Spectrobes Adventures Part 1
Rallen lief durch den hohen Schnee der Oberfläche Kogoerias in Richtung des Patrouillenkreuzers. Nein, er lief nicht, er rannte. Er sprintete, so schnell ihn seine Füße tragen konnten. Er rannte um sein Leben.
Ein gigantischer Krawl verfolgte ihn schon seit geraumer Zeit. Trotz seines massiven Gewichts war er schnell. Furchtbar schnell. Er gab tiefe brüllende Laute von sich, die typisch für Krawl waren. An seinen riesigen schwingenden Armen hingen dicke Eisklötze, die auf der Verfolgungsjagd jedes Hindernis aus dem fegten. Kein Felsen war vor dem Riesen-Krawl sicher.
Rallen wagte es kaum, einen Blick zurück auf seinen Verfolger zu werfen, aus Angst, er könnte langsamer werden und der Krawl eine Chance hatte, ihm den Schädel einzuschlagen. Das Monster war etwa fünfmal so groß wie er, besser war es, um sein Leben zu rennen.
Er mochte wie ein Feigling erscheinen, denn dieser war nicht der erste große Krawl, dem er begegnet war. Doch auch er als sturer Mensch ließ sich auf nichts ein, das er nicht gewinnen konnte. Seine Spectrobes waren noch von einem anderen Kampf geschwächt und ohne deren Hilfe war sein Todesurteil gefällt.
Er war auf einer Routine-Patrouille auf den Krawl gestoßen. Im Herzen einer der vielen Eishöhlen auf dem Planeten hatte er nach Mineralen gegraben. Und bevor er es wusste, erschien hinter ihm auch schon das übergroße Monster und schlug ihm einen seiner Eisklotz-Arme entgegen. Dank seiner Reaktionsfähigkeit hatte er zur Seite rollen können und er hatte den Augenblick genutzt, in dem der Krawl in einer Wand feststeckte, um sich schnellstmöglich auf den Weg zurück zum Schiff zu machen.
Allmählich war er am Limit seiner Kräfte. Durch das viele Sprinten war seine Atmung rasenschnell, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Warum waren sie auch so weit außerhalb gelandet? Der Krawl, der sich durch das ohrenbetäubende Gebrüll und die Zerstörungsgeräusche hinter Rallen bemerkbar machte, schien näher zu kommen. Er selbst konnte jedoch seine Laufgeschwindigkeit nicht erhöhen. Gleich war es zu Ende.
Verzweifelt sah er sich in seiner weißen Umgebung um. Irgendetwas musste es doch geben, um ihm das Leben zu retten... Ein Stück rechts von ihm erblickte er, was er suchte: einen Felshang, etwa zehn Meter hoch. Besser als nichts, er hoffte, er konnte den Krawl damit abhängen. Die Richtung stimmte ungefähr mit der Position des Kreuzers überein, also würde er damit auch keinen großen Umweg machen.
Er verließ seinen ursprünglichen Laufpfad und rannte auf die Felswand zu. Hoffentlich konnte der Krawl nicht klettern. Schwer atmend an der schroffen felsigen Wand ankommend, legte er keine Pause ein, sondern sprang gleich daran hoch. Er griff nacheinander heraushängende Felsen und zog sich, so schnell er konnte, nach oben. Seinen Kletterkünsten war es zu verdanken, dass er in Sekundenschnelle so hoch geklettert war, wie der Krawl groß war. Noch ein Zug und der Krawl konnte ihn nicht mehr erreichen. Er hätte wirklich dem Bergretter-Kommando beitreten sollen, seinen Fähigkeiten im Klettern nach zu urteilen.
Doch das Eismonster war anscheinend nicht so dumm, wie es wirkte. Statt in Rage zu versuchen, selbst die Wand zu erklimmen, holte es aus und hämmerte mit einem seiner schweren Arme auf sie ein. Rallen fluchte innerlich, als die Wand, an der er hing, sich durch die Erschütterung zu bewegen schien. Sofort lösten sich Brocken überall an der Wand. Er hielt inne und klammerte sich daran, wobei er mit geschlossenen Augen den Kopf einzog. Steine schlugen ihm auf den Rücken und hinterließen sicherlich ein paar blaue Flecke. Als der Steinregen beendet war, nahm Rallen das Klettern wieder auf. Er kam jedoch nicht weit, da schlug der Krawl schon ein zweites Mal auf den Fels ein.
