Sie haben mir eine kleine Wohnung auf dem Campus zur Verfügung gestellt, bis ich – nach erfolgreichem Bestehen eines Jobinterviews - eine eigene Wohnung in Princeton finde.

Das Apartment ist schmucklos, anonym und unpersönlich wie ein Hotelzimmer, mit einem Kunstdruck einer Landschaft, die – Ironie des Schicksals – an meine Heimat erinnert.

„Natürlich ist es klein", sagt Dr. Lisa Cuddy, Administratorin im Princeton Plainsboro Teaching Hospital. Sie klingt fast entschuldigend.

Beim Vorstellungsgespräch lässt sie durchblicken, dass sie meinen Vater kennt, und ich habe das Gefühl, sie glaubt, ich sei Besseres gewohnt.

Dann begleitet sie mich über das Gelände des Campus und überreicht mir die Schlüssel.

Im Seminar hatte ich nicht mehr als eine winzige Zelle, ohne Fernseher, ohne Radio.

Die Wohnung ist beinahe Luxus, verglichen damit.

Dr. Cuddy scheint darauf zu warten, dass ich ihr Fragen stelle, möglicherweise über House, denn sie zögert den Abschied hinaus, indem sie die Vorhänge zurück zieht und ein gekipptes Fenster schließt.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll, und irgendwie macht mich ihre Anwesenheit ein wenig nervös. Sie ist eine attraktive Frau, und sie zeigt es mit einer tief ausgeschnittenen Bluse, die mir sehr offenherzig vorkommt.

Bevor sie geht, wünscht sie mir viel Glück für Morgen. Mein Jobinterview in der diagnostischen Abteilung ist auf elf Uhr vormittags gesetzt.

Ich habe von Gregory House gehört – die meisten Studenten, die sich mit Diagnostik befassen, haben das -, und ich bin mir nicht sicher, ob es eine Möglichkeit gibt, sich auf ein Gespräch mit ihm vorzubereiten.

Es ist eigentlich ein Wunder, dass er mich überhaupt sehen will.

Meine Referenzen sind bestenfalls Durchschnitt, mein Ehrgeiz gleich Null.

Beworben habe ich mich, weil New Jersey weit weg ist von Australien.

Weit weg von meinem Vater.

Einen besseren Grund habe ich nicht.

oOo

Für das Vorstellungsgespräch rasiere ich mich gründlich, doch das ist alles, was ich als Vorbereitung bezeichnen würde.

Vermutlich wird er mich ohnehin nicht einstellen. Es ist meine erste Bewerbung in den Staaten, und ich gehe nicht davon aus, dass sie erfolgreich ist.

Je weniger man erwartet, desto leichter kommt man mit Ablehnung klar.

Dass er mich eine halbe Stunde im Büro warten lässt, macht mir nichts aus. Falls es eine Taktik ist, potentielle Mitarbeiter nervös zu machen, möchte ich ihm nicht die Genugtuung geben.

Der Raum ist hell, verglast von allen Seiten und verrät viel über seinen Besitzer. Auf dem Schreibtisch liegt eine erstaunliche Menge an kuriosen Utensilien: ein Tennisball, der Schädel eines kleinen Raubtiers, ein präparierter Fisch. Werbeposter von Musikveranstaltungen oder Plattenveröffentlichungen lehnen gerahmt an der Wand; keines sagt mir etwas. Blues, vermutlich.

Neben dem Büro befindet sich das Konferenzzimmer. Eine Küchenzeile steht darin. Irgendwann sehe ich einen Arzt in weißem Kittel hineineilen und ein paar Akten holen. Als er mich bemerkt, nickt er mir kurz zu, und ich vermute, er weiß von meinem Interview, denn wenig später erscheint er wieder und kommt diesmal durch die Glastür.

„James Wilson", stellt er sich vor, und sein Händedruck ist kurz und kräftig. „Sie müssen Dr. Chase sein. Ihr Termin ist...?"

„Vor einer halben Stunde."

„Dr. House erscheint selten vor elf Uhr in der Klinik. Kaffee?"

Während er nebenan ist, holt er sein Mobiltelefon hervor und telefoniert.

Mit House, denke ich. Der das Vorstellungsgespräch vergessen hat.

Ein wenig unwohl fühle ich mich jetzt doch. Vielleicht ist er doch schlimmer als sein Ruf.

