Der Abschied
Nun war es also soweit. Vor fast genau einem Jahr war es zur Auseinandersetzung zwischen uns und den Volturi gekommen und jetzt war es an der Zeit für die Cullens den Wohnort zu wechseln. Jake würde natürlich mit ihnen gehen.
Wir alle waren auf dem Weg zu ihnen um Abschied zu nehmen. Den meisten ging es natürlich um Jacob und Nessie, aber ich würde sie alle vermissen. Edward- inzwischen wohl mein bester Freund. Bella, die die Hoffnung auf ein friedliches Zusammensein zwischen Werwolf und Vampir nie aufgeben hatte. Carlisle – das gutherzigste Wesen, welches ich je kennengelernt habe, mit Ausnahme vielleicht von seiner Frau- der mütterlichen Esme. Und auch all die anderen Vampire mit ihren guten und schlechten Seiten.
Alle von uns waren in Menschengestalt gekommen. Unser Rudel hatte die Abneigung und Furcht zu den Cullens schon seit einiger Zeit abgelegt – sogar Leah.
Sams Rudel ging es größtenteils gegen den Strich, dass sie so bei ihren ehemaligen Erzfeinden auftauchen mussten, aber Sam meinte, es sei ein Zeichen des Vertrauens und so blieb ihnen keine andere Wahl.
Unsere Rudel hatten sich seit der Massenanhäufung der Vampire letztes Jahr vergrößert.
Sams Rudel bestand aus 7 Wölfen: Sam, Jared, Paul, Collin, Brady und den zwei Neuzugängen Daniel und Joe, die gerade mal 12 waren, als sie sich zum ersten Mal verwandelten.
Unser, also Jacobs Rudel bestand aus 6 Wölfen: Jacob, Leah, Quil, Embry, ich und Liz, die noch genauso jung war wie Dan und Joey.
Die 5 Jüngsten, die letztes Jahr entstanden waren, hatte Sam zurückgeschickt, als sicher war, dass man sie nicht mehr brauchte. Sie sollten ihr Leben weiterleben. Bis die Cullens das nächste Mal auftauchten, würde kaum eine Gruppe Vampire unseren Weg kreuzen, gegen die wir nicht ankommen würden.
Seit Leah nicht mehr der einzige weibliche Werwolf war, schien sie ihr Schicksal nicht mehr ganz so schlimm zu finden. Liz und sie verstanden sich prächtig, weshalb Liz zu uns gewechselt hatte.
Wir 5 fragten uns schon einige Zeit wie es mit Jacobs Rudel weitergehen sollte, wenn Jacob selbst nicht mehr da sein würde. Diese Entscheidung musste er heute fällen.
Der Vampirgeruch wurde stärker und schon bald nahmen wir die 10 Gestalten wahr, die uns allen Anschein nach, schon erwarteten.
Hey Edward! , dachte ich und grinste.
Dann kamen wir an. Alle hatten sich vor dem großen Haus versammelt, was nun ziemlich leblos und leer wirkte. Sams Rudel hielt einige Meter hinter unserem. Langsam ließ ich den Blick über die Cullens wandern. In allen Gesichtern spiegelten sich die ungleichen Gefühle von Trauer und Vorfreude wieder. Bella schien etwas trauriger zu sein, als der Rest. Ich vermutete, dass es wohl daran lag, dass sie bereits viele wichtige Abschiede getätigt hatte. Charlie, der übrigens bald zu uns ziehen wollte, nachdem er „heimlich" ein Jahr lang mit Mom zusammen war, hatte Bella mit dem Versprechen verabschiedet, ihn zu besuchen. Ich dachte, Charlie hatte während des letzten Jahres herausgefunden, was aus seiner Tochter geworden war, allerdings würde es niemand aussprechen, denn von den Volturi hatten alle für die nächsten paar Jahre genug. Renee hatte Bella dasselbe Versprechen gegeben- per Telefon- aber sie wusste noch nicht, ob sie es einhalten würde, weil sie dachte, dass dies zu viel für ihre Mutter sei. Zu letzt waren dort noch Bellas Freunde aus der Schule. Ihnen hatte sie lediglich Abschiedsbriefe geschrieben, in denen sie ihnen so höflich wie möglich verständlich gemacht hat, dass sie einander wohl nie wieder sehen würden. All diese Informationen über Bella hatte ich natürlich in Jakes Gedanken gelesen. Bella hatte immer noch einen großen Teil seines Herzens eingenommen, auch wenn er sie nicht mehr auf diese Weise liebte.