Die zweite Welle überstand Rallen nicht ganz so glücklich wie die erste. Als ein großer schwerer Stein ihn am Kopf traf, verlor er beinahe den Halt. Verzweifelt hielt er sich am Fels fest, obwohl ein leichter Schwindel ihn fast dazu verleitete, loszulassen. Trotzig kletterte er weiter, den Kopfschmerz ignorierend. Als die nächste Runde begann, hatte er das obere Ende erreicht und hievte sich mit letzter Kraft über den Rand. Der Riesen-Krawl unter ihn brüllte vor Wut.
Rallens Verschnaufpause hielt nicht lange an. All seine Schmerzen ignorierend kam er wieder auf die Füße und entfernte sich von dem gefährlichen Klippenrand. Wenn er zu lange blieb, würde dem Krawl noch etwas einfallen, um ihn zu erwischen. Er ging schwer atmend und in schnellem Schritt weiter. Das Schiff konnte nun nicht mehr weit sein.
Mit seinem gehetzten Verstand fiel ihm erst nach einigen Minuten auf, dass der Weg, auf dem er ging, leicht nach unten abfiel. Er war bald wieder auf einer Ebene mit der Stelle, an der er hochgeklettert war. Wenn der Krawl also nicht allzu dumm war, würde es nicht lange dauern, bis...
Das Brüllen hinter sich bestätigte seine Vorahnung.
"Oh verdammt!", fluchte er, als er wieder in einen Sprint verfiel.
Trotz seines schnellen Schrittes war der Krawl ihm bald wieder nahe. Rallen nutzte die Zeit, in der ihm der Krawl nicht direkt auf den Fersen war und nahm Kontakt mit seiner Partnerin im Schiff auf. Die Sekunden, die er wartete, bis Jeenas Bild auf seinem Kommunikator erschien, waren einige der unerträglichsten seines Lebens.
"Nimm schon an! Nimm schon an!"
Nach einer gefühlten Ewigkeit antwortete sie endlich. Als sie fragen wollte, was los war, unterbrach Rallen sie.
"Jeena, starte das Schiff! Sofort! Sobald ich da bin, müssen wir abheben!", schrie er atemlos seiner Partnerin entgegen.
"Rallen, was ist-"
"Keine Zeit jetzt, tu es einfach!", unterbrach er sie abermals mit verzweifelter Stimme.
Sie schien den Ernst der Lage zu erkennen.
"Alles klar!", waren ihre letzten Worte, bevor sie selbst die Verbindung unterbrach.
Jeena schraubte gerade im Frachtraum an einer Maschine, als aus dem Cockpit das Signal für einen eingehenden Anruf ertönte. Seufzend ließ Jeena ihre Werkzeuge fallen und hastete zum Aufzug, der sie nach oben beförderte. Oben angekommen rannte sie die letzten Meter und ließ sich in den gemütlichen Sitz auf der rechten Seite fallen. Dann nahm sie den Anruf an.
Das Bild von Commander Grant erschien auf dem Bildschirm zwischen den Sitzen.
"Sir, hier ist Jeena. Was gibt es?"
"Ist Rallen auch da?", fragte ihr Vorgesetzter.
"Nein, er ist noch auf Patrouille."
Der Commander seufzte. "Verstanden, dann wirst du ihn gleich selbst einweihen müssen. Ich habe eine neue Mission für euch. Es geht um merkwürdige Vorkommnisse auf Nessa." Er überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf. "Nein, so macht das keinen Sinn. Kontaktiere Rallen und dann kommt, so schnell es geht, zurück zur Zentrale. Dort erkläre ich euch die Einzelheiten."
"Wird erledigt, Sir. Ich werde ihn umgehend-"
Ein neuer Anruf ging am Schiff ein. Das musste Rallen sein. Auch der Commander musste das Signal hören.
"Ich erwarte euch in der Zentrale", verabschiedete sich der Commander in seiner üblichen Befehlsform und der Bildschirm wurde schwarz. Jeena nahm Rallens eingehenden Anruf an. Das Bild eines gehetzten Rallen erschien vor ihr. Als sie ihn fragen wollte, was der Grund für seinen Anruf sei, unterbrach er sie.
"Jeena, starte das Schiff! Sofort! Sobald ich da bin, müssen wir abheben", brüllte er durch den Kommunikator. Sie war sogleich besorgt.
