Kapitel 1
Ich saß in dem Gemeinschaftsraum der Zimmermädchen des Nobelhotels „Crowne Plaza Times" in Manhatten und ruhte mich ein wenig aus.
Ich arbeitete hier erst seit zwei Wochen und trotzdem fühlte mich schlapp.
Es war ziemlich anstrengend die riesigen Suiten der reichen, geizigen Gäste auf zu räumen, und das jeden Tag. Meine einzige Entschädigung dafür war das gute Gehalt und naja ... meine neue Freundin Alice.
Sie hatte mich am ersten Tag herum geführt und seitdem waren wir praktisch unzertrennlich.
Nur leider war sie vorgestern krank geworden und ich musste mich alleine durchschlagen. Eigentlich hatte es auch ein gutes, dass sie krank war.
Ich musste heute nicht, wie vereinbart, mit ihr shoppen gehen. Alice liebte shoppen ... und ich ... naja ... ich hasste shoppen.
„Bella?", hörte ich plötzlich meine wunderschöne Chefin Rosalie Hale.
Ich drehte mich zu ihr um und blickte in ihr vollkommenes Gesicht.
„Werden sie etwa für's rumsitzen bezahlt? Na los, an die Arbeit!", befahl sie.
Sie war zwar schön, aber dafür war sie auch ein Biest. Sie liebte es, andere herum zu kommandieren und sie hatte Alice und mich auf dem Kieker.
Langsam stand ich auf, stieß mir dann das Knie an der Tischkante an und fluchte.
„Wird das heute noch was?", fauchte sie und funkelte mich böse an.
„Bin ja schon unterwegs.", murmelte ich leise, rieb mir das Knie und humpelte aus dem Zimmer.
Ich wusste nicht genau, mit wem ich heute eingeteilt war und sah deshalb nochmal auf den Plan.
Urgh. Jessica, dachte ich.
Jessica war eigentlich ganz okay, aber sie hatte Dauer-Liebeskummer mit ihrem on-off Freund Mike und erzählte es jedem – ob er es hören wollte oder nicht.
Ich holte meine Putzausrüstung aus dem Schrank, zog mir den roten Kittel an und fuhr dann mit dem Fahrstuhl in das oberste Geschoss.
Jessica wartete schon vor der Zimmertüre auf mich.
„Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.", kicherte sie.
„Jetzt bin ich ja da.", erwiderte ich unbetont.
Ich schloss die Zimmertüre vorsichtig auf und zusammen betraten wir das Zimmer.
„Oh Gott.", stöhnte Jessica, „Wer hat den hier gewütet?"
Ich bekam kein Wort heraus. Es sah wirklich ... nach verdammt viel Arbeit aus.
Außerdem roch es muffig.
„Schnell die Fenster auf!", meinte ich und rannte quer durch das Zimmer und begann alle Fenster der Reihe nach zu öffnen.
Jessica fuhr in der Zwischenzeit unsere Putzausrüstung in den Raum und schloss dann hinter sich die Türe.
„Schon besser.", meinte ich, als wieder frische Luft in das Zimmer kam.
„Oh ja!", stimmte sie mir zu.
„Na, dann lass uns mal anfangen."
Sie nickte leicht.
Nanu? Was war mit ihr los? Normalerweise redete sie doch die ganze Zeit ...
Warum war sie so still?
„Hast du was?", fragte ich vorsichtig.
„Ach nein. Nur ... Mike. Naja. Er hat Schluss gemacht.", schluchzte sie.
Na toll. Ich hätte es lassen sollen. Jetzt kommt wieder eine Mike-hat-mich-verlassen-und-ich-bin-deshalb-total-fertig Geschichte.
„Schon wieder?", fragte ich.
Sie sah mich böse an.
„Ich ... meine ... das tut mir Leid.", stotterte ich.
Ihr Blick wurde wieder weicher und sie sah mich traurig an.
„Es ist jetzt endgültig. Er hat eine neue und zieht noch diese Woche aus.", flüsterte sie.
Jetzt tat sie mir allerdings schon ein wenig Leid. Liebeskummer musste schlimm sein – zumindest dachte ich das. Ich hatte noch nie Liebeskummer, da ich ja auch noch nie eine Beziehung gehabt hatte. Und das, obwohl ich zwanzig Jahre alt war ...
