Er kam näher und die schwarzen Flammen schlangen sich wie ein Käfig um mich herum. Ich schrie doch niemand schien mich zu hören. Ich war umgeben von leeren Hochhäusern. Um mich herum war eine menschenleere Stadt. Ich sah nach unten und erkannte unter mir etwas, das aussah wie die Ruine des Empire State Buildings. Die dunklen Flammen brannten auf meiner Haut. Ich schloss die Augen und hoffte, dass die Schmerzen nachlassen würden.. Das taten sie doch immer..

Ich riss die Augen auf und starrte an die weiße Decke über mir. Ich atmete schwer. Meine Wohnung engte mich ein und mir war viel zu warm. Wie so oft, war ich schweißgebadet. Ich stand auf und schwankte zu meiner offenen Balkontür. Die kalte New Yorker Nachtluft tat gut. Ich atmete tief ein und versuchte mich zu beruhigen.

„Schon wieder?"

Ich zuckte für einen kurzen Moment zusammen und starrte dann in das schwarze Loch, aus dem Dylans Stimme kam.

„Du bist wach?"

Ich versuchte seine Umrisse im Dunklen auszumachen.

„Es war schwer dich zu überhören..", antwortete er und knipste das Licht an.

Geblendet von der grellen Lampe , sah ich wieder in die andere Richtung, wo nur ein paar Werbetafeln die Stadt erhellten. Es war relativ still und man hörte nur hin und wieder Autos in der Ferne.

Ich hörte wie Dylan aufstand und näher kam. Er umarmte mich von hinten und ich beruhigte mich langsam. Ich lehnte mich gegen ihn und schloss die Augen.

„Wie viel Uhr ist es?"

„Halb vier."

Ich atmete schwer aus.

„Ich will wissen, was diese Träume sollen.. Es kann doch so nicht weiter gehen. Ich meine.. Ich schlafe keine Nacht mehr durch.."

„Vielleicht solltest du dir mal ein paar Tage frei nehmen. Vielleicht ist es ja nur der Stress.."

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich hab keinen Stress.. Ich bin nur ein bisschen übermüdet."

„Wie du meinst.", seufzte er resigniert und ließ mich wieder los.

„Komm ins Bett. Du musst morgen früh raus."

Ich nickte und ließ meinen Blick noch einen Moment lang an der Skyline von New York haften.


Drei Tage später erwachte ich wieder in meinem Bett. Dylan war bei sich zu Hause und da es mitten in der Nacht war, kam ich mir dumm dabei vor ihn anzurufen. Trotzdem machten mir die Träume Angst, wenn ich alleine war.

Ich machte das Licht an und sah auf meinen Nachtschrank, auf dem noch ein paar Bücher lagen, die ich für die Uni lesen musste.

Ich war 21 und hatte etwas spät angefangen Philosophie zu studieren, da ich nach der Highschool erst einmal meine Freiheit genießen wollte.

Ich schlug eines der Bücher auf und versuchte mich damit abzulenken.

Die schwarzen Flammen schnellten wieder auf mich zu. Ich versuchte ihnen zu entweichen, denn diesmal war ich darauf vorbereitet. Es war jedoch unmöglich, denn sie kamen von überall. Ich war so sehr mit ihnen beschäftigt, dass ich nicht merkte, wie dunkle Schatten langsam an mir heraufkrochen. Ich wusste, dass ich eingeschlafen war. Ich wusste, dass ich wieder träumte. Ich wollte aufwachen, doch es ging nicht. Ich schrie. Selbst als ich wach war und aufrecht in meinem Bett saß, schrie ich noch.

Die Schmerzen waren echt gewesen. Ich spürte sie jetzt noch, doch mir war klar, dass das nicht sein konnte. Ich atmete ein paar Mal tief durch und legte das Buch beiseite.

Mein Blick fiel auf meine Hand und mein Magen verkrampfte sich. Ich starrte auf drei silberne Klingen, die auf einer Art schwarzem Handschuh befestigt waren. Es war meine Hand, doch es konnte unmöglich sein. Ich sah hektisch an mir herunter. Die Kleidung, die ich trug, war nicht mir. Die Flecken auf meinem Körper.. schwarze Flecken, die aussahen, wie die einer Raubkatze.. Es konnte alles nicht sein und es ergab keinen Sinn. Ich musste träumen. Ich war noch nicht aufgewacht, das war alles.

Nach einigen Minuten in denen ich die Augen zukniff und versuchte aufzuwachen, stand ich nervös auf. Wenn ich nicht träumte, musste jemand da sein.

„Ist hier jemand?!", rief ich, während ich langsam ins Wohnzimmer trat, und kam mir dabei ziemlich dämlich vor.

Ich wollte die Wohnung durchsuchen, irgendetwas sinnvolles tun, doch irgendetwas in mir drängte darauf frische Luft zu schnappen. Meine Kehle schnürte sich langsam zu und so hechtete ich zum nächsten Fenster. Ich holte tief Luft und schloss genüsslich die Augen. Ich öffnete sie wieder und starrte auf die Feuertreppe, die sich vor meinem Fenster in die Höhe schlängelte. Ich lebte im zwölften Stock und bis zum Dach waren es noch zehn weitere Etagen. Ich weiß nicht wie es dazu kam, doch etwas zog mich nach Oben. Ich brauchte mehr Luft zum Atmen. Ich wollte frei sein, also sprang ich aus dem Fenster und hechtete die Treppen rauf.

