Disclaimer: Alle Figuren sind geistiges Eigentum von Joanne K. Rowling. Die Idee und die Story gehören mir. Ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfiktion.

Inhalt: Weihnachten, das Fest der Liebe. Dumbledore hat die geniale Idee, im ganzen Schloss verzauberte Mistelzweige zu verteilen, was Severus gar nicht gefällt. Denn warum gelangt er immer wieder unter einen Zweig mit einem gewissen Gryffindor, für den er auch noch versteckte Gefühle hegt?

A/N:

Hallo ihr Lieben!

Da bin ich wieder mit einer neuen Geschichte. Wie man am Titel unschwer erkennen kann, handelt es sich um eine Weihnachtsgeschichte, deshalb werde ich sie an den vier Aventssonntagen posten.

Und jetzt viel Spaß beim Lesen!


Mistelzauber

eine HP-FanFiktion von Hillie

Kapitel 1

„Severus!", ein spitzer Ellbogen in seinen Rippen holte ihn in die Wirklichkeit zurück. „Pass doch endlich einmal auf!" Missbilligend wandte Minerva sich wieder ab; und nachdem der Zaubertränkemeister kurz seine schmerzenden Augen gerieben hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Direktor.

„… das Fest der Liebe! Deshalb möchte ich, dass die Liebe auch dieses Weihnachten in Hogwarts nicht zu kurz kommt: Ich habe von der Firma 'Magische Partyzauber & Co.' im ganzen Schloss Mistelzweige verteilen lassen."

Zwinkernd ließ der Schulleiter seinen Blick über die gespannte Schülermenge schweifen, während Severus Snape erleichtert aufseufzte.

„Ich hatte da Schlimmeres erwartet!", raunte er Minerva zu. Diese aber drehte sich mit einem wissenden Lächeln zu ihm um. „Wart's nur ab!", flüsterte sie. Ihr schadenfrohes Grinsen hinterließ bei Severus ein ungutes Gefühl ängstlicher Erwartung. Was hatte der alte Schulleiter wohl noch ausgeheckt?

Mit einem strahlenden Lächeln fuhr Dumbledore fort. „Doch dieses Jahr sind es ganz besondere Mistelzweige: Sie sind mit einem kleinen, harmlosen, aber dennoch sehr effektiven Zauber belegt. Dieser Zauber tritt in Kraft, wenn sich zwei potentielle Partner unter einem Zweig treffen. Es ist eine Art Lähmzauber, der verhindert, dass die beiden unter dem Zweig weglaufen."

Aufgeregtes Flüstern und Kichern machte sich in der Halle breit.

„Nur durch einen Kuss kann der Zauber gebrochen werden!", schloss der Direktor.

Wie versteinert saß Severus an seinem Platz. Er bemerkte kaum das Gelächter und Gequatsche um ihn herum. Oh, Merlin, war der alte Mann jetzt komplett verrückt geworden? Einen… Mistelzauber auf eine Horde von hormongeladenen Teenagern loszulassen? Und... womöglich waren die Lehrer auch betroffen? Der Tränkemeister stöhnte verzweifelt auf.

In diesem Augenblick drang die laute Frage von Draco Malfoy zu ihm durch.

„Aber was ist, wenn man mit irgendwem unter einem Zweig landet, mit einem seiner Geschwister oder einem anderen Jungen?", näselte er überheblich. Aus irgendeinem Grund waren seine Wangen rosa angelaufen.

„Nein, also wie ich bereits sagte… Hört noch einmal bitte zu!" Wieder lenkte Dumbledore die Aufmerksamkeit der Schüler auf sich.

„Wie ich bereits sagte: Potentielle Partner. Das heißt, ihr bleibt nicht mit eurer Schwester oder eurem Bruder unter einen Mistelzweig hängen oder mit jemandem eures eigenen Geschlechts; es sei denn, eure Vorlieben liegen dort."

Einige Schüler kicherten, und Severus bemerkte, dass Draco nun auch leuchtend rote Ohren bekam. Er fixierte den Jungen mit gerunzelter Stirn. Das ist interessant…

Doch wie entsetzt war er, als er realisierte, dass der blonde Slytherin unauffällig zum Gryffindortisch hinüber starrte, zu einem ganz bestimmten Trio.

