Kapitel 1
„Wollen wir kurz rausgehen? Es ist verdammt warm hier…" sagte Sora und ging vor. Ihre Freunde folgten ihr aus dem Stammlokal. Mit den Leuten aus dem Sportkurs hingen sie hier oft zusammen ab und tanzten.
„Hm, hier draußen ist es auch nicht viel besser, es nieselt etwas!" bemerkte Matt richtig.
Matt war ebenfalls mit Sora im Sportkurs und sehr nett. Allerdings hatten die beiden nicht sehr viel miteinander zu tun, sie sahen sich nur einmal die Woche im Kurs, manchmal hier in ihrer Lieblingskneipe, doch dann saß er eher bei seinen Kumpels und sie eher bei ihren Freundinnen.
„Naja, so stark nieselt es doch gar nicht, es tröpfelt nur!" rief Sora ihren kreischenden Freundinnen hinterher, die, die Arme schützend über die Frisuren haltend, wieder ins Gebäude liefen. Sora schüttelte lachend den Kopf und wandte sich ihren männlichen Sportkollegen zu.
„Diese Weiber, können kein Wasser auf dem Kopf vertragen!" scherzten diese laut. Sora lachte mit.
Einige der Mädchen steckten wieder die Köpfe raus: „Hey, wer von euch Jungs kommt wieder rein, tanzen?"
„Kommste mit, Matt?", wurde Matt von seinen Kumpels gefragt, während sie wieder reinliefen.
„Hey, ich hab heute am meisten getanzt, ich mach jetzt Pause!" rief Matt empört. „Und wieso gehst du nicht tanzen?" fragte er Sora etwas verwundert.
„Naja, sie haben doch gefragt ‚wer von euch Jungs kommt wieder rein', oder?" zwinkerte Sora ihm zu.
„Ähm…"
„Nein, mir tun etwas die Beine weh, deshalb", lachte Sora.
„Achso!"
Eine Weile schwatzten sie noch ein wenig und lachten, während der Regen nachließ. Plötzlich fiel ihnen etwas vor die Füße. Matt und Sora blickten verwundert nach unten.
„Was ist das?" Sora hob das eine auf. „Hat das grade jemand nach uns geworfen?" Sie blickte sich um, konnte aber niemanden entdecken.
„Das sieht aus wie… eine Stoppuhr?" überlegte Matt und hob das andere auf.
„Oder ein sehr kleines Handy?" versuchte es Sora.
„Nein, ich sehe keine Lautsprecher oder so… aber hier sind so komische Zeichen um den Display!"
„Was machen denn die Knöpfe, kann man das anmachen?"
Ein plötzlicher, greller Blitz raubte beiden die Sicht.
Sora blinzelte. Sie lag flach auf dem Rücken, über sich sah sie die Blätter von Bäumen.
„Was…?"
Verwundert rappelte sich auf und setzte sich auf den Boden. Wie ist sie hierhergekommen? Ist sie hierher gelaufen und dann ohnmächtig geworden? Oder verschleppt worden? Was ist gestern passiert? Sie war in ihrer Stammkneipe mit ihren Sportkollegen, sie hat sich draußen mit Matt unterhalten…
Bis diese seltsamen Sportuhren vom Himmel gefallen sind, und dieser grelle Blitz!
„Geht es dir gut?"
Sora fuhr zusammen und drehte sich um. Vor ihr saß ein großer, rosafarbener Vogel und starrte sie an. Sora blinzelte kräftig.
„Du bist Sora, richtig?" piepste der rosa Vogel. Sora starrte es weiter an. Hatte sie gestern zu viel getrunken? Normalerweise kann sie sich immer gut beherrschen; vielleicht hat ihr jemand Drogen untergejubelt?
„Ich bin Biyomon, und ich bin so froh, dass du endlich da bist! Willkommen in der Digiwelt! Ich habe schon so lange auf dich gewartet! Warum sagst du denn nichts? Geht es dir gut?"
„Das… weiß ich nicht…" murmelte Sora und starrte den Vogel weiter an.
„Du bist bestimmt nur überrascht, hier zu sein, aber keine Angst, es ist alles in Ordnung!"
„Wo bin ich?"
