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Burden
Eine Bürde, so schwarz wie die Nacht,
endlos wie die Tiefen der See.
Ein Gefühl der Verzweiflung,
kalt wie die Schwingen des Todes.
Eine Stille, die alles durchdringt.
Willkommen in meiner Welt...
-houseghost-
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Burden of impurity
Kapitel 1
Unterhaltung in den Kerkern
Als Hermine an diesem Abend die Treppen von ihrem Turm hinabstieg, um in die Kerker zu gelangen, hatte sie ein eigenartiges Gefühl.
Noch nie war ihr wohl dabei gewesen, alleine mit Snape in seinem Büro zu sitzen, wenn sie nachsitzen sollte, was glücklicherweise nicht allzu oft vorkam.
Je näher sie dabei dem gefürchteten Territorium der Slytherins kam, umso schlimmer wirkte sich ihre innere Unruhe aus. Ihre Hände schwitzten und ihr Herz pochte, als könnte hinter jeder Biegung oder Rüstung etwas Unheilvolles lauern. Dabei war es kalt hier unten und das Schloss mit Hilfe von Dumbledores Sicherheitsmaßnahmen gut gegen Eindringlinge gewappnet.
Insgesamt aber waren die Zeiten für die Schüler hart. Das schleichende Dahinschwinden der einstigen Unbefangenheit ging auf das Konto der Slytherins selbst. Sie schienen die Einzigen im Schloss zu sein, die sich daran erfreuten, Gerüchte zu verbreiten und anderen damit Angst einzujagen.
Es war schon längst kein wohlbehütetes Geheimnis mehr, dass die meisten Kinder der sogenannten reinblütigen Zauberer dazu genötigt wurden, sich von muggelgeborenen Klassenkameraden fernzuhalten, was die Kluft zwischen den einzelnen Lagern nur noch weiter auseinander trieb.
Mit jedem Schritt, den Hermine in Richtung von Snapes Büro tat, fühlte sie sich, als würden sich hunderte von Augenpaaren auf sie richten.
Eigentlich wusste sie ohnehin nicht, was sie hier zu suchen hatte, denn nachdem Slughorn in diesem Jahr Zaubertränke unterrichtete, war es ihr ein Rätsel, wie Snape dabei sein Büro in den Kerkern behalten konnte.
Gut, was den Grund für das Nachsitzen anging, so musste sie zugeben, dass es vielleicht nicht ganz unbegründet war, schließlich hatte sie Draco in aller Öffentlichkeit eine gescheuert, nachdem er sie wieder einmal Schlammblut genannt hatte. Aber es war schon ein sehr unglücklicher Zufall gewesen, dass Snape ausgerechnet in diesem Moment sein Klassenzimmer betreten musste, als ihre Hand auf Dracos Wange prallte...
Und trotzdem! Es war ungerecht, dass sie zum Nachsitzen verdonnert worden war, während der bevorzugte Liebling der Slytherins fein raus gewesen war.
Nun gut, so war es eben. Hermine musste einsehen, dass es keinen Sinn hatte, in der Gegenwart des zwiespältigen Lehrers aufzubegehren und so hatte sie die Bestrafung ohne weitere Gegenwehr hingenommen. Schließlich hatte auch sie irgendwo ihren Stolz.
Nach einer schieren Ewigkeit erreichte sie endlich ihr Ziel und klopfte an die Tür. Doch niemand antwortete und niemand öffnete.
„Professor?", fragte sie unsicher.
Nichts.
Am liebsten wäre sie wieder gegangen. Da sie die Sache aber nicht noch schlimmer machen wollte, blieb ihr kaum etwas anderes übrig, als sich ihrem Peiniger zu stellen.
Entmutigt seufzte Hermine und drückte die Klinke. Dann öffnete sie die Tür und trat ein.
Was sie sehen konnte, ließ sie erstarren. Das Licht in Snapes Büro stammte ausschließlich von Kerzen und zuerst erkannte sie die verruchte Gestalt ihres Lehrers, der mit schmerzverzerrter Mine hinter seinem Schreibtisch saß und den linken Arm vor sich liegen hatte, nur mit Mühe.
