Oh,
welche Pracht ich hier doch betrachte. Wunderschöne Kleider und
ausgefallene Hüte! Oh, dieses herrliche rosa Dress mit der
schwarzen Spitze an Ausschnitt und Brust! Doch so manch eine Dame
sollte vielleicht weniger zulangen bei diesen köstlichen kleinen
Küchlein. Verstohlen kichere ich mich hinein. Das ist nun
wirklich nicht nett. Da fällt mir ein, ich habe mich ja noch gar
nicht vorgestellt. Wie unhöflich von mir.
"Elizabeth!"
Womit dann wohl ich gemeint wäre. Ja, mein Name ist Elizabeth
Charlotte Longley. Wo ich mich befinde? Nun, momentan versuche ich,
mir meine Langeweile auf einer der Gesellschaften meiner Mutter nicht
anmerken zu lassen. Vermutlich kann ich froh sein, dass meine Mutter
mich bis jetzt in Ruhe gelassen hat. So langsam wie möglich
erhebe ich mich, streiche unauffällig die Falten aus meinem
Kleid und bewege mich anmutig, zumindest versuche ich es, zu Frau
Mama.
Dort
steht sie mit einem Herren, der ungefähr das Alter meines Vaters
zu haben scheint. Abschätzend betrachte ich ihn genauer. Sein
blondes Haar wird schon von einigen grauen Strähnen durchzogen,
doch der buschige Schnurrbart jedoch leuchtet noch immer in seiner
vollen, roten Pracht. Er ist der eher stämmige Typ, wie viele
Herren seines Alters.
"Elizabeth,
das ist Thomas Jefferson Aldridge. Mister Aldridge, ich darf ihnen
meine älteste Tochter Elizabeth vorstellen." Ich verbeuge mich
leicht, doch Mister Aldridge scheint andere Absichten zu haben. Er
greift mit seinen fleischigen Fingern nach meiner eher zarten Hand
und drückt schließlich mit nassen Lippen einen Handkuss
auf sie. Angestrengt versuche ich, mein Gesicht nicht zu verziehen.
Als
er sich wieder erhebt, betrachtet er mich eingehend. Was er sieht,
scheint ihm zu gefallen, denn sein Mund verzieht sich zu einem
anzüglichen Grinsen. "Es freut mich wirklich sehr, Ihre
Bekanntschaft zu machen, Miss Longley. Mrs. Longley, sie haben eine
wunderschöne Tochter."
Meine
Mutter scheint sich, im Gegensatz zu mir, sehr über dieses
Kompliment zu freuen. Eifrig nickt sie, beugt sich verschwörerisch
näher zu dem Walross, wie ich beschlossen habe, ihn zu nennen,
und spricht in erregtem Ton: "Und sie ist noch nicht
verheiratet!"
Ich
ziehe leicht ungläubig meine Augenbrauen hoch. Sie plant doch
nicht wirklich, mich diesem Mann schmackhaft zu machen - oder doch?!
Erneut mustert das Walross mich lüstern, doch ich habe Glück.
Genau in dem Moment eilen meine Schwester Virginia und meine beste
Freundin Ann zu meiner Seite. Sie knicksen kurz vor meiner Mutter und
Mister Aldridge. "Es tut uns sehr Leid, aber wir müssen
Beth jetzt entführen. Im Garten wird nun Verstecken gespielt!"
Ich
liebe diese beiden wirklich. Auf sie ist immer Verlass.
Virginias
Locken hüpfen auf und ab, so unruhig ist sie. Sie ist wirklich
vernarrt in diese Spiele. Für mich ist dies nun eine willkommene
Gelegenheit, vor dem Walross zu flüchten. Und wer weiß,
vielleicht werde ich ja von einem stattlichen jungen, gutaussehendem
Herren gefunden… In Gedanken versunken wende ich mich nach einem
weiteren Knicks mit Ann und Ginny zum Gehen.
