Alles war anders. Fremder nicht unbedingt, obwohl Chase sich bisweilen fühlte, als sei er irgendwo gelandet, wo er nicht hingehörte. Oder wie ein herumstotternder Schauspieler, der im Delirium seinen Text vergessen hatte, sich nicht zurechtfand ohne Greg, den er immer in seiner Nähe benötigte, um nicht den Verstand und nicht nur sinnbildlich die Balance zu verlieren.
An ihn und gewisse Ereignisse konnte er sich entsinnen. Er wusste, dass er ihn während seiner rätselhaften mentalen Abwesenheit um sich, seine nasale und manchmal brummige Stimme im Ohr gehabt hatte, die er so gerne hörte und die ihm mehr bedeutete als ein Wohlgefühl von mütterlicher Geborgenheit. Das war eigenartig, denn er strahlte alles andere als Fürsorge oder Warmherzigkeit aus, und man hatte ihm erzählt, dass House als notorischer Eigenbrötler einzig zu dem gutmütigen Chefonkologen Dr. James Wilson Kontakt gepflegt hatte, ehe er – Chase – in sein Leben getreten war. Trotzdem erkannte er, dass er beides im Übermaß für ihn besaß. Sein Lebensgefährte. Sein Liebhaber. Das klang irgendwie beinahe obszön. Schließlich waren sie beide Männer, und House mindestens zwanzig Jahre älter.
Dennoch. Er war schön trotz oder gerade aufgrund der unauslöschlichen Melancholie, die ihn selbst während seiner rüden Scherze umgab, von denen er im Krankenhaus einige vom Stapel gelassen hatte, und erstaunlich athletisch für einen Mann Ende Vierzig, der zudem auf einen Gehstock angewiesen war. Sein im Fahrtwind der heruntergekurbelten Scheibe flatternder Hemdkragen stand offen und entblößte gebräunte Haut; die Kreuzung der Kopfhaltermuskeln vertiefte sich, als er ihm lächelnd das Gesicht zuwandte.
Er trug einen Stoppelbart, und Chase meinte sich zu entsinnen, dass er ihn selten ohne gesehen hatte. Dem Bild eines seriösen Diagnostikers entsprach er in keiner Weise. Dass er unangepasst und rebellisch seine Überzeugungen durchsetzte, brachte ihm den Ruf eines Sturkopfes und dennoch brillanten Arztes ein. Mit seinen unkonventionellen Methoden hatte er auch ihn gerettet, mehrmals, das behauptete jedenfalls Dr. Wilson, und er hatte keinen Grund gehabt, dessen Worte anzuzweifeln, als er in die braunen, mitfühlenden Augen geblickt hatte. Hätte House ihn nicht zu seinem Geliebten gemacht, wäre er ihm zumindest auf Lebenszeit zu Dank verpflichtet. Und so, wie es jetzt war, schien es gut zu sein für sie beide.
Er mochte sein Lächeln und seine Augen, groß und von einem durchdringend klaren, hellen Blau, mit einem schwarzen Rand um die Iris, die in der dunklen Haut stechend wirkten und ihn nun zugetan und leicht spöttisch und wissend musterten.
„Alles okay?" Aufmunternd wühlte er sein Haar gegen den Strich und schüttelte über irgendetwas amüsiert den Kopf, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. Um seine Augen bildete sich ein Netz aus Falten, von denen sich eine wie eine Narbe hinunter zur Wange zog und dort in ein mildes, lausbübisch anmutendes Grübchen überging. Merkwürdigerweise sandte es etwas Tröstliches aus, genauso wie die unverwechselbare Stimme, an die er sich in aller Deutlichkeit erinnerte. Mehr als an das markante Gesicht. „Denken Sie schon an die vielen schmutzigen Dinge, die Sie mit mir machen können, wenn wir zuhause sind? Ihre Pupillen sind ganz starr."
Plötzlich wurde seine Kehle eng, und er konnte ein Erröten nicht verhindern, bevor er sich eine Retourkutsche zurechtlegte, die ziemlich gewagt war. „Machen Sie die nicht mit mir? Schmutzige Dinge?"