Schnell wandte Severus sich ab. Wenn er es sich recht überlegte… so genau wollte er es eigentlich gar nicht wissen.

„Viel Spaß mit den Mistelzweigen!" Und seinem üblichen Glitzern in den Augen entließ der Direktor die Schüler. Langsam leerte sich die Große Halle.

xxx

Nur wenige Lehrer blieben noch da, darunter Severus. Langsam wurde er sich seines ganzen Elends wieder bewusst. Er stütze seine Arme auf den Tisch und vergrub das Gesicht in den Händen. Sein Kopf schmerzte und seine Augen ebenso. Ersteres hatte wohl mit der Ankündigung des Schulleiters zu tun, Zweites jedoch hatte einen ganz anderen Grund…

Severus hatte wie üblich während des Essens Remus Lupin, der seit diesem Jahr wieder an der Schule unterrichtete, unauffällig beobachtet.

Dieser saß ungünstigerweise jedoch direkt neben Minerva, also zwei Plätze weiter von Severus aus. Infolgedessen stellte es eine Herausforderung dar, ihn heimlich zu beobachten.

Am einfachsten wäre es für Severus natürlich, sich weit nach vorne zu lehnen und dann nach links zu starren. Allerdings wäre dieses Verhalten wohl kaum unauffällig zu nennen… Wie würde es wohl wirken, wenn sich der verhasste Tränkemeister quer über den Tisch hängt und den allseits beliebten, gutaussehenden Verteidigungslehrer begafft?

Nein, Severus Snape legte großen Wert darauf, dass seine seltsamen, nicht zu unterdrückenden Gefühle für den Werwolf unentdeckt blieben.

Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als seine Augen nach links zu verdrehen und so zu Remus zu schielen. Dabei erwiesen sich seine halblangen Haare als Vorteil: Bei leicht vorgebeugter Haltung fielen sie ihm ins Gesicht und verdeckten seine Augen, sodass niemand bemerkte, dass er den attraktiven, dunkelblonden Mann zwei Plätze weiter anstarrte.

Der einzige Nachteil war, dass er meist seinen Blick nicht mehr abwenden konnte, weshalb er während des Essens unkoordiniert auf dem Teller herumstocherte und die Gabel nur sehr unsicher zum Mund führte. Mittlerweile war dieses Verhalten aber weitestgehend bekannt und höchstens als extreme Geistesabwesenheit abgetan worden.

Jedes Mal nach solch einer gut getarnten Beobachtungsaktion hatte Severus nicht nur schlimme Schmerzen in der Augenmuskulatur und Schwierigkeiten beim Geradeaus-Sehen, sondern er fühlte sich auch in zunehmendem Maße erbärmlich und armselig. Dies konnte ihn jedoch nicht davon abhalten, sich immer wieder den Phantasien und Hoffnungen über Remus hinzugeben.

Außerdem begann er in seinem Verhalten seltsame Anomalien festzustellen, jedenfalls soweit es Remus betraf. Wenn er mit ihm sprach oder er nur in der Nähe war, schien seine boshafte Ader nachzulassen. Zwar machte es ihm normalerweise Spaß, andere Menschen mit gemeinen Bemerkungen zu provozieren, doch in Remus' Gegenwart verspürte er den seltsamen Drang, ihn anzulächeln – etwas, das er nicht häufig tat, und wenn, dann nur auf boshafte Weise – oder ihm Komplimente zu machen. Ganz abgesehen davon, dass sein Körper ohnehin schon wie magnetisch von Remus angezogen wurde. Da bei Remus also sein übliches Verhalten versagte, und er sich nicht durch irgendwelche peinlichen Aktionen der Lächerlichkeit preisgeben wollte, vermied er die Nähe zu Remus, so gut es ging. Das einzige, das ihn sonst vor einen Fehltritt retten konnte, war seine Selbstbeherrschung und Kontrolle, und er befürchtete, dass selbst diese ihn einmal im Stich lassen könnten.

Dass er mit seinem Beobachten und seinen geheimen Phantasien dieser… Verhaltensstörung nur Nahrung geben würde, war ihm zwar bewusst, doch dadurch ließ er sich nicht davon abhalten. Er litt sowieso schon genug, was machte das da noch aus?

Severus stöhnte auf und rieb sich die Augen.

Warum wurde er noch dazu jedes Jahr von Dumbledores haarsträubendem Weihnachtsfimmel eingeholt?