Unterwegs
wollen sie natürlich von mir hören, wer dieser "dicke,
eklige Mann", wie Ann ihn treffend beschreibt, war. Bereitwillig
erzähle ich ihnen alles bis ins kleinste Detail. Doch dazu
bleibt nicht viel Zeit, denn wir müssen uns nun in dem großen
Garten verstecken. Auf meinem Weg zu einem Versteck entdecke ich
Benjamin, einen unserer Diener. Ich lächle ihm zu und erhalte
daraufhin ebenfalls ein warmes Lächeln seinerseits. Also, ich
hätte ja nichts dagegen, wenn er mich finden würde.
Gespannt
warte ich in meinem Versteck. Der Himmel verdunkelt sich mehr und
mehr und hinter meiner Hecke kann ich inzwischen kaum noch etwas
sehen. Ich liebe dieses Gefühl der Vorfreude, die gespannte
Erwartung auf das Gefundenwerden.
"Ah!",
entfährt mir, als eine Hand meine Schulter ergreift und mich
schließlich umdreht. Doch mit Entsetzen stelle ich fest, dass
es nicht Benjamin ist, der mich leicht gegen die Hecke drückt.
"Mister
Aldridge!" Soviel zum Thema Glück.
"Hübsche
Elizabeth.", flüstert er und kommt meinem Gesicht immer näher.
Ich rieche seinen schlechten Atem und muss fast würgen.
,Marry
me', he said - through his rotten teeth, bad breath - and then
,Marry
me instead of that strapping young goatherd'
Entsetzt starre ich ihn an. "Heirate mich, du hübsche kleine Elizabeth." Dabei fährt er mir mit einer Hand durch mein schwarzes Haar, nimmt eine Strähne zwischen zwei wurstartige Finger und schnuppert mit seiner Nase daran. Ich wage kaum zu atmen. Schließlich reiße ich mich los und renne wieder in Richtung Haus…
But
when I was in his bed and my father had sold me
I
knew I hadn't any choice, hushed my voice
Did
what any girl would do
Ich
kann es immer noch nicht fassen. Ich musste das Walross heiraten.
Mrs. Elizabeth Charlotte Aldridge. Mein Vater hat mich tatsächlich
dem Walross zur Braut gegeben. Je mehr ich darüber nachdenke,
desto unsinniger erscheint mir die ganze Sache. Und jetzt liege ich
hier, neben ihm. Er ist eingeschlafen, nachdem er über mich
hergefallen war und meine ehelichen Pflichten in Anspruch genommen
hatte. Immerhin ging es schnell. Wahrlich rekordverdächtig. Wer
hätte gedacht, dass es nicht länger als zwei Minuten
dauert?
Ich
liege also wach im Bett und starre die Decke an, während Thomas
Jeffersons Schnarchen an meine Ohren dringt. Angestrengt versuche
ich, positive Seiten und Vorteile dieser Ehe zu finden.
And
when I'm beheaded at least I was wedded
And
when I am buried at least I was married
I'll
hide my behaviour with wine as my saviour
Und er hat einen wirklich guten Weinkeller. Alles äußerst vorzüglich. Ich habe ein Abkommen mit dem Koch und so bekomme ich auch nur die besten der Weine. Das hab ich ja auch wirklich verdient. Und diese Kleider, die er mir kauft! Ein bisschen komme ich mir vor, wie eine Puppe. Doch mir soll's recht sein.
But,
oh, what beautiful things I'll wear
What
beautiful dresses and hair
I'm
lucky to share his bed
Especially
since soon I'll be dead
Gestern habe ich nämlich herausgefunden, dass Mister Aldridge Witwer ist, zweifacher. Beide Male waren es sehr tragische Umstände, die seine Frauen in den Tod rissen. Man könnte es auch Unfälle nennen, doch ich glaube nicht daran. Natürlich bin ich da vermutlich die Einzige. Beide Damen waren wohl ungefähr in meinem Alter, als er sie heiratete. Wie passend, dieses Muster…
,Marry
me', he said, god, he's ugly, but fortune is ours
Running
in the gardens enjoying men, women and flowers
Aldridges
ältester Sohn kam gestern von einer langen Reise zurück.
