diese fanfiction wurde überarbeitet. Kapitel 4 wurde stark verändert,
Kapitel 5 ist brandneu:)
Miss Mary Bennet
oder:
Was Mrs Bennet zum perfekten Glück noch fehlte
Kapitel 1 Die Freude, welche man verspürte, wenn man die Schwester der allseits beliebten, glücklichen und dazu noch recht wohlhabenden Mrs. Darcy, Mrs. Bingley, Lady Bristol und der verwitweten Mrs. Wickham, baldige Mrs. Denny, war, kannte auch bei Miss Mary Bennet keine Grenzen. Nun ja, fast keine Grenzen - hätte sie nicht immer wieder von ihrer Mutter, Mrs. Bennet, vom Glück der Schwestern zu hören bekommen - immer mit dem Drängen verbunden, sie solle sich doch bitte auch bald so glücklich verheiraten. Und so befand sich unsere Heldin, froh dem Jammern der Mutter zu entkommen, in der Kutsche nach Derbyshire, nachdem sie es tatsächlich gewagt hatte, auf ihrer Reise von Bath nach Pemberley zu ihrer Schwester Elizabeth, im Hause ihrer Eltern halt zu machen.
Mary Bennet, 28 Jahre, noch immer unverheiratet und somit für die meisten 'eine alte Jungfer', liebte ihre Eltern und Longbourn sehr, doch hatte sie sich bereits im Alter von 18 Jahren in die Stellung einer Gouvernante und Hauslehrerin geflüchtet. Zu erst hatte sie in London die Kinder einer Bekannten ihrer Tante Mrs. Gardiner im Lesen und Rechnen unterrichten dürfen. Nach zwei Jahren wechselte sie zu einer Familie in Brighton und wiederum zwei Jahre später zu einer Familie nach Bath, um deren Töchter, neben dem Lesen und Rechnen, auch Lektionen in richtigem Betragen zu erteilen, denn Eltern in Bath schienen in Anbetracht der vielen Vergnügungsmöglichkeiten immer in Angst um die Moral ihrer Kinder zu leben. (Dennoch zogen sie es nicht auch nur ein Mal in Betracht, den Ort zu Gunsten eines ruhigeren Lebens zu verlassen.)
In all den Jahren hatte Mary nie aufgehört, Bücher aller Art zu lesen und so war sie nun bestens bewandert in Dingen der Literatur, der Kunst, der Religion, der Geographie und der Geschichte. Bereits in Bath hatte sie die beiden Töchter der Familie Morton, Eleanor und Elizabeth, in diesen Fachgebieten unterrichtet, so dass jene nach sechs Jahren, in denen sie von Miss Bennet gelernt hatten, gebildeter und weltoffener waren als ihre vierzehnjährigen Altersgenossinnen. Nur ungern hatte die Familie die Lehrerin entlassen, doch konnten sie sie auch nicht zurückhalten, als diese auf Bitten ihrer Schwester Mrs. Darcy eiligst nach Pemberley in Derbyshire aufbrechen wollte.
Pemberley im Mai 1824
Meine Liebe Mary,
Mit viel Freude las ich all Deine Briefe, in denen Du mir so farbenfroh Dein Glück in Bath schildertest. Und so fällt es mir doppelt schwer, Dich um einen Gefallen zu bitten, der keinen Aufschub duldet.
Die Gouvernante meiner Kinder, Miss Margaret Dashwood, wird in weniger als drei Monaten heiraten und wir werden ohne Lehrerin sein. Ich würde sie selbst unterrichten, erwartete ich nicht bald das nächste Kind.
Würdest Du uns helfen? Könntest Du so schnell wie nur irgend möglich herkommen und Miss Dashwoods Platz einnehmen? Mr. Darcy würde Dich natürlich angemessen bezahlen.
Bitte antworte schnell.