Voller Gram seufzte der Tränkemeister auf. Wie er das ganze Getue hasste! Das Fest der Liebe! Nicht für ihn, nicht für Severus Snape!

Plötzlich legte sich eine warme Hand leicht auf seinen Arm. Der Slytherin vesteifte sich, wollte schon wütend herumfahren, da vernahm er eine freundliche, leicht spöttische Stimme.

„Aber, Severus! Nimmst du das Ganze wirklich so schwer?"

Remus.

Langsam drehte Severus sich um. Laut und schnell hörte er seinen eigenen, unruhigen Herzschlag in den Ohren. Seine Hände wurden von einer Sekunde auf die andere schweißnass, als er den Gryffindor anstarrte, der auf dem Stuhl neben ihm Platz genommen hatte und ihn angrinste.

Unbewusst nahm Severus wahr, wie sich all die sarkastischen Formulierungen, die ihm normalerweise stets abrufbereit auf der Zunge lagen, verflüchtigten.

Schlagartig wurde es Severus bewusst, dass er Remus nur anglotzte, ohne etwas zu erwidern. Schnell rang er sich ein spöttisches Lächeln ab.

„Unser Direktor wird mit den Jahren auch immer alberner! Ich bezweifle wirklich, das ich ein weiteres Jahr mit derartigem Weihnachstkitsch überstehen werde."

Remus kicherte. "Ich finde die Idee im Grunde gar nicht so schlecht… vielleicht können so einige Schüler ihre Hemmungen überwinden. Hast du zum Beispiel einmal die Blicke gesehen, die sich Harry und Draco heimlich zuwerfen?"

Severus starrte ihn an. „Und ich hatte gehofft, es wäre nur Einbildung gewesen! Müssen Sie mir alle meine Illusionen nehmen, Lupin?", seufzte er gequält.

Wieder lachte Remus leise. „Nun, ich bin mir sicher, dass da auch noch etwas passiert…"

„Naja, aber können Sie Sich vorstellen, wie es wird, wenn die ganzen Gänge verstopft sind von albernden, giggelnden Schülerinnen und hormongesteuerten Jungen, die ihnen hinterherrennen? An jeder Ecke knutschende Schülerpaare zu sehen", Severus schüttelte sich, „das wird der Horror!"

Severus' Herz raste. Er hoffte so sehr, dass er jetzt nichts Falsches sagte. Er war ohnehin schon ungewöhnlich freundlich gewesen, aber Remus schien sich nicht daran zu stören und fand es normal. Er fand seine Bemerkungen sogar offensichtlich amüsant und Severus berauschte sich an seinem warmen Lachen. Er konnte es kaum glauben, dass Remus freiwillig zu ihm gekommen war, um mit ihm zu reden, ihn jetzt sanft anlächelte und leise über seine Kommentare kicherte.

Am liebsten hätte Severus zurückgelächelt, sich in seinen freundlichen Augen verloren und Remus gezeigt, wie sehr er ihn mochte. Doch seine lange antrainierte Vorsicht hielt ihn zurück, zusammen mit seiner alles beherrschenden Angst vor Zurückweisung und Spott.

Mit einem Mal registrierte Severus, dass Remus' Hand noch immer warm auf seinem Oberarm lag. Ohne es bewusst zu steuern, senkte er seinen Kopf und blickte auf die Hand. Auch dem Werwolf schien es erst jetzt aufzufallen; er stand schnell auf.

„Ich muss dann auch mal los… bis dann!", sagte Remus verlegen, warf Severus noch ein Lächeln zu und ging davon.

Der Slytherin starrte ihm nach. Die Stelle auf seinem Arm, auf der Remus' Hand gelegen hatte, fühlte sich jetzt seltsam kalt an, und doch war es ihm, als könne er die Hand noch fühlen.

Eine seltsame Aufregung bemächtigte sich seiner.

Dieses Gespräch… das musste etwas bedeutet haben!

Remus hatte ihn angesprochen, über seine Kommentare gelacht, ihn berührt, ihm zugelächelt… Severus ließ den Kopf hängen. Remus hatte sich verhalten wie zu jedem anderen auch.

Verdammt! Nur weil diese Unterhaltung für ihn selbst etwas Besonderes gewesen war, galt das noch lange nicht für den sanften, immer freundlichen Remus.