Dr. Wilson kommt mit einem etwas angespannten Gesichtsausdruck zurück. Er sucht etwas auf dem Durcheinander von Akten auf dem Schreibtisch und zieht schließlich eine schmale Mappe hervor, in der ich meine Bewerbungsunterlagen erkenne. „Sie haben in Sydney unter Professor Leibovitz studiert? Guter Mann."

Leibovitz hat mir eine vernichtende Bewertung geschrieben. Es fällt mir schwer, mich Dr. Wilsons Lob anzuschließen.

„Setzen Sie sich", fordert er mich nach einer Weile freundlich auf, während er im Schnelldurchlauf meine Bewerbung überfliegt. „House wird gleich da sein."

‚Gleich' sind noch einmal dreißig Minuten, in denen ich einen jungen Arzt im Nebenraum beobachte, der einen neugierigen Blick durch das Glas wirft. Dr. Wilson tut sein Bestes, die Wartezeit zu überbrücken. Es hätte mir nichts ausgemacht, allein zu warten. Er wirkt ein wenig linkisch und zu jung, um Leiter der Onkologie zu sein, wie er in einem Nebensatz erwähnt.

„Das war Jenkins", beantwortet er meine Frage, als der Arzt wieder verschwunden ist. „Kardiologe. Er macht sein zweites Jahr in der Diagnostik. Um ehrlich zu sein, bezweifle ich, dass er es zu Ende bringen wird."

Ich frage ihn, was er damit meint, doch Dr. Wilson gibt sich plötzlich kryptisch, als hätte er zu viel gesagt. „Die Arbeit hier kann aufreibend sein. Nicht jeder wird mit dem Druck fertig. Dr. Taylor hat letzte Woche gekündigt. Sie war kaum fünf Monate hier."

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Thema vertiefen soll. Das Erscheinen von Dr. House nimmt mir die Entscheidung ab.

Im ersten Moment bin ich überrascht, wie groß er ist – und dass er einen Gehstock verwendet. Er benutzt ihn so selbstverständlich, als wäre er ein Teil von ihm, und sein Gang, obwohl deutlich eingeschränkt, ist verblüffend dynamisch.

Mit einer sorgfältigen Rasur kann ich bei ihm nicht punkten, wie ich sofort bemerke; er scheint sich seit Tagen nicht rasiert zu haben.

Hager wirkt er und doch irgendwie athletisch, und er trägt ein zerknittertes Hemd über einem seltsam unpassenden bedruckten T-Shirt.

Am meisten fallen mir seine Augen auf. Sie sind wach und scharf und durchdringend, und er scheint zu wissen, dass er einschüchternd sein kann.

Ohne ein Wort hinkt er zum Schreibtisch, wo Dr. Wilson ergeben Platz macht und diskret in den Hintergrund rückt.

Zeit für Brot und Spiele.

„Den ganzen Weg von Down under", sagt House, und es schwingt nicht der Hauch von Humor in seinen Worten. Sein Blick bleibt starr auf mein Gesicht gerichtet, und ich merke, dass mir das Blut in die Wangen steigt. Endlich wendet er sich an Dr. Wilson. „Brauchen wir einen Dolmetscher?"

„House, das ist Dr. Robert Chase. Dr. Robert Chase - Gregory House. Er beißt nicht."

„Bei ihm würde ich es auf einen Versuch ankommen lassen", brummt House und nimmt die Bewerbung aus Wilsons Händen. „Dr. Robert Chase. Sie sehen nicht mal alt genug aus, um einen Schulabschluss zu haben."

„Ich bin ausgebildeter Intensivist. Ich hatte ein Praktikum unter Dr. Seeger in Adelaide und eines bei Professor Liebermann in Sydney." Es klingt nach Angabe. Nach Verteidigung. Nicht das, was ich mir vorgenommen habe.

„Trauen Sie keinem Deutschen", knurrt House. „Bis vor sechzig Jahren haben sie Lobotomien und Sterilisationen am Fließband durchgeführt. - Haben Sie Ihre Krawatte bei Woolworth gekauft?"

Selbst für das, was ich über ihn gehört habe, ist er mehr als absonderlich.

Ich fingere an der gelb gemusterten Krawatte herum, bis mir einfällt, dass er das als ein Zeichen von Nervosität auslegen könnte.

Als mein Blick auf Dr. Wilson fällt, macht er eine entschuldigende Miene.

„Dr. Chase hat unter Leibovitz studiert", versucht er das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.

„Demnach dürfte ich Sie nur mit einem meterlangen Stock anfassen. Leibovitz ist ein Versager." Er blättert die Akte durch, offenbar ohne sie zu lesen. Ich frage mich, ob er sie je zuvor in den Händen gehalten hat. Dann erregt etwas sein Interesse. „Sie wollten sich der katholischen Kirche weihen?"

