahm einen großen Schluck ohne den widerlichen Geschmack auch nur zu bemerken. So ging das weiter und weiter, ohne nachzudenken, schon fast wie in Trance griff sie immer wieder zu einem neuen Becher.

Hermine erinnerte sich nur noch schwach daran, dass sich Parvati Patil, Hannah Abbott, Susan Bones und Lavender Brown zu ihr gesellten. Hermines letzte Erinnerungen waren lautes Lachen, steinerne und kahle Wände, die denen in den Kerkern furchtbar ähnlich sahen und ihre Hand wie sie eine silberne Krawatte öffnete.
Dann kam nichts. Es war nicht so, dass es schwarz war, sondern eher wie ein Text der verdeckt wurde. Hermine wusste, dass ihre Erinnerungen noch irgendwo sein mussten, aber sie konnte sie beim besten Willen nicht hervorrufen.

Sie hatte furchtbare Kopfschmerzen. Es fühlte sich so an, als ob ein kleines Männchen an der Innenseite ihres Kopfes stehen würde und mit einem Hammer im regelmäßigen Takt dagegen hauen würde. Obwohl sie gerade geschlafen hatte, fühlte sie sich unausgeruht und ausgelaugt.

Langsam drehte sich das Mädchen um, Schlimmes erwartend und doch von einer Schockwelle überrollt, als sie erkannte wer dort neben ihr lag. Bis kurz unter dem Bauchnabel mit einer dünnen Decke bedeckt, die Arme seitlich ausgestreckt und eindeutig ebenfalls nackt, schlief dort Draco Malfoy.

Für ein paar Sekunden hörten die stechenden Kopfschmerzen auf, und machten einer anschwellenden Übelkeit Platz. Sie starrte auf den Körper von ihrem verhassten Mitschüler und schlimmsten Feind seit der ersten Klasse, doch ihr Gehirn wollte einfach nicht begreifen. Sie lag mit Draco Malfoy in einem Bett, mit einem schlimmen Kater und ohne Klamotten. Sie hatte keinen blassen Schimmer von der letzten Nacht, aber ihr klein bisschen Verstand, der selbst dann noch präsent sein musste, wenn sie betrunken war, hätte sie doch davon abhalten müssen! Ihr Körper müsste sich doch schon allein aus Reflex, zur Erhaltung der Art, als Reaktion auf verdammte Feinde gegen diesen Widerling wehren!

Aber vielleicht hatten sie gar nicht miteinander geschlafen, waren gar nicht dazu gekommen. Es konnte doch auch sein, dass sie rumgeknutscht hatten, sich ausgezogen hatten und dann eingeschlafen waren. Mit soviel Alkohol intus, dass Hermine einen Filmriss hatte, war dies eine ziemlich wahrscheinliche Möglichkeit. Doch egal was passiert war, diese Erfahrung würde sie den Rest ihrer Schulzeit verfolgen. Entweder würde sie Malfoy niemals mehr in die Augen sehen können und er würde sie noch schlimmer beleidigen als davor oder er würde es weitererzählen und dass sie eine heiße Nacht mit Draco Malfoy gehabt hatte würde die Runde auf der Schule machen und unwiderruflich zu der Zerstörung ihre Rufes führen.

Sie beugte sich nach vorne und griff nach ihrem schwarzen Slip, der am Fußende des Bettes lag. Hastig zog sie ihn an und lies dann anschließend ihren Blick durch das Zimmer und das Bett gleiten auf der Suche nach ihrem BH. Sie entdeckte ihn auf der anderen Seite des Bettes unter dem Arm von dem schlafenden Slytherin. Mit der Absicht Malfoy nicht zu wecken, beugte sie sich über ihn, zupfte den letzten Teil ihrer Unterwäsche unter seinem Arm hervor und zog ihn sich schnell über. Dass Malfoy aufwachte während sie oben ohne war, wäre unvorstellbar peinlich.

Erst jetzt realisierte sie wirklich, wo sie war. Sie hatte keine Ahnung, wo sich Malfoys Zimmergenossen befanden, aber die restlichen Betten ruhten unberührt und leer in dem, von der Sonne durchfluteten, Zimmer. Der Jungenschlafsaal der Slytherins der sechsten Klasse war hell und erleuchtet und durch die Vorhänge in den Slytherinfarben schien ein grün silbernes Licht in den Raum. Durch die großen und breiten Fenster sah man auf das Schlossgelände. Die Schlafsäle mussten höher liegen als der Gemeinschaftsraum, der sich unter dem See befand.
Fast alle Möbel waren aus einem dunklen und eleganten Palisander Holz. Wie in dem weit unter ihnen gelegenen Gemeinschaftsraum, waren die Wände aus Stein, doch hier wurden sie geschmückten von Bildern von berühmten Zauberern, vermutlich aus dem Hause Slytherin, Teppichen und Skulpturen, natürlich in den Farben des Hauses. Wie in den Gryffindorschlafsälen gab es fünf Himmelbetten, doch statt dem rot-goldenen säumte ein grün-silbriger Stoff die Betten.

Hermine wunderte sich nicht wirklich, dass Malfoys Zimmergenossen nicht hier geschlafen hatten. Wenn selbst sie so betrunken gewesen war, dass sie mit Malfoy alleine einen Raum betreten hatte, dann musste der Rest der Schülerschar vollkommen dicht und ihren Rausch ausschlafend in dem gesamten Schloss verteilt sein.

Hermine saß auf dem Bett, die Beine an ihren Körper gezogen und das Gesicht in den Händen vergraben. Wie konnte ihr das nur passieren? Wie konnte sie so sehr abstürzen, wieso hatte sie diesen verfluchten Alkohol überhaupt angerührt? Für Alkohol hatte sie nie sonderlich viel übrig gehabt. Vielleicht hatte es daran gelegen, dass Ron und Lavender wahrscheinlich in irgendeinem Klassenzimmer rumgemacht hatten oder daran, dass Harry und Ginny nur mit sich selbst beschäftigt gewesen waren. Fakt war, dass sie übrig geblieben war und nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als sich den verdammten Getränken hinzugeben.

Frustriert stöhnte sie auf und ließ sich nach hinten zurück auf das weiche Kissen fallen. Wenn nur die Kopfschmerzen aufhören würden, denn mit dem Pochen hinter ihren Schläfen konnte sie sich nicht konzentrieren. Was sollte sie nur mit ihm machen, was sollte sie ihm erzählen, wenn er aufwachte? Nach ein paar Sekunden beschloss Hermine, dass sie ihm nichts erzählen konnte und deshalb nicht anwesend sein durfte, wenn er aufwachte. Sie würde einfach verschwinden und beten, dass er sich genauso wenig an die letzte Nacht erinnerte, wie sie.

Hermine drehte ihren Kopf in die Richtung des Slytherins und starrte in zwei eisgraue Augen, die sie geschockt anblickten.