„Wirklich?", fragte ich mitleidig.
Sie nickte.
Ich ließ den Kopf sinken, ging auf sie zu und nahm sie dann in den Arm. Egal, ob sie manchmal nervte oder nicht, sie brauchte jetzt jemanden, bei dem sie sich ausheulen konnte. Und außerdem war ich gut im Stimmen ausblenden. Sogar verdammt gut.
~*~
Ich hatte Jessica eine Stunde lang ertragen, bis sich wieder halbwegs gefangen hatte und meinte 'Wollen wir jetzt aufräumen?'.
Dann hatten wir uns an die Arbeit gemacht und sind wieder runter in die Hotellobby. Natürlich hat uns dann Rosalie noch niedergemacht, weil wir solange gebraucht hatten, obwohl der Gast, der das Zimmer gebucht hatte, erst morgen kommen würde.
„Das geht so wirklich nicht!", hatte sie gesagt, „Ihr habt fast drei Stunden für ein einziges Zimmer gebraucht!"
Wir hatten uns tausendmal entschuldigt, doch das half bei Rosalie nichts.
Sie meinte, wir sollten zur Strafe noch die Hotellobby fegen.
Ich fühlte mich, als wäre ich ein kleines Schulmädchen, dass geschwänzt hatte und zur Strafe den Schulhof fegen musste.
Jessica fing wieder an zu schluchzen und sie fing an, mir schon wieder Leid zu tun.
„Geh nach Hause. Ich mach das schon.", rutschte es aus mir heraus.
„Echt? Danke. Das ist echt super lieb von dir!", meinte sie, gab mir einen leichten Kuss auf die Wange und griff dann nach ihrem braunen Mantel.
Na toll, dachte ich und nahm mir einen der langen Besen.
„Ich gehe jetzt dann auch.", sagte Rosalie und warf mir einen belustigten Blick zu.
Sobald sie sich umgedreht hatte, streckte ich ihr meine Zunge entgegen.
„Verklemmte Zicke.", murmelte ich.
Hinter mir räusperte sich eine Person. Erschrocken drehte ich mich um und blickte in das Gesicht einer alten Frau. Sie trug mindestens drei Ketten und wuchtige goldene Ohrringe. Ihre grauen lockigen Haare versteckte sie unter einem weißen Hut.
„Ich äh ...", fing ich an zu stammeln.
Sie zog die Augenbrauen hoch und verschwand dann.
Na super, Bella, dachte ich und begann, den Boden zu fegen.
~*~
Nach einer halben Stunde war ich fertig, draußen war es schon dunkel.
Müde zog ich mir meine graue Jacke über und verließ das Hotel.
Draußen wehte mir schon der untypische kalte Wind entgegen.
Hallo!? Es war schon fast Sommer!
Ich zog meine Jacke noch etwas fester zu und stellte mich dann an den Straßenrand. Ich winkte, doch es dauerte mindestens fünf Minuten, bis endlich ein verdammtes Taxi stehen blieb.
Dankbar stieg ich ein und nannte dem Fahrer meine Adresse.
Ich lehnte mich in den Rücksitz und schloss die Augen.
Mann, ich war echt verdammt müde.
„Miss? Äh ... wir sind da.", weckte mich die raue Stimme des Taxifahrers.
„Oh ... ja danke.", erwiderte ich leise und gab ihm sein Geld.
Dann stieg ich aus und rannte zu dem Altbau, in dem ich wohnte.
Mit zitternden Händen kramte ich meinen Schlüssel aus der Tasche, steckte ihn ins Schloss und drehte in zweimal um.
Im Flur war es schon wesentlich wärmer, ich schleppte mich zum Aufzug und fuhr in das dritte Stockwerk, in dem mein Apartment war.
Ich brauchte etwas Zeit, bis ich die Türe aufgeschlossen hatte.
Doch plötzlich sprang sie polternd auf und ich trat ein. Müde ging ich in mein Schlafzimmer und ließ mich auf das Bett fallen.
Nach nur wenigen Minuten schlief ich tief und fest.