„Ich habe ein halbes Jahr in einem Orden in England verbracht. Es war nichts Ernsthaftes."

„Sie brauchten nur eine Auszeit, verstehe." Er legt die Akte hin und schaut mir ins Gesicht, und ich kann mir nicht anders helfen, als irgendwann den Blick niederzuschlagen. Es liegt etwas Durchbohrendes in seinen Augen, etwas Erbarmungsloses. Ich glaube nicht, dass es mir gefällt. „Ihre Referenzen sind nicht überragend. Ihrem Professor Liebermann zufolge zeigen Sie mangelndes Interesse am Patienten und einen Widerwillen gegen Teamwork. Bei mir werden Sie in einem Team arbeiten müssen. Wie passt das zusammen, Dr. Chase?"

„Es lag nicht an mir." Das klingt genau so lächerlich, wie es ist. Die Wahrheit ist, ich habe es nie als bereichernd empfunden, in einer Gruppe zu arbeiten, und Patienten sind leichter zu behandeln, wenn man nur so viel wie nötig über sie erfährt. Ich finde nicht, dass politische Einstellung und sexuelle Orientierung relevant sind für eine Diagnose. Die Intensivstation habe ich nur deswegen gewählt, weil die wenigsten Patienten dort überhaupt in der Lage sind, zu reden.

„Hm." House verschränkt die Finger auf der Schreibtischplatte, und das Blau seiner Augen ist eisig. „Warum wollen Sie den Job?"

Zumindest darauf habe ich mich vorbereitet, und ich scheue mich nicht, ihm ein bisschen Honig um den Bart zu schmieren. Es funktioniert fast immer. „Weil Sie die erste Wahl sind, wenn es um eine Fellowship in Differenzialdiagnostik geht. Während des Studiums habe ich Ihre Publikationen gelesen und-…"

„Drring!" unterbricht er mich und schlägt auf einen imaginären Button. „Falsche Antwort. Aber danke fürs Mitspielen. Ihr Dad hat mich angerufen. Sie hatten einen Posten im Royal Melbourne Hospital so gut wie in der Tasche. Keine Lust, in Daddys Fußstapfen zu treten?"

Es ist mir peinlich.

Es ist eine unangenehme Vorstellung, daran zu denken, dass er mit ihm gesprochen hat. Jetzt fange ich doch an, zu schwitzen. „Mein Vater trifft nicht meine Entscheidungen."

„Jedenfalls sind Sie über den großen Teich desertiert, bevor es dazu kommen konnte."

„Ich bin nicht desertiert-…"

„Nicht?" Die blauen Augen runden sich in gespieltem Erstaunen. „Warum kommen Sie mir dann vor wie ein Überläufer?"

Ich denke daran, wie mein Vater über ihn geredet hat, als ich ihm meine Entscheidung, in die Staaten zu reisen, mitgeteilt habe. Skrupellos. Unethisch. Eine menschliche Katastrophe. „Er wird dich verderben, Robert." Als ob es etwas kaputt zu machen gäbe. Als ob er ihn persönlich kennen gelernt hätte. Alles, was er über ihn weiß, hat er vom Hörensagen.

„Ich möchte nicht in die Rheumatologie", sage ich so ruhig wie möglich. „Ich will Chirurg werden. Ich weiß, dass die Ausbildung hier besser ist als in Melbourne."

„Eine Assistenzzeit bei mir ist verschwendet, wenn Sie mit der Chirurgie liebäugeln."

„Ich weiß", entgegne ich kühl. „Aber das Gehalt ist besser."

Er lächelt. „Hat Daddy Ihnen nach dem Studium den Geldhahn abgedreht?"

„Ist das relevant dafür, dass ich den Job bekomme?"

House wendet sich an Dr. Wilson, der inzwischen auf dem zweiten Stuhl neben mir Platz genommen hat. „Irgendwie hat unser braver Aussie etwas latent Rebellisches in sich, findest du nicht? Das gefällt mir."

Dr. Wilson deutet auf die Akte. „Für einen Intensivisten ist die Chirurgie ein logischer Schritt. Es ist nicht ungewöhnlich, diesen Weg zu gehen."

