Ryou POV
Die Haustür wurde so leise wie möglich geöffnet. Ein weishaariger Kopf schob sich hinein und sah sich um. Ryou hatte seinen Mind Link teilweise geschlossen, so dass Bakura nichts auffiel, aber jetzt konnte er seinen Yami auch nicht mehr klar wahrnehmen. Der Hikari hoffte nur, dass er die Stille richtig deutete und sein anderes Ich nicht zuhause war, als er schließlich ins Haus humpelte. Leider hatte er Bakuras Fähigkeit zum Stillsein unterschätzt. „Wo warst du, Hikari?" knurrte besagter Dieb plötzlich von halb hinter ihm.
Der Jüngere wirbelte aus Reflex herum, nur um das direkt zu bereuen als plötzlich stärkerer Schmerz durch seinen Körper schoss und er zu Boden sank, unfähig weiter stehen zu bleiben. Sofort war Bakura bei ihm und fragte: „Was ist los?" Ryou zog den Kopf zwischen die Schultern und sah weg. Er konnte die Besorgnis seines Yamis spüren, aber er wusste auch, wie wütend Bakura werden würde, wenn er herausfände, dass er ihn wieder nicht zur Hilfe gerufen hätte.
Bakura POV
‚Sie haben Ihn wieder verprügelt. Und er hat mich wieder nicht gerufen! Wie soll ich ihm so helfen, ihn beschützen? Ich spüre, wie verwirrt er ist. Warum ist er verwirrt? Wenn ich ihn frage, warum er mich nicht helfen lässt, sagt er wieder dass er nicht will, dass jemand wegen ihm verletzt wird. Das verstehe ich nicht. Hm, ich sollte ihn mal auf Emphatie testen. Der Gedanke ist mir nie gekommen, dass er mir so etwas nicht erzählen würde Aber wenn er sie jetzt erst entwickelt, weiß er vielleicht gar nicht, was los ist. Aber er hätte mich doch trotzdem gefragt... Mal sehen. Aber das Schimpfen spar ich mir mal für später auf.'
Bakura hob seinen Hikari kurzerhand hoch und trug ihn ins Badezimmer, wo er ihn dazu brachte, sich auszuziehen. Als er die vielen blauen Flecken, Prellungen, Schürfwunden und sogar mehrere Messerschnitte sah, hätte er beinahe jede Selbstbeherrschung verloren. Das Einzige, was ihn dazu brachte sich zurückzuhalten, war Ryous Angst. Als er diese spürte sah er seinen Hikari genau an und fragte: „Warum hast du jetzt Angst? Ich werde dir nicht wehtun." Die Scham und der Funken Selbsthass, die sein Hikari nach diesen Worten ausstrahlte, verwirrte den Grabräuber noch mehr. Er schüttelte den Kopf und beschloss sich erst mal um die ganzen Wunden zu kümmern, seinen Hikari ins Bett zu bringen und, am schwierigsten, den Jungen daran zu hindern, wieder aufzustehen um Essen zu machen oder so etwas. Er musste außerdem Pizza bestellen gehen
Ryou POV
‚Ich konnte genau fühlen, wie er wütend wurde. Das ist doch nicht normal, diese seltsame Wahrnehmung! Was für eine Art Missgeburt bin ich? Ich traue mich nicht Bakura zu fragen. Ich will nicht, dass er weiß, dass ich eine Missgeburt bin. Bakura... er ist so lieb, er kümmert sich um mich und macht sich Sorgen. Aber ich kann ihn nicht um Hilfe rufen. Ich spüre so stark, was in Anderen vorgeht, und wenn es ihnen schlecht geht wird das noch schlimmer. Wenn er diese Schläger verprügelt, während ich dabei bin, was passiert dann? Warum musste das passieren? Vor ein paar Wochen war ich noch normal, zumindest als Hikari. Ich hasse es unnormal zu sein! Und wegen diesem ganzen Mist lässt mich Bakura nicht kochen. Das ist ja lieb von ihm, aber so schlecht geht es mir nicht. Ich wollte doch heute was Besonderes für ihn kochen.'