Ich hätte nicht erwartet, dass das Walross einen so attraktiven
Sohn zeugen könnte. Lucas ist ein wahrer Schönling! Seine
langen, dunklen Haare sind wahrscheinlich seidiger als meine, doch
leider trägt er sie zu einem geflochtenen Zopf. Was würde
ich dafür geben, meine Finger in ihnen festzukrallen. Nicht jede
Dame hat einen so anziehenden Stiefsohn. Stiefsohn! Lucas ist älter
als ich und er ist mein Stiefsohn! Nicht zu fassen. Leider nahm das
Walross ihn gestern Abend sehr in Anspruch und ich hatte keine
Möglichkeit, ein längeres Gespräch mit ihm zu führen,
geschweige denn… Nun, lassen wir das.
Ich
liege bereits im Bett und mein Gemahl wird bald auftauchen und meine
Pflichten erneut einfordern. Irgendwie muss ich das doch verhindern
können. Vielleicht… mein Blick schweift zu meinem leeren
Weinglas.
Then
I break a glass and I slit my own innermost thigh
So
that I can pretend that I'm menstru… well, unavailable
Es
funktioniert tatsächlich. Durch den Wein betäubt habe ich
auch kaum Schmerzen gespürt. Und die wenigen waren es wert.
Aldridge murrte etwas rum, bevor er sich auf und davon machte.
Vermutlich muss nun irgendein armes Zimmermädchen unter seiner
Wollust leiden. Doch das kümmert mich herzlich wenig, solange
nicht ich als Matratze diene. Da kann mir doch niemand einen Vorwurf
machen.
Ich
binde mir ein Stück Stoff um mein Bein, um die Blutung zu
stoppen, und überlege, was ich mit meiner restlichen Nacht
anfange. Aldridge wird sicherlich nicht mehr auftauchen. Vielleicht
möchte mein Stiefsohn eine Gute-Nacht-Geschichte von seiner
liebestollen Stiefmutter hören?
My
life is arranged, but this union's deranged
So
I'll fuck who I choose for I've nothing to lose
And
when master's displeased I'll be down on my knees again
Ich
habe Glück. Lucas ist noch wach - und allein. Wie eine tüchtige
Hausherrin frage ich ihn, ob er noch einen Wunsch hat. Er mustert
mich neugierig, bevor er antwortet. Langsam schüttelt er
schließlich den Kopf, fast so als wollte er einen Gedanken
verscheuchen. Doch so leicht gebe ich nicht auf. Vielleicht bin ich
inzwischen abgebrüht genug, um nicht mehr allzu sehr an meiner
tugendhaften Erziehung festzuhalten. Außerdem hatte ich
inzwischen genug Zeit, die wahren Gesichter und Angewohnheiten dieser
ach so bewunderungswerten Menschen zu entdecken. Warum also sollte
ich mich mit meinem Los anders verhalten? Oh, ich möchte nun
keineswegs verbittert klingen, doch vielleicht kann man es als
leichte Rechtfertigung sehen. Denn wer kann mir verdenken, dass ich
als Mrs. Aldridge mein Leben wenigstens etwas nach meinen
Wünschen gestalten möchte? Ein bisschen Freude ist doch
jedem vergönnt, nicht wahr?
"Sie
sind also voll und ganz… befriedigt, Lucas?", frage ich
absichtlich zweideutig.
Lucas
hebt etwas verwundert die Augenbrauen. Langsam bewege ich mich auf
ihn zu und bleibe schließlich etwa einen Meter vor ihm stehen.
Nicht ein einziges Mal weicht mein Blick dem seinen aus. Doch als ich
nun erneut das Wort erhebe, mustere ich ihn von oben bis unten.
"Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann…?"
Seine
Jacke hatte er bereits ausgezogen, als ich reingekommen war. Und
scheinbar war er auch gerade dabei gewesen, sein Hemd aufzuknöpfen.