„Na, du bist in der Digiwelt! Und ich bin dein Digimon-Partner! Endlich! Ich habe so lange darauf gewartet!"
„Digimon? Wie, du hast auf mich gewartet?"
„Sora?" rief eine männliche Stimme hinter ihnen. Sora und Biyomon drehten sich um.
Matt kletterte über einige Büsche, ihm folgte ein gestreifter, dinoartiger Hund mit einem großen Horn auf dem Kopf.
„Sora! Bin ich froh dich zu sehen, was ist das hier?"
„Was ist das?" fragte Sora erschrocken.
„Ähm, es sagt, es heißt Gabumon, wir wären hier in der Digiwelt und es wäre mein Partner!" sagte Matt schulterzuckend.
„Du sagst das so, als wär das was Normales…" murmelte Sora und beäugte Biyomon.
„Naja, es wird schon seine Richtigkeit haben", sagte Matt und ließ sich neben Sora nieder.
„Hi, Gabumon!" grüßte Biyomon begeistert. „Ist er das? Der ist ja schnuckelig!" Biyomon zwinkerte Sora zu. Sora wurde etwas rot: „Ähm, kann sein…"
„Ist das deins?" fragte Matt und zeigte auf Biyomon.
„Hallo, ich bin Biyomon, und ich bin Soras Digimon-Partner!"
Sora und Matt sahen sich etwas verdutzt an. „Ja, aber was genau ist das hier?"
„Ihr seid in der Digiwelt! In letzter Zeit sind ziemlich böse Dinge hier passiert, Zahnräder fliegen umher und machen gutartige Digimon zu bösartigen Digimon. Ihr wurdet in die Digiwelt geholt, um uns zu helfen! Es gibt hier öfters Menschen wie euch, die hier ihre Digimon treffen und gegen das Böse kämpfen, " erklärte Gabumon.
„Es gibt hier noch andere Menschen? Warum können die das nicht übernehmen? Warum müssen wir hier sein?"
„Naja, es passieren recht viele Dinge - die anderen sind nun mal damit beschäftigt, und ihr sollt uns bei den schwarzen Zahnrädern helfen!"
„Aber wie sollen wir das denn machen? Ich habe keine Ahnung –" Sora sah nicht sehr glücklich aus. Biyomon sprang auf und nieder. „Eure DigiVices können uns bei Gefahr digitieren lassen. Dadurch werden wir stärker und können die Zahnräder entfernen und außerdem die Ursache dafür bekämpfen! Ich freu mich schon auf das Digitieren!" Biyomon und Gabumon tanzten eine Runde fröhlich umher. Sora und Matt sahen sich etwas skeptisch an. „Komm, wir sehen nach, wie wir hier wegkommen, mir gefällt es in dem Wald nicht besonders…" sagte Matt und stand auf. Sora blieb sitzen.
„Was meinte Biyomon mit kämpfen? Ich will nicht kämpfen!"
„Aber du musst doch gar nicht kämpfen, du musst mir nur helfen zu digitieren! Ich kann dann schon selbst ganz gut angreifen!" lachte Biyomon.
Matt hielt Sora die Hand hin und half ihr hoch. „Und wo sollen wir hingehen?" fragte sie. Matt sah sich um.
„Naja, ich habe keine Ahnung, ich denke mal… wir gehen da lang!" Matt deutete in eine zufällige Richtung und ging sofort los. Sora rannte ihm hinterher. „Aber warum denn?"
„Wo willst du denn hin? Willst du lieber hier bleiben?"
„Ja, hier sieht es sicher aus und ich weiß, wo ich bin!" murmelte Sora und setzte sich wieder auf den Boden. Matt schüttelte den Kopf. „Also, ich gehe jetzt und sehe nach, wo wir sind." Mit Gabumon im Schlepptau marschierte er los. Sora gab nach, sprang auf und lief ihm hinter her.
Eine Weile gingen sie durch den Wald, dann lichteten sich die Bäume und sie sahen hinunter auf einen breiten Sandstrand. Matt lachte.
„Schau mal, wir können eine Strand-Party machen!" jubelte er und lief den Hügel hinunter. Sora blickte auf das Meer.