„Ja." House schwingt seinen Bürostuhl ein wenig hin und her, ohne mich aus den Augen zu lassen. Der Tennisball, der auf dem Schreibtisch liegt, hüpft jetzt zwischen seinen Händen hin und her. „Es erklärt aber nicht, weshalb er eine Zwischenstation in meiner Abteilung einlegen will. – Sie sind wegen Ihrem Vater hier, nicht wahr? Wollen dem alten Herrn mal so richtig eins auswischen. Das macht Sie mir beinahe sympathisch. Ich nehme Sie."

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Er kennt nicht einmal meine Akte. Dem Anschein nach hat er heute zum ersten Mal einen Blick darauf geworfen.

Es sind kaum zehn Minuten vergangen, seit er mich zum ersten Mal gesehen hat.

Ich habe mich auf eine Dreiviertelstunde eingestellt, mindestens. Ich habe knifflige Fallproben erwartet und gnadenloses Abfragen.

Nichts davon hat er getan.

„Sie haben den Job", verdeutlicht Dr. Wilson mit einem Lächeln. „Gratulation."

Meine Beine fühlen sich an wie Watte, als ich aufstehe. Meine über den Schreibtisch ausgestreckte Hand nimmt er erst nach einem kurzen Zögern. Sein Händedruck ist fest und beinahe schmerzhaft, und ich frage mich, was es zu bedeuten hat.

Dann sehe ich, was es ist.

Der Mann hat Schmerzen.

Er zeigt sie nicht, aber ich kann es in seinem Gesicht sehen. An der Art, wie er kurz den Mund verzieht, bevor er aufsteht. Ich bin sicher, es liegt an seinem Bein.

Der Schmerz ist chronisch, und ich frage mich, wie es passiert ist.

oOo

Von Jenkins erfahre ich einen Teil der Geschichte. Lloyd Jenkins ist der Kardiologe, der von House' Team übrig geblieben ist, nachdem Belinda Taylor gekündigt hat.

Ich merke bald, dass wir uns nicht mögen; es ist nicht einmal etwas Persönliches, aber er ist um zehn Jahre älter und lässt mich seine längere Berufserfahrung gleich am ersten Tag deutlich spüren.

„Ein Infarkt in der arteria femoralis", erklärt er. „Er hat es selbst diagnostiziert. Der rectus femoris musste teilamputiert werden. Aber keine Sorge. Er funktioniert bestens auf Vicodin."

Ein Morphiumderivat. Die Schmerzen müssen wirklich höllisch sein.

Jenkins kann House offenbar nicht ausstehen. In der DDX ist er aggressiv und widerspricht gern. Es fällt mir nicht schwer, gedanklich zu folgen, aber ich bin doch etwas überrascht von dem rauhen Ton, der zwischen den beiden herrscht. Irgendwann macht House mich darauf aufmerksam, dass Kugelschreiber sich nicht wehren können und keine Lobby haben und es nicht verdient haben, mit Zähnen traktiert zu werden. Ich lege den Stift weg und schiebe ihn so weit wie möglich von mir.

„Machen Sie das gewohnheitsmäßig?" fragt House.

„Daumenlutschen, Bettnässen und Teddybären töten gehört zum Standardprogramm der Reichen und Schönen", antwortet Jenkins prompt. „Eigenartig, dass ausgerechnet Sie das fragen. Ich dachte, Sie seien derjenige, der keine Seifenoper im Fernsehen auslässt."

„Sie meinen Inzest, Pädophilie und Alkoholismus. Halten Sie die Prioritäten ein, Jenkins."

Der Umgang mit House färbt ab. Jedenfalls scheinen sie sich plötzlich einig, dass Stifte kauen auf ein frühkindliches Trauma hinweist. Für Jenkins ein gefundenes Fressen. Er stürzt sich auf das Thema, als wollte er eine psychologische Abhandlung darüber schreiben. Er hat einen Nenner mit House gefunden, und jetzt lässt er den Verbündeten heraushängen. Damit wird er mir nicht sympathischer.

„Machen Sie eine Lumbalpunktion", unterbricht House seine Theorien. „Sie sehen bescheuert aus, wenn Sie versuchen, clever zu sein."

Fast bin ich ihm dankbar.

Aber nur fast.

oOo

Die ersten Tage bin ich unsichtbar.

Und ich kann nach Belieben verschwinden und erscheinen, mental.

House fordert mich nicht, und er scheint viel mehr mit den Gefechten zwischen Jenkins und ihm beschäftigt zu sein. Mich lässt er Laborarbeiten ausführen. Ich bin nicht unglücklich darüber. Das Labor ist unten im Erdgeschoss und meist bin ich allein, wenn ich die Proben auswerte. Das blaue Licht der Apparate und die sterile Umgebung haben etwas Beruhigendes, und ich bin gern dort.

