Und noch eine :)
Es war schon weit nach Mitternacht, als er endlich zu ihr unter die Bettdecke kroch. „Wie war dein Tag?", das war der erste Satz seit einigen Tagen, den er zu ihr sprach. Nun, er hatte immer vor ihr das Haus verlassen und war erst nachts heim gekommen, wenn sie geschlafen hatte. Nur heute war sie noch wach und das auch nur, weil er im Badezimmer Krach gemacht hatte, seit er vor zwanzig Minuten schlamm- und blutbespritzt zurück gekommen, um ohne Gruß dorthin zu verschwinden. Sie konnte den Dampf des Wassers immer noch in der Luft spüren, er hatte es wieder gemacht. Seit einigen Wochen duschte er nicht mehr – er kochte sich.
„Gut.", machte sie nur schläfrig. Er stöhnte und schlang seine Arme um sie, tatsächlich war seine Haut ganz heiß und pink vermutlich auch, obwohl sie das nicht sehen sondern nur erahnen konnte. Der Griff um sie war fest, so wie immer, seine Muskeln waren angespannt und sein Atem ging irgendwie unregelmäßig und schwer.
Sie fragte nicht nach seinem Tag. Anfangs hatte sie das getan und er hatte ihr davon erzählt, mit dem großartigen Erfolg, dass sie Albträume bekommen hatte, bis er angefangen hatte, ihr davon zu erzählen und ihr Gedächtnis danach zu verändern. Das hatte er nur zwei, drei Mal getan, danach hatte er auf die Frage geschwiegen. Mittlerweile fragte sie nicht mehr. Sie wusste eh nicht, wann sie das letzte Mal geredet hatten. Sie wusste auch nicht mehr, wann er das letzte Mal einen Tag frei gehabt hatte. Er rannte immer von einer Ecke Englands zur nächsten Ecke Englands, kam abends kalt und blutverschmiert zurück und schlief nicht mehr. Zuckte bei jedem Geräusch zusammen, das er hörte und zückte seinen Zauberstab, wenn sie nachts aus dem Badezimmer zurück ins Bett klettern wollte und er zufällig gerade gedöst hatte.
Das war nicht der Mann, den sie geheiratet hatte. „Lily?", fragte er rau.
„Mh?", machte sie nur.
„Uh...", er seufzte. „Alastor hat gesagt, wir müssen umziehen.", gab er zu. Ihre Augen flogen alarmiert auf. Mit einem Mal war sie hellwach und setzte sich.
„Was?", fragte sie aufgebracht, während sie das Licht anmachte. Es blendete ihre Augen, trotzdem drehte sie sich zu ihm, ohne sich etwas davon anmerken zu lassen. Tatsächlich: Was interessierten sie ihre schmerzenden Augen, wenn er gerade diese Bombe hatte fallen lassen? „Wieso?", er richtete sich ebenfalls auf. „Wann?"
„Er – er sagte, es gibt Grund zur Annahme, dass diese Adresse in Voldemorts Hände gefallen ist.", sagte er. Sie schluckte fest. „Es – das bedeutet keine Arbeit für dich, es ist alles vom Ministerium organisiert, du musst nichts tun! Sie haben ein hübsches Häuschen in dem wir wohnen können und – und morgen kommen Leute, die die Sachen zusammen packen, während du im Mungos bist.", so stotterte er ein bisschen, offensichtlich geplagt von diesem Gespräch. Er sah schuldig aus.
„D – das wurde einfach so entschieden?", ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Und du hast einfach zugestimmt? Ohne mit mir zu reden? Vielleicht will ich nicht einfach fort ziehen? Vielleicht will ich die Wohnung nicht einfach verlassen!?", die Wohnung, in der die einzigen schönen Erinnerungen an ihre Ehe lebten? Die, die vorbei waren und bestimmt nicht wieder kehrten! Wie James am ersten Abend vor dem Kamin mit ihr getanzt hatte und wie sie auf dem Küchentisch miteinander geschlafen hatten. Kaffee am Morgen, bevor er in das Geheim-Kommando verschwunden war und nun nur noch fort war. Weihnachten mit ihren Freunden im engsten Kreis, wo er ihr gesagt hatte, dass er für sie sterben würde, weil er sie einfach abartig liebte.
„Es ist doch nur zu deiner Sicherheit! Ich kann nicht immer hier sein, um dich zu beschützen, aber wenn es wahr ist und 'er' hat diese Adresse und findet heraus, dass du und ich hier zusammen wohnen, dann wird er kommen und dich umbringen – oder – oder schlimmeres!", sagte er beherzt stöhnend.
„'Umbringen oder schlimmeres'?", fragte sie ungläubig nach.