Der Ärmel seines schwarzen Fracks war aufgeknöpft und bis zum Ellenbogen zurückgeschlagen. Ein weißes, darüber aufgerolltes Hemd entblößte das Dunkle Mal auf seiner blassen, durchscheinenden Haut - eine voller Leben pulsierende Schlange, die aus dem Schädel zu kriechen schien.
Snape riss den Kopf nach oben und starrte Hermine mit zornigen Augen an.
„Granger!"
Sie zuckte zusammen, als ihr bewusst wurde, dass es jetzt kein Entkommen mehr gab.
„Sir?", fragte sie mit zittriger Stimme, ohne den Blick von der Schlange nehmen zu können.
Er zischte einige unverständliche Silben zwischen seinen zusammengepressten Kiefern hervor und nahm im Gegenzug blitzschnell seinen Arm vom Tisch.
„Was tun Sie hier?", bellte er unfreundlich.
Endlich hob Hermine den Blick. „Sir?"
Seine schwarzen Augen, die von etlichen ungepflegten Haarsträhnen umrahmt waren, bohrten sich erbarmungslos tief in ihre und für einen Moment lang hatte sie das Gefühl, er würde sie schlicht und ergreifend in der Mitte auseinandernehmen, indem er nichts weiter tat, als sie anzusehen.
Hermine schüttelte sich. Alleine die dunkle Furche zwischen seinen Brauen jagte ihr Angst ein.
„Ich – ich bin zum Nachsitzen hier, Sir", stammelte sie unbeholfen.
Seine Mundwinkel zuckten und ein Schnauben entfuhr ihm, das eindeutig von der unliebsamen Sorte war. Wie von Sinnen senkte er dann den Blick auf die Tischplatte und begann damit, einige der wüst angeordneten Papiere vor seiner Nase zu einem Haufen zusammenzupacken.
Hermine runzelte sprachlos die Stirn. Hätte sie es nicht besser gewusst, wäre sie der Meinung gewesen, er hätte sie in seinem Eifer glatt vergessen. Sein Schnauben jedoch verriet ihr nur zu deutlich, dass es ihm gar nicht passte, sich jetzt mit ihrer Gesellschaft abgeben zu müssen.
Während Snape sich damit begnügte, sie zu ignorieren, konnte Hermine immer wieder einen Blick auf seinen entblößten Arm werfen. Es war beunruhigend und faszinierend zugleich, wie sich die Schlange vor ihren Augen wand. Viel eigenartiger war es jedoch, dass Snape so neben der Spur zu sein schien, dass er sich gar nicht erst damit begnügt hatte, das Dunkle Mal vor ihr zu verbergen.
Konnte es tatsächlich sein, dass es ihm gleichgültig war? Immerhin wusste er, wie eng sie mit Harry befreundet war und so konnte er sich denken, dass sein kleines Geheimnis in ihrer Gegenwart längst keines mehr war.
Als er endlich damit fertig war, auf seinem Tisch Platz zu schaffen, hob er den Blick.
„Setzen, Granger."
Hermine schluckte. Der Ton in seiner Stimme gefiel ihr gar nicht. Dennoch blieb ihr nichts anderes übrig, als die Tür hinter sich zu schließen und auf seinen Tisch zuzusteuern. Mit klopfendem Herzen setzte sie sich gegenüber von ihm auf einen Stuhl und verschränkte die Beine übereinander. Ihre zittrigen Finger legte sie auf den Schoß, in der Hoffnung, er würde ihre Unruhe nicht bemerken.
Snape holte Luft und rieb sich mit seinen mit Tinte besudelten Fingern die Schläfen.
Hermine wusste einen Moment lang gar nicht, wo sie hinsehen sollte. Snape wirkte nicht wie er selbst, als er so nah vor ihr saß, dass sie seinen schweren Atem ausströmen hören konnte, der unverkennbar etwas Schmerzvolles in sich trug.
Als sie dann damit begann, sich mit der ungewöhnlichen Situation vertraut zu machen, bemerkte sie auch schon den Duft von Alkohol, der die kühle Luft des Kerkers durchzog und sie unbewusst die Nase rümpfen ließ.
Gemächlich legte er seine Hände auf dem Tisch ab und faltete die Finger ineinander. Dann trat Stille ein.