Er lachte tief und tatsächlich fröhlich auf. „Seit ein paar Wochen nicht mehr."
Es tat gut, sein Lachen zu hören. Er wusste nicht genau, wie viel aus seinem früheren Leben noch da war, aber House gehörte definitiv dazu. Was ihn seltsam beruhigte. Er war nicht allein in seinem Chaos der transienten globalen und gelegentlich auch sensomotorischen Amnesie. Er hatte einen verständnisvollen Partner. Nicht im herkömmlichen Sinn, aber es war ihm erstaunlich gleichgültig. Oder sogar wichtig. Und die Dinge, die er gerade andeutete, schienen irgendwie beinahe natürlich, da sie schon so lange zusammen wohnten.
Schämen musste er sich nicht vor House. Vor einer Frau hätte er es wahrscheinlich getan und wäre aus Angst, sich zu blamieren, über die Schnürsenkel gestolpert, die er nicht mehr binden konnte, weil er schlicht vergessen hatte, wie man sie zu Schleifen legte. Die einfachsten Handgriffe wollten ihm kaum und nur mit Mühe gelingen, aber wenn er schnaufend vor Anstrengung und Ärger über seine Unfähigkeit kapitulierte, war House da und half bereitwillig und wortlos, ohne einen Tadel auf den Lippen.
Während der Zeit, in der Chase wach gewesen war, hatte er offen über sich geredet an seinem Krankenbett; vielleicht mehr als während ihrer gesamten Beziehung, die – wie er erstaunt zur Kenntnis genommen hatte – bereits über anderthalb Jahre andauerte. Seit November letzten Jahres mit allen Konsequenzen. Zuvor war der neben ihm im Wagen sitzende hünenhafte, hagere Mann hauptsächlich sein Boss in der diagnostischen Abteilung des Princeton Plainsboro Teaching Hospitals gewesen.
Das Wissen, das er sich als Intensivist und Fellowstudent erworben hatte, war noch abrufbar. Es war eine ungeheuere Erleichterung, dass er offenbar wenigstens seine Intelligenz behalten hatte. Natürlich hatte man ihn bis auf weiteres beurlaubt, doch es bestand immerhin Hoffnung, nach vollständiger Genesung wieder dort arbeiten zu können. Dr. Lisa Cuddy, die Klinkchefin, hatte versprochen, seinen Platz freizuhalten, weil auch House als sein unmittelbarer Vorgesetzter ihn nicht gehen lassen wollte. Dennoch machte ihm der Gedanke ein bisschen Angst.
Seine Teamkollegen, ein ebenso stoischer wie massiger Afroamerikaner namens Eric Foreman und die House gegenüber etwas schnippische agierende, aber erstaunlich besorgt wirkende Immunologin Allison Cameron sollten einen Wiedererkennungseffekt auslösen, auf den er vergeblich wartete. Mit geröteten Augen hatte sie sich ihm an den Hals geworfen und betont, dass sie einmal mehr verbunden hatte als Kollegialität, doch falls es so war, hatte sein Gehirn diese Zeit ausgeblendet. Er fand, dass das kein gutes Zeichen war, wenngleich Foreman glaubte, dass die Amnesie temporär war und er lediglich Geduld brauchte, um sich an alles zu erinnern. Als würde sich nach genügend verstrichener Zeit ein Chip im Hippocampus aktivieren. Wenn es nur so wäre.
House hatte ihm geduldig erklärt, was geschehen war, seine sich oft wiederholenden Fragen beantwortet und ihm gesagt, dass er ihn nie mit einem so hinreißenden Akzent hatte reden hören, den er in den Staaten anscheinend zu dämpfen gelernt hatte. Vor siebenundzwanzig Jahren war er in Melbourne, Australien geboren worden. Selbst das hatte man ihm sagen müssen. Gott allein wusste, was man ihm bisher aus Rücksicht auf seine derzeitige Gemütslage verschwiegen hatte. Er konnte nicht fassen, wie man über acht Wochen mit einem Hirnödem überleben konnte, das erst House entdeckt hatte. Vielleicht war er doch das Glückskind, als das Foreman ihn salopp bezeichnet hatte, nachdem er die erste Nachuntersuchung beendet und keine weiteren Blutungen festgestellt hatte.