Allmählich verließen ihn seine letzten Kraftreserven. Der Krawl kam unermüdlich immer näher. Das Schiff war nicht in Sichtweite. Er war so gut wie tot. Die Welt schwamm vorüber. Er konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Hinter ihm wurden mit lautem Knall Felsen zetrümmert. Nicht mehr lange und er würde im Schnee zusammenbrechen...
Dann endlich, als alle Hoffnung verloren schien, kam der Patrouillenkreuzer hinter einer Schneewehe zum Vorschein. Wenn er gekonnt hätte, hätte Rallen Freudentränen geweint. Er setzte zum letzten Sprint an. Der Krawl hielt mit. Er hörte die Motoren des Schiffes. Die Rampe zum Eingang war noch geöffnet. Nur noch wenige Meter, bis er sie erreichte. Das Gebrüll des Krawl betäubte seine Ohren. Ein paar Meter noch.
Mit einem lauten Klonk! stapfte Rallen auf die metallene Rampe des Schiffes. Zuversichtlich, dass Jeena ihn nun hören musste, brüllte er: "Heb ab!"
Er rannte die letzten Meter der Rampe noch während das Schiff vom Boden abhebte. Gleichzeitig schloss sich die Rampe. Hinter ihm schlug der Krawl los und verfehlte nur knapp die sich schließende Rampe. Hätte Rallen noch Atem übrig gehabt, hätte er gelacht. Er erreichte das Innere des Schiffes und fiel kraftlos auf die Knie. Sein Atem ging schnell und flach.
Er hatte es geschafft, er war einem riesigen Krawl entkommen. Ohne größeren Schaden an seinem Körper oder dem Schiff. Unter das angestrengte Ein- und Ausatmen mischte sich ein röchelndes Lachen vor Erleichterung.
Er hatte sich zu früh gefreut. Gerade, als er sich in Sicherheit wiegte, erschütterte ein kraftvoller Stoß das Schiff. Jeena schrie im Cockpit auf. Rallen sprang auf und begab sich ins Cockpit.
"Wir sind getroffen!", rief Rallen noch im Laufen.
"Ja, aber wir können noch fliegen!", antwortete Jeena, die mit dem Rücken zu ihrem Partner in ihrem Sitz saß und mit der Steuerung schwer beschäftigt war.
"Rallen, was ist da draußen?!"
"Ein riesiger Krawl!"
Jeena bekam offensichtlich einen Schweißausbruch. Schnell ließ sich Rallen auf seinen Platz fallen und übernahm seinen Teil der Steuerung. Noch während sie zunehmend an Höhe gewannen, sah er sich den Zustand des Schiffes auf dem Monitor an. Keines der wichtigen Triebwerke schien beschädigt zu sein. Es dauerte nicht lange, bis sie so hoch waren, dass der Krawl unter ihnen sie unmöglich erreichen konnte. Trotzdem konzentrierten sich die jungen NPP-Offiziere darauf, von der Landung zum Flug überzugehen und endgültig in Sicherheit zu sein.
Nach einigen Schweigeminuten, in denen nur das Rumoren des Schiffes und Rallens schweres Atmen zu hören waren, waren sie endlich im Weltraum und auf den Weg zum Portal nach Nanairo. Gleichzeitig seufzten beide und schalteten den Autopiloten ein. Rallen lehnte sich zurück und schloss die Augen. Das war gerade noch einmal gut gegangen.
"Oh mein Gott, das war knapp", sagte Jeena erleichtert und atmete tief durch. Dann erst fiel ihr ihr Partner ein. "Rallen, alles in Ordnung? Was ist da unten passiert?"
Ihr Partner brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. Er setzte sich aufrechter hin und öffnete die Augen.
"Bin unten an den Krawl geraten. Hatte aber keine Spectrobes mehr, die kämpfen konnten, also hat er mich über den halben Planeten gejagt."
Er musste lachen bei dem Gedanken an seine wilde Verfolgungsjagd.
"Bist du ok?", fragte Jeena besorgt weiter.
"Nur ein paar blaue Flecke. Das Ding war ganz schön hartnäckig."
Jeena atmete ein weiteres Mal erleichtert auf.
"Wieviel hat das Schiff abbekommen?", erkundigte sich Rallen.
"Nur eine große Beule. Unser Flug sollte davon nicht beeinträchtigt sein", informierte sie ihren Partner. "Wo wir gerade dabei sind, der Commander will, dass wir zurück nach Kollin kommen. Er hat eine neue Mission für uns."