Der Tränkemeister schüttelte den Kopf, um die unliebsamen Gedanken zu verscheuchen, und stand auf. Er würde sich jetzt selbst ein Bild machen von dem Schrecken, der ihn in den Gängen erwartete…

Zögernd schritt er durch die Große Halle. Er hatte sich wieder völlig unter Kontrolle, ja, er würde sich von solch einem kleinen Zwischenfall nicht aus der Bahn werfen lassen…

Dann bemerkte er, dass er seinen Arm rieb, wo er immer noch den Druck von Remus' Hand zu spüren vermeinte.

Severus schnaubte, dann verbarg er die Arme in seiner weiten Robe und schritt zügiger aus.

xxx

Mit einem unguten Gefühl drückte Severus die Torflügel zur Eingangshalle auf.

Und erstarrte.

Das Bild, das sich seinen Augen darbot, war grauenerregend.

Beinahe die gesamte Decke war mit Mistelzweigen zugehängt. Es gab kaum einen Quadratmeter, an dem nicht einer der gigantischen Zweige baumelte.

Unter einem besonders großen Exemplar – es musste einen Durchmesser von mehr als einem Meter haben – hielt sich eine Horde kichernder, quitschender Mädchen auf. Einige Jungen liefen betont unbeteiligt in der Gegend herum und überall standen Paare, die sich küssten oder peinlich vor sich hinkicherten.

Severus straffte sich, dann machte er sich langsam auf den Weg zur Treppe. Den Kopf leicht angehoben starrte er ständig an die Decke und wich den drohenden Zweigen aus.

Eigentlich war das unnötig, denn wie er aus den Augenwinkeln sah, wichen ihm sowieso alle Schüler aus. Sogar die nervige Mädchengruppe zerstreute sich, als er in die Nähe kam. Doch man konnte ja nie vorsichtig genug sein…

Severus beschloss, nicht direkt in den Kerker zu gehen, sondern erst einmal nachzusehen, wie es in den Gängen und Klassenräumen aussah. Der Anblick der Eingangshalle brachte seine Entschlossenheit zwar ein wenig ins Wanken, doch schlimmer konnte es wohl nicht mehr kommen, wie er sich einredete.

Schlimmer war es in den Gängen tatsächlich nicht, allerdings auch nicht viel besser. Die riesigen Mistelzweige hingen nicht ganz so dicht verteilt von der Decke, doch dafür sah Severus nun unter jedem Türstock ein dickes Bündel hängen.

Das einzig Positive war, dass die Klassenräume selbst verschont geblieben waren, wie er mit einem vorsichtigen Blick feststellte, bevor er den Kopf ruckartig aus der Tür und unter dem zugehörigen Zweig zurückzog.

Als Severus sich gerade wieder auf den Weg zurück in seine Gemächer machte, vernahm er aus einem der näheren Gänge Stimmengewirr und Gejohle. Er runzelte die Stirn und haderte kurz mit sich selbst, hin- und hergerissen zwischen der Sehnsucht nach seinem ruhigen, gemütlichen Kerker, frei von Mistelzweigen, und seiner Verantwortung als Lehrer. Sein Verantwortungsbewusstsein siegte; Severus schnaubte und schlug die Richtung ein, aus der der Lärm kam.

Als er das Ende des fraglichen Ganges erreicht hatte und um die Ecke bog, stutzte er: Auf der etwas größeren freien Fläche, wo sich drei Gänge trafen, hatte sich eine ansehnliche Menschenmenge angesammelt, die irgendwen anfeuerte, der wohl das Pech hatte, in der Mitte zu stehen.

Augenblicklich war Severus' Neugier geweckt. Er bahnte sich mit harschen Bemerkungen und unfreundlichen Blicken einen Weg durch die Schüler, bis er in der Mitte angelangt war. Dort jedoch bot sich ihm ein erstaunlicher Anblick.

Unter einem beängstigend riesigen Mistelzweig stand ein Paar, und zwar niemand anderes als Potter und Malfoy. Die beiden waren mit der Situation offensichtlich ziemlich unzufrieden: Mit verschränkten Armen standen sie sich gegenüber und versuchten, sich mit boshaften, hasserfüllten Blicken gegenseitig zu erdolchen.