In Hoffnung, dass Du meine Bitten erhörst,
Deine Lizzy
Mary hatte den Brief unzählige Male gelesen und einige Tage darüber nachgedacht. In Bath hatte sie sechs glückliche Jahre bei den Mortons verbracht, doch wenn eine ihrer Schwestern ihre Hilfe benötigte, konnte sie das doch nicht einfach ignorieren. Nach drei Tagen ging sie zu Mrs. Morton, um sie um die Entlassung zu bitten. Jene sprach am Abend mit ihrem Gatten und beide riefen Mary am Tag darauf zu sich. Mary erklärte erneut, warum ein so plötzliches Abreisen von Nöten war und wurde dann schweren Herzens von ihren Aufgaben entbunden. Eleanor und Elizabeth weinten bitterlich und ließen sie erst gehen, nachdem ihr das Versprechen abgerungen war, sie möge sie doch bald wieder in Bath besuchen.
Drei Wochen, nachdem Mary ihr Kommen Elizabeth zugesichert hatte, begab sich die junge Frau auf die Reise und musste den Umweg über Longbourn machen, nachdem Mrs. Bennet von Marys neuer Anstellung bei ihrer zweitältesten Tochter gehört hatte. Oh, und wie entzückt war die Mutter von dieser Möglichkeit. Sicher, in Bath wären Mary schon viele Gentlemen über den Weg gelaufen, doch tat sie sich glücklich damit, nicht einen von ihnen geehelicht zu haben, handelte es sich bei ihnen doch mit Sicherheit nur um Halunken. Aber in Derbyshire, ja, dort, wo Mr. Darcy unzählige Kontakte zu reichen, ehrbaren Junggesellen haben musste, dort musste sich doch auch ein Gatte für Mary finden. Natürlich, so hübsch wie Lydia war sie nicht und so konnte sie selbstverständlich nicht darauf hoffen, ebenso viel Glück zu haben wie die Jüngste, die sich nun schon den zweiten fabelhaften Ehemann gesichert hatte, nachdem der erste unter so tragischen Umständen dahingeschieden war, doch auch die unscheinbaren Gentlemen mussten irgend jemanden heiraten und wen, wenn nicht die ebenso unscheinbare wie reizlose Mary Bennet.
Die hatte aber nie besonders viele Gedanken ans Heiraten verschwendet und glaubte auch nicht, dass sie es jemals tun würde. Nachdem all ihre Schwestern verheiratet waren und sie das Geld, dass sie als Lehrerin verdiente, ansparen hatte können, sah sie keine Veranlassung mehr, den Stand der Ehe einzugehen. Wozu brauchte sie, die mit 5000 Pfund durchaus auf eigenen Beinen stehen konnte, sollten ihre Eltern sterben, noch einen Mann? Von diesen Gedanken erzählte sie ihrer Mutter allerdigns nichts. Vermutlich hätten sie Mrs. Bennet zu einem weiteren Nervenzusammenbruch verholfen.
Doch zurück zu der Kutsche, in der unsere Heldin nun saß. Die Mittagsstunde war gerade erst vorbei, Mary war aus denkbaren Gründen bereits gegen 8 Uhr aufgebrochen, als sie schon den größten Teil des Weges hinter sich gebracht hatten. Allerdings waren sie trotz der fortgeschrittenen Stunde beinahe die einzigen, die sich auf der Straße befanden. Offenbar hatte es hier, weiter nördlich von Longbourn, am Abend zuvor heftig geregnet und die Straßen waren an einigen Stellen noch überflutet. An eben solch einer Stelle wurde Mary von ihrer Lektüre aufgeschreckt, als es heftig ruckte, der Wagen leicht kippte und schräg im Schlamm stecken blieb. Mary versuchte vorsichtig aufzustehen und aus der Kutsche zu gucken, um zu sehen, was geschehen war. Weit und breit war nichts von dem Kutscher oder sonst wem zu sehen, der ihr aus dem Wagen hätte helfen können. Der Kutscher war wohl auf der Suche nach den Pferden, die sich vor Schreck auf und davon gemacht hatten, denn auch die waren nirgends zu erblicken. Mary seufzte, schob ihre Brille zurecht, glättete ihre Haare, hob ihren Rock leicht an und sprang vorsichtig von der Kutsche. Sie kam mit beiden Füßen im Schlamm auf, fand aber keinen Halt und rutschte aus, so dass sie nur kurz darauf im Schlamm saß. Natürlich musste ihr das passieren. Ausgerechnet in diesem Augenblick kam ein Reiter auf der 'Straße des Unglücks', wie Mary sie nun bezeichnete, entlang, hielt an, stieg vom Pferd und zog seinen Hut, als sich das Fräulein schnell selbst aus ihrer misslichen Lage erhob, obwohl es am liebsten vor Scham in der Erde versunken wäre. Als sie aufblickte, erkannte sie den Herren, bezweifelte aber, dass er sich an sie erinnerte.