Rallen nickte nur und sank zurück in seinen Sitz. Seine Müdigkeit machte sich bemerkbar, er hielt mit Mühe seine Augen offen. Trotzdem spielte ein Lächeln auf seinen Lippen. Er hatte gerade eine der übelsten Fluchtmanöver seines Lebens hinter sich. Er war stolz, dass er alles gut überstanden hatte.
Es herrschte lange Schweigen im Cockpit. Rallen erzählte nicht mehr von den Vorkommnissen auf Kogoeria und Jeena fragte auch nicht weiter. Rallen war neben ihr in seinen Sitz gesunken und starrte ins Weltall. Er wirkte völlig übermüdet, als schliefe er jeden Moment ein. Eigentlich hatte sie wieder zu ihrer Arbeit im Frachtraum zurückkehren wollen, doch sie blieb im Cockpit sitzen, um zur Stelle zu sein, sollte ihr Partner einschlafen.
Und damit ließ er, wie geahnt, nicht lange auf sich warten. Nach etwa einer halben Stunde waren seine Augen geschlossen und er atmete regelmäßig. Jeena musste lächeln und tippte ihn an. Stöhnend erwachte er und sah sich verwirrt um.
"Hey, Schlafmütze. Willst du nicht lieber hinten in der Kapsel liegen? Ich bringe uns schon heim."
Er blinzelte ein paar Mal und stand dann schwankend ohne ein Wort auf. Wenig später ließ er sich auch schon auf das weiche Bett der Kapsel fallen. Im Schiff hatten sie vor einiger Zeit eine Kapsel angebracht, die als Bett diente. Die Anschaffung war bitter nötig gewesen, nachdem Rallen des Öfteren übermüdet oder verletzt von Missionen zurückgekehrt war.
Jeena konzentrierte sich nur auf das Schiff. Allein zu steuern war schwieriger als mit Rallen zusammen zu fliegen, aber wenn er am Steuer einschlief, konnte das im Chaos enden. Sie hatte noch einige Stunden vor sich. Zunächst musste sie das Portal erreichen und dann vom Portal aus nach Kollin fliegen. Sie hoffte nur, dass sie unterwegs nicht selbst einschlafen würde.
Sie waren schon eine Weile im Nanairo-System unterwegs, als Jeena noch immer allein am Steuer saß. Rallen schlief immernoch. Es wunderte sie ein wenig, er brauchte normalerweise nicht viel Schlaf. Die NPP-Offizierin mit rosarotem Haar vergwisserte sich, dass das Radar nichts in der Umgebung anzeigte, bevor sie wieder den Autopiloten anschaltete. Dann erhob sie sich und sah nach ihrem Partner.
Er schien auf den ersten Blick friedlich zu schlafen. Jeena wollte schon an ihren Platz zurückkehren, als ihr der Schweiß auf seiner Stirn auffiel. Sie runzelte sie Stirn. Schlief er nur schlecht? Verdacht schöpfend streckte sie die Hand nach seinem Gesicht aus. Er erwachte, sobald ihre Finger seine warme Stirn berührten.
"Was machst du da?", murmelte er im Halbschlaf und öffnete langsam die Augen.
"Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken", entschuldigte sie sich. "Alles in Ordnung?"
Er saß auf und raufte sich stöhnend die Haare.
"Ja ja. Bin nur müde. Wie lange ist es noch bis nach Kollin? Wie lange habe ich geschlafen?"
"Wir sind gleich da. Du hast praktisch durchgeschlafen."
Rallen atmete tief aus. Er wirkte verwirrt und schien seine Gedanken zu ordnen.
"Sicher, dass es dir gut geht? Hat der Krawl auf Kogoeria dich vielleicht erwischt?"
"Nein, alles Bestens", sagte er abwinkend. "Also dann, machen wir uns bereit zur Landung."
Jeena folgte Rallen zurück zum Cockpit, nicht ganz überzeugt. Zusammen bereiteten sie sich zur Landung bei der Zentrale vor.
A/N: Bitte hinterlasst ein Review, deutsche Spectrobes-Fans :D
Ich wollte schon lange eine Spectrobes Fiction veröffentlichen. Ich habe einen ganzen Haufen Fanfiction für Spectrobes, aber das ist größtenteils nur Müll. Meine neue Story wird besser, hoffe ich. Es gibt zu wenig Spectrobes Fanfiction, also dachte ich mir, ich muss etwas nachhelfen.
Also dann, Rallen und Jeena kommen von ihrer Patrouille. Was ist wohl ihre neue Mission? Was erwartet sie auf Nessa? Erfahrt es im nächsten Teil.