Warum Dumbledore so große Stücke auf diesen seltsamen Mann in seiner schwarzen Kleidung hielt, war Hermine ein Rätsel. Gut. Snape war ein außerordentlicher Lehrer. Seine Methoden jedoch waren alles andere als gewöhnlich. Vor allem, wenn man bedachte, dass der Schulleiter ihn im vergangenen Sommer im Hauptquartier des Phönix-Ordens als Mitglied bekräftigt hatte.
Hermine hatte nicht vergessen, wie überrascht sie gewesen war, als sie ihn dort gesehen hatte. Dennoch hatte sie versucht, ihm zu vertrauen. Jetzt, da sie sich so ungerecht behandelt fühlte, wurde sie aber den Gedanken nicht los, dass sie Snape nicht leiden konnte, ganz gleich, was auch immer er für Dumbledore oder den Orden tat.
„Sie wissen, weshalb Sie hier sind, Granger?", fragte er mit bemerkenswert eindringlicher Stimme, obwohl sich seine dünnen Lippen kaum bewegt hatten.
Hermine runzelte die Stirn.
„Soll das eine Fangfrage sein, Professor?", fragte sie vorsichtig.
Natürlich lag es ihr fern, ihn jetzt auch noch zu verärgern, wo er doch sowieso schon so neben sich wirkte. Etwas eigenartig kam es ihr aber trotzdem vor, dass er sie ausgerechnet das gefragt hatte.
Snapes Augen blitzten auf und die Furche zwischen seinen Brauen zuckte.
„Beantworten Sie einfach nur meine Frage", sagte er zynisch.
Auf Hermines Körper richteten sich die Härchen nach oben. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und setzte sich gerade auf.
„Weil ich mich zur Wehr gesetzt habe."
Snape hob eine seiner Brauen an. „Haben Sie das?"
Etwas durcheinander nickte sie. „Ja."
Er rollte mit den Augen. „Und Sie fanden es gerechtfertigt, in meinem Klassenzimmer einen Ihrer Mitschüler zu schlagen?"
Ihre Kinnlade sackte nach unten. „Nein. Für gewöhnlich natürlich nicht. Doch da Draco nicht irgendein Schüler ist, sondern einer, der muggelgeborene nicht respektiert, war es an der Zeit, ihn in seine Schranken zu weisen."
Wieder sauste eine seiner Brauen nach oben. „Tatsächlich?"
„Ja, Sir."
„Hmmm. Dann stehen Sie also zu Ihrer Tat?"
Hermine schluckte. Es hatte wohl keinen Sinn, ihm etwas vorzumachen.
„Ja, das tue ich. Draco braucht hin und wieder jemanden, der ihm Grenzen aufzeigt."
Snape presste die Kiefer aufeinander bis es knackte. Dann räusperte er sich und erhob sich galant von seinem Stuhl.
Beinahe lautlos, nur von einem sanften Rascheln seines langen Umhangs begleitet, stellte er sich vor das Fenster, faltete die Hände vor dem Bauch ineinander und starrte in die Dunkelheit hinaus.
Hermine folgte jeder seiner Bewegungen mit den Augen. Sie wusste, dass es in ihm arbeitete, obwohl er nach außen hin vollkommen ruhig wirkte. Was auch immer ihn zuvor so aufgeregt hatte, schien mittlerweile in den Tiefen seines Bewusstseins verschwunden zu sein, ganz so, wie er es immer tat, wenn er unter Menschen war.
„Ich fürchte, Sie lassen mir keine andere Wahl, als Sie bis auf Widerruf nachsitzen zu lassen, Miss Granger", verkündete er plötzlich.
Dann drehte er den Kopf in ihre Richtung und sah sie an.
„Ich hoffe, es wird Ihnen eine Lehre sein, so etwas nie wieder zu tun ..."
„Aber Professor", rief sie aufgebracht aus, noch ehe er zu Ende gesprochen hatte. „Er nannte mich Schlammblut!"
„Unterbrechen Sie mich nicht!", zischte er zurück und so klappte sie augenblicklich den Mund wieder zu. „Was Draco getan hat, mag Sie erregt haben. Dennoch müssen Sie einsehen, dass es Schülern nicht erlaubt ist, sich körperlich zur Wehr zu setzen."
„Aber ..."
Er funkelte sie an und sie verstummte wieder. „Es war Ihre Hand, die sich gegen ihn erhoben hat. Verstehen Sie, was das bedeutet?"