"Guten Morgen," grüßte er höflich. "Wie kommt eine junge Dame wie Sie, in eine derart seltsame Situation in einer Kutsche ohne Kutscher und Pferde?"
"Das wird mir wohl nur der Kutscher verraten können, der wohl gerade auf den Suche nach den Pferden ist, Colonel Fitzwilliam."
"Oh, Sie kennen meinen Namen? Verraten sie mir auch, wo wir uns bereits begegnet sind?" Er schien zu überlegen, aber der Lösung nicht näher zu kommen.
"Ich bin überzeugt davon, dass sie mich prompt vergaßen, nachdem wir einander vorgestellt wurden, treffen sie doch täglich so viele interessante Menschen." Mary klang ungewollt schnippisch. Sie zwang sich zu mehr Höflichkeit und setze erneut zu sprechen an. "Ich bin Mary Bennet, Elizabeth Darcys Schwester."
"Natürlich, jetzt wo Sie's sagen. Sind sie nicht diejenige, die mich auf Darcys Hochzeit maßregelte, weil Sie glaubten, ich nähme die göttliche Institution der Ehe nicht ernst genug?"
Mary errötete auf der Stelle. Warum vergaß niemand, dass sie einst versucht hatte, jeden mit moralischen Zitaten von Fordyce zu belehren? All das war ihr heute höchst peinlich (hatte sie doch die Weltfremdheit in Fordyces Interpretation der heiligen Schrift entdeckt) und sie suchte verzweifelt nach einer passenden Antwort. Doch bevor sie sprechen konnte, fuhr der Colonel fort: "Da ich bis heute noch nicht in den 'Hafen der Ehe' eingekehrt bin, hatten sie wohl recht, Miss Bennet," lachte er. "Doch bevor wir weiter über Vergangenes plaudern, sollte ich ihrem Gefährt vielleicht besser aus diesem Loch helfen. Ah, da kommt auch schon ihr Kutscher mit den Pferden. Zu zweit sollten wir es schaffen, die Räder zu befreien."
Schon wandte er sich ab und ging auf den anderen Mann zu, um sich mit ihm über das weitere Vorgehen zu beraten. Mary erinnerte sich nun, was für ein Bild sie abgeben musste so vollkommen verdreckt und versuchte verzweifelt, ihr Kleid abzuklopfen, doch ohne Erfolg. Die beiden Männer kamen näher und wollten mit der Rettungsaktion beginnen. Zuvor jedoch zog jeder der beiden seinen Mantel aus und streifte die Hemdsärmel nach oben.
Mary, die, wie es sich gehörte, wegsah, als sie sich die Herren ihrer Mäntel entledigten, entfernte sich ein Stück von der Kutsche. Der Kutscher spannte die Pferde erneut an und wollte sie führen, während Colonel Fitzwilliam das Gefährt zu schieben versuchte. Nun muss leider gesagt werden, dass es bei diesem Versuch blieb, denn wenn er rechts schob, sank das linke Rad weiter ein und wenn er links schob, das rechte. Die Kutsche jedoch bewegte sich kein Stück weiter.
