Indianer

Boston 1866.

Eine junge Frau war gerade auf dem Weg, von der Arztpraxis, nach Hause.

Seitdem Michaela Quinn ihren Doktor gemacht hatte, arbeitete sie in der Praxis ihres Vaters.

Sie hatte Schwierigkeiten, da die Bostoner Gesellschaft, keine Frauen als Ärzte, akzeptierten.

Ihr Mutter, Elisabeth Quinn, hatte ihrer Tochter von Anfang an gesagt, dass ihre Berufswahl nicht ganz nach ihrem Geschmack war.

Doch Michaela hatte ihren eigenen Kopf und begann das Studium und absolvierte es als Jahrgangsbeste.

Ihr Vater, Joseph Quinn, war immer stolz auf seine jüngere Tochter und nahm sie somit in seiner Praxis, als seine Partnerin, auf.

"Michaela, gut das du kommst. Hat dir dein Vater schon erzählt? Es soll eine Versammlung geben, wegen den Indianern im Westen und es sollen sogar auch welche hier her kommen", erzählte Elisabeth total aufgeregt.

"Ja Mutter, dass hat Vater mir erzählt und wir werden auch zusammen hingehen und wenn du mich entschuldigst. Ich möchte mich eben einmal umziehen."

Mit einem Lächeln, raffte sie ihre Röcke hoch und stieg die Treppe hinauf in ihr Zimmer.

Sie zog sich ein anderes Kleid an und setzte sich an ihre Kommode mit dem großen Spiegel.

Seufzend und in Gedanken verloren, zupfte sie an den Haarnadeln und löste sie, sodass sich nun ihr langes Haar seinen Weg über ihren Rücken machte und in vielen Locken hinab hing.

Michaela war nicht wie ihre älteren Schwestern Majorie und Rebecca, die schon längst verheiratet waren.

Nein, Michaela war eine Frau, die ihren eigenen Kopf hatte und keinen Bezug zu irgendeinem Mann hatte.

Sie hatte zwar einige Männer kennen gelernt, doch mehr wurde daraus nicht.

Michaela lebte allein für ihren Beruf.

Elisabeth hatte schon lange und ausgedehnte Diskussionen mit Michaela geführt, doch es hatte nichts genützt.

Mit dem einzigen Mann, mit dem sie viel Zeit verbrachte, war ihr Vater.

Das Verhältnis zu ihrem Vater war unbeschreiblich.

Michaela brauchte ihren Vater nur anschauen und sie wussten, was der Andere dachte.

An dieses Verhältnis kam Elisabeth nicht heran. Ständig gab es Spannungen und Diskussionen zwischen Michaela und Elisabeth wegen ihrem Beruf und ihrer Einstellung zur Ehe.

Elisabeth hätte Michaela am Liebsten mit einem wohlhabenden Mann verheiratet, doch Michaela interessierte sich nicht für Männer, sie interessierte sich allein für die Medizin.

Es klopfte leicht an Michaelas Tür, was sie zurück in die Realität holte.

"Ja bitte?" Michaela bürstete ihr Haar weiter und schaute zur Tür.

Die Tür öffnete sich und ihr Vater kam herein.

"Hallo mein Kind. Ich wollte dich zum Essen holen und geht es dir schon besser, als vorhin? Du warst vorhin so blass?" fragte Joseph, kam zu Michaela und umschloss mit seinen Händen ihre Schultern.

Michaela lächelte ihrem Vater im Spiegel entgegen. "Ja Vater, mir geht es besser. Ich habe Mutter erzählt, dass wir morgen zu der Versammlung gehen", antwortete Michaela.

"Und? Was hat sie gesagt?"

"Nichts, aber ich habe es an ihrem Gesichtsausdruck gesehen, dass es ihr nicht Recht ist."

Michaela legte die Bürste beiseite.

"Mach dir keine Gedanken und komm erstmal Essen", sagte Joseph, gab seiner Tochter einen Kuss auf ihr Haar und verließ das Zimmer.

Michaela machte sich ihr Haar mit einem Haarband zusammen und ging runter ins Esszimmer, wo ihre Mutter mit ihren Schwestern schon auf sie warteten.

"Guten Abend Michaela", begrüßte Majorie sie und lächelte sie an.

"Guten Abend", sagte Michaela und lächelte ebenfalls.

"Michaela? Wo ist dein Vater?" fragte nun Elisabeth und schaute ihre Tochter an.

"Eben war er noch bei mir, er hatte gesagt, dass er mich zum Essen holen wollte und ist wieder gegangen. Ich dachte er wäre schon längst hier."

Kaum hatte Mike, wie sie liebevoll von ihrem Vater genannt wurde, den Satz ausgesprochen, kam auch schon Joseph aus seinem Arbeitszimmer.

"Ich bin hier. Tut mir leid, aber ich musste noch einen wichtigen Brief verfassen", entschuldigte er sich nun und nahm Platz.

Die Familie aß zusammen und unterhielt sich, über den heutigen Tag.

Und sie kamen auch auf die Versammlung zu sprechen, die morgen stattfinden sollte.

Elisabeth schaute ihre jüngste Tochter an.

"Also ich finde es nicht so schön, wenn du mit deinem Vater dort hin gehst. Das ist nichts für Frauen", sagte sie entschlossen.