,Wie passend', denke ich und grinse in mich hinein. Auf meinem
Gesicht jedoch breitet sich nur ein einladendes Lächeln aus.
"Es
würde mich wirklich freuen, wenn ich Ihnen einen Wunsch erfüllen
könnte."
Erneut
gehe ich einen kleinen Schritt auf ihn zu. Ich kann sehen, wie er im
Inneren mit sich ringt.
"Einen
Wunsch, Beth?"
Scheinbar
weiß er nicht genau, was er von meinem Angebot halten soll. Ich
kann in seinem Blick sehen, dass er nicht abgeneigt ist. Doch er
braucht offenbar noch einen kleinen Wink meinerseits. Mit einem
weiteren Schritt löse ich die Distanz zwischen uns schließlich
komplett auf, lege eine Hand auf seine Brust und schaue zu ihm
hinauf. Endlich scheint er, darauf einzugehen.
"Einen
Wunsch, ja?", wiederholt er sich. "Nun, vielleicht fällt
mir tatsächlich etwas ein, was mich befriedigen könnte."
Seine warmen, weichen Lippen berühren meine rechte Wange und
wandern von dort aus zu meinen bebenden Lippen. "Oder jemand.",
ergänzt er, zieht mich näher an sich heran und lässt
seine Zunge in meinen Mund gleiten.
Ein
Schaudern durchläuft mich und mein gesamter Körper zittert
vor freudiger Erwartung, als er mir mit fahrigen Fingern den Knoten,
der das Kleid zusammenhält, öffnet. Endlich greife ich in
sein wundervolles Haar und ziehe Lucas näher zu mir heran. Er
fängt an, meinen Hals zu küssen und arbeitet sich weiter
nach unten…
But,
oh, what beautiful things I'll wear
What
beautiful dresses and hair
I'm
lucky to share his bed
Especially
since soon I'll be dead
Wie herrlich es doch nun in diesem Haus ist. Wie schön und erfüllend das Leben sein kann, wenn man es sich so zurechtbiegt, wie man es haben möchte. Doch wie käme ich dazu, keine Vorsicht walten zu lassen?
When
dining on peacock I know I won't swallow
Through
balls, births and bridge games I know what will follow
We're
coupled together through hell, hurt and hunger
Or
at least until husband finds someone younger
Welch
Glück ich doch habe, dass ich noch so blutjung bin! In einem
Monat ist mein neunzehnter Geburtstag. Immerhin sind die ehemaligen
Mrs. Aldridge erst Anfang zwanzig gestorben. Ist das nicht
beruhigend? Dennoch merke ich, dass mehr vor mir erwartet wird.
Mein
Bauch fängt an, dicker zu werden. Und tatsächlich bleibt
meine Regel aus. Wie schön, dass ich nun noch mehr Nächte
mit Lucas verbringen kann. Und oh, wie gierig Aldridge auf meinen
hübschen, runden Bauch starrt. Er wagt es nicht mehr, mich
anzufassen, seit ich schwanger bin.
Yes,
fertilization is part of my station
I
laugh as he drabs me in anticipation
Of
sons who will run things when I'm under covers
But
whose children are they?
Why,
mine and my lover's!
Bald wird mein Kind auf die Welt kommen. Vielleicht habe ich Glück und das Walross bekommt vorher noch ein Herzleiden? Dann wäre ich die trauernde Witwe, derer sich Aldridges Sohn zuwendet und sie um seines Vaters Andenken willen heiratet. Schließlich würde er das Anwesen erben. Und das Vermögen. Vielleicht sollte ich mich nicht erneut auf mein Glück verlassen…
But,
oh, what beautiful things I'll wearWhat beautiful dresses and
hair
I'm lucky to share his bed
Especially since I'll soon
be dead
What beautiful things I'll wear
What beautiful
dresses and hair
I'm lucky to share his bed
So why do I wish
I was…