"Soll ich helfen?" Mary hatte die Rettungsaktion genauestens beobachtet und eine Idee, wie sie doch noch klappen könnte.
"Sie, Miss Bennet? Wäre das nicht höchst unschicklich?" fragte der Colonel mit einem leichten Grinsen.
"Allein schaffen sie es nicht und mein Kleid ist sowieso ruiniert. Und wenn ich nur ein wenig an der linken Seite schiebe, müssten wir die Räder befreien können."
Erstaunt blickte der Colonel sie musternd an. "Gut beobachtet. Also dann - aber verletzen sie sich bitte nicht." Nachdem Mary ebenfalls ihren Mantel abgelegt hatte, stellte sie sich an das linke Hinterrad und versuchte es mit Hilfe einer Holzplanke, die der Kutscher von einem Bauernhof mitgebracht hatte, anzuheben, während der Colonel am rechten schob. Und tatsächlich: Gemeinsam schafften sie es schließlich, wenn auch mit viel Mühe. Erschöpft strich sich Mary mit dem Handrücken über die Stirn und lächelte zufrieden. Sie wandte sich an den Colonel und dankte ihm, für seine Hilfe.
"Ich nehme an, dass Sie auf dem Weg nach Pemberley sind?"
"Ja, das bin ich."
"Nun ja, bis dorthin ist es nicht mehr so weit und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: machen sie möglichst keine Rast mehr, bevor Sie ankommen, wenn sie nicht zu viel Aufsehen erregen wollen." Er lachte nun, als Mary vollkommen erschrocken "Oh!" rief und im Wagen verschwand.
In der Tat verging nur noch eine Stunde, bis sie endlich die Gärten von Pemberley entdeckte. Es wäre auch zu peinlich gewesen, hätte sie an einem Gasthaus anhalten müssen.
....Fortsetzung folgt
© 2003 Anne
Miss Mary Bennet
oder:
Was Mrs Bennet zum perfekten Glück noch fehlte
Kapitel 1 Die Freude, welche man verspürte, wenn man die Schwester der allseits beliebten, glücklichen und dazu noch recht wohlhabenden Mrs. Darcy, Mrs. Bingley, Lady Bristol und der verwitweten Mrs. Wickham, baldige Mrs. Denny, war, kannte auch bei Miss Mary Bennet keine Grenzen. Nun ja, fast keine Grenzen - hätte sie nicht immer wieder von ihrer Mutter, Mrs. Bennet, vom Glück der Schwestern zu hören bekommen - immer mit dem Drängen verbunden, sie solle sich doch bitte auch bald so glücklich verheiraten. Und so befand sich unsere Heldin, froh dem Jammern der Mutter zu entkommen, in der Kutsche nach Derbyshire, nachdem sie es tatsächlich gewagt hatte, auf ihrer Reise von Bath nach Pemberley zu ihrer Schwester Elizabeth, im Hause ihrer Eltern halt zu machen.
Mary Bennet, 28 Jahre, noch immer unverheiratet und somit für die meisten 'eine alte Jungfer', liebte ihre Eltern und Longbourn sehr, doch hatte sie sich bereits im Alter von 18 Jahren in die Stellung einer Gouvernante und Hauslehrerin geflüchtet. Zu erst hatte sie in London die Kinder einer Bekannten ihrer Tante Mrs. Gardiner im Lesen und Rechnen unterrichten dürfen. Nach zwei Jahren wechselte sie zu einer Familie in Brighton und wiederum zwei Jahre später zu einer Familie nach Bath, um deren Töchter, neben dem Lesen und Rechnen, auch Lektionen in richtigem Betragen zu erteilen, denn Eltern in Bath schienen in Anbetracht der vielen Vergnügungsmöglichkeiten immer in Angst um die Moral ihrer Kinder zu leben. (Dennoch zogen sie es nicht auch nur ein Mal in Betracht, den Ort zu Gunsten eines ruhigeren Lebens zu verlassen.)