Auf dem Dach angekommen, ging ich mit langsamen, sicheren Schritten bis zum Rand und sah auf die Stadt herunter. Ich fühlte mich unabhängig.. als gehöre die Stadt mir ganz alleine.

Ich hatte das Gefühl als würde ich alles viel klarer sehen.. Ich hörte alle Geräusche viel detaillierter, als wären sie ganz nah bei mir.

„Ich wusste doch, dass ich eine Energie gespürt habe..", ertönte eine Stimme und ich ließ mich erschrocken zurückfallen, denn ich verlor das Gleichgewicht und vor mir war nur der Abgrund.

„Wer bist du?!", stieß ich aus und meine Augen erfassten erst jetzt die Gestallt, die in der Luft über der Stadt schwebte.

„Das tut jetzt nichts zur Sache! Ich bin überrascht dich hier zu finden..", fuhr sie mich an. Es handelte sich bei der Gestallt um eine Frau in einem schwarzen Kleid mit grünen Haaren.

„Was willst du von mir?!", rief ich und versuchte dabei wieder auf die Beine zu kommen.

„Das kannst du dir nicht denken?", fragte sie vorwurfsvoll.

„Was willst du?!", fragte ich noch mal, diesmal etwas fordernder.

„Wenn du mich so fragst... will ich dich!", lachte sie spöttisch und gerade als ich wieder fest auf meinen Füßen stand, schoss eine Druckwelle auf mich zu.

Ich rutschte einige Meter über das Dach und spürte, wie sich meine Haut an dem rauen Zement aufriss.

Ich kauerte zusammengerollt auf dem kalten Boden. Tränen schossen mir in die Augen. Ich kannte solche Schmerzen nicht und was gerade mit mir passierte konnte nicht wahr sein und wenn doch, dann war es mein Ende. Soviel war sicher.

Eine zweite Druckwelle schleuderte mich näher an den Rand des Daches.

Ich schloss die Augen doch etwas in mir wollte sich nicht mit seinem Schicksal abfinden. Etwas kämpfte in mir, doch es war ein Gefühl, ähnlich einem Instinkt, das ich nicht kannte.

Ich stand zitternd auf. Meine Beine drohten nachzugeben, doch ich schaffte es mich gerade aufzurichten.

„Hast du noch nicht genug?", fauchte die fremde Frau und schoss auf mich herunter.

Ich wich aus ohne nachzudenken und ohne zu realisieren, was ich da eigentlich tat.

Dennoch funktionierte es und sie schoss an mir vorbei.

Sie wandte sich um und zielte noch ein zweites Mal auf mich. Im Reflex sprang ich zur Seite und hob meine Hand. Die drei Silberklingen, die ich bereits vergessen hatte, schnitten tief in ihre Schulter hinein. Sie sah mich mit geweiteten Augen an.

„Das wirst du bereuen!", fauchte sie. „Wenn ich dich jetzt nicht kriege wird er es tun. Er wird erfreut sein zu hören, dass ich dich gefunden habe!"

Sie verschwand genauso plötzlich wie sie erschienen war.

Ich sah mich noch einmal um und versicherte mich, dass ich alleine war. Ich atmete schwer und ließ mich auf dem Boden nieder. Ich legte meine Wange gegen den kalten Stein und starrte auf die silbernen Krallen, von denen tiefrotes Blut tropfte.

Ich versuchte Luft zu bekommen, doch ähnlich wie zuvor in meiner Wohnung schnürte sich meine Kehle zu. Ich versuchte ruhig zubleiben und schloss die Augen. Ich spürte einen schmerz überall dort wo meine Haut ungeschützt den Boden gestreift hatte.

Ich konnte nicht schlafen. Dafür war ich zu aufgewühlt, alarmiert und verängstigt. Stattdessen schien ich in einem starren Dämmerzustand zu verharren und kam erst wieder richtig zu mir, als der Horizont rötlich schimmerte.

Ich stand auf und schleppte mich die Treppen herunter. Ich konnte nicht riskieren, dass mich jemand sah. Nicht so.

Ich betrat meine Wohnung und ging auf direktem Wege ins Bad. Ich wollte das Blut von den Silberklingen waschen, doch als ich in den Spiegel sah, stellte ich fest, dass ich meinen Schlafanzug trug und nicht mehr das fremde Kostüm. Was passiert war musste ein Traum gewesen sein. Vielleicht schlafwandelte ich. Vielleicht hatte Dylan recht und ich sollte mich etwas ausruhen.. Ich versuchte gerade mir einzureden, dass was ich erlebt hatte nicht real war, doch ein brennender Schmerz machte alles zunichte. Ich sah an mir herunter. Mein Körper war von Schrammen übersät. Ich nahm ein Desinfektionsmittel aus dem Schrank und reinigte die Wunden. Eine Müdigkeit überkam mich und da jetzt die Sonne schien und mir das Licht eine gewisse Sicherheit gab, legte ich mich noch einmal ins Bett und schloss die Augen.