„Auf gar keinen Fall!", keifte Draco gerade mit hochrotem Kopf, worauf als Antwort aus der Menschenmenge um ihn herum lautes Pfeifen und anfeuernde Rufe ertönten.

Severus schnaubte, als er registrierte, dass – wen wundert es – auch Albus zu den Leuten gehörte, die Potter und Draco zum Küssen überreden wollten. Er stand ganz in Severus' Nähe in der ersten Reihe und beobachtete das Paar mit breitem Grinsen.

Und nicht nur das.

„Ein richtiger Kuss muss es sein, mit Zunge!" Albus hatte wohl jede Zurückhaltung aufgegeben und machte beim Anfeuern eifrig mit.

Severus seufzte.

Es gab anscheinend niemanden, der etwas an dieser Situation zu ändern bereit war. Doch auch er selbst konnte nichts tun, hatte er doch keine Macht über diese Mistelzweige und auch keinen passenden Zauber zur Verfügung. Er beschloss, einfach abzuwarten und nur im Notfall einzugreifen.

Er schloss kurz die Augen und rieb sich mit zwei Fingern seiner rechten Hand die Nasenwurzel, als er die ersten Anzeichen einer Kopfschmerzattacke spürte. Und so traf ihn die sanfte Stimme von Remus wieder völlig unvorbereitet.

„Ich hatte also Recht, siehst du?"

Leicht belustigt erklang die Stimme ganz nahe an Severus' rechtem Ohr.

Ungläubig drehte er sich ein wenig nach rechts, um zu sehen, ob diese Worte wirklich nicht nur seiner Phantasie entsprungen waren. Aber tatsächlich.

Remus stand dicht hinter ihm, leicht vorgebeugt, um ihm ins Ohr zu flüstern, und bedachte ihn mit einem schelmischen Blick aus seinen goldfarbenen Augen.

Severus wusste nicht, wie lange er den anderen angestarrt hatte; es konnten wenige Sekundenbruchteile sein oder eine halbe Ewigkeit. Er blinzelte. Mühsam rief er sich Remus' Worte ins Gedächtnis, um ihm eine passende Antwort zu erteilen.

„Das kann ich noch nicht vollkommen beurteilen, Lupin", raunte er über seine Schulter zurück. „Wir werden wohl oder übel mitansehen müssen, wie sich diese Situation noch entwickelt."

Remus erschauerte.

Und Severus fühlte sich schlagartig in die Wirklichkeit zurückgerissen. Mit jeder seiner Nervenfasern nahm er das Zittern des anderen Mannes wahr und plötzlich schämte er sich furchtbar. Er wusste gar nicht genau warum.

War er Remus wirklich so unangenehm, dass dieser sich schüttelte, wenn er ihm nur nahe kam? Und warum kam er dann so dicht an ihn heran? Er stand so nah hinter ihm, dass ihre Körper sich beinahe berührten und Remus sein Kinn fast auf Severus' Schulter ablegen konnt. So nah!

Severus fühlte sich wie elektrisiert. Er spürte den Atem des anderen Mannes, der über die Haut an seinem Nacken strich und dort die feine Härchen zum Aufstellen brachte. Er spürte die Wärme des schlanken Körpers hinter sich. Und – Oh, Merlin! – er konnte Remus auch riechen. Er wollte tief einatmen, Remus' Duft tief in sich aufsaugen…

Nein, Severus!, sagte eine leise Stimme in seinem Kopf. Du kannst und du musst dich zusammenreißen. Das hast du bei Voldemort geschafft, das wirst du also auch bei so etwas lächerlich einfachem wie einem attraktiven Mann hinter dir.

Und Severus zwang seinen Blick nach vorne und sperrte den anderen aus seinen Gedanken.

„Jetzt komm schon, Malfoy! Ich will hier heute auch noch mal weg!" Genervt stand Potter vor Draco und starrte ihn verärgert an. „Jetzt stell dich nicht so an!"

„Nein, ich will das nicht! Auf keinen Fall!", giftete dieser zurück.

Nun, anscheinend hatte Potter eingesehen, dass er keine Wahl hatte und nicht so einfach wieder unter dem Zweig hervorkommen könnte. Wenigstens etwas. Aber Draco wollte das partout nicht einsehen und weigerte sich immer noch… ob er wohl eingreifen sollte?

Gerade wollte Severus etwas sagen, als Potter es nicht mehr länger aushielt.