Wie vor den Kopf geschlagen nickte sie. Wenigstens in diesem Punkt hatte er Recht.
„Gut. Sie werden sich Mittwochs und Samstags in meinem Büro einfinden. Sollte ich unerwartet aus dem Schloss gerufen werden, schicke ich Ihnen eine Nachricht." Er ließ leise zischend die Mundwinkel zurück schnellen und entblößte seine Zähne. „Für heute ist es genug. Guten Abend, Miss Granger."
Mit diesen Worten fuhr er herum und rollte blitzschnell den Ärmel seines Hemds nach unten, noch ehe Hermine begriffen hatte, dass sie entlassen war.
Schwerfällig kam sie auf die Füße und sah ihm aus den Augenwinkeln dabei zu, wie er peinlich genau seine Kleidung in Ordnung brachte.
Obwohl sie wusste, dass der Moment, sich zurückzuziehen, gekommen war, stand sie wie angewurzelt vor seinem Schreibtisch und beobachtete ihn.
Es war noch nie ungestraft geblieben, wenn man Snape herausgefordert hatte. Heute Abend jedoch, als er so seltsam anders zu sein schien, hatte sie das Gefühl, dass es ihn nicht tangierte, dass sie immer noch hier war. Vielleicht bildete sie es sich aber auch nur ein und er war zu sehr damit beschäftigt, sich aus seinem Umhang zu schälen und einen neuen vom Haken zu nehmen, der Hermine stark an die Roben der Todesser erinnerte.
Wie um ihre Gedanken zu untermauern, schritt er forsch zu seinem Schreibtisch und zog eine Schublade auf.
Hermines Augen weiteten sich, als sie eine Maske erkannte, die schnell in einer tiefen Tasche seines Gewands verschwand. Eine Maske, wie sie auch die Todesser bei dem Vorfall im Zaubereiministerium getragen hatten, als Sirius getötet worden war.
„Wie lange möchten Sie mir noch zusehen, Granger?", fragte er plötzlich.
Ihr Herz schien stehen zu bleiben. Doch dann, als sie aufblickte, erkannte sie ein süffisantes Grinsen auf seinem Gesicht.
„E-Entschuldigung."
Er brummte ungeduldig vor sich hin und schritt auf den Kamin zu.
„Ich würde es begrüßen, wenn Sie die Tür von außen schließen könnten, Granger."
Hermine blinzelte ihn unbeholfen an und setzte sich in Bewegung. Warum es ihr so schwer fiel, einfach zu gehen, konnte sie sich nicht erklären. Vermutlich lag es daran, dass sie sich immer noch ungerecht behandelt fühlte und sich nicht kampflos damit abfinden wollte.
„Natürlich, Professor", antwortete sie steif.
Vor der Tür hielt sie noch einmal inne und warf ihm einen letzten Blick zu. Etwas an der Situation wirkte eigenartig. Hatte sie Mitleid mit ihm? Todesser gingen, soweit sie das sagen konnte, nicht zimperlich miteinander um. Außerdem war da noch Voldemort und Snape war immerhin ihr Professor...
Die Bedeutung seiner Handlungen an diesem Abend und die Worte dazu lösten etwas in ihrem Inneren aus, das sie sich nicht erklären konnte. Doch für einen Augenblick lang schien Snape nicht mehr derselbe, kalte Bastard zu sein, der er immer gewesen war.
Der Ausdruck auf seinem Gesicht hatte sich in den letzten Minuten verändert und damit auch die Gewichtigkeit der Aufgabe, die vor ihm lag. Vielleicht hatte Dumbledore doch einen Grund, um Snapes Rolle vor dem Orden zu bekräftigen. Einen Grund, den alle anderen nur nicht sehen konnten.
„Gute Nacht, Professor."
Ihre Worte kamen leise und nachdenklich über ihre Lippen, doch Snape schien es nicht zu kümmern. Genau konnte sie es nicht sagen, denn sein Gesicht wirkte unbeweglich und starr wie gewöhnlich.
Immerhin nickte er ihr zu und wartete, bis sie die Türklinke umfasst hatte. Erst dann drehte er sich um und verschwand mit aufgebauschter Robe in einer Wolke aus grünem Rauch.