Bakura POV
Bakura schlich sich in Ryous Zimmer und beobachtete seinen schlafenden Hikari. Er wusste genug über Schlägereien und ihre Folgen, dass er nur eine Pizza bestellt hatte, da der Jüngere viel zu erschöpft war um länger aufzubleiben, vom Essen ganz zu schweigen. Dann drehte er sich um, um die Schläger zu suchen, die hierfür verantwortlich waren. Er hatte ein kurzes Bild durch den Mind Link gesehen und wollte es zumindest versuchen, diese Bastarde zu finden, auch wenn er sich nur mit einem Bild als Info keine Hoffnungen machte. Wenn er hier sitzen blieb, würde er nur endgültig durchdrehen.
Am nächsten Morgen
Ryou POV
„Bist du wahnsinnig? Du gehst nicht!" Ryou krümmte sich unter dem Schrei seines Yamis. Zumindest wirkte es so. In Wahrheit krümmte er sich unter den Wellen des Ärgers, der Wut und, noch stärker der Sorge, sogar Angst um ihn, die von Bakura ausgingen. Er wusste, dass er hier raus musste. Diese Gefühle schmerzten ihn körperlich, viel schlimmer als seine Verletzungen. Außerdem wollte er auch nicht, dass sein sonst furchtloser Yami wegen ihm Angst hatte. Das wollte er ihm nicht antun. „Sorry Yami, erstens geht's mir wieder besser, zweitens schreiben wir heute einen Test den ich nicht verpassen darf. Ciao" Damit rannte er zur Schule und ließ einen sehr frustrierten Ex-Grabräuber zurück.
Bakura POV
‚Und sie nennen mich verrückt? Die sollten sich mal meinen Hikari ansehen. Mit den Verletzungen zur Schule! Aber nicht alleine, ich folge ihm. Dann erwische ich vielleicht auch diese Bastarde, die ihn verprügelt haben. Und nach der Schule mach ich diesen Test mit ihm, wenn er wirklich emphatisch wird, muss er abgeschirmt werden, bevor er noch irrer wird.' Mit dem Gedanken schnappte er sich seinen Mantel und machte sich mit ausreichendem Abstand an die Observierung seines Hikaris.
Bis nach der Schule geschah nicht viel, aber er erfuhr so einiges, wie z.B. dass einer der Lehrer Ryou auf eine Art ansah, die Bakuras Temperament reizte, dem der Jüngere aber wenigstens sorgfältig aus dem Weg ging wenn niemand dabei war. Und dass die Gruppe um Yugi seinem Hikari auf die Nerven ging, dieser das aber hinter einer lächelnden Maske versteckte. Als die letzte Stunde vorbei war, hatte der Ex-Grabräuber sehr schlechte Laune und sehr viel Mühe, diese nicht durch den Mind Link klingen zu lassen.
Ryou hatte sich gerade von Yugi und seinen Freunden verabschiedet und war in die andere Richtung gegangen, als Bakura bemerkte, dass ein paar Schläger dort herumstanden und offensichtlich auf Ryou warteten. Sofort beeilte er sich, zu seinem Hikari zu kommen.
Ryou POV
‚Ich muss mich beeilen, zu Bakura zu kommen. In einem Punkt hatte er Recht, ich hätte zu Hause bleiben sollen. Mir tut alles weh...Aber ich konnte nicht...Ich hoffe es fällt ihm nicht auf.' An dieser Stelle wurden seine Gedanken unterbrochen, als ihn auf einmal jemand von der Seite ansprach. „Sieht aus, als hätten wir dich gestern zu früh laufen gelassen, wenn du heute kommen konntest." Ryou sah den Sprecher mit aufgerissenen Augen an und wich zitternd zurück. Er konnte keine Prügel mehr aushalten, ihm ging es so schon schlecht genug! Er schüttelte den Kopf, sprechen konnte er nicht mehr. ‚Was soll ich tun? Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich den Mind Link jetzt blockieren könnte, so schlecht wie es mir geht...ich halte das auch nicht noch mal aus...'
Plötzlich sahen die Schläger an ihm vorbei und rissen die Augen auf. Ryou warf einen kurzen Blick über die Schulter und setzte sich dann einfach auf den Boden. Sein Yami stand hinter ihm mit einem Messer in jeder Hand. Seine Wut durchdrang sogar Ryous Angst und der Hikari wusste nicht, ob seine Beine aus Erleichterung oder aus erneuter Angst nachgegeben hatten. Bakura grinste sein bestes ‚Ich-bin-ein-Irrer-und-kann-besser-mit-dem-Messer-umgehen-als-du'-Grinsen und jagte den Schlägern damit eine Heidenangst ein. Als ihre Angstwellen den armen Ryou trafen, konnte dieser das nicht mehr verkraften. Er schrie noch einmal auf und brach dann bewusstlos zusammen.