Beklemmung bekämpfend strich er über die noch erhabene Operationsnarbe der Trepanation und wagte einen Blick in den Außenrückspiegel. Sein Haar hatte an dieser Stelle rasiert werden müssen und war jetzt kürzer als vorher, wenngleich es nicht auf eine Länge gestutzt war. House hatte interveniert. Es schien ihm wichtig zu sein, sein Haar, denn er spielte gern damit. Während des Klinikaufenthalts hatte er es häufig getan, wenn Chase sich schlafend gestellt hatte. Als aufmerksamem Mediziner musste House seine Täuschung aufgefallen sein, doch er sprach ihn nie darauf an.
Er sah brav aus. Verletzlich und durcheinander. Und viel jünger, als er eigentlich war. Es würde ihn nicht überraschen, wenn man ihm von jetzt an keinen Wein im Supermarkt verkaufen wollte, sofern er sich nicht ausweisen konnte. Den Ausweis hatte er genau studiert.
Als könne er Gedanken lesen, fasste House hinüber und bewegte tröstend sein Knie hin und her. Es stimmte, was er ihm stundenlang erklärt hatte, und es war in Ordnung, obwohl er es lange nicht wahrhaben wollte. Langgliedrig, sensibel und selbstverständlich, fast Besitz ergreifend blieb seine Hand auf seinem Oberschenkel. Er spürte eine kleine Welle der Erregung durch sich gehen und schnaubte kurz, als er daran dachte, wo diese Finger in der Vergangenheit überall an ihm gewesen sein mochten. Scham empfand er dennoch nicht.
„Ihr Haar wächst wieder. Jeden Tag um einen Millimeter und eine Erinnerung."
Das auftauchende Haus am Ende der Straße weckte eine. Eine Erinnerung. Dumpf nur, aber er rutschte aufgeregt auf dem Sitz hin und her, als der Wagen davor parkte. Über der Tür hatte jemand – bestimmt nicht House, aber wer wohl sonst? – ein Transparent aufgehängt. Ermutigend war es trotzdem. Irgendjemand hatte sich bemüht.
Willkommen daheim.
Seine Augen begannen zu brennen, und er fuhr kurz und energisch darüber, während er an einem Kloß im Hals würgte, dem zweiten an diesem Tag. House schnallte ihn ab, bevor er Miene machte, sich mitsamt dem Gurt erheben zu wollen (er verstand die einfachsten Vorgänge nicht mehr, was ihn mitunter an den Rand der Verzweiflung brachte).
Still wartete er, bis House sein Gepäck vom Rücksitz gewuchtet hatte. Eigentlich sollte er es ihm abnehmen, aber er konzentrierte sich zu sehr auf das Reihenhaus mit der grün gestrichenen Tür, um über gebotene Höflichkeit gegenüber körperlich Eingeschränkten nachzudenken. Außerdem fiel ihm die Beeinträchtigung gar nicht so sehr auf. Gestört hatte sie ihn offenbar nie. Nicht dass sie es jetzt tat.
„Daran erinnere ich mich", rief er, vor Aufregung atemlos.
House schulterte die Tasche fester, um nach dem Schlüssel zu angeln, wobei er geflissentlich den Willkommensgruß totschwieg. Da er nichts sagte, schwieg Chase ebenfalls, obwohl er ihm gerne erklärt hätte, wie sehr ihn das kleine Plakat rührte.
„Es wäre eine Schande, wenn Sie es nicht täten. Ich hatte vor, mit Ihnen umzuziehen. Das Ticket zur Jugendstilvilla im Snobviertel war schon gebucht, aber Sie wollten partout in unserer Räuberhöhle bleiben. Das war mir dann auch ganz recht. Ich wohne seit über zehn Jahren hier. Wir haben es nicht so sehr mit Veränderungen."
