Javertwolf und Jean Werjean

von Michelle Mercy

Weihnachtliche Werwolfcrackfic,

entstanden aus einem Traum und einer Überdosis „What we do in the shadows"

kurze Snippets

I.

Als es das erste Mal passierte, wußte Javert sofort, was mit ihm geschah. Es war das Erbe seines Vaters, welches ihn in das Gefängnis geführt hatte, in dem er auch gestorben war. Javerts Mutter hatte ihren Sohn vorbereitet, was passieren würde; wie es sich anfühlte, hatte sie nicht gesagt.

Sobald der fast volle Mond am Himmel zu sehen war, lief ein Zittern durch Javerts Körper, sein Kiefer verformte sich, seine Zähne schärften sich, seine Hände wurden Klauen, seine Augen gelblich, und überall am Körper sprossen Haare. Worauf ihn niemand vorbereitet hatte, war der Schmerz, der mit der Verwandlung einherging, und der quälende Hunger auf rohes Fleisch. In seiner Verwirrung riß Javert ein Schaf und fraß es.

Der Zustand wiederholte sich in den folgenden beiden Nächten, wie er sich in den nächsten Jahren jeden Monat in der Vollmondnacht sowie den Nächten zuvor und danach wiederholen sollte.

Javert war sechzehn Jahre alt, als er sich erstmals in einen Wolf verwandelte.

XXX

Es war eigentlich gar nicht so schwer zu leben, wenn man ein Werwolf war. Man mußte nur organisiert sein, was Javert in höchstem Maße war. Er ließ sich in den fraglichen Nächten nie zum Dienst einteilen als Wache in Toulon, aber übernahm bereitwillig jede andere Schicht, so daß es niemandem auffiel. Er zog sich in seine Unterkunft zurück und schloß sich mit einem voher gekauften Fleischvorrat ein. Und wenn in Vollmondnächten ein Geheul wie von einem Wolf zu hören war, so gab es genügend halbverrückte Gefangene, denen man dieses Verhalten zuordnen konnte.

Javert hatte bereits mehrere Jahre Dienst in Toulon geleistet, als man höheren Ortes auf seine tadellose Führung aufmerksam wurde. Die Anweisung, sich bei M. Chabouillet aus Paris zu melden, der gerade das Bagno von Toulon inspizierte und das Büro des Direktors nutzte, kam trotzdem überraschend.

Und so stand Javert dort und hörte sich an, wie er für den Polizeidienst geworben werden sollte. Er fühlte sich geschmeichelt, obwohl ihn etwas an M. Chabouillet irritierte. Er hätte natürlich niemals zugegeben, daß ein Vorgesetzter nicht perfekt war, doch dieser Vorgesetzte roch komisch. Nicht, daß Javert fand, daß er stank, das hätte er sich niemals erlaubt, der Geruch war nur einfach merkwürdig.

„Wissen Sie, Javert, bei der Polizei können wir immer jemanden brauchen, der eine solche Nase hat", sagte Chabouillet in diesem Moment.

Irgendwie fühlte Javert sich ertappt, obwohl Chabouillet dies doch eigentlich nur bildlich gemeint haben konnte. Er konnte ja unmöglich wissen, welches Geheimnis es gab. Trotzdem fühlte Javert sich der Wahrheit verpflichtet. „Sie wissen, daß mein Vater ein Insasse hier war, Monsieur?"

„Ja, aber das stört mich nicht." Chabouillet lächelte undzeigte ein paar ungewöhnlich große Schneidezähne. „Ich finde ja, wir Were sollten zusammenhalten."

Javert schluckte, versuchte sich zu fassen, was er gerade gehört hatte, und schluckte erneut. Für einen Moment war er versucht, es zu leugnen, doch dann wußte er, daß es stimmen mußte. Dies erklärte auch den Geruch, wobei Chabouillet nicht wie ein Wolf roch.

„Ich bin natürlich kein Wolf." Chabouillets Lächeln wurde womöglich noch breiter. „Ich bin ein Wereichhörnchen."

XXX

In den Bergen der französischen Alpen war etwa zu selben Zeit ein ehemaliger Insasse des Bagno von Toulon dabei erwischt worden, wie er einen Bischof bestohlen hatte. Der Bischof behauptete, er habe dem entlassenen Gefangenen das Diebesgut geschenkt, und legte noch zwei silberne Leuchter hinzu.

Als der ehemalige Gefangene einige Tage später von einem kleinen Jungen eine Münze raubte, und er es unmitelbar darauf bereute, begann mit dem Mann eine Verwandlung vor sich zu gehen.