„Sind wir etwa auf einer Insel?" fragte sie Gabumon. Der nickte.
„Hey, hier ist ein Strandhäuschen!" rief Matt ihnen vom Strand aus zu. Sora, Biyomon und Gabumon liefen zu ihm. Und tatsächlich: mitten auf dem einsamen Strand war fein säuberlich ein kleines Holzhäuschen aufgebaut.
„Wer hat das hier hin gebaut?" fragte Sora und ging hinein.
Drinnen war es gemütlich. Es gab gepolsterte Sitzbänke und einen Tisch. Matt legte sich sofort auf eine der Bänke. „Hmm, gemütlich!" bemerkte er. „Wie wäre das hier als unser neues Zuhause? Wir können im Meer Fische angeln und hier schlafen!"
Sora sah sich um. „Wo ist denn das Badezimmer?"
Matt lachte. „Ach, dafür kannst du doch am Strand hinter die Felsen gehen! Und waschen kannst du dich im Meer. Alles kein Problem!"
Abends saßen Matt und Sora am Strand und sahen sich den Sonnenuntergang an.
„Was hältst du davon?" fragte Sora.
„Ich weiß es nicht… Ehrlich gesagt glaube ich es noch nicht so richtig. Und dass wir mit einem Schlag so weit weg von Zuhause sind…"
„Warum glaubst du, sind ausgerechnet wir hierher geholt worden?"
„Das kann ich mir nun wirklich nicht erklären", sagte Matt kopfschüttelnd und legte sich in den Sand. Aber ich bin froh, dass du dabei bist, dachte er. Sora ist eine sehr angenehme Begleitung, sie war bis jetzt noch gar nicht quengelig… und hübsch ist sie außerdem…
Ach was soll das, sie sind immer nur gute Freunde gewesen und sie hat noch nie auch nur die kleinsten Anzeichen gemacht, dass sie sich für ihn interessierte… und momentan, in dieser merkwürdigen Situation, würde es sie bestimmt nerven, wenn er sie jetzt an flirtet…
Matt sah sie heimlich von der Seite an. Ja, hübsch ist sie wirklich…
„Ich bin müde, ich denke ich lege mich jetzt schlafen. Kommst du mit?" fragte Sora und stand auf. Matt blieb liegen.
„Ich bleibe noch etwas hier, geh du mit Biyomon schon mal vor."
„Okay, Gute Nacht!"
„Gute Nacht!"
Matt sah hinauf in den Himmel. Der Himmel war fast vollständig von Wolken bedeckt, man sah keine Sterne. Wo genau waren sie? Waren sie in einer Art Parallelwelt? Oder waren sie tatsächlich auf einem ganz anderen Planeten gelandet?
Und warum waren ausgerechnet er und Sora hier gelandet? War das nur Zufall? Oder verband sie doch etwas? So oder so, er war sehr aufgeregt darüber; in ihrer Gegenwart hatte er sich noch nie so richtig entspannen können, sie war zwar sehr nett und sympathisch und hübsch, aber er war immer sehr nervös, wenn sie bei ihm war. Sie war so perfekt, viele standen auf sie, sie könnte jeden Jungen haben, den sie wollte, wie könnte ausgerechnet er ihr jemals imponieren?
Sora legte sich auf die Holzbank. Sie war zwar gepolstert, dennoch war sie nicht sehr bequem.
„Ich hab schon besser geschlafen, das kann ich dir jetzt schon sagen!" ächzte sie und versuchte, eine gute Schlafposition zu finden. Biyomon schloss die Tür, wodurch es augenblicklich dunkel wurde.
„Sei froh, dass du nicht im Sand schlafen musst!" erwiderte Biyomon. „Und jetzt erzähl mir mal ein wenig von Matt. Woher kennt ihr euch?"
„Warum willst du so viel von ihm wissen? Wir gehen zusammen zum Sportkurs und haben nicht viel miteinander zu tun, aber wenn wir miteinander reden, kommt er mir sehr nett vor."
„Ahaaaaa?" gab Biyomon darauf als Antwort. Sora verdrehte in der Dunkelheit die Augen.