Bakura POV
‚Okay, ich glaube der Test erübrigt sich. Und das hat sich nicht erst gestern entwickelt, wenn ihn die Angst dieser Idioten überlastet. Und meine Wut, zugegeben. Ich muss ihn nach Hause bringen und abschirmen, ich hab keine Zeit für diese Idioten.' Damit ging er noch einen drohenden Schritt auf die beiden Schläger zu, die jetzt endgültig genug hatten und flohen. Bakura ließ die Messer wieder in seinen Ärmeln verschwinden, hob seinen Hikari hoch und trug ihn nach Hause.
Dort legte er ihn auf das Sofa. ‚Ich muss erst Tee machen. Er wird mörderische Kopfweh haben, wenn er wieder aufwacht.'
Als er mit dem fertigen Tee ins Wohnzimmer kam sah er, wie Ryou gerade aufwachte. Er setzte die Kanne und die zwei Tassen, die er mitgebracht hatte, auf den Tisch und hinderte den Jüngeren, der tatsächlich rasende Kopfweh hatte, am aufstehen.
„Verdammt, Hikari, kannst du nicht mal Ruhe geben? Du bist verletzt, also bleibst du hier sitzen und trinkst deinen Tee. Glaubst du, das Haus bricht über dir ein, wenn du mal liegen bleibst und dich bedienen lässt? Ich hasse es, wenn du so bist!" Er wollte seinen Kleinen eigentlich nicht so anfauchen, aber wenn er das nicht tat, hörte der Dickkopf ja nicht auf ihn. ‚Die Emphatie hat einen Vorteil: Jetzt kann er fühlen, dass ich ihn liebe und ich muss es nicht sagen. Ich weiß sowieso nicht wie ich es sagen sollte. Verdammt, jetzt guckt er wieder so traurig! Warum denn? Was ist los?'
Ryou POV
‚Meint er, er hasst es dass ich mich um ihn kümmere? Gott ich hoffe nicht... Das hat er bestimmt anders gemeint... Ich kann nicht klar denken, mein Kopf tut so weh... was denkt er jetzt von mir? Ich kann ihm nicht sagen was los ist... Ich will nicht dass er weiß, was für eine Missgeburt ich bin...' Ryou riss sich aus seinen Gedanken und entschuldigte sich leise. Er spürte wie Bakura näher kam und sich auf die Armlehne setzte. „Wir müssen über das, was geschehen ist reden." fing der Ältere an. Weiter kam er nicht, denn der Jüngere versuchte vor Schreck sich herumzudrehen, ohne an seine Wunden zu denken. Sofort brach er wimmernd zusammen. Seine Kopfschmerzen halfen ihm auch nicht gerade.
Was half war die Tatsache, das Bakura sich richtig aufs Sofa setzte, ihn auf seinen Schoß setzte und ihn in den Arm nahm. Dort beruhigte Ryou sich schnell wieder. Glücklich kuschelte er sich in die Arme seines Yamis und sagte: „Können wir das nicht einfach vergessen? Du hattest Recht, ich hätte nicht in die Schule gehen dürfen. Ich habe mich überschätzt. Ich bleib morgen zu Hause, okay?"
Mit einiger Mühe verdrängte er sein eigentliches Problem, was nicht einfach war, da er Bakuras Gefühle wahrnahm. Aber die Gefühle seines Yamis waren nie eine Belastung gewesen, solange der Ältere nicht richtig wütend war oder er selber zu schlimm verletzt. Er wusste auch nicht warum.
Bakura POV
‚Ich kann fühlen, wie er seine Emphatie verdrängt. Warum macht er das? Nicht dass es mich stören würde ihn nur festzuhalten, aber er muss abgeschirmt werden. Klar, bei mir fühlt er sich sicher, ich bin ja im Moment sehr gut abgeschirmt, aber wenn er hier weggeht, was aber nicht sehr bald sein wird, wird es wieder schlimm.'