In all den Jahren hatte Mary nie aufgehört, Bücher aller Art zu lesen und so war sie nun bestens bewandert in Dingen der Literatur, der Kunst, der Religion, der Geographie und der Geschichte. Bereits in Bath hatte sie die beiden Töchter der Familie Morton, Eleanor und Elizabeth, in diesen Fachgebieten unterrichtet, so dass jene nach sechs Jahren, in denen sie von Miss Bennet gelernt hatten, gebildeter und weltoffener waren als ihre vierzehnjährigen Altersgenossinnen. Nur ungern hatte die Familie die Lehrerin entlassen, doch konnten sie sie auch nicht zurückhalten, als diese auf Bitten ihrer Schwester Mrs. Darcy eiligst nach Pemberley in Derbyshire aufbrechen wollte.
Pemberley im Mai 1824
Meine Liebe Mary,
Mit viel Freude las ich all Deine Briefe, in denen Du mir so farbenfroh Dein Glück in Bath schildertest. Und so fällt es mir doppelt schwer, Dich um einen Gefallen zu bitten, der keinen Aufschub duldet.
Die Gouvernante meiner Kinder, Miss Margaret Dashwood, wird in weniger als drei Monaten heiraten und wir werden ohne Lehrerin sein. Ich würde sie selbst unterrichten, erwartete ich nicht bald das nächste Kind.
Würdest Du uns helfen? Könntest Du so schnell wie nur irgend möglich herkommen und Miss Dashwoods Platz einnehmen? Mr. Darcy würde Dich natürlich angemessen bezahlen.
Bitte antworte schnell.
In Hoffnung, dass Du meine Bitten erhörst,
Deine Lizzy
Mary hatte den Brief unzählige Male gelesen und einige Tage darüber nachgedacht. In Bath hatte sie sechs glückliche Jahre bei den Mortons verbracht, doch wenn eine ihrer Schwestern ihre Hilfe benötigte, konnte sie das doch nicht einfach ignorieren. Nach drei Tagen ging sie zu Mrs. Morton, um sie um die Entlassung zu bitten. Jene sprach am Abend mit ihrem Gatten und beide riefen Mary am Tag darauf zu sich. Mary erklärte erneut, warum ein so plötzliches Abreisen von Nöten war und wurde dann schweren Herzens von ihren Aufgaben entbunden. Eleanor und Elizabeth weinten bitterlich und ließen sie erst gehen, nachdem ihr das Versprechen abgerungen war, sie möge sie doch bald wieder in Bath besuchen.
Drei Wochen, nachdem Mary ihr Kommen Elizabeth zugesichert hatte, begab sich die junge Frau auf die Reise und musste den Umweg über Longbourn machen, nachdem Mrs. Bennet von Marys neuer Anstellung bei ihrer zweitältesten Tochter gehört hatte. Oh, und wie entzückt war die Mutter von dieser Möglichkeit. Sicher, in Bath wären Mary schon viele Gentlemen über den Weg gelaufen, doch tat sie sich glücklich damit, nicht einen von ihnen geehelicht zu haben, handelte es sich bei ihnen doch mit Sicherheit nur um Halunken. Aber in Derbyshire, ja, dort, wo Mr. Darcy unzählige Kontakte zu reichen, ehrbaren Junggesellen haben musste, dort musste sich doch auch ein Gatte für Mary finden. Natürlich, so hübsch wie Lydia war sie nicht und so konnte sie selbstverständlich nicht darauf hoffen, ebenso viel Glück zu haben wie die Jüngste, die sich nun schon den zweiten fabelhaften Ehemann gesichert hatte, nachdem der erste unter so tragischen Umständen dahingeschieden war, doch auch die unscheinbaren Gentlemen mussten irgend jemanden heiraten und wen, wenn nicht die ebenso unscheinbare wie reizlose Mary Bennet.