Seinetwegen hätte er sie auf sich genommen.
oOo
Das Apartment war klein. Es war schwer zu glauben, dass zwei Personen darin wohnen konnten, ohne sich gegenseitig auf die Nerven zu fallen. Trotzdem fühlte er sich sofort daheim und meinte sogar, sich zu entsinnen, wo die einzelnen Zimmer lagen, die Küche, das Bad.
Aufgeregt durchstöberte er die Räumlichkeiten. Ein Gästezimmer gab es nicht, dafür einen imposanten, schwarz glänzenden Flügel und zwei Gitarren und Verstärkerzubehör in der Nische gegenüber dem Eingang. Manchmal hatte House für ihn gespielt; er konnte ihn vor seinem inneren Auge sehen, wie er eine schmissige Melodie klimperte und sie mit einem anstößigen Text untermalte. Vielleicht hatte er seinen Musikgeschmack mit ihm geteilt.
Er wusste nicht mehr Bescheid über seine Vorlieben, was ihm gefallen, was er verabscheut hatte. Sicher besaß er einen sonderbaren Geschmack – wie sonst wäre er darauf eingegangen, mit seinem offenkundig nicht einfachen Chef eine Wohngemeinschaft zu gründen, die in ein eheähnliches Verhältnis mündete?
„Wie bin ich gewesen?" fragte er unsicher, während er zu einem Aquarium stolperte, das ihm neu vorkam. Die motorischen Störungen waren ärger geworden seit der Schädelöffnung, aber House hielt es für verfrüht, ihn auf antikonvulsivische Medikamente einzustellen, wofür Chase ihm dankbar war.
„Wild."
„Und davor?"
„Schüchtern. Die Kombination hat mich tierisch angemacht."
Er sprach kein Wort zuviel. Wahrscheinlich wollte er ihm Zeit geben, sich an die Wohnung zu gewöhnen. Auf rührende Weise war das sehr aufmerksam. Eifrig schaute er den zwei Goldfischen zu; einer schien verunstaltet; aus seinem Kopf sprießte ein Auswuchs, der sich halb über seine Augen legte, und wie um sein Manko auszugleichen, schwebte der andere mit prächtig wehenden Schleierflossen um ihn herum. Aber wenn er genauer darüber nachdachte, fand er den anderen interessanter. Die Deformierung machte einen Charakter aus ihm.
„Greg und Robert", stellte House vor und sich selbst hinter ihn, so dass sie sich in der Scheibe des Glases spiegelten. Als seine Hände sich leicht auf seine Hüftknochen legten, zuckte er zusammen, doch die Hände – schmale Pianistenhände – blieben dort, wo sie waren, strichen beiläufig über die Lenden, ohne etwas zu fordern. Einen Moment lang musste er die Augen schließen, als es in seinem Magen zu kitzeln begann. Nähe war etwas, das er nicht gern zuließ. Von klein auf schien man ihn in dieser Hinsicht wenig verwöhnt zu haben. Dennoch waren House' Berührungen viel zu erregend, um sie als selbstverständlich zu betrachten oder zu ignorieren. „Zweimal dürfen Sie raten, wer welcher ist."
„Ich hatte einen Goldfisch als Kind", erwiderte er und pustete sich eine Strähne aus dem erhitzten Gesicht, froh, dass ihm das einfiel. „In einem Glas. Hab ich Ihnen davon erzählt? Aber er war nicht so schön wie diese beiden. Ich habe-... habe -" Nach einem angestrengten Stirnrunzeln fand er das, wonach er gesucht hatte. „ – ihn im Meer freigelassen. Das war dumm."
„Zwei Millimeter", resümierte der Ältere befriedigt. „Sie haben ihnen lieber zugeschaut als General Hospital und Star Trek."