„Mensch, Draco!" , sagte er genervt, packte den Blonden am Kragen und zog ihn zu einem heftigen Kuss heran. Dracos Augen weiteten sich entsetzt, bevor sie wie automatisch zuklappten. Es war plötzlich totenstill, als die Münder der beiden aufeinandertrafen.

Dann ging alles sehr schnell.

Mit einem Mal klebten Potter und Draco wie festgeklebt aneinander und umschlangen sich mit mit Armen und Beinen, sodass man kaum erkennen konnte, wo der eine aufhörte und wo der andere begann. Sie schwankten hin und her, während sie sich heftig küssten.

Severus traute seinen Augen nicht. Das war etwas, was er niemals hatte sehen wollen. Sein kleiner Patensohn, dem er immer Süßigkeiten und Spielzeugzauberstäbe mitgebracht hatte, dem er den ersten Besen geschenkt hatte und der nie ohne seinen Kuschelbasilisken, doppelt so groß wie er selbst, hatte einschlafen können. Draco und Potter. Nun, er würde sich daran gewöhnen müssen.

Mittlerweile war der Kuss der beiden eher weniger unschuldig geworden. Einige der Umstehenden wandten sich verschämt ab, während aus dem Publikum vereinzelt Pfiffe zu hören waren. Doch davon ließen sich die beiden nicht stören…

Pling… plang… plong!

Alle zuckten zusammen, als ein lautes Signal ertönte. Auch Draco und Potter fuhren auseinander, während zu allem Überfluss auch noch ein goldener Funkenregen aus dem Mistelzweig über das Paar erging. Draco und Potter standen mit zerzausten Haaren und unordentlicher Kleidung in dem Funkenschauer und realisierten offenbar erst jetzt, was soeben geschehen war. Die Menge, die sich in der Zwischenzeit mindestens verdoppelt hatte, pfiff und johlte.

Severus bemitleidete Draco insgeheim, der mit rotem Kopf in der Mitte stand und zu flüchten versuchte, jedoch von Potter aufgehalten wurde, der seinen Arm um Dracos Hüfte schlang und ihm beruhigend zulächelte.

Ein einzelnes Klatschen ertönte. „Schön!", rief Dumbledore fröhlich lächelnd. „Da haben sich ja schon zwei gefunden! Aber jetzt gibt es hier auch nichts mehr zu sehen… husch, husch!"

Er wedelte mit den Händen und die Meute begann sich zu zerstreuen. Severus wurde wieder überwältigt von der Sehnsucht nach seinen gemütlichen Kerkern und der Aussicht auf ein paar heimliche Phantasien über Remus und wollte sich ebenfalls auf den Weg machen.

Doch er konnte nicht.

Zuerst begriff er nichts. Seine Füße klebten am Boden fest; er konnte sie nicht lösen, um einen Schritt nach vorne zu gehen. Auch seine gesamten Beine fühlten sich auf seltsame Weise gelähmt an.

Er blickte stirnrunzelnd an seiner Robe vorbei nach unten und versuchte, die Füße vom Boden wegzuziehen. Er konnte weder sie noch seine Beinmuskeln bewegen.

Aus den Augenwinkeln heraus sah Severus seltsame Bewegungen. Er blickte auf und sah, dass sich die Schülermenge, gerade noch im Begriff sich zu zersteuen, um ihn versammelt hatte.

Immer noch verstand er nichts.

Er schoss wütende Blicke in die Menge und versuchte herauszufinden, wer ihn mit diesem seltsamen Beinklammerfluch belegt hatte. Derjenige konnte sich auf etwas gefasst machen. Doch die Blicke der Schüler zeigten nicht wie sonst Angst und zuckten auch nicht erschrocken zur Seite wie üblich, sondern offenbarten eine beunruhigende Mischung aus Belustigung, Schadenfreude und widerwilliger Faszination. Und sie bewegten sich hin und her zwischen ihm selber und… etwas hinter ihm.

Severus hörte ein leise Geräusch hinter sich und verstand.

„Remus!", zischte er leise. Wer könnte es sonst sein?

Langsam blickte er nach oben und sah einen großen Mistelzweig bedrohlich über sich schweben.

~ to be continued ~


Na, was sagt ihr? :)

Nächsten Sonntag, am zweiten Adent, geht es mit den beiden weiter.