Michaelas Blick sprach Bände.

"Wieso soll das nicht was für Frauen sein?" fragte sie nun empört und wischte sich mit der Servierte den Mund ab.

"Weil es dort um Indianer geht. Was haben Frauen denn dazu zu sagen?" Elisabeth hob ihr Glas an und trank einen Schluck von ihrem Rotwein.

"Ich werde mit Vater dorthin gehen, ob es dir gefällt oder nicht. Ich bin fertig, darf ich aufstehen?" Sie blickte zu ihrem Vater, der merkte, dass Michaela der Diskussion entweichen wollte. Joseph nickte Michaela zu und diese stand auf und verschwand in ihr Zimmer.

Elisabeth schaute zu ihrem Mann. "Wieso hast du sie gehen lassen? Ich war noch nicht fertig", sagte Elisabeth nun beleidigt.

"Elisabeth, du weißt wie Michaela ist. Ich werde schon aufpassen, dass sie nichts Falsches sagt. Ich bin stolz auf sie, dass sie sich dafür interessiert und deswegen werde ich sie morgen mitnehmen, ob es dir Recht ist oder nicht. Michaela soll wissen, wie es ist, in einem Land auf dieser Welt zu wohnen, wo man nicht alles hat", beendete Joseph seinen Satz und nahm ebenfalls einen Schluck aus seinem Glas.

Michaela lag auf ihrem Bett und hatte sich ein Buch genommen, was von Indianern handelte. Sie las es schon seit Tagen und war begeistert, umso mehr freute sie sich auf die morgige Versammlung.

Nachdem Joseph die Praxis am nächsten Tag geschlossen hatte, ging er mit seiner Tochter zur Versammlung.

Es waren viele Männer anwesend, aber Michaela war die einzige Frau, die sich dafür zu interessieren schien.

Michaela suchte sich einen Platz ziemlich weit vorn, damit sie auch alles mitbekam.

Vor der eigentlichen Versammlung, wurden noch einige Neuigkeiten bekannt gegeben.

Die junge Ärztin konnte es kaum erwarten, bis sie endlich auf das Thema Indianer zu sprechen kamen.

„So meine Dame, meine Herren, kommen wir nun zu unserem eigentlichen Treffen", begann Dr. North und fing an zu erzählen wieso und warum die Versammlung stattfand.

„Da wir über Indianer sprechen, haben wir auch extra welche hier her geholt, damit sie sich daran beteiligen können." Nun kamen 3 Indianer und 1 Mann auf die Bühne.

Michaelas Augen erhellten sich, als sie die 4 Männer sah.

Wie in meinem Buch", dachte sie und lächelte.

Joseph sah das Leuchten in den Augen von seiner Tochter und konnte nur Lächeln.

Die junge Frau, war so begeistert von den Ansichten der Indianer, dass Joseph Angst bekam, sie könnte ihre Koffer packen und sofort mit ihnen mit reisen.

Doch eigentlich freute sie sich nicht über die Indianer, denn eigentlich hatte jemand anders ihre volle Aufmerksamkeit.

Der nette junge Mann, der als Dolmetscher mitgekommen war, war viel interessanter als die Indianer.

Immer wieder schaute Michaela schüchtern zu ihm und konnte nichts anderes als Lächeln.

„Na? Wer hat denn von den jungen Männern, deine volle Aufmerksamkeit?" fragte Joseph nun leise, seine Tochter und drückte sanft ihre Hand.

Michaela blickte ihn mit roten Wangen an, sagte aber nichts dazu.

Nach der Versammlung hatte Michaela viel Neues erfahren und war glücklich, dass sie mit ihrem Vater mitgegangen war.

„Vater? Ich geh schon mal vor, ich warte draußen auf dich", sagte Michaela, als ihr Vater sich noch mit einigen Kollegen unterhielt und ging.

Kaum war sie draußen angekommen, traf sie auf die 3 Indianer, mit dem Mann. Sie wäre am Liebsten sofort wieder umgedreht, aber sie konnte und wollte den Blick nicht von dem gut aussehenden Mann nehmen.

Gerade als sie sich umdrehen wollte, um zu schauen, wo ihr Vater bleibt, kam jemand auf sie zu.

„Guten Abend Ma´m? Können sie mir vielleicht sagen, wie ich zu diesem Hotel kommen?"

Michaela drehte sich gekonnt wieder um und blickte in die blauen Augen dieses Mannes, der ihr einen Zettel entgegen hielt und lächelte.

„Diese Auge, dieses Lächeln, einfach traumhaft", dachte sie bei sich.

Ihr Herz fing an zu klopfen und ihr wurde heiß und kalt zugleich.

Dann kam Michaela wieder aus ihren Gedanken und schaute auf den Zettel.

„Ja sicher. Sie gehen einfach die Straßen entlang und am Ende der Straße links, da sind sie dann richtig", antwortete sie schüchtern.

„Ich danke Ihnen", bedankte er sich und ging mit seinen Begleitern los.

Eine Weile schaute sie ihnen noch hinterher, doch dann kam ihr Vater und sie gingen zurück nach Hause.

Eins wusste Michaela, diese Augen, dieses Lächeln…das war der Mann, der ihr Herz zum Springen brachte. Diesen Mann, wollte sie noch einmal wieder treffen.