Plötzlich wandte er sich um, drückte sich in einer Mischung aus Begierde und Verblüffung gegen House' Brust. Muskulös war sie und hart und erstaunlich weich zugleich und stark. Wie Heimat. Wie Erde. Und sie roch aufreizend nach ungewaschener Baumwolle, nach Laub und Moos. Gierig sog er den virilen Duft in die Nasenflügel, der unter dem lässig aufgeknöpften Kragen steckte, in den Schlüsselbeinen, auf der sehnigen Haut, unter der sich die auffällige Muskelpartie der Brust abzeichnete, als er sein Kinn zwischen die Hände nahm und es anhob. Der Blick in die durchdringenden Augen benebelte ihn, ließ ihn erneut um seine motorische Koordination fürchten, doch House hielt ihn sicher fest, um ihm einen kleinen Nasenstups zu verpassen.
„Es ist schön, Sie wiederzuhaben. Und das würde ich nicht zu jedem sagen."
Sein Herz schlug bis zum Hals, und er senkte die Lider, ehe er wagemutig einen weiteren Knopf öffnete, das harte, knochige Brustbein entblößte und die Brust, neben der sich weiter unten die Ansätze der ersten Rippen abzeichneten. Er war viel drahtiger, hagerer als er in Klamotten wirkte, und doch so stark und muskulös wie ein Sprinter. Schweiß glänzte in der Drosselgrube und lief in einer Rinne über die sichtbare Bauchlinie hinunter zur Jeans, aber er wagte sich nicht einzubilden, dass er hierfür verantwortlich war. Unwillkürlich fragte er sich, ob er ihn in der Vergangenheit so gut kennen gelernt hatte wie House ihn.
„Lieben Sie mich?"
„Auf der Stelle. Eigentlich hatte ich vorher ein Candlelight Dinner geplant. Mit Rotwein und Spaghetti. Die haben Sie am liebsten gegessen neben Chicken Tandoori und Chili."
Schwerer Atem fuhr in sein Haar, ließ ihn erzittern. Er bekam kaum Luft und wurde auf wunderbare Weise bedrängt, als der Größere ihn mit einer Kraft, die ihn eigentlich ängstigen sollte, unter den Pobacken anhob und ihn sachte herumwirbelte, fort vom Aquarium. Es war mitreißend und so herrlich, dass sich ein kleines Seufzen seiner Kehle entrang. House drückte die Lippen auf seine Stirn, streifte hinauf zum Haaransatz, während seine Finger jetzt über seine Taille hinauf zu den Rippen wanderten und jeden Zentimeter seiner Haut mit sanften Kreisen beglückten, ehe sie wieder auf den Hüftknochen verweilten. Sie sanft vor und zurück schoben und ihn allein dadurch erregten, dass er sich auf einmal wie geschmolzenes Wachs in seinen Händen fühlte. Ein erbarmungswürdiges Fiepen stieg aus seiner Kehle, während er wünschte, House würde die Schauer auf seinen Armen nicht bemerken, das heftige Schlagen seines Herzens. Aber das war Wunschdenken. Mittlerweile schien er ihn besser zu kennen als er sich selbst. Kein großes Kunststück in seiner momentanen Verfassung, sollte man meinen. Aber er wusste, dass House ihn genau erforscht hatte, nicht nur sein Äußeres. Keine seiner Fragen über sich selbst, seiner in den Tiefen seines Hirns verschütteten Geschichte, war unbeantwortet geblieben.
Er war fiebrig und heiß vor Aufregung, wie vorm ersten Mal. Um einen euphorischen Laut zu unterdrücken, biss sich er auf die Lippe und spürte jähe Röte in sein Gesicht schießen, als sein Blick den blauen einfing und das feine Lächeln zu deuten versuchte, das um die Mundwinkel spielte. Er hatte ein einprägsames, verstörend interessantes Gesicht, in dem er ihn lesen ließ und das jetzt etwas offenbarte, das ihn gleichermaßen belustigte und konsternierte. Flehend sah er zu ihm auf, legte die Arme um seinen Nacken und presste das Gesicht schutzsuchend an seine Schulter, die sich leicht zu bewegen begann, als er ihn in einen besinnlichen Tanz zog, das Kinn auf seinen Kopf gestützt. Behaglich schloss er die Augen, überließ sich der ihn umgebenden Dunkelheit zwischen House' Unterkiefer und Brust und der scharfen Würze, die nicht allein von ihm ausging und sich zu einem Aroma mischte, das ihn wie ein Freund begrüßte.