Die hatte aber nie besonders viele Gedanken ans Heiraten verschwendet und glaubte auch nicht, dass sie es jemals tun würde. Nachdem all ihre Schwestern verheiratet waren und sie das Geld, dass sie als Lehrerin verdiente, ansparen hatte können, sah sie keine Veranlassung mehr, den Stand der Ehe einzugehen. Wozu brauchte sie, die mit 5000 Pfund durchaus auf eigenen Beinen stehen konnte, sollten ihre Eltern sterben, noch einen Mann? Von diesen Gedanken erzählte sie ihrer Mutter allerdigns nichts. Vermutlich hätten sie Mrs. Bennet zu einem weiteren Nervenzusammenbruch verholfen.
Doch zurück zu der Kutsche, in der unsere Heldin nun saß. Die Mittagsstunde war gerade erst vorbei, Mary war aus denkbaren Gründen bereits gegen 8 Uhr aufgebrochen, als sie schon den größten Teil des Weges hinter sich gebracht hatten. Allerdings waren sie trotz der fortgeschrittenen Stunde beinahe die einzigen, die sich auf der Straße befanden. Offenbar hatte es hier, weiter nördlich von Longbourn, am Abend zuvor heftig geregnet und die Straßen waren an einigen Stellen noch überflutet. An eben solch einer Stelle wurde Mary von ihrer Lektüre aufgeschreckt, als es heftig ruckte, der Wagen leicht kippte und schräg im Schlamm stecken blieb. Mary versuchte vorsichtig aufzustehen und aus der Kutsche zu gucken, um zu sehen, was geschehen war. Weit und breit war nichts von dem Kutscher oder sonst wem zu sehen, der ihr aus dem Wagen hätte helfen können. Der Kutscher war wohl auf der Suche nach den Pferden, die sich vor Schreck auf und davon gemacht hatten, denn auch die waren nirgends zu erblicken. Mary seufzte, schob ihre Brille zurecht, glättete ihre Haare, hob ihren Rock leicht an und sprang vorsichtig von der Kutsche. Sie kam mit beiden Füßen im Schlamm auf, fand aber keinen Halt und rutschte aus, so dass sie nur kurz darauf im Schlamm saß. Natürlich musste ihr das passieren. Ausgerechnet in diesem Augenblick kam ein Reiter auf der 'Straße des Unglücks', wie Mary sie nun bezeichnete, entlang, hielt an, stieg vom Pferd und zog seinen Hut, als sich das Fräulein schnell selbst aus ihrer misslichen Lage erhob, obwohl es am liebsten vor Scham in der Erde versunken wäre. Als sie aufblickte, erkannte sie den Herren, bezweifelte aber, dass er sich an sie erinnerte.
"Guten Morgen," grüßte er höflich. "Wie kommt eine junge Dame wie Sie, in eine derart seltsame Situation in einer Kutsche ohne Kutscher und Pferde?"
"Das wird mir wohl nur der Kutscher verraten können, der wohl gerade auf den Suche nach den Pferden ist, Colonel Fitzwilliam."
"Oh, Sie kennen meinen Namen? Verraten sie mir auch, wo wir uns bereits begegnet sind?" Er schien zu überlegen, aber der Lösung nicht näher zu kommen.
"Ich bin überzeugt davon, dass sie mich prompt vergaßen, nachdem wir einander vorgestellt wurden, treffen sie doch täglich so viele interessante Menschen." Mary klang ungewollt schnippisch. Sie zwang sich zu mehr Höflichkeit und setze erneut zu sprechen an. "Ich bin Mary Bennet, Elizabeth Darcys Schwester."
"Natürlich, jetzt wo Sie's sagen. Sind sie nicht diejenige, die mich auf Darcys Hochzeit maßregelte, weil Sie glaubten, ich nähme die göttliche Institution der Ehe nicht ernst genug?"