„Aber an mehr habe ich nie gedacht, naja er ist etwas älter als ich und viel cooler, hat mehr Freunde, kommt mir sehr intelligent vor, und neben ihm fühle ich mich immer wie ein doofes, kleines Mädchen…"
Biyomon schwieg.
„Klingt das etwa, als würde ich auf ihn stehen?" fragte Sora sarkastisch.
„Ja", war die prompte Antwort.
„Vergiss es. Matt steht nicht auf doofe, kleine Mädchen."
Einen Moment später ging die Tür auf und Matt kam leise herein. Sora blieb still liegen und tat, als würde sie schlafen.
Am nächsten Morgen öffnete Matt verschlafen die Augen - er lag immer noch in der Hütte.
Er fluchte innerlich, er hatte so gehofft, dass das nur ein Traum gewesen ist! Beim Umsehen entdeckte er Sora, die auf der Bank lag und schlief.
Hoffentlich träumte sie etwas Schönes, dachte Matt und beobachtete sie, bis sie aufwachte.
„Ohje, sind wir immer noch hier?" murmelte sie irgendwann verschlafen und sah sich frustriert um.
„Ich habe auch gehofft, ich würde zuhause wieder aufwachen…" gab Matt zu und stand auf.
„Was haben wir heute vor?" fragte Sora und stand ebenfalls auf.
„Erst mal rausfinden, was wir hier zu tun haben, auch wenn ich nicht weiß, wie wir das rauskriegen sollen…" gähnte Matt und streckte sich.
Ein lauter Krach ließ beide aufschrecken.
„Was war das?" rief Matt und rannte raus. Dort verschlug es ihm die Sprache.
Ein riesiges, rosafarbenes Monster mit einer großen Muschel auf dem Rücken hämmerte auf ihre Hütte ein.
„Sora! Komm da raus!" rief er panisch. Sora kam aus der Hütte, und zusammen rannten sie davon.
„Hier, hinter den Felsen!" Matt schubste Sora regelrecht hinter einen großen Felsen und stolperte selbst hinterher.
„Und jetzt? Wo sind Biyomon und Gabumon?"
„Ich weiß nicht…" murmelte Matt und spähte über den Felsen. Das Muschel-Monster befand sich mitten in einem brutalen Kampf mit einem großen Hund und einem phönixartigen Vogel, die das Monster mit gewaltigen Feuerbällen und –strahlen angriffen. „Wo sind Biyomon und Gabumon?"
„Ich habe Angst, Matt!", jammerte Sora und kauerte sich fest zusammen.
„Du brauchst keine Angst zu haben, hier kann uns nichts passieren", versuchte er sie zu beruhigen und legte einen Arm um sie. Wenn er sie so festhielt, fühlte er sich irgendwie sehr stark und männlich.
„Es ist vorbei, ihr braucht euch nicht mehr zu verstecken!" piepste eine Stimme hinter ihnen.
„Biyomon! Wo seid ihr gewesen?" jubelte Sora und sprang auf. Und tatsächlich: Die drei riesigen Monster waren inzwischen verschwunden.
„Wir konnten dank euch digitieren und Shellmon verscheuchen!" erklärte Gabumon.
„Heißt das, dieser riesige Hund und der Vogel ward ihr?" staunte Matt.
„Ja, nicht schlecht, oder? Ohne euch und eure DigiVices hätte das nicht geklappt!" lachten Biyomon und Gabumon, fassten sich an den Händen und tanzten fröhlich herum.
„Wie süß ihr immer tanzt, wenn ihr euch freut!" lachte Sora. Biyomon und Gabumon hörten auf zu tanzen, ließen sich aber nicht los, und sahen ihre beiden Partner an.
Sora und Matt blickten auf die gefassten Händchen ihrer Digimon und warfen sich gegenseitig einen Blick zu.
„Seid… ihr eigentlich ein Pärchen?" fragte Matt nach einigem Zögern.
„Na klar, ist euch das jetzt erst aufgefallen?" lachte Biyomon und drückte Gabumon seinen Schnabel in die Backe.
Matt sah Sora an, doch als sich ihre Blicke trafen, erröteten sie beide und sahen schnell wieder weg.
Seltsam, mit Digimon-Partnern herumzulaufen, die selbst ein Pärchen waren.