„Haben wir... oft miteinander getanzt?"
Angesichts House' Beeinträchtigung mutete das unwahrscheinlich an. Doch es war angenehm, geradezu bittersüß, wie er sich mit ihm wiegte, selbstvergessen, spielerisch, ohne ein bestimmtes Ziel und fast elegant den Flur entlang. Beinahe hätte er angefangen zu weinen vor Glück. Sie folgten keinen Regeln, aber die Nähe und Wärme seines Körpers, der seinen mit Leichtigkeit umstoßen konnte und ihn stattdessen sanft elektrisierte, seine wundervoll starken Arme, die ihn umfingen, ließen ihn nun doch vor Freude aufschluchzen. Himmel. Weshalb reagierte er auf ihn? Und warum fühlte er sich wie ein kleiner, unerfahrener Schuljunge, der er mit Sicherheit nicht mehr war?
„Flamenco über den Flur und Boogie Woogie im Schlafzimmer."
Er lachte ein bisschen nervös, während er die Finger in House' Bizeps krallte, die unter seine Ärmel gekrabbelt waren, um ihn besser zu spüren, ihm etwas zurückzugeben. Verrückt. Was hatte er nur angestellt? War er die ganze Zeit auf Drogen? Oder nahm er ihn tatsächlich auf den Arm? Vermutlich nicht, denn er war ehrlich zu ihm gewesen. Schmerzhaft ehrlich in der letzten Woche. Warum wollte er diesen Mann? Soweit er wusste, hatte ihn das eigene Geschlecht zuvor kalt gelassen. House indessen löste einen Schwelbrand in ihm aus, ganz ohne Mühe oder Absicht, nur durch seine rücksichtsvollen Berührungen und seiner Stimme.
Eindeutige Aufwallungen, die er nicht in den Griff bekam und die allmählich ein wenig beängstigend unterhalb seiner Gürtellinie pochten, ließen ihn ein Stück zurückzucken.
Behutsam holte House ihn wieder näher zu sich, fasste in sein Nackenhaar und bog ihm sacht den Kopf zurück. Es gab keine Möglichkeit, ihm standzuhalten, und er rieb aufgebracht das Becken an ihn, gestattete ihm, beinahe feierlich über jeden Wirbel seines Rückgrat zu tasten (Oh, das war gut!), bevor House ihm das viel zu große T-Shirt auszog und ein ergreifend schüchterner Kuss auf seinem Hals landete, seine Lippen bedacht daran saugten ohne die Haut einzuklemmen. Leise stöhnte er auf und spürte die Kontrolle nach und nach schwinden, während er seinen Unterleib dem Größeren willig entgegen wölbte und doch nicht steuerte, was sein Körper tat. Er war wie in einem Rausch, der sich mit jeder Berührung, jedem Ertasten steigerte.
Seine Hände griffen sehnsüchtig nach ihm, streichelten über Gesäß und Rücken hinauf zu den Schultern, um ihm das Hemd zu entfernen, das achtlos auf den Boden fiel. Die Haut fühlte sich weicher an als sie aussah, und er merkte, dass ihn die Entdeckung weniger verblüffte als sie es hätte tun sollen, wenn House ihn angeflunkert hätte. Einen Moment überwältigten ihn die eigene Courage und der Anblick des Mannes vor ihm, seine viel sagend schalkhaft blitzenden Augen, und er rückte wiederholt mit einem leichten Schwindelgefühl von ihm ab, ohne ihn loszulassen. Aber House wollte ihn, drückte ihn an sich. Seine Haut kühlte und erhitzte ihn. Mutiger werdend verschränkte er die Hände hinter seinem nackten Kreuz. Es war, als würde er von den sich ruhig bewegenden, fühlbaren Muskeln auf Wellen fort getragen werden zu einem geheimen, paradiesischen Ort, wenn er es nur zuließ, sich ihren Bewegungen anpasste. Es war nicht fremd. Dieses Bewusstsein wühlte ihn auf.