Mary errötete auf der Stelle. Warum vergaß niemand, dass sie einst versucht hatte, jeden mit moralischen Zitaten von Fordyce zu belehren? All das war ihr heute höchst peinlich (hatte sie doch die Weltfremdheit in Fordyces Interpretation der heiligen Schrift entdeckt) und sie suchte verzweifelt nach einer passenden Antwort. Doch bevor sie sprechen konnte, fuhr der Colonel fort: "Da ich bis heute noch nicht in den 'Hafen der Ehe' eingekehrt bin, hatten sie wohl recht, Miss Bennet," lachte er. "Doch bevor wir weiter über Vergangenes plaudern, sollte ich ihrem Gefährt vielleicht besser aus diesem Loch helfen. Ah, da kommt auch schon ihr Kutscher mit den Pferden. Zu zweit sollten wir es schaffen, die Räder zu befreien."
Schon wandte er sich ab und ging auf den anderen Mann zu, um sich mit ihm über das weitere Vorgehen zu beraten. Mary erinnerte sich nun, was für ein Bild sie abgeben musste so vollkommen verdreckt und versuchte verzweifelt, ihr Kleid abzuklopfen, doch ohne Erfolg. Die beiden Männer kamen näher und wollten mit der Rettungsaktion beginnen. Zuvor jedoch zog jeder der beiden seinen Mantel aus und streifte die Hemdsärmel nach oben.
Mary, die, wie es sich gehörte, wegsah, als sie sich die Herren ihrer Mäntel entledigten, entfernte sich ein Stück von der Kutsche. Der Kutscher spannte die Pferde erneut an und wollte sie führen, während Colonel Fitzwilliam das Gefährt zu schieben versuchte. Nun muss leider gesagt werden, dass es bei diesem Versuch blieb, denn wenn er rechts schob, sank das linke Rad weiter ein und wenn er links schob, das rechte. Die Kutsche jedoch bewegte sich kein Stück weiter.
"Soll ich helfen?" Mary hatte die Rettungsaktion genauestens beobachtet und eine Idee, wie sie doch noch klappen könnte.
"Sie, Miss Bennet? Wäre das nicht höchst unschicklich?" fragte der Colonel mit einem leichten Grinsen.
"Allein schaffen sie es nicht und mein Kleid ist sowieso ruiniert. Und wenn ich nur ein wenig an der linken Seite schiebe, müssten wir die Räder befreien können."
Erstaunt blickte der Colonel sie musternd an. "Gut beobachtet. Also dann - aber verletzen sie sich bitte nicht." Nachdem Mary ebenfalls ihren Mantel abgelegt hatte, stellte sie sich an das linke Hinterrad und versuchte es mit Hilfe einer Holzplanke, die der Kutscher von einem Bauernhof mitgebracht hatte, anzuheben, während der Colonel am rechten schob. Und tatsächlich: Gemeinsam schafften sie es schließlich, wenn auch mit viel Mühe. Erschöpft strich sich Mary mit dem Handrücken über die Stirn und lächelte zufrieden. Sie wandte sich an den Colonel und dankte ihm, für seine Hilfe.
"Ich nehme an, dass Sie auf dem Weg nach Pemberley sind?"
"Ja, das bin ich."
"Nun ja, bis dorthin ist es nicht mehr so weit und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: machen sie möglichst keine Rast mehr, bevor Sie ankommen, wenn sie nicht zu viel Aufsehen erregen wollen." Er lachte nun, als Mary vollkommen erschrocken "Oh!" rief und im Wagen verschwand.
In der Tat verging nur noch eine Stunde, bis sie endlich die Gärten von Pemberley entdeckte. Es wäre auch zu peinlich gewesen, hätte sie an einem Gasthaus anhalten müssen.
....Fortsetzung folgt
© 2003 Anne