Verliebt sein, prägen… diese Themen interessierten mich momentan noch überhaupt nicht. Wie und wann ich das richtige Mädchen nun finden würde, war mir recht egal.
Als ich das Räuspern von Carlisle hörte, fiel mir erst auf, dass er vorgetreten war. Vermutlich folgte jetzt eine Dankes- und Abschiedsrede, so wie ich es von ihm erwartet hätte. Und so kam es. Kaum eine Sekunde später begann er auch schon.
„Vielen Dank, dass ihr alle gekommen seid. Wir wissen das sehr zu schätzen.", ein Lächeln zierte sein perfektes Gesicht, „Es stimmt meine Familie und mich wirklich traurig, dass wir uns heute von euch verabschieden müssen und zwar für einen ungewissen Zeitraum. In naher Vergangenheit habt ihr uns immer geholfen und unterstützt, wie gefährlich und aussichtslos die Situation auch schien. Ohne euch, würden wir wohl nicht mehr auf dieser Erde existieren und wenn doch wäre unser Dasein überdeckt von Trauer, weil wir so große Verluste hinnehmen mussten. Durch Nessie sind unsere Familien auf merkwürdige Weise miteinander verbunden worden, sodass ihr für uns selbst schon so gut wie zur Familie gehört. Wir schulden euch ewige Dankbarkeit und wenn ihr in Zukunft Hilfe brauchen solltet, werden wir euch genauso selbstverständlich zur Seite stehen, wie ihr es getan habt. Mit diesen Worten möchte ich mich noch einmal herzlich für alles bedanken, was ihr für uns getan habt. Vielen Dank und von uns allen: Auf Wiedersehen Freunde."
Mit diesen letzten Worten hielt er Sam die Hand hin. Ohne zu zögern, trat dieser vor und nahm sie „Danke gleichfalls Carlisle. Wir bitten euch: Passt auf Nessie und Jacob auf."
„Versprochen.", antwortete der Doktor. Dann schüttelten sie die Hände und ließen sie wieder sinken.
Ich seufzte. Warum zur Hölle musste das alles so förmlich ablaufen? Ich hörte Edward auf diesen Gedanken hin schmunzeln und grinste ihn an. Dann trat ich vor. Musste man alles selbst in die Hand nehmen? Ohne Hemmungen trat ich neben Sam und legte freundschaftlich eine Hand auf Carlisles Schulter.
„Ich werde euch vermissen."
Ich lächelte und er erwiderte dieses mit einem „Danke Seth."
Dann ging ich weiter zu Edward. Freundschaftlich schloss ich ihn in die Arme und klopfte ihm ordentlich auf den Rücken. „Mach's gut Alter. Meld dich ab und zu. Ohne euch wird es hier langweilig."
„Du auch.", antwortete er, „aber besser Langeweile, als Lebensgefahr."
Ich ließ ihn los und lachte. „Na da bin ich mir nicht so sicher." Wir beide lachten und dann hörte ich Bella ebenfalls kichern.
Mein Blick wanderte zu ihr.
Nessie, die inzwischen aussah wie eine Fünfjährige, trug sie auf dem Arm.
„Bis bald, große Schwester", grinste ich und zwinkerte Bella zu, „Mach Edward und Nessie nicht das Leben schwer."
Sie lachte: „Ich geb' mein bestes!"
„Dir auch bis bald Nessie", sagte ich zu der Kleinen, „Ich bin schon gespannt, wie du aussiehst, wenn wir uns das nächste mal sehen. Wahrscheinlich noch hübscher, wenn das überhaupt geht."
Ich grinste, aber sie sah traurig aus und die Tränen liefen bereits ihre Wangen hinunter.
„Ich werde dich vermissen, Seth.", sagte sie mit ihrer unvergleichlich süßen Stimme.
„Ich dich auch Nessie.", sagte ich und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn: „Sei brav zu Jake."
Und so ging es weiter. Die Rudel folgten meinem Beispiel, allerdings beschränkten sich die meisten auf einen Händedruck mit Carlisle und Abschiedsgrüßen für Nessie und Bella. Als alle fertig waren, räusperte sich plötzlich Leah. Es wunderte mich wie sehr sie sich in den letzten paar Monaten verändert hatte.
„Jacob", begann sie „wir müssen mit dir reden."
Dass sie mit „wir" nur Jakes Rudel meinte, war allen klar. Jake seufzte. Er wusste worum es ging. Dann kam er auf uns zu.