Es gibt mir Zeit, mich ein wenig zu sammeln. Mein Kopf schwirrt von dem Schnellfeuer aus Vermutungen und Begründungen, und ich höre lieber zu, als mich bis auf die Knochen zu blamieren. Vor Jenkins will ich mir keine Blöße geben. Er trauert seiner Kollegin Belinda Taylor nach. Beim Mittagessen in der Cafeteria erzählt er mir davon, nachdem er sich unaufgefordert an meinen Tisch setzt.

„Hübsches Mädchen. Ein Herz aus Gold. Lange rote Locken. Wir waren ein paar Mal miteinander aus."

Dr. Taylor war nicht hart genug für House' Ansprüche, sagt er. Die beiden konnten nicht miteinander arbeiten, ohne dass früher oder später die Fetzen flogen. „Eine gute Ärztin, aber zu weich. Zu menschlich für House. Und festgeklebt am Althergebrachten. Er hat sie erniedrigt, wo er nur konnte. Sie hat es schrecklich persönlich genommen."

Ich frage mich, weshalb sie das nicht tun sollte; so, wie er es sagt, klingt es, als stünde Erniedrigung und Konfrontation auf der Tagesordnung und sei gefälligst ungerührt wegzustecken. Trotzdem frage ich nach. „Warum hat sie gekündigt?"

„Wegen menschlicher Grausamkeit am Arbeitsplatz." Jenkins grinst ein bisschen, aber es wirkt eher amüsiert als mitfühlend. „Oder sexueller Belästigung. So genau kann das niemand sagen."

oOo

House liebt sexuelle Andeutungen. Er hat das rüde Auftreten eines Motorradrockers und die schmutzige Phantasie eines lüsternen Mönchs. Seit neuestem lässt er mich mit Vorliebe Rektalspiegelungen und Koloskopien durchführen. Jenkins hält das für geistreich, und er lässt keine Gelegenheit verstreichen, es House wissen zu lassen.

„Mit Gefühl, Chase", ruft er mir nach, als ich zur Tür gehe. „So, wie Sie das am liebsten haben."

Als ich mich noch einmal im Gehen umdrehe, stelle ich mit Genugtuung fest, dass House nicht darüber lacht.

Zwei Wochen lang gelingt es mir, keinen Fehler zu machen.

Nicht, dass ich überhaupt viel tue. Das meiste, was er mir zu tun gibt, könnte ein Assistenzarzt im ersten Jahr erledigen.

Dann unterläuft mir ein Patzer, als ich Mr. Cartwright eine Traubenzuckerlösung lege. Mr. Cartwright ist Diabetiker, und ich habe nicht in die Aufnahmeakte geschaut. Dank einer händeringenden Ehefrau, die mich auf die richtige Spur bringt, kann ich Schlimmeres verhindern, doch es ist eine ernste Sache, und ich weiß, wie unnötig sie gewesen ist.

Jenkins trägt die Neuigkeit brühwarm an meinen Chef weiter.

„Was ist los mit Ihnen? Schlafen können Sie zuhause!"

Ich bemühe mich, keine Miene zu verziehen. Seinem Blick standzuhalten, versuche ich erst gar nicht. Als der Stock auf die Tischplatte knallt, bringt er mich beinahe zu einem Herzstillstand.

„Hat die Katze Ihre Zunge, oder ist Ihnen Ihr Akzent peinlich? Denn Sie erweisen sich nicht gerade als sonderlich gesprächig. Stumme Zuschauer sind nutzlos, Chase. Ärzte, die keine Patientenakten lesen, ebenso. Auf welcher Uni sind Sie gewesen? Haben Sie Ihren Doktor bei einem Schamanen im Outback gemacht? Sie sind so effektiv wie ein ritueller Regentanz oder das Gedröhne von einem Didgeridoo. Benutzen Sie Ihren hübschen Kopf, Chase, bevor ich ihn Ihnen zurechtrücken muss."

Er entlässt mich, indem er mich ignoriert. Er tut einfach so, als sei ich nicht da, und greift in seine Jackentasche, aus der er ein Röhrchen mit Tabletten holt und zwei davon schluckt. Ich gehe auf die Herrentoilette und schließe mich in einer Kabine ein, bis sich mein Pager meldet.

Das Display verschwimmt vor meinen Augen.

Heulen können Sie nach Feierabend.

Manchmal fange ich an, zu verstehen, warum jeder ihn zu hassen scheint.