Er zögerte nicht lange, sich auf ihn einzulassen. Die Wange an seiner Brust, die Augen genießerisch geschlossen, folgte er den langsamen, unregelmäßig schaukelnden Schritten. Der ständig sich wiederholende Rhythmus lullte ihn ein. Wunderschön. Seinetwegen konnte es ewig so weitergehen. Über sich hörte er die jetzt tiefere, brummelnde Stimme, die ihm eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagte. Er hakte die Finger in die Gürtelschlaufen, ließ sie dann über den Hosenbund gleiten in der Absicht, die Schließe zu öffnen. House' Mund befand sich nahe an seinem Ohr, in das er jetzt hineinflüsterte, wobei seine Lippen die Ohrmuschel streiften. Er erschauderte unter einer jähen Anwandlung von Verzückung und dachte, dass er Vergleichbares mit keinem anderen je geteilt hatte.
„Ist es in Ordnung? Ich weiß, dass Sie mich etwas anderes fragen wollten. Die Antwort lautet in jedem Fall ja. Sex ohne Liebe gibt es für mich nicht mehr. Das ist für Waschlappen oder Anfänger. Apropos Anfänger. – Sie haben es vergessen, oder?"
Ein enttäuschter Unterton, den er vergeblich zu bemänteln versuchte, schwang in der Frage mit.
„Ich... weiß nicht", murmelte er mit immer noch geschlossenen Augen, um seinen unmittelbaren Kontakt nachdrücklicher zu erleben. So ungemein vertraut ihm das Spiel der warmen, gut definierten Muskeln an seiner Haut, House und sein maskulines Aroma und seine noch umsichtige Zärtlichkeit vorkamen – was er andeutete, konnte er sich nicht wirklich vorstellen. Wenngleich alles dafür sprach, dass er nichts dagegen gehabt hatte.
Verwirrend anziehend war es, ihn an sich zu fühlen, seine überlegten Bewegungen, mit denen er ihn ohne Hast über den Flur dirigierte, ihn dabei hielt wie etwas, das unter der geringsten Grobheit zu zerbrechen drohte. Nervös fuhr sich Chase mit der Zunge über die Lippen.
„Ich will mich erinnern... es gut machen."
Die leichte Berührung von House' Lippen mit seinen ließ ihn sich intuitiv auf die Fußspitzen heben, während House' Hände unter den Saum seiner Hose glitten, den Gürtel lockerten und die Knopfleiste eroberten. Dann blieben sie unter seinem Po zwischen Jeans und Shorts, sorgten dafür, dass erstere über seine Beine und Knöchel rutschten. Immer wieder suchte er seinen Mund und ließ ihn kaum zu Atem kommen.
Wie im Traum stieg er aus den Hosenbeinen, jetzt nur noch in Boxers und den halbhohen Chucks und ohne den langsamen Blues zu unterbrechen, in den House ihn genötigt hatte. Einen Moment fröstelte er, und der Andere strich über seinen Nacken, hielt ihn umfasst und küsste ihn. Er schluchzte und verachtete sich dafür. Doch House schien zu ahnen, dass er es nicht aus Furcht vor ihm tat.
„Ich weiß. Sie sind gut, wenn Sie einfach Sie selbst sind."
„Wer bin ich denn?" Es klang verzweifelt, und er presste erneut das Gesicht an seinen Hals in der Absicht, die aufsteigenden Tränen zu verbergen. Er roch gut. Wie Heimat.
„Mein wildes Baby", antwortete House impulsiv in sein Haar. „Alles andere ist zweitrangig."