„Ryou, ich weiß, was mit dir los ist!" Der Kleine fing an zu Zittern und drückte sich enger an seinen Yami. „Mit mir ist nichts los!" Seine Stimme zitterte genauso wie sein Körper, es hätte weder Emphatie noch den Mind Link gebraucht, um das als Lüge zu enttarnen. „Du bist ein erbärmlicher Lügner, weißt du das? Wovor hast du so Angst?" Bakura wurde immer besorgter, er verstand nicht wieso sein Hikari so reagierte, fühlte aber, wie dessen Angst langsam in Panik umschlug. „Hikari?" Wieder keine Antwort. /Ryou, antworte mir/ versuchte er es jetzt über den Mind Link. Aber auch darauf kam keine Reaktion. Der Jüngere hatte sich in eine Richtige Panikattacke hineingesteigert und klammerte sich nur noch zitternd und leise wimmernd an seinen Yami, ohne irgendetwas wahrzunehmen.
Also versuche Bakura anders; er drehte das Gesicht unter ihm zu seinem und legte seine Stirn auf die von Ryou. Dann senkte er vorsichtig seine Barrieren und zuckte zusammen, als er Ryous Panik über ihm zusammen schlagen fühlte. Er sendete –mit ziemlicher Mühe, diese Gefühle waren eigentlich Ryous Domäne, -Ruhe und Sicherheit in diesen Gefühlsstrudel, der im Moment in Ryou herrschte. Nach kurzem Zögern fügte er auch die Liebe, die er für sein Licht empfand, hinzu. Das beruhigte Ryou, der Strudel in ihm wurde langsamer und bildete bald wieder das ruhige Meer, das Bakura das letzte Mal wahrgenommen hatte, als er in Ryou hineingefühlt hatte.
Ryou POV
‚Ich beruhigte mich wieder und konnte wieder mehr fühlen, als nur meine Angst und mehr hören, als mein Gedanke, dass er mich hassen wird. Woher kamen diese so schönen Gefühle, diese Liebe? Sie kamen doch von meinem Yami- heißt das, dass er mich liebt? Das wäre so schön... ich habe selber erst vor kurzer Zeit gemerkt, dass ich ihn liebe...' Ryou sah, inzwischen noch erschöpfter als vorhin, zu Bakura auf, der besorgt zurück sah. Besorgt und verwirrt. „Ich wusste gar nicht, dass du so gerne normal bist. Aber wenn es dich tröstet, erstens bin ich auch Emphat, zweitens," hier grinste der Ältere boshaft, „ist diese Fähigkeit zwar so selten, dass jeder der alten Hohepriester mich darum beneidet hätten, wenn sie davon gewusst hätten, aber es gab auch noch andere, die sie hatten. Wahrscheinlich gibt's auch heute noch andere. Du bist nur, wie ich auch, sehr stark. Aber wenn du noch mal eine Fähigkeit entwickelst, ohne mir davon zu erzählen, werde ich böse." Damit beugte er sich noch mal über seinen Hikari, diesmal um ihn auf die Stirn zu küssen. „Jetzt schlaf. Morgen zeige ich dir, wie man sich abschirmt." Ryou nickte lächelnd und versuchte schüchtern, auch ein Gefühl zu Bakura zu schicken. Er wollte sich dafür revanchieren, dass er die Liebe des Anderen hatte spüren dürfen. Dann schlief er ein.
Bakura POV
‚Wie süß. So ein schüchterner Kontakt, typisch für meinen Kleinen. Er liebt mich also auch, ich hatte so was vermutet, aber es ist schön, es zu spüren. Er ist so niedlich wenn er schläft... verdammt, wann hab ich eigentlich begonnen, so zu Verweichlichen? Und ich kann nichts dagegen tun, außer ich höre auf, ihn anzusehen... und an ihn zu denken... o Mann, wenn er nicht dabei ist, bin ich doch auch normal... ach, scheiß drauf.'
Bakura gab das Denken über sein Benehmen auf und überlegte stattdessen, wie er seinen Hikari ins Bett bekommen könnte –Ryou hatte sich im Schlaf in sein T-Shirt gekrallt- und wie er ihn so bald wie möglich im Wachzustand ins Bett bekommen konnte. Und wie vorsichtig er sein musste, um Ryou in seine Vorlieben einzuweihen. Wenn er die Traumfetzen, die er empfangen hatte, richtig deutete, war das Letztere aber kein großes Problem.
