Will erschrak schweißgebadet aus einem surrealen Alptraum. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und die luxuriöse seidene Bettdecke, klebte unangenehm an ihrer Haut. Hannibal lag, ihr den Rücken zugewandt, ruhig auf der anderen Seite des Bettes. Will atmete tief durch und strich sich über ihr erhitztes Gesicht. Als sich ihr wild schlagendes Herz ein wenig beruhigt hatte, hob sie bedächtig die Bettdecke von ihren Beinen, streifte Hannibals Hemd über und ging auf leisen Schritten in Richtung Küche. Will hoffte, dass ein Glas Wein ihre angespannten Nerven beruhigen würde. Dort angekommen bemerkte sie, dass jedoch keine Flasche mehr da war.
Will wusste, dass es Hannibal nicht gerne sah, wenn sie überall in seiner Wohnung herum spazierte, aber dieses Mal ignorierte sie seinen Wunsch und ging hinunter in den Weinkeller. Zu ihrer Erleichterung, entdeckte sie dort eine Flasche Phelan Segur. Den Weinkeller durchquerend, bleib Will wie angewurzelt stehen und glaubte ihren Augen nicht trauen zu können, als sie sah, dass vor ihr am Rand der Spüle, ein abgetrennter menschlicher Fuß lag. Vor Schreck entglitt ihr die Weinflache und zerschellte auf dem Steinboden, wo sie eine blutrote Lache hinterließ.
In ihrem Schock hatte sie nicht bemerkt, wie die Tür zur Vorratskammer leise geöffnet wurde. Erst als sich Hannibals starke Arme um ihren Hals und ihre Hüfte legten, erwachte sie aus ihrer Starre und versuchte sich, in Panik aus seinem Griff zu lösen. Doch Will war Hannibals körperlicher Kraft, weit unterlegen und er hielt sie unbeugsam gegen seine nackte Brust gepresst. Will spürte wie seine zarten Finger über ihren rasenden Puls strichen, bis sie sich im festen Griff um ihre Luftröhre schlossen. ,,Habe ich dir nicht gesagt, dass du nicht allein in die Vorratskammer gehen sollst?'', erklang Hannibals geschmeidige Stimme dicht an ihrem Ohr, ,,das war wirklich sehr unhöflich von dir, meine Liebe und du weißt doch, wie sehr ich Unhöflichkeiten verabscheue''. Seine Worte ließen ihr Herz sinken, denn mit einem Mal passte das Puzzle perfekt zusammen. ,,Du bist der Chesapeak Ripper'', hauchte Will mit zitternder Stimme. Mit jedem weiteren Herzschlag, wuchs ihre Furcht, dass Hannibals Hände, die sie so oft für deren Eleganz bewundert hatte und die ihren Körper, bei jeder sich bietenden Gelegenheit liebkost hatten, jetzt unbeugsam um ihren Hals schließen und sie töten würden.
Auf diese Anschuldigung antworte Hannibal mit einem kräftigen Stoß, der sie tiefer in den Raum straucheln ließ. Will knallte mit voller Wucht gegen den Mahagonitisch in der Ecke des Raumes. Benommen vom Aufprall, hatte sie keine Chance sich gegen Hannibals Angriff zu wehren. Er presste sie mit seinem Körper gegen den Tisch und ihre Hände hielt er über ihrem Kopf, in seinem eisernen Griff, zusammen. Als er sich über sie beugte, liebkoste er mit leichten Küssen ihren Hals und raunte in ihr Haar: ,,Was sagst du, meine Liebe, sollten wir dieses Schauspiel, nicht mit einem würdigen letzten Akt beenden?''. Will versuchte ihr verzweifeltes Schluchzen zu unterdrücken, doch scheiterte kläglich.
Hannibal umfasste ihr Gesicht mit einer Hand und verspürte das bekannte Gefühl der Vorfreude darauf, welche Emotionen sich in ihrem Blick spiegeln würden. Doch was er sah, erschrak ihn zutiefst. Ihre strahlend blauen Augen, die jede ihrer Gefühle, wie ein offenes Buch darlegten und Hannibal immer vertrauensvoll angesehen hatten, waren leer. Furcht, Hass, Verzweiflung oder blankes Entsetzen, hatte er schon in vielen Blicken seiner Opfer gesehen und Hannibal hatte sie mit einer perversen Genugtuung betrachtet. Doch hier und jetzt spürte er, zu seinem eigenen Entsetzten zum ersten Mal, wie sein Herz vor Angst raste und drohte in seiner Brust zu zerbersten. ,,Warum, Hannibal?'', erklang Wills leise Stimme. Eine ihm noch nie bekannte Panik breitete sich in seinem Körper aus. Um seine wahren Gefühle nicht zu verraten, wich Hannibal von Will zurück. Als sie sich langsam aufgerichtet hatte, erklang ihre tränenerstickte Stimme: ,, All die Zeit, hast du mich da nur belogen und benutzt und mit meinen Gefühlen gespielt? Wirst du mich jetzt auch töten und verspeisen? Wie wäre es mit meinem Herz! Ich...''
Doch ihre weiteren Worte wurden, von einem mit Chloroform getränkten Stück Stoff, der auf ihre Lippen gepresst wurde, erstickt. Als Will langsam in die Ohnmacht driftete, vernahm sie zuletzt Hannibals unheilvolle Stimme:,,Wir werden sehen.''