„Der Tod ist eine Erlösung im Gegensatz zu dem, was sie mit dir machen könnten, wenn du lebst.", gab er nur bitter zurück. „Du hast einfach keine Ahnung.", fügte er hinzu.
„Glücklich ist der Unwissende, James!", schnarrte sie, aber sie wusste, dass er sie durchschaut hatte. Die Tränen begannen jetzt munter über ihre Wangen zu rollen.
„Darum geht es nicht.", wich er aus. „Wir können hier nicht wohnen bleiben, weil das zu gefährlich für dich ist.", erklärte er. Sie schnaubte.
„Dann zieh 'du' doch aus! Das macht mir auch keine Arbeit, du bist ja eh nie hier!", warf sie ihm vor.
„Lily, wir haben dieses Thema gehabt.", murmelte er nun etwas verärgert.
„Du zwingst mich, mein ganzes Leben umzukrempeln-"
„Es ist nur ein anderer Wohnort!", ermahnte er sie ungeduldig. „Nicht das Ende der Welt, du gehst ja eh mit dem Kamin zur Arbeit.", fügte er hinzu, woraufhin sie die Bettdecke zur Seite schlug und aufstand. „Wohin gehst du?", fragte er sie.
„Ich gehe auf die Couch und schlafe dort!", schnappte sie wütend. „Weißt du noch, wo die Couch ist? Die ist in dem Zimmer mit dem Kamin ohne Anschluss, wann bist du das letzte Mal da drin gewesen?", er verdrehte ungeduldig seine Augen. „Oder die Küche, wann warst du das letzte Mal dort? Die einzigen Zimmer, die du siehst sind der Flur, wo der Kamin steht, der einzige Fluchtweg vor mir, dieses Schlafzimmer, wo du nachts wach liegst und grübelst und das Badezimmer, wo du dich kochst, bis du gar bist!", er stand ebenfalls auf. Das erste Mal seit gut drei Monaten sah sie ihn richtig und musterte seine Gestalt.
Er hatte Muskeln zugelegt und zwar nicht zu knapp, trotzdem wirkte er ein wenig unterernährt und sah irgendwie ungesund aus. Tiefe Ringe unter seinen Augen, bleiche Haut, zitternde Finger und wirre Haare. Ihr Mann sah nicht aus wie ihr Mann. „'Fluchtweg' ist nicht das richtige Wort.", sagte er todernst.
„Ach ja? Nun, so kommt es an. Du bist fast nie hier, wenn du hier bist, dann sprichst du nicht und wenn du wieder gehst, dann kommst du nur mitten in der Nacht blutbespritzt zurück um eine Weile 'nicht zu schlafen'!", er musterte sie ebenfalls eingehend.
„Dein Vorwurf ist unfair, Lily, ich riskiere mein Leben, damit du sicher bist!", knurrte er. „Hörst du, was ich sage? Ich tue das ganz alleine nur für dich, weil ich dich liebe und in Sicherheit wissen will!", auch seine Stimme triefte vor lauter Vorwürfen.
„Falsch! Du riskierst dein Leben und offensichtlich bringst du mich dadurch erst in Gefahr!", ihre Stimme wurde lauter, ungeachtet dessen, dass seine Mundwinkel nach unten zuckten. „Jetzt soll ich diese Wohnung verlassen, einfach so, von einem Tag auf den anderen, weil mir das so gesagt wird! Alles zurück lassen, was wir hier haben-", er stöhnte, ehe er sie endlich unterbrach.
„Ich sagte doch: Das ist zu deinem Schutz! Ich habe viele seiner Männer ausgeschaltet, denkst du, ich will, dass er dich holen kommt und als Druckmittel gegen mich benutzt?", fragte er sie aufgebracht.
„Es geht dir nur darum, dass man dich nicht mit mir erpressen kann!", kreischte sie aufgebracht.
„Du drehst mir dir Worte im Mund herum.", warnte er sie.
„Nun, sehr viel Druck kann man dir mit mir ja nicht mehr machen, Gefühle hast du offensichtlich keine mehr!", heulte sie auf. „Du läufst nur noch durch die Gegend und metzelst Leute nieder und dann kommst du zu mir ins Bett, als wäre nichts gewesen!", er fuhr über sein Gesicht.
„Fein, schlaf auf der Couch.", maulte er erschöpft, dabei legte er sich wieder hin. „Morgen kommen sie und packen unseren Kram zusammen, ich schreibe dir die neue Adresse auf, bevor ich gehe.", sie drehte sich um und presste ihre Lippen aufeinander, um nicht laut zu schluchzen.
Er kam sich nicht einmal verabschieden, als er zwei Stunden später wieder verschwand, aber auf dem Küchentisch lag ein kleiner Zettel mit einer